Unterrichtsmaterialien zu
Nachhaltigkeit und Verhalten
Die heutige globale Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen, wenn es um die Sicherstellung der Ressourcenverfügbarkeit und ökologischem Gleichgewicht, von sozialer Gerechtigkeit, friedlichem Zusammenleben, Zugang zu guter Bildung, Gesundheit und menschlichem Wohlbefinden für alle geht.
Mehr zu den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung
Welche Ziele für nachhaltige Entwicklung sind den Menschen in der Welt am wichtigsten? Welche Ziele sind dir am wichtigsten?
In einer globalen Online-Befragung der Vereinten Nationen können Menschen ihre Meinung mitteilen.
Die Ergebnisse der Befragung : http://data.myworld2030.org/
Nimm selbst an der Befragung teil: https://myworld2030.org/?lang=de
Unterrichtstipps:
Die Klasse erhebt die anonymen Meinungen aller SchülerInnen und stellt die Ergebnisse als Balkendiagramm zusammen. Fragebogen
Anschließend werden die Ergebnisse mit den globalen Ergebnissen, oder den Ergebnissen des eigenen Landes oder anderer Untergruppen verglichen. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es? Warum könnten sich die Umfrageergebnisse zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen unterscheiden?
Was sagen uns die Ergebnisse dieser Umfrage über die Herausforderungen für die Lösung globaler Nachhaltigkeitsprobleme aus (z.B. Klimawandel)?
All diese Ziele erfordern Zusammenarbeit auf allen Ebenen der Gesellschaft, bis hin zur globalen Ebene. Können wir etwas von Gemeinschaften der Welt, von unserer Evolutionsgeschichte, von anderen Lebewesen und von unseren alltäglichen Verhaltensweisen und Erfahrungen darüber lernen, wie derartige Herausforderungen der Zusammenarbeit gemeistert werden können, und wodurch diese Zusammenarbeit gefährdet wird?
Die Forschung von Biologen, Ökonomen, Anthropologen, Psychologen und Verhaltensforschern liefert uns Hinweise darauf, welche Bedingungen und Prinzipien für das nachhaltige Zusammenleben in Gemeinschaften eine Rolle spielen. In diesem Zusammenhang kann auch ein Verständnis über die Ursprünge und Facetten des menschlichen Sozialverhaltens dabei helfen, die heutigen Herausforderungen der Zusammenarbeit zu begreifen und Lösungsansätze zu bewerten.
Unterrichtsmaterialien auf einen Blick
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Das Problem der Nutzung von Gemeinschaftsgütern
Nachhaltige Entwicklung beinhaltet insbesondere das Aufrechterhalten von gemeinsam genutzten natürlichen und gesellschaftlichen Ressourcen.
Gemeinschaftsressourcen (auch Allmenderessourcen; eng.: common-pool resources) sind Ressourcen, die von einer Gemeinschaft genutzt werden. Oft sind solche Ressourcen begrenzt bzw. können knapp werden: Je mehr jemand von der Ressource nutzt, desto weniger bleibt für die anderen in der Gemeinschaft übrig. Beispiele sind Grundwasser, verschiedene biologische Ressourcen, Bewässerungssysteme, die Atmosphäre, öffentliche Straßen und Parks (wenn sie überfüllt werden), das Budget eines Projektes. Bei der Nutzung solcher Ressourcen gibt es ein Dilemma: der Einzelne hat ein Interesse, so viel wie möglich von der Ressource zu nutzen (oder: so wenig wie möglich zur Erhaltung der Ressource oder zum Erreichen eines Projektziels beizutragen). Schließlich steht ihm die Nutzung frei und sein Verhalten hat keine unmittelbaren negativen Folgen. Wenn jedoch die meisten in der Gemeinschaft so handeln, wird die gesamte Ressource gefährdet, mit negativen Folgen für alle. Dieses Dilemma zwischen kurzfristigem Eigeninteresse und langfristigem Gemeinwohl in der Nutzung oder Aufrechterhaltung gemeinsamer Ressourcen nennt sich die Tragik der Allmende. Es ist ein bedeutendes Konzept in den Evolutions-, Verhaltens- und Nachhaltigkeitswissenschaften.
Unterrichtsmaterial: Kinder oder Schimpansen - Wer ist besser im Ressourcen teilen?
Unterrichtsmaterial: Das Fischerspiel (für Grundschule geeignet)
Unterrichtsmaterialien: Computersimulationen zur Nutzung von Allmenderessourcen
Extern: Das Müll-Dilemma - was ist ein soziales Dilemma? (https://www.wirtschaftundschule.de)
Der Ökologe Garret Hardin hat das Dilemma der Allmendenutzung in einem 1968 erschienen Artikel “The Tragedy of the Commons” populär gemacht, anhand dem Beispiel einer Dorfweide.
