Frieden schließt man mit Feinden,
nicht mit Freunden

wie kann der Krieg in der Ukraine beendet werden?

VERÖFFENTLICHT 28. FEBRUAR 2022

Mitten im Krieg klingt der Gedanke daran, wie man ihn beendet, wie ein Traum. Dennoch ist festzuhalten, dass – wie Clausewitz meistens paraphrasiert wird – Krieg kein Selbstzweck, sondern Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist. Vereinfacht gesagt, kann ein Krieg enden durch Sieg und Niederlage der einen oder anderen Partei, durch einen anhaltenden Waffenstillstand, oder durch einen ausgehandelten Friedensschluss. Keine der drei Wege sichert Stabilität, der Krieg kann immer wieder neu entstehen – so muss es das Ziel jeder Lösung sein, eine stabile Friedens-Ordnung zu schaffen, die länger vorhält. Ein wichtiger Zweck von Diplomatie ist es, Kriege zu verhindern. Wenn das aber nicht gelingt, dann ist es Pflicht der Diplomatie, Kriege zu beenden.

Wie kann der Krieg Russlands gegen die Ukraine beendet werden?

Der einfachste Weg wäre der einseitige Abbruch der völkerrechtswidrigen Aggression und der Rückzug der russischen Truppen (und der weißrussischen Unterstützer). Doch, wer sich einmal auf Aggression einlässt, will damit etwas erreichen – durch öffentliche Forderungen wird in das Prestige investiert, so dass es schwer wird, von diesem Ross wieder herunterzukommen. Ausgangspunkt ist ein Kalkül, mit Gewalt seine Ziele zu erreichen. Um den Krieg zu beenden, muss das Kalkül verändert werden.

Der internationale Druck, die Sanktionen der EU und der USA und vieler anderer Staaten, die klare Verurteilung durch eine Mehrheit in der UN-Generalversammlung und – trotz russischen Vetos – im Sicherheitsrat, alles das soll dem Aggressor zeigen, dass das Kalkül nicht aufgeht. Die Kosten der russischen Aggression werden durch die erstmals wirklich harten Sanktionen deutlich erhöht. Das kann Anreize zu Gesprächen über die Beendigung des Krieges schaffen.

Der Sieger will seine Bedingungen diktieren, er handelt sie nicht wirklich aus – der Verlierer hat nicht mehr ausreichend Mittel, selbst Bedingungen zu stellen. So hatte sich Putin seinen Krieg wohl vorgestellt. Doch so klare Sieger und Verlierer gibt es selten. Wenn der Unterlegene dem Aggressor einen hohen Blutzoll abverlangt, wenn sein Widerstand unerwartet stark ist, muss der vermeintliche Sieger sein Kalkül überdenken und mehr anbieten.

Solange der Überlegene an einen schnellen Sieg glaubt, wird er die Waffen nicht ruhen lassen. Wenn aber die Kosten unerwartet steigen, dann hat eine Waffenruhe und vielleicht ein andauernder Waffenstillstand eine Chance. Dazu müssen beide den Eindruck haben, dass sie ihre Ziele in Verhandlungen zu einem geringeren Preis erreichen können als durch die fortgesetzte Aggression.

Russland hatte bisher eigentlich nur Verhandlungen über eine Kapitulation angeboten. Das Kriegsziel einer völligen Unterjochung ist für die Ukraine nicht verhandelbar. Allein die Tatsache, dass zunächst in die Hauptstadt des Mit-Aggressors Belarus eingeladen wurde, zeigte, dass man die Ukraine demütigen wollte. Präsident Selensky hat flexibel reagiert: er hat andere Orte vorgeschlagen, aber er hat einen Ort nahe der Grenze von Belarus schließlich akzeptiert, damit der Vorwurf, er verweigere Verhandlungen, entkräftet wird. Es war gut, dass eine ukrainische Delegation dort war, es war auch gut, dass vereinbart wurde, sich wieder zu treffen. Aber das ist schon alles. Der Krieg geht weiter und ein Waffenstillstand scheint noch weit entfernt.

Solange Russland die Souveränität der Ukraine infragestellt, wird der Krieg weitergehen, so lange werden die Sanktionen in voller Schärfe aufrechterhalten. Die Gespräche haben dann noch nicht den Charakter von echten Verhandlungen. Wenn Putin sich darüber klar wird, dass die Kosten des Krieges steigen und die Aussichten auf eine stabile Herrschaft in einer eroberten Ukraine immer geringer werden, dann hätten Verhandlungen eine Chance. Russland müsste seine Ziele dafür so weit zurücknehmen, dass sie von der Ukraine ebenso wie durch die internationale Gemeinschaft akzeptiert werden könnten. Ob Putin dazu willens und fähig ist, ist bisher fraglich.

Heute hieß es, Putin fordere nun die Anerkennung der Annexion der Krim und die Neutralisierung der Ukraine. Die rein propagandistische bizarre Forderung nach „Entnazifizierung“ wurde nicht wiederholt. Das kann morgen schon wieder vergessen sein. Da die Glaubwürdigkeit des russischen Präsidenten derzeit nahe Null liegt, muss man davon ausgehen, dass solche Nuancen opportunistisch sind und keine Änderung seiner Ziele bedeuten müssen. Die ukrainische Seite könnte allerdings versuchen ihn beim Wort zu nehmen und anbieten, Putins Themen mit in die Verhandlungen aufzunehmen – unter der Bedingung eines sofortigen Waffenstillstandes und Rückzug der Truppen vom ukrainischen Territorium.

Damit können Ergebnisse der Verhandlungen nicht präjudiziert werden, aber allein den Krieg erst einmal zu stoppen wäre ein wichtiger Schritt. Ich werde mich hüten, der ukrainischen Seite irgendwelche Empfehlungen zu geben, in welchen Punkten sie Russland entgegenkommen könnte und wo sie auf ihren Positionen beharren muss. Solche Verhandlungsstrategien kann man einem skrupellosen Gegner nicht offenlegen.

Da Russland derzeit kein vertrauenswürdiger Partner ist und die Garantien von 1994 gebrochen hat, wird jede Vereinbarung durch handfeste militärisch untermauerte Sicherheitsgarantien von Dritten abgesichert werden müssen. Ich vermute, dass beliebige Konzessionen nur dann möglich sind, wenn im Gegenzug die Souveränität und Integrität der Ukraine durch feste, auch militärische Garantien gegen eine erneute Aggressionen abgesichert wird. Das kann die NATO (auch ohne Mitgliedschaft) oder die EU anbieten.

Das bedeutet dann aber auch, dass neu über die europäische Friedens-Ordnung gesprochen wird. Dabei wird der Westen seine Sicherheit stärker absichern müssen. Die Aggression gegen die Ukraine und die russischen Drohungen gegen anderen EU-Mitglieder haben die Bedrohungsperzeption verändert. Rational betrachtet, halte ich Kompromisse für möglich – aber ob Putin überhaupt noch zu rationalem Denken fähig ist, weiß ich nicht.