HOHENBLUM, P., M. FRÖHLICH, L. MOOSMANN, S. SCHARF, M. UHL, C. GUNDACKER, H.-P. HUTTER, M. KUNDI, K. KOCIPER, L. BORSOI, H. MOSHAMMER, P. WALLNER, B. PIEGLER, K. WITTMANN, M. JANSSON, P. TAPPLER, 2008b. LUKI - Luft und Kinder. Langfassung. Einfluss der Innenraumluft auf die Gesundheit von Kindern in Ganztagsschulen. Endbericht. umweltbundesamt Reports, REP-0182: 1-236 (Wien, ISBN 3-85457-980-2).
Online seit 6.10.2008 auf http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/REP0182.pdf
Hintergrund
Zwischen 2005 und 2008 setzte sich ein Konsortium im Rahmen des Projektes „Einfluss der Innenraumluft auf die Gesundheit von Kindern in Ganztagsschulen – Konsortium Luft und Kinder LUKI“ mit dem Zusammenhang von Innenraumfaktoren und der Gesundheit von Kindern auseinander. Das Konsortium bestand aus Mitgliedern der Medizinischen Universität Wien, dem Innenraum Mess- und Beratungsservice des Österreichischen Instituts für Baubiologie und -ökologie und aus dem Umweltbundesamt. Die Koordination des Projektes wurde vom Umweltbundesamt durchgeführt.
Das Forschungsprojekt leistet einen Beitrag zur Umsetzung des CEHAPE (Children’s Environment and Health Action Plan for Europe) der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Methodik
Es wurde ermittelt, ob und in welchem Umfang Kinder (6 bis 10 Jahre) in ihrer Schule verschiedenen Umweltfaktoren ausgesetzt sind. In sieben Ganztagsvolksschulen in Wien, St. Pölten und Graz sowie in zwei Schulen mit ganztägiger Betreuung in Klagenfurt und Villach wurden im Innenraum gasförmige und partikelgebundene Luftschadstoffe im Hausstaub, Feinstaub und in der Luft sowie der Gehalt an CO2 analysiert. Weiters wurde eine Darstellung der toxikologischen Eigenschaften der untersuchten Stoffe erarbeitet.
Um die Kinder aktiv in das Projekt einzubinden und deren Interesse für Umweltzusammenhänge zu fördern, wurden gemeinsam Asseln (als Bioindikatoren für die Schwermetallbelastung) gesammelt, welche in weiterer Folge analysiert wurden.
Weiters wurden Haar- und Zahnproben der SchülerInnen auf Schwermetalle analysiert. Um Einflüsse auf die kognitive Leistungsfähigkeit der SchülerInnen erfassen zu können, wurde ein standardisierter Test durchgeführt. Darüber hinaus wurden auch die Wohnumgebung sowie der Gesundheitsstatus der Kinder (vor allem deren Atemwege) mittels Elternfragebogen erhoben und die Lungenfunktion bestimmt. Diese Daten wurden mit jenen der Schadstoffmessungen bzw. den Daten der Haar- bzw. Zahnanalysen korreliert.
Ergebnisse und Folgerungen
Insgesamt wurden 252 Parameter in der Luft, im Feinstaub und Hausstaub gemessen. In den Luftproben wurde von den 53 untersuchten Parametern nur ein Parameter (Isopropylacetat) in keiner einzigen Probe über der Bestimmungsgrenze bestimmt. Einige Aldehyde und chlorierten Kohlenwasserstoffe waren in einzelnen Proben nachweisbar. Der Rest der Parameter wurde in (fast) allen Proben in Konzentrationen über der Bestimmungsgrenze ermittelt. Die Konzentrationen lagen nur sehr vereinzelt über Richt- und Orientierungswerten. Diese Substanzen stammen teils aus Gegenständen des Alltags, werden aber auch durch spezielle Anwendungen freigesetzt (z. B. Klebstoffe, Farben, ...), was durch bewusstes Handeln verringert oder vermieden werden kann (Lüften des Werkraumes, Umstieg auf Wasserfarben, ...).