Hardin ging davon aus, dass wir in der Situation einer Allmendenutzung nicht auf das Gewissen oder “moralische Gefühle” von Individuen setzen können. Schließlich haben eigennützige Individuen einen (Selektions-)vorteil, und gewissenhafte Nutzer würden ausgenutzt werden und würden sich somit nicht auf Dauer durchsetzen können.
So kam Hardin zu dem Schluss, dass es nur zwei mögliche Lösungen für die Abwehr der Tragik gibt: Durchsetzung von Regeln durch eine zentrale Regierung (“Freedom in the commons brings ruin to all.” ); oder Privatisierung der Ressource (“Private property plus inheritance is injust …. but injustice is preferable to total ruin.”).
Doch in den 1990ern untersuchte die Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom eine Vielzahl von Gemeinschaftsgütern in der Welt, wie Fischereigebiete, Bewässerungssysteme, Wälder. Sie wollte herausfinden, wie Gemeinschaften der Welt ihre Allmenderessourcen bewirtschaften, und inwieweit sie in der Lage sind, die Tragik der Allmende abzuwehren.
Sie fand heraus, dass bestimmte Faktoren und Bedingungen der Ressource und der sozialen Gegebenheiten sowie Verhaltensweisen der Nutzergemeinschaft einen starken Einfluss darauf haben, inwieweit Gemeinschaften ihre Ressource nachhaltig nutzen.
Evolutionsbiologen und Anthropologen haben erkannt, dass ihre "Design-Prinzipien" für das Management von Gemeinschaftsressourcen auch verallgemeinert auf jegliche Kooperation unter Menschen und sogar auf Kooperation in anderen Lebewesen übertragen werden können. Die Art und Weise, wie diese Prinzipien in einem konkreten Kontext umgesetzt werden, können dabei jedoch ganz unterschiedlich aussehen.
2009 erhielt Elinor Ostrom für ihre Arbeit über Gemeinschaftsgüter (als erste Frau) den Nobel-Preis der Wirtschaftswissenschaften.
Ostroms 8 Prinzipien für erfolgreiche Kooperation
1 Klare Gruppenidentität und gemeinsame Ziele: Alle fühlen sich der Gruppe zugehörig, und alle Mitglieder verfolgen gemeinsame Ziele. Alle "sitzen in einem Boot" und alle sind sich dessen bewusst.
2 Faire Verteilung von Kosten und Nutzen: Die Kosten und Nutzen, die Mitgliedern aus einer Kooperation entstehen, werden proportional zueinander verteilt.
3 Gemeinschaftliche Entscheidungen: Die meisten Individuen der Gruppe können an Entscheidungen teilnehmen, von denen sie betroffen sind, die Spielregeln festlegen oder verändern.
4 Monitoring und Transparenz: Die Gemeinschaft beobachtet und überwacht, wie eine Ressource von allen genutzt wird, wie sich ihr Zustand entwickelt, ob sich alle den Regeln entsprechend verhalten, und inwieweit gemeinsame Ziele erreicht werden.
5 Angemessenes Feedback auf positives und negatives Verhalten: Positives Verhalten erhält positive Reaktionen; Sanktionen für negatives Verhalten beginnen auf niedrigem Niveau, verschärfen sich aber bei wiederholten Verstößen gegen die Regeln.
6 Konfliktlösungsmechanismen: Es existieren lokale Arenen und Mechanismen für die schnelle, effiziente, faire und direkte Lösung von Konflikten unter Mitgliedern.
7 Anerkennung von Rechten und Autonomie: Die Gruppe hat ein Mindestmaß an Rechten und die Freiheit, sich eigene Regeln zu setzen und sich selbst zu organisieren.
8 Koordination zwischen Ebenen: Gruppen existieren auf vielen ineinander verschachtelten Ebenen und koordinieren sich. Auf jeder Ebene müssen Prinzipien 1-7 umgesetzt werden.
Je nach Kontext können auch noch weitere Prinzipien bedeutsam für Zusammenarbeit sein.
verändert nach: http://www.bpb.de/apuz/33204/elinor-ostrom-und-die-wiederentdeckung-der-allmende?p=all ; Wilson, Ostrom, Cox (2013), Atkins, Wilson, & Hayes (2019)
Weitere ökologische und sozio-politische Rahmenbedingungen, sowie Faktoren der Ressource und der Nutzergemeinschaft, können einen Einfluss darauf haben, wie leicht oder schwer es einer Gemeinschaft fällt, die Prinzipien für Kooperation und nachhaltiges Ressourcenmanagement umzusetzen.
