The main difference between the two phenomena is that anger concerns something particular, whereas rage concerns everything. Anger is turned towards a specific person for a more or less specific action. It extends in time, concerning the past, when something bad happened, and the future that asks for something different.
Certain "indignados" are filled with anger. They inveigh against politicians, and against things that the latter did or neglected to do and ask for a different political stance, for different politicians. Similar phenomena are present at a more private space with parents, partners, children etc.
Being surrounded by past and future things, moving within their time space, anger has a conservative character. It remains in the same circumstances for which it only demands corrections. It burks but it does not bight.
Rage has cut any bridge that connects it to either past or future. Rage has eyes only for the present, which it refuses in its totality. A slogan coming from those belonging to the "indignados" is “Burn the Parliament!”. Rage strips the present from any kind of past and future. Nothing holds Rage back. That’s why rage is free. This is what differentiates it from acts of despair and hopelessness that remain adherent to what is lost, and from revenge, which repeats the harm that it was subjected to, now rendering it back.
Rage doesn’t burk. It bights. The ruptures it performs cannot be bridged anymore. Thus, it opens up the field for a truly new condition. It is not rare that this gets accomplished with the exercise of absolute violence: murder, suicide.
Anger as much as rage constitute insult. They miss the measure. Anger misses the measure since it gets tangled up in the confusion of “yes and no”, of “neither together, nor apart”. Rage misses the measure since it takes things in their absoluteness. Its desperate act cuts off the head that’s in pain. Anger gets lost in the haziness of confusion. Fury becomes lost in an illusory clarity.
Perhaps both phenomena are situated in the image of a short-sighted life that is confined in the facticity of the interpersonal and the social.
And the measure?
Not on my lips look for your mouth,
not in front of the gate for the stranger,
not in the eye for the tear.
Seven nights higher red makes for red,
seven hearts deeper the hand knocks on the gate,
seven roses later plashes the fountain.
Paul Celan, Crystall
Der Hauptunterschied der zwei Phänomene ist, dass der Ärger gegen etwas Bestimmtes, die Wut jedoch gegen das Ganze gerichtet ist.
Der Ärger wendet sich gegen eine bestimmte Person und eine mehr oder weniger bestimmte Tat. Er breitet sich in eine zeitliche.Spannweite aus, die von dem vergangenen angetanen Übel bis zu einer Zukunft reicht, die anders zu sein hat. Einige "Indignados" sind vom Ärger befallen. Sie wenden sich gegen die Politiker, gegen Dinge, die sie getan oder gelassen haben und fordern andere Politiker, eine andere Politik. Ähnliches geschieht im persönlichen Bereich zwischen Eltern, Partnern, Kindern usw.
Der Ärger ist im Mantel von Vergangenem und Künftigem eingekleidet. Er bewegt sich innerhalb des Bereichs von Vergangenem und Künftigem. Insofern hat er einen konservativen Zug. Er bleibt bei denselben Verhältnissen, für die er bloß Korrekturen verlangt. Er bellt, ohne zu beißen.
Die Wut hat die Brücken zur Vergangenheit und zur Zukunft abgeschnitten. In ihrem Blickfeld erscheint nur noch die Gegenwart, die sie vollständig verneint. Eine Parole dieser "Indignados" ist: "Brennt das Parlament nieder!" Die Wut entkleidet die Gegenwart dem Vergangenen und Künftigen. Nichts hält sie zurück. Sie ist daher frei. Diese haltlose Freiheit differenziert sie von der Hoffnungslosigkeit und von der Verzweiflung, die am Verlorenen haften bleiben und von der Rache, die das angetane Übel in die umgekehrte Richtung bloß wiederholt.
Die Wut bellt nicht. Sie beißt. Sie vollzieht Schnitte und Brüche, die nicht mehr überbrückt werden. Auf diese Weise bereitet sie das Feld für eine neue Situation vor. Nicht selten bedient sie sich äußerster Gewalt: sie übt Mord oder Selbstmord.
Sowohl beim Ärger als auch bei der Wut waltet eine Hybris, eine Vermessenheit. Das Maß geht verloren. Der Ärger verliert das Maß, indem er sich in die Verwirrung des "Jein", des "zusammen geht's nicht; ohne geht's nicht" verstrickt. Die Wut verliert das Maß, indem sie die Dinge absolut nimmt. Ihre verzweifelte Tat wirft samt dem Abwasser das Kind weg.
Der Ärger versinkt ins Verschwommene der Verwirrung. Die Wut ist von der Vision einer phantastischen Klarheit gepackt. Vielleicht werden beide Phänomene von der Vorstellung eines Lebens geleitet, das kurzsichtig auf die Faktizität des Interpersonalen und Sozialen beschränkt ist.
Und das Maß?
Nicht an meinen Lippen suche deinen Mund,
nicht vorm Tor den Fremdling,
nicht im Aug die Träne.
Sieben Nächte höher wandert Rot zu Rot,
sieben Herzen tiefer pocht die Hand ans Tor,
sieben Rosen später rauscht der Brunnen.
Paul Celan, Kristall