Catherine Belton – Putins Netz

Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste

Das Buch von Catherine Belton, der früheren Korrespondentin der Financial Times in Moskau, ist im englischen Original 2020 erschienen, die deutsche Übersetzung 2022 (https://g.co/kgs/WUh8Dy)

Auf 600 Seiten beschreibt die Catherine Belton, wie seit dem Amtsantritt von Wladimir Putin alte KGB-Kader vor allem aus St.Petersburg Wirtschaft und Finanzen in Russland immer stärker unter ihre Kontrolle gebracht haben, wie die organisierte Kriminalität damit verflochten ist und wie Putin persönlich inzwischen wie ein Zar allein darüber verfügt, wer reich werden darf und wer alles verliert. Westliche Banken und Firmen – auch deutsche – waren dabei willige Helfer.

Eindringlich wird gezeigt, wie der Wille, die imperiale russische Größe wiederherzustellen, alles andere beherrscht, und wie die Ukraine als Schlüssel dafür betrachtet wird. Erschreckend ist die detaillierte Beschreibung der Geldströme, die eingesetzt werden, um den Westen zu korrumpieren, die Herrschaft russischen Geldes in „Londongrad“, die Förderung von Extremisten in Europa und den USA, und die russische Unterstützung der Wahl von Donald Trump und des Brexit.

Catherine Belton stützt sich in erster Linie auf ausführliche Interviews mit Personen, die einst zentrale Positionen in Jelzins und Putins Machtapparat hatten, diese inzwischen aber verloren haben. Hinzu kommt, dass die Korrespondentin der Financial Times in ihren Moskauer Jahren – mehr als jedes andere westliche Medium – zu fast allen führenden Leuten der russischen Wirtschaft, Finanzen und des Staates Zugang hatte und fachlich fundierte Gespräche führen konnte.

Transparenz gehört nicht zum russischen System. Moskau ist voller Gerüchte. Das Geflecht der Lügen, mit denen das ganze System Putin sich umgibt, fördert Verschwörungstheorien. Das System des FSB in der Tradition des KGB ist in seiner Anlage verschwörerisch.

Die Autorin könnte vielleicht auf unbelegte Behauptungen ihrer Interviewpartner verzichten – aber dann wäre der Einblick in das System Putin sehr unvollständig. Also bleibt ihr nichts anderes übrig, als die Glaubwürdigkeit selbst einzuschätzen und notfalls eben gegenteilige Aussagen einander gegenüberzustellen. Das macht das Lesen manchmal mühsam – aber es bildet sich doch ein Gesamteindruck heraus, der beunruhigt.

Rüdiger von Fritsch hat in seinem Buch darauf hingewiesen, dass es bei Putin eine Entwicklung gab. Der Putin, der am 25.September 2001 im Deutschen Bundestag sprach, sei noch für andere Wege offen gewesen. Catherine Belton ist überzeugt, dass schon bei seinem Amtsantritt der Putin von heute angelegt war, geprägt von den kleptokratisch-kriminellen Machenschaften seiner Zeit in St.Petersburg. Doch gleich wie es sei – Menschen entwickeln sich und es gibt immer wieder Weggabelungen, die mehrere Wege erlauben – nur, wenn sie einmal eingeschlagen wurden, so wie jetzt der Krieg in der Ukraine, ist es kaum möglich zurückzugehen. Hier scheitert die räumliche Analogie: zeitliche Verzweigungen haben nur eine Richtung, die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen!

Als Korrespondentin der „Financial Times“ in Moskau hat Catherine Belton Einblicke in die Londoner Finanzwelt ebenso wie in die russischen Strukturen gewonnen. Für sie lässt sich die russische Außenpolitik durchaus als Instrument der Kleptokratie begreifen, die daran interessiert ist, den Westen zu schwächen, indem es westliche Eliten korrumpiert. Das mag nicht alles erklären, ist aber ein oft übersehener Aspekt der russischen Politik.

Aus ihren Erkentnissen zieht die Autorin vor allem eine klare Warnung an die westlichen Länder und ganz besonders an London: lasst euch nicht korrumpieren, wehrt euch gegen die wachsenden Einflüsse der russischen Oligarchen und vor allem des russischen KGB-Staates, der wie eine Krake in unsere Gesellschaften ausgreift. Der Ukrainekrieg hat zu Sanktionen geführt, die sowohl die ökonomischen Oligarchen als auch die politischen „Siloviki“, die Machtstrukturen Putins, treffen sollen. Das Buch Catherine Beltons sollte jeder Politiker lesen, der Sanktionen effizient machen will, denn dazu gehört, dass auch die korrumpierenden Strukturen in unseren Gesellschaften bekämpft werden.