Eine Möglichkeit, die Komödie besser zu verstehen, könnte sein, sie gemeinsam mit Tragödie, Liebesgeschichte und Horrorfilm zu betrachten und dem Melodram, Thriller und Action-/Abenteuerfilm gegenüberzustellen. Die zweite Gruppe hätte dann den Helden als Hauptfigur, die erste den Anti-Helden. Der Unterschied besteht in der Art, wie beide mit Ungereimtheit oder Widerspiel umgehen: der Held stutzt sie zurecht, während der Anti-Held sich damit abgibt.
In beiden Fällen bleibt die Andersartigkeit zentral: Geschichten beginnen, wenn sich das Widerspiel rührt, und enden, wenn sein Schicksal entschieden ist. Die Energie einer Erzählung wird durch den Sand im Getriebe erzeugt, der ihr erst Leben einhaucht. (Falls eine Geschichte Probleme hat, sollte man immer zuerst auf die „negative“ Seite nachschauen.)
Woher kommt diese Energie? Sie entspringt der Vorstellung des Zerbrechens von stolzen Absichten und impliziert damit die "Suppe", aus denen sie entstanden sind. Mein Wollen ist dabei nie nur persönlich, sondern gebunden in ein größeres Ganzes – eine Fantasie oder Ideologie, die den Alltag und seine Regeln ausmacht, Vorhersagen gestattet und dadurch verständiges Handeln. Diese Richtung erst macht es möglich, Wünsche zu hegen und auf deren Erfüllung zu hoffen.
Die meisten Genres oder Erzählformen bewegen sich melodramatisch innerhalb solch zielstrebiger Fantasien des gesunden Menschenverstandes und verteidigen sie gegen bedrohliche Angriffe, die das Gebilde zerreißen könnten. Die Drohung thematisiert zugleich, was nach dem Massaker übrig bliebe, unzerstörbar wäre, und lässt davon kosten, radikal verkörpert in Figuren wie dem Zombie - oder dem Narren. Beide haben mehr gemeinsam, als der erste Blick verrät.
Ihr Genre gibt dem Unfug Raum und macht ihn gar zur Neigung des Anti-Helden: im Drang, die Mängel des herrschenden Gefüges und seiner Vorsicht, die unausweichlichen Risse in Logik und Klugheit zu würdigen, um daraus sickernde Erregung zu genießen, die jenseits von Raum und Zeit verfängt und daher urlebendig oder untot ist.
In der klassischen Liebesgeschichte wird dies deutlich im Bruch mit dem Alltag und seinen Weisheiten, der zum Tod der Liebenden führen kann. Horrorfilme geben ebenfalls der untoten Ursubstanz enormen Raum, dargestellt durch ein Monster, das sich außerhalb von Raum und Zeit bewegen kann und typischerweise triumphiert. In der Tragödie verstehen die Protagonisten nicht, was aus den Rissen ihres Alltags quillt, obwohl es sie umtreibt, und sie gehen daran zugrunde. Die Komödie allein kann damit umgehen, indem sie alles aufdringlich real und dadurch genießbar macht.
Ihr Protagonist überlebt, entschärft die Vorsicht oder Rollen, die uns zugedacht sind, unseren Stolz – und setzt dadurch eine berauschende Erregung frei. Echte Komödien haben deswegen keinen Spannungsbogen, der das Ergebnis verständigen Handelns wäre, oder sie entwickeln ihn nur, um seine Risse auszubeuten. Sie gipfeln nicht in einer ersehnten Auflösung, sondern im Hier und Jetzt, liquidieren Raum und Zeit, berauschen. Deshalb haben sie auch kein Happy– oder Unhappy End; sie hören einfach auf – oder auch nie.
Was ist der Unterschied zwischen Komödie und Satire? Satire zielt darauf ab, bestehende Strukturen zu verbessern oder zu reformieren, indem sie deren Mängel aufdeckt. Die Komödie hingegen ist nicht darauf aus, zu korrigieren oder zu reparieren; stattdessen vollendet sie jedwede Klugheit, indem sie das, was von ihr unrealisiert bleiben muss, als Klamauk vermittelt.
Das Epos verwendet die Götter als Repräsentanten des Vollkommenen, unsterblich und somit Verkörperung monotoner Prinzipien, die stabil bleiben – sie stehen für das Unveränderliche, den ewig gleichen Grund der Welt.
Die Tragödie entwickelt dies weiter zum Schicksal des Menschen: Im Wunsch nach Unsterblichkeit muss der scheitern, da das irdische Dasein durch seine Endlichkeit begrenzt ist.