CO2-Konzentration Ein bedeutender Indikator für die Qualität der Innenraumluft ist die CO2-Konzentration. Messungen in den Klassen haben gezeigt, dass zum überwiegenden Teil Konzentrationen gemessen wurden, die den Anforderungen an eine gute Qualität der Innenraumluft nicht mehr genügen, die Leistung der SchülerInnen beeinträchtigen und gesundheitliche Beeinträchtigungen erwarten lassen.
Feinstaub Die Resultate der Feinstaubmessungen in Klassenräumen (bzw. angrenzender Räume) zeigen, dass zum Teil eine Beeinflussung der Feinstaubkonzentration durch die Außenluft erfolgt (z. B. durch Lüften). Dies spiegelt sich auch in den gemessenen NO2-Konzentrationen wider. Es konnte aber auch gezeigt werden, dass vor allem interne Quellen für die PM10 Belastung der Klassenräume verantwortlich sind (z. B. Wiederaufwirbelung, Kreidestaub, Aktivität der SchülerInnen). Die kontinuierliche Aufzeichnung der Feinstaubbelastung zeigt erwartungsgemäß einen sehr deutlichen Tagesgang mit Anstieg während der Unterrichtszeiten und einen schnellen Abfall während der Pausen und nach dem Unterricht.
Ubiquitär auftretende, bekannte Verbindungen wie Phthalate, Trisphosphate, phenolische Verbindungen, PAHs, polybromierte Diphenylether (Flammschutzmittel) oder Schwermetalle wurden sowohl im Hausstaub wie im Feinstaub (PM10 und PM2,5) regelmäßig nachgewiesen. Sie stammen im Wesentlichen aus Gegenständen des täglichen Bedarfs (Einrichtung, Kosmetika, Bekleidung, ...) und lagern sich aufgrund ihrer chemisch/physikalischen Eigenschaften an Feststoffen an (Feinstaub, Hausstaub). Diese Stoffe können in der Regel nur durch stoffpolitische Maßnahmen (Nutzungseinschränkungen und Verbote) aus Teilbereichen des Lebens entfernt werden.
Die Konzentrationen einzelner Schadstoffe zeigen eine Korrelation mit einer Abnahme der Lungenfunktion (Ethylbenzol, Xylol, Formaldehyd, Benzylbutylphthalat, PBDE 196 sowie das Trisphosphat TDCPP).
Schwermetalle Auch Schwermetalle wurden im Hausstaub und Feinstaub der Schulen bestimmt. Teilweise korreliert die Belastung mit den Messdaten der als Hintergrundindikatoren analysierten Asseln. Die Ergebnisse der Untersuchung der Asseln zeigen, dass eine längerfristige Belastung vorliegt.
Kein Asbest. In keiner der Hausstaubproben konnte Asbest bestimmt werden.
Ein Zusammenhang mit der Hausstaubbelastung der Schulen und den Ergebnissen der Zahn- und Haaruntersuchungen konnte nicht ermittelt werden. Diese Belastungen sind offensichtlich auf Expositionen außerhalb des Schulumfeldes zurückzuführen, wobei die Ernährung eine entscheidende Rolle spielt. Die Messwerte der Zahn- und Haaruntersuchungen sind im internationalen Vergleich niedrig und zeigen, dass Maßnahmen zur Reduktion der Bleibelastung (unverbleite Treibstoffe, Austausch von Bleirohren in der Trinkwasserversorgung) gegriffen haben. In den Ergebnissen ist deutlich zu erkennen, dass Jungen höhere Pb- und Cd-Belastungen aufweisen als Mädchen (Gender-Faktor). Die subjektive Unzufriedenheit (der Eltern) mit der Luftqualität am Wohnort war mit den Pb-, Cd- und Hg-Belastungen der Kinder assoziiert.
