"Keine Erinnerung"
Onagawas Nachbarort Minami-Sanriku zählte einst 20 000 Einwohner. Mehr als die Hälfte von ihnen sind tot oder werden vermisst. Im verwüsteten Ortskern steht nur noch die Ruine des ehemaligen Zivilschutzzentrums einsam da. Das dreistöckige «Bosai Taisaku Chosha» ist heute ein rostrotes Stahlskelett. Dreissig hilflose Menschen hatten sich auf das Dach des Gebäudes geflüchtet, als der Tsunami kam. Auch Bürgermeister Jin Sato war dabei. Er hatte einer Zivilschutzbesprechung beigewohnt, als die Fluten kamen und bald schon über das Dach schwappten. Die Flutwelle war hier 16 Meter hoch. Von den 130 Mitarbeitern der Stadt überlebten nur zehn. Das verbliebene Stahlgerüst des Gebäudes, heute mit Blumen, Räucherkerzen sowie einer Buddhastatue geschmückt und so zum Behelfs-Schrein umdefiniert, soll bald abgerissen werden. Dann ist von Minami-Sanriku nichts mehr übrig. Die (ehemaligen) «Bewohner wollen keine Erinnerung», heisst es zur Begründung.
Neue Zürcher Zeitung, 29.01.2014