Mithilfe von realen Fallbeispielen, Computersimulationen und Experimenten können wir die Wirkungen und Wechselbeziehungen zwischen diesen Faktoren in der Entwicklung von Gemeinschaftsressourcen untersuchen.
Die Bedeutung von sozialen Emotionen und Intuitionen für menschliches Verhalten
Homo oeconomicus oder Homo sapiens?
Lange Zeit galt in den Wirtschaftswissenschaften das Modell des Homo oeconomicus als akzeptable Annäherung an die Natur des Menschen und menschlichen Verhaltens. Der Mensch sei ein eigennütziger, rationeller Gewinn-Maximierer, in erster Linie daran interessiert, kurzfristig so viel materiellen "Gewinn" wie möglich aus der Umwelt und aus seinen Beziehungen mit anderen Menschen zu ziehen. Will man, dass sich Menschen auf bestimmte Weise verhalten, so muss man nur genügend materielle Anreize schaffen, z.B. durch Vergünstigungen, Prämien, Strafgebühren, Zinsen, Steuern, etc. Auch die Prophezeiung von Garret Hardin (siehe oben), dass die nachhaltige Nutzung oder Aufrechterhaltung von Gemeingütern nur durch Privatisierung oder zentrale Regierung realisiert werden kann, basierte auf der Annahme, dass Menschen im Allgemeinen nach dem Muster des Homo oeconomicus handeln.
Doch seit mehr als 2 Jahrzehnten beginnt dieses Modell zunehmend zu bröckeln. Denn mit dem Forschungsgebiet der Verhaltensökonomie wurde erstmals untersucht, wie sich Menschen unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft denn tatsächlich in Beziehungen und Interaktionen mit anderen Menschen verhalten - spiegelt ihr Verhalten das Modell des Homo oeconomicus wider?
Es zeigt sich:
Viele Menschen handeln oft gar nicht so “egoistisch”, wie man angenommen hatte. Ihnen scheinen "ein gutes Gewissen", Wertvorstellungen und die Einhaltung lokaler sozialer Normen wichtig zu sein. Sie scheinen nicht nur nach materiellem Profit zu streben. Selbst die Bedeutung der Begriffe "Egoismus" und "Altruismus" mussten neu gedacht werden (Ist es egoistisch, wenn jemand einem anderen Menschen hilft, weil es sich gut anfühlt?).
Menschen handeln oft gar nicht so “rationell” wie man angenommen hatte. Menschen handeln oft intuitiv, geleitet von (sozialen) Emotionen, Intuitionen und verinnerlichten sozialen Normen (z.B. Wie verhalten sich die anderen?, Welches Verhalten erwarten die anderen von mir?). Selbst die Bedeutung des Begriffs "Rationalität" musste neu gedacht werden.
Menschen sind oft (aber nicht immer) fähig und motiviert, sich gemeinschaftlich im Sinne des Gemeinwohls zu organisieren (z. B für die nachhaltige Nutzung und Aufrechterhaltung von Gemeinschaftsressourcen), und nehmen dafür eigene Kosten in Kauf.
Materielle Anreize können "nach hinten losgehen" bzw. eine "self-fulfilling prophecy" sein: Menschen werden zu materiellen Gewinn-Maximierern, wenn sie den Eindruck haben, dass andere Menschen ebenfalls materielle Gewinn-Maximierer sind, oder dass soziale Präferenzen, Wertvorstellungen und soziale Normen für andere Menschen in ihrem Umkreis keine Rolle spielen.
Die meisten dieser Erkenntnisse sind eigentlich jedem Menschen aus seiner Alltagserfahrung bekannt. Die Frage ist, welche Faktoren das Verhalten von Menschen beeinflussen - welche Rolle spielen Emotionen und Intuitionen, individuelle Erfahrungen, Gene, das soziale und kulturelle Umfeld und unmittelbare Umweltbedingungen? Und wie können oder sollten wir Antworten auf diese Fragen nutzen, um das Erreichen gesellschaftlicher Ziele für nachhaltige Entwicklung zu fördern?
Nudging - menschliches Verhalten anstupsen
Unser Verhalten wird stark von äußeren Umweltbedingungen beeinflusst, auch wenn wir uns dessen oft nicht bewusst sind.