Die Komödie hingegen vermittelt das Unendliche durch die Manöver des Narren, indem sie das Endliche, Selbstverständliche und Regelmäßige eingrenzt und so das Unendliche nicht als fertige Wahrheit, sondern als komische Störung oder als Widerstand erscheinen lässt – ein Sandkorn im Getriebe der Vorsicht. Somit hadert die Komödie nicht mit dem Unbedingten, das uns tragisch herausfordert, sondern bringt es gleich hervor. Das Regelmäßige oder Logische erfährt durch das Widersinnige seinen notwendigen Abschluss.
Spott und Klamauk gehen dann unterschiedlich mit diesem Thema um:
Spott bleibt neunmalklug und erfreut sich am Scheitern der Narren. Er bleibt konventionell und steht fest auf der Seite von Weisheit und Ordnung.
Klamauk dagegen sabotiert jede Entschuldigung und lädt zur Vollendung von Identitäten und Rollen ein, deren Wesen komisch vollendet wird, indem sich ihre Zerbrechlichkeit durch Wiederholung herausstellt.
Während die Schadenfreude herabschaut auf die Fehler der Narren und sich an ihrem Scheitern weidet, bietet der Klamauk einen produktiveren Ansatz: verwandelt Zerbrechlichkeit in eine Quelle komischer Kraft und lädt zur Entspannung des Festgefahrenen ein. So rundet sich das Gültige ab, indem seine Mängel und Begrenzungen genießbar werden.
Wo der Spott menschliche Beschränktheit verhöhnt, aber wahren will (Schluss mit der Komödie!), eröffnet der Klamauk neue Perspektiven. Spott bleibt beim gesunden Menschenverstand und seinen Begrenzungen stehen; er hat zwar eine Ahnung von etwas Größerem, schöpft jedoch nichts daraus. Er macht alles nieder, was über die Endlichkeit hinausstrebt.
Der Klamauk hingegen macht die Grenzen unseres Verstehens sichtbar, um über sie hinauszugelangen. Ihr Mittel ist der Mangel und das Begehren, das entsteht, wenn wir die Welt nicht vollständig begreifen können. Komik entsteht in dem Moment, in dem das Absurde das Erwartbare durchbricht – wenn etwa jemand etwas sagt und kurz darauf das Gegenteil beweist oder wenn unvereinbare Zustände aufeinandertreffen. Der komische Moment entspringt der Verbindung des scheinbar Unvereinbaren. Hier zeigt sich das Unendliche im Endlichen und überschreitet es.
Während Spott sich noch am intellektuellen Triumph erfreut, feiert die Komödie das Scheitern selbst. Sie ist die Erfolgsgeschichte des Unvollkommenen und lädt uns ein uns, die Grenzen unseres Verstehens nicht zu fürchten, sondern sie zu umarmen.
Spaß entsteht durch Voreingenommenheit. Komische Situationen fordern den gesunden Menschenverstand heraus, weil sie außerhalb von Raum und Zeit verfangen. Sie sind sorglose Realität. Ein Zombie zum Beispiel versucht nichts, weil jede seiner Bewegungen von vornherein sitzt. Ähnlich verhält es sich mit dem komischen Antihelden oder Narren: Egal, was er sagt oder tut, es ist immer schon wahr, gelingt. Wenn er zum Beispiel sagt, er habe einen außerirdischen Freund, dann steht dessen Raumschiff auch im Garten.
Die komische Anmut entsteht daher z. B., indem jedwede Vorsicht für die Hingabe an eine Idee oder Sache über Bord geworfen wird. Solches Kreisen des Narren um sein „Ding“ erzeugt ein diebisches Vergnügen, etwa im Falle von Don Quijote oder Inspektor Clouseau, dessen aberwitzige Polizeitaktiken zum Schluss stets der Erfolg krönt.
Dieselbe Erregung entquillt der narzisstischen Beziehung eines Bewunderers zu seinem Vorbild. Der närrische Follower genießt in diesem Fall die Wonne, die er seiner Ikone bei der Verfolgung ihres Dings unterstellt, wenn er z. B. irgendeinem Guru die Sprengung seines Alltags anvertraut. [Im SNL-Sketch More Cowbell ist Gene besessen von seiner Kuhglocke - und Bruce von Genes Begeisterung.]
Letztendlich geht es aber immer ums Genießen – dessen, was den gesunden Menschenverstand bedrängt.
Dieser ist aber nichts isoliert zu Betrachtendes, sondern eine Funktion des Umfeldes, in dem er sich bewegt und denkt, des geregelten Alltags einer bestimmten Vorsicht oder Lebensform, die dem Einzelnen seine Rolle im großen Ganzen zuweist. Über diese Struktur teilt sich der gesunde Menschenverstand mit und kann - zu unserer freudigen Erregung - erschüttert werden, indem sie verdreht oder infrage gestellt wird. Ein klassisches Beispiel hierfür sind die genretypischen Verwechslungskomödien, in denen einem Rolleninhaber plötzlich eine andere Rolle zukommt, die für ihn und die Mitwelt alles durcheinanderbringt.
