Das publikumswirksamste Machtverhältnis

Jeder Konflikt, einschließlich des dramatischen äußeren oder inneren Kampfes im Film, erzeugt beim Zuschauer umso mehr Spannung und Erregung, je gewachsener die Gegenspieler einander, je unähnlicher aber ihre einzigartigen Fähigkeiten sind.

Die Ebenbürtigkeit des Widerspiels

Dieses Prinzip gilt sowohl für äußere als auch für innere Konflikte im Film. Ein innerer Konflikt wie zum Beispiel Eifersucht – als ständiger Kampf zwischen Liebe und Misstrauen – kann uns nur dann wirklich mitreißen, wenn beide Emotionen gleich robust sind. Wirkt eine wesentlich schwächer, wird das Publikum umso gleichgültiger.


Polarität der Talente

Je ungleicher aber die Fähigkeiten der Kontrahenten sind – solange sie an Kraft ebenbürtig bleiben –, desto fesselnder wird ihr Konflikt für den Zuschauer. Die Unähnlichkeit bewirkt eine unerhörte Spannung und gemahnt an legendäre Schlachten grundverschiedener Charaktere und Fähigkeiten wie David und Goliath.

Drehbuchautor*innen sollten bestrebt sein, Charaktere mit grundverschiedenen, aber gleichstarken Strebungen und Absichten zu erschaffen. Der Widerspruch kann sowohl im Inneren eines Charakters auftreten, als auch zwischen verschiedenen Charakteren in Form eines Außenkampfes.

Als Beispiel könnten wir einen Konflikt zwischen einer mitmenschlichen Verantwortung und einer unaufhaltbaren Sucht oder Abhängigkeit schildern, der die Geschichte umso faszinierender oder komischer macht, je größer der Gegensatz der einander bekämpfenden Ziele – hier Pflichtgefühl und Lust – ist.

Um maximale Unterhaltung zu erreichen, sollten Drehbuchautor*innen ihre Kenntnisse über die unterschiedlichen Strebungsarten nutzen. Der perfekte Konflikt, sei er äußerlich oder innerlich, kombiniert unterschiedliche Strebungen: sinnliche gegen intellektuelle, ästhetische gegen hilfsbereite und so weiter. Die Kontraste können sich dann entweder dramatisch in der Robutheit oder komisch im Unfug des Begehrens manifestieren. Im Fall der Komödie können wir einen doppelten Gegensatz – zwischen den Strebungen und hinsichtlich ihres Blödsinns – ausbeuten, ein selbsternannter Gutmensch etwa duelliert sich in diesem Fall mit einem Pseudo-Komiker.

Es ist demzufolge auch wenig ratsam, gleichartige Interessen gegeneinander antreten zu lassen, Selbstlosigkeit gegen Selbstlosigkeit oder Gewitztheit gegen Gewitztheit, sondern eben Menschenfreundlichkeit gegen Scharfsinn oder Eigenbrötlerei gegen Sensibilität, Klugheit gegen Narzissmus in Stellung zu bringen usf. Wenn Karrieredenken sich gegen Wohlwollen behaupten muss, ist das erregender als wenn Ehrgeiz und Ambition oder Rationalität und Geist miteinander „ringen“.

Ein Drama wird erst dann richtig spannend, wenn beide Konfliktparteien gleich stark sind. In einer Tragikomödie kann ein Charakter durchaus Schwächen und Marotten haben. Das macht ihn vielleicht weniger vorbildlich, aber umso echter. Bei Konflikten, die außerhalb der Charaktere stattfinden, sollte das Kräfteverhältnis aber immer robust und komplementär in der Stärke sein.