In der Verhaltensökonomie nutzt die Methode des Nudging diese Tatsache aus (eng. nudge, was so viel heißt wie “leicht anstupsen”). Nudging ist eine Methode, um das Verhalten von Menschen auf vorhersagbare Weise zu beeinflussen, ohne dabei auf direkte Verbote, Gebote oder ökonomische Anreize zurückzugreifen. Das Ziel der Verhaltensänderung soll im Interesse eines betroffenen Individuums selbst liegen. Demnach ist z.B. Zigarettenwerbung kein Nudge (denn das angestrebte Verhalten liegt hauptsächlich im Interesse des Zigarettenherstellers), während Warnhinweise zur gesundheitsschädigenden Wirkung des Rauchens auf Zigarettenschachteln Nudges sind (denn das angestrebte Verhalten liegt im langfristigen Interesse des betroffenen Individuums). Nudges, die das Ziel haben, nachhaltiges Verhalten in Menschen zu fördern, werden oft green nudges genannt.
Die Rechtfertigung des nudging liegt in der Tatsache, dass menschliches Verhalten stark durch unbewusst wahrgenommene Reize aus der Umwelt beeinflusst wird, ob wir es wollen oder nicht. So kann die strategische Veränderung von Umweltfaktoren dazu beitragen, dass Menschen eher dazu in der Lage sind, sich entsprechend ihrer eigentlichen Ziele und Werte zu verhalten.
Dennoch wird das Prinzip des Nudging viel diskutiert und kritisiert, denn es lauert die Gefahr, dass Verhaltensmanipulationen gerechtfertigt werden, die möglicherweise nicht den Interessen und Werten der betroffenen Menschen entsprechen.
(Es gibt auch eine philosophische Frage zum Begriff der "Autonomie" - was sagen Erkenntnisse der Kognitions- und Neurowissenschaften darüber aus, inwieweit wir tatsächlich einem "freien Willen" oder "Autonomie" in unseren eigenen Entscheidungen haben ...)
mehr dazu:
Thaler, R. & Sunstein, C. (2008). Nudging- Wie man kluge Entscheidungen anstößt. 5. Auflage. Econ, Berlin.
Mit solchen Infokampagnen will die DAK Menschen zu gesünderem Umgang miteinander (und mit sich selbst) anstoßen.
BIldquelle: https://www.philippundkeuntje.de/de/news/343/news-dak-gesundheit-mit-neuer-kommunikation
Mit diesen Infokampagnen will die AOK Menschen zu mehr Bewegung anstoßen.
Bildquelle: https://www.gesundetaten.de/bewegtleben/pdf-download-form/
Verhaltenswissenschaftler erforschen, durch welche Möglichkeiten das Verhalten von Menschen geändert werden kann, wenn es um ihren Verbrauch von Ressourcen geht: inwieweit wirken sich finanzielle Anreize, soziale Normen, Mahnungen oder moralische Appelle auf ihr Verhalten aus?
Mögliche Diskussionsfragen:
Ist die Methode des nudging ethisch bedenklich, weil das Verhalten von Menschen bewusst manipuliert wird, oder ist sie unbedenklich oder gar wünschenswert, weil das Ziel ist, Menschen ohne Zwang zu prosozialem oder anderem positiven Verhalten “anzuschubsen", ohne dass jemandem physischer oder psychischer Schaden entsteht?
Überlege einmal, wievielen Nudges du an einem Tag in deinem Umfeld begegnest. Denke z.B. an deinen Weg zur Schule (Auskunftsschilder, Wegweiser, Warnhinweise, Werbetafeln?), verschiedene Orte in der Schule (Labor, Toilette, Cafeteria, Hof, Türen?), Supermarkt (Schilder, Auslage von Waren?), euer Zuhause (Merkzettel, Kalendereinträge, Einkaufszettel?). Die SchülerInnen könnten gebeten werden, als Hausaufgabe eine Reihe von nudges zu sammeln und zu dokumentieren, auf die sie im täglichen Leben stoßen, und diese mit der Klasse zu teilen.
Gibt es unter diesen Beispiele, die dir vorher gar nicht bewusst waren?
Welche Wirkung haben diese Umwelteinflüsse möglicherweise auf dein Verhalten, bzw. das Verhalten deiner Mitmenschen?
Bei welchen Beispielen handelt es sich womöglich nicht um Nudges, weil sie das Ziel haben, euer Verhalten entgegen eurer eigenen und gemeinschaftlicher (langfristiger) Interessen und Werte zu beeinflussen?
Wie könnte man die Methode des Nudging für sich selbst nutzen, um sein eigenes Verhalten in eine Richtung zu ändern, die im eigenen Interesse liegt (z.B. um Gewohnheiten zu ändern, einen gesünderen Lebensstil zu führen, neue Dinge zu lernen, sich Dinge besser zu merken, ...)?