Der daraus resultierende Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung aus ihren eigenen Voraussetzungen, infolge einer minimalen Verschiebung, ist erregend und die Kraftformel der Verwechslungskomödie. Plötzlich wird ein besonnener Mensch für einen Radikalen gehalten, ein Autofan als Umweltaktivist missverstanden oder eine linke Aktivistin zur Trägerin einer Burka. Gerade weil diese Rollen und ihre Hierarchien so fest etabliert sind, wirken sie komisch, wenn sie durch plötzlichen Tausch ins Wanken geraten.
Der Witz entsteht diesmal nicht durch die Unnachgiebigkeit oder Versessenheit der Figuren, sondern durch die Manöver, mit denen sie sich im verrutschten Alltag zurechtzufinden versuchen, dessen Regeln gegen sie arbeiten. Das Publikum versteht oft als einziges die tatsächlichen Zusammenhänge und genießt das Chaos, das solche Missverständnisse hervorrufen. Darin liegt der Unterhaltungswert.
Die Komödie interessiert sich dabei auch hier wieder kaum für die lineare Handlung oder einen durchdachten Plot, sondern vor allem für komische Situationen, produktive Missverständnisse, die den Verstand verletzen. Der Rollentausch kann dabei auf einem subjektiven oder objektiven Missverständnis beruhen. Der Sohn des unsichtbaren Mannes z. B. glaubt, er sei unsichtbar, obwohl er sichtbar ist und schafft peinliche Situation, indem er sich selbstbewusst vor allen anderen entkleidet. In anderen Situationen wird jemand für jemand anderen gehalten, der er nicht ist. Diese Verwechslung kann er auch absichtlich (durch Mummenschanz) herbeiführen wie die Schauspieler in Lubitschs Sein oder Nichtsein oder aber auch von so einer Herbeiführung getäuscht sein.
Die öffentliche Ordnung wird nach dem ganzen Theater dann schließlich wiederhergestellt, meist gerechter.
Rowan Atkinson erklärt in seinem Seminar über das Wesen der Komödie, wie diese den Alltag nicht kritisiert, sondern übertrifft. Interessanterweise ist somit der Narr, an dem jede Regel versagt, selbst nicht mehr Teil der Realität, daher unsterblich - ein Zombie.
Unser gesunder Menschenverstand wird durch Wiederholung, die seine Konturen offenbart, verdeutlicht. Sein Umriss impliziert damit zugleich, was jenseits von ihm verfängt - etwas Erregendes, das das Wesen der Komödie ausmacht. Die Endlosschleife einer Selbstverständlichkeit schafft somit Komik, die nicht im Mechanischen selbst liegt, sondern in dem, was es auslässt und dadurch zum Klingen bringt.
Der tragische Protagonist verzehrt sich nach diesem Etwas, das den gesunden Menschenverstand übersteigt. Die Unmöglichkeit, die seine Sehnsucht ausmacht, treibt ihn an. Während die Komödie ihre Publikum mit etwas überrascht und amüsiert, das fernab jeglicher Wahrscheinlichkeit gelingt. Ähnlich wie wir uns verlieben, nicht weil wir es wollen, sondern hingerissen sind. Liebe und Komödie teilen die Eigenschaft, den Betroffenen ungebetene Erregung zu bereiten. Im Unterschied zur Tragödie aber verdankt sich die Komödie keinem Versuch oder Streben und dessen Miss|Erfolgen, sondern der penetranten Wiederholung, mit der sie jede Geschichte und jeden Sinn in der unvermeidlichen Erscheinung dessen auflöst, was jenseits von ihnen, den Rollen und Identitäten, die sie uns aufzwingen, erklingt.
Liebesfilme und Komödien entfalten ihre Wirkung durch die Spannung zwischen dem Alltäglichen und dem, was unserem Zugriff entzogen ist. In der Liebe zeigt sich dieser Kontrast, wenn wir in einer Person mehr erkennen als das Gewöhnliche. Ein geliebter Mensch kann uns durch seine einfache Erscheinung berühren und gleichzeitig etwas Besonderes ausdrücken, das über das Alltägliche hinausgeht. Liebe gewährt Vergnügen am Einfachen und macht darin das Erhabene genießbar, ohne seine Besonderheit zu verlieren.
Die Komödie verfolgt ein vergleichbares Ziel: Durch Abnutzung, Wiederholung oder Übertreibung des Alltags wird eine tiefere Ebene erkennbar. Der Gegensatz zwischen dem Banalen und dem, was es ausgrenzt, wird humorvoll hervorgehoben. Während die Tragödie das Erhabene als ehrfurchtgebietend und fern darstellt, erschließt die Komödie es durch das Aufbrechen des Gewöhnlichen.