Die Befunde der Lungenfunktion und des kognitiven Leistungstests belegen, dass vor allem das weitere Umfeld der Kinder Einfluss auf diese beiden Faktoren haben dürfte. Vor allem Schimmel in der Wohnung und (passives) Rauchen korrelieren mit einer Abnahme der Lungenfunktion.
Die kognitive Leistungsfähigkeit steht vor allem mit dem Wohnumfeld in Verbindung. Jedoch korrelieren höhere Konzentrationen des Trisphosphates „Tris-(2- chlorethyl)-phosphat (TCEP)“ im Schulumfeld mit einer Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit. Weitere Einflussfaktoren auf die kognitive Leistungsfähigkeit (z. B. übermäßiger Fernsehkonsum, mangelnde Förderung, ...) konnten in der Analyse nicht berücksichtigt werden.
Handlungsfelder
Anhand dieser Befunde lassen sich folgende Handlungsvorschläge zur Verbesserung des Innenraumklimas an Schulen sowie der Gesundheit der Kinder formulieren:
Die Qualität der Innenraumluft wird auch durch Außenluft mitbestimmt. Allerdings sind im Innenraum zahlreiche Quellen für Feinstaub zu finden. Um diesen in Schulen so gering als möglich zu halten, wird empfohlen
• Klassen täglich feucht (ohne Reinigungsmittel) zu wischen,
• Tafelschwämme und Tücher regelmäßig zu waschen,
• verkehrsberuhigte Zonen um Schulen zu schaffen (z. B. Fußgeherzone, Tempo 30-Zone, Sackgassen etc.),
• die Gebäude nach Möglichkeit in Innenhöfe zu lüften.
Sowohl die Befunde der Lungenfunktionen wie auch der kognitiven Leistungstests zeigen, dass eine Beeinflussung vor allem durch das häusliche Umfeld gegeben ist. Bewusstseinsbildende Information über relevante Faktoren (Schimmel, Rauchen) der Eltern bzw. LehrerInnen wird empfohlen.
Kohlendioxid (CO2) ist ein wesentlicher Indikator für die Qualität des Innenraumklimas und zeigt die Menge an zugeführter Frischluft an. Um den Faktor CO2 erkennen zu können, wird empfohlen, Lüftungsampeln (siehe Kapitel 3.2.7) zu installieren, die durch Farbsignale die Notwendigkeit zum Lüften anzeigen. Weiters sollte das Bewusstsein für diesen Parameter bei den Lehrerinnen und Lehrern weiter geschärft werden, vor allem in Hinblick auf die Leistung der SchülerInnen bei ungenügender Frischluftzufuhr. So dies möglich ist, sollte möglichst in Innenhöfe gelüftet werden, um durch z. B. Straßenverkehr beeinträchtigte Luft zu vermeiden. Durch Fensterlüftung allein kann jedoch keine hinreichende Lüftung gewährleistet werden. Einem Trend folgend wird empfohlen, vermehrt mechanische Lüftungseinrichtungen zu fördern, um eine hohe Qualität der Innenraumluft zu gewährleisten. Generell gilt, dass eine Verbesserung der Lüftung positive Auswirkungen auf die Konzentrationen der meisten Schadstoffe des Innenraums hat.
Da einzelne gemessene Stoffe mit einer Abnahme der Lungenfunktion bzw. der kognitiven Leistung korreliert werden konnten, sind strengere stoffpolitische Maßnahmen notwendig, um Kinder vor der Exposition von Chemikalien aus Gebrauchsgegenständen zu schützen. Ein weiterer Beitrag zum Schutz kann auch in der Materialbeschaffung nach ökologischen Kriterien liegen bzw. im sorgsamen und bestimmungsgemäßen Gebrauch z. B. von lösungsmittelhaltigen Produkten (z. B. Klebstoffe, ...).
pollution; evironmental monitoring; heavy metals; health of children
Homo sapiens