Unsere moralischen Intuitionen
Gerechtigkeitssinn
Gerechte Verteilung von Ressourcen, Kosten und Nutzen unter Mitgliedern, sowie gerechte Prozesse der Entscheidungsfindung und Konfliktlösung, sind einige der Bedingungen für ein nachhaltiges Fortbestehen einer Gemeinschaft (siehe oben: Ostroms Prinzipien 2, 3, 5, 6).
Aufgrund der Bedeutung des Gruppenlebens im Laufe der menschlichen Evolution ist ein Sinn für Gerechtigkeit Teil unseres evolutionären Erbes. Gerechtigkeitssinn gehört zu unseren menschlichen "moralischen Intuitionen". So gut wie alle Menschen, egal welcher Kultur und sozialer Herkunft sie angehören, scheinen einen Gerechtigkeitssinn zu haben, auch wenn dieser in verschiedenen Menschen und in verschiedenen Gruppen in ganz unterschiedlichem Maße und in ganz unterschiedlichen Situationen zum Ausdruck kommen kann.
Was "gerecht" erscheint, ist oft vom Kontext, den Betroffenen und der eigenen Rolle in der Situation abhängig - soll zum Beispiel jeder bedingungslos gleich behandelt werden, sollen diejenigen bevorzugt behandelt werden, die es "verdient haben", oder sollen diejenigen bevorzugt behandelt werden, die dies aufgrund ihrer Situation benötigen? Diese Mehrdeutigkeit von "Gerechtigkeit" führt oft zu Meinungsverschiedenheiten, und so kommt unser Gerechtigkeitssinn bei vielen Auseinandersetzungen im Alltag und in der Gesellschaft zum Tragen.
Unterrichtsmaterial: Wie fair teilen Menschen mit einem Fremden? Das Ultimatum- und Diktatorspiel
Ist Gerechtigkeit angeboren oder anerzogen? Ein leserlicher Artikel über die Evolution und Entwicklung des menschlichen Gerechtigkeitssinns. (MDR Wissen, 2018)
That’s Not Fair! Children in different cultures have different standards of fairness (Psychology Today Artikel, auf englisch)
Der Moralpsychologe Jonathan Haidt hat neben dem Gerechtigkeitssinn eine Reihe weiterer, anscheinend universeller moralischer Intuitionen des Menschen identifiziert. Diese haben einen starken Einfluss auf unsere Meinungsbildung und unser Verhalten.
Jonathan Haidt vergleicht unsere moralischen Intuitionen mit unseren Geschmacksnerven - sie sind Teil unseres gemeinsamen evolutionären Erbes, sie erfüllen wichtige Funktionen, alle "Küchen" der Welt bauen auf sie auf, aber Menschen und Kulturen variieren in ihren Essgewohnheiten und regionalen Vorlieben für bestimmte "Geschmäcker".
Literaturangaben
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Basurto, X., & Ostrom, E. (2009). Beyond the Tragedy of the Commons. Economia Delle Fonti Di Energia e Dell’ambiente, 35–60. https://doi.org/10.3280/EFE2009-001004
Bateson, M., Nettle, D., & Roberts, G. (2006). Cues of being watched enhance cooperation in a real-world setting. Biology Letters, 2(3), 412–414. https://doi.org/10.1098/rsbl.2006.0509
Bowles, S., & Polanía-Reyes, S. (2012). Economic incentives and social preferences: Substitutes or complements? Journal of Economic Literature, 50(2), 368–425. https://doi.org/10.1257/jel.50.2.368
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Haidt, J. (2012). The Righteous Mind: Why Good People Are Divided by Politics and Religion. New York, NY, USA: Pantheon Books.
Hardin, G. (1968). The Tragedy of the Commons. Science, 162(June), 1243–1248. https://doi.org/10.1126/science.162.3859.1243
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Koomen, R., & Herrmann, E. (2018). An investigation of children’s strategies for overcoming the tragedy of the commons. Nature Human Behaviour, 2, 348–355. https://doi.org/10.1038/s41562-018-0327-2
Ostrom, E. (2009). A General Framework for Analyzing Sustainability of Social-Ecological Systems. Science, 325(5939), 419–422. http://doi.org/10.1126/science.1172133
Thaler, R. & Sunstein, C. (2008). Nudging- Wie man kluge Entscheidungen anstößt. 5. Auflage. Econ, Berlin.
Wilson, D. S., Ostrom, E., & Cox, M. E. (2013). Generalizing the core design principles for the efficacy of groups. Journal of Economic Behavior and Organization, 90, S21–S32. https://doi.org/10.1016/j.jebo.2012.12.010