Ausdauerlauf

Viele Merkmale unseres Körpers deuten darauf hin, dass sie nicht nur Anpassungen an das aufrechte Gehen, sondern auch an den Ausdauer- und Langstreckenlauf sind. 

Das Skelett von Homo erectus weist bereits viele dieser Merkmale auf. So vermuten Anthropologen, dass Homo erectus durch den Ausdauerlauf seine Nahrungszufuhr sichern und verbessern konnte. Schließlich hatten sie keine scharfen Reißzähne und starke Gebisse, oder scharfe Klauen, um mit den spezialisierten Räubern der Savanne zu konkurrieren. Auch hatten die frühen Vertreter von Homo erectus noch keine ausgefeilten Werkzeuge wie Speere oder Pfeil-und-Bogen, um Beutetiere aus sicherer Entfernung zu erlegen.  

Bildquelle: Chakazul , Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license. 
Rekonstruktion eines erwachsenen, männlichen Homo erectus
Bildquelle:  W. Schnaubelt & N. Kieser (Atelier WILD LIFE ART), Foto - illyundfreya, CC BY-SA 3.0

Fragen zu den Videos:

Vermutete Ausbreitung von verschiedenen Homininen (Zahlen sind Jahre vor unserer Zeit). Bildquelle: NordNordWest, gemeinfrei

Homo erectus war vermutlich der erste der Homininen, der Afrika verließ.

Ausdauerlauf und Gehirn

Doch nicht nur Merkmale unseres Skeletts und unserer Muskulatur sind Anpassungen an den Ausdauerlauf. Auch Merkmale des Nervensystems und der Gehirnaktivität haben einen Einfluss auf unsere Ausdauer, und wurden so im Laufe der Evolutionsgeschichte selektiert. So haben Tierarten wie wir Menschen und Hunde, welche an den Ausdauerlauf angepasst sind, eine erhöhte Ausschüttung von Neurotransmittern und Hormonen während und nach einem Ausdauerlauf - u.a. Dopamin, Serotonin, Endocannabinoide und Endorphin. 

Die kombinierte Aktivität dieser Neurotransmitter ist u.a. für das Belohnungssystem im Gehirn verantwortlich. Es sorgt dafür, dass wir motiviert sind, Ziele zu erreichen, neue Dinge auszuprobieren, neue Gebiete zu erkunden, und neue Probleme zu lösen. Bei Erfolg stellt sich ein Gefühl ein, dass wir als Glück oder “Kick” empfinden, und welches das Belohnungssystem erneut aktiviert und uns für zukünftige Anstrengungen motiviert. Dopamin ist auch an der Wärmeregulierung und Koordination von Bewegungen beteiligt. Serotonin, Endocannabinoide und das Hormon Endorphin erhöhen die Stimmung und reduzieren die Schmerzempfindlichkeit. All diese Wirkungen erhöhen die Ausdauer und Motivation zum Rennen. 

Konzentration von Endocannabinoiden im Blut von Mensch, Hund und Frettchen nach 30 min Rennen.

Konzentration von Endocannabinoiden im Blut von Mensch, Hund und Frettchen nach 30 min Gehen.

Quelle: verändert nach  Raichlen et al.  (2012).  http://doi.org/10.1242/jeb.063677

Ursache-Wirkungs-Diagramm

Die Umweltbedingungen der Savanne waren vor ca. 2 Mio Jahren zunehmend derart, dass sie von den dort lebenden Hominidenarten eine tierische Ernährung erforderten. Diejenigen, welche die tierischen Nahrungsquellen der Savanne effektiv ausschöpfen konnten, hatten bessere Überlebens- und Fortpflanzungschancen als andere. Die tierischen Nahrungsquellen der Savanne effektiv ausschöpfen konnten wiederum diejenigen, die weite Strecken über lange Zeit laufen konnten. Denn Hominiden haben anders als die Raubtiere der Savanne keine anderen körperlichen Merkmale (z.B. Reißzähne, scharfe Klauen, die Fähigkeit für schnelles Sprinten), die ihnen helfen würden, mit diesen Raubtieren um Beute zu konkurrieren. 

Erhöhte Fähigkeit für Ausdauer- und Langstreckenlauf, und damit erhöhte Überlebens- und Fortpflanzungschancen, hatten wiederum diejenigen, deren Körperbau dieses Verhalten erleichterte oder effizienter machte. Erhöhte Fähigkeit für Ausdauer- und Langstreckenlauf hatten auch diejenigen, deren Nervensystem dieses Verhalten erleichterte - insbesondere eine erhöhte Ausschüttung von Neurotransmittern und Hormonen, die den Stoffwechsel ankurbeln und die Schmerzempfindlichkeit senken.

Gene, die an der Ausbildung all dieser Merkmale beteiligt sind, wurden an die Nachkommen vererbt, welche ebenfalls diese Merkmale und damit erhöhte Überlebens- und Forpflanzungschancen hatten. 

Weitere Diskussionsfragen: 

Welche anderen Faktoren außer Genen könnten die Entwicklung von Körpern und Gehirnen beeinflussen, die die Fähigkeit für Ausdauerlauf begünstigen?

Wenn die Ernährungsweise und das soziale Umfeld Unterschiede in der Fähigkeit zum Ausdauerlauf hervorrufen, wären diese Merkmale vererbbar? Warum, oder warum nicht?

siehe auch: kulturelle Evolution

Mögliche Erweiterungen des Ursache-Wirkungs-Diagramms, um auch die Rolle von Ernährungsweise und sozialer Umwelt in der Entwicklung des Merkmals "Ausdauerlaufen" darzustellen.

Literaturangaben

Bramble, D. M., & Lieberman, D. E. (2004). Endurance running and the evolution of Homo. Nature, 432(7015), 345–352. https://doi.org/10.1038/nature03052

Raichlen, D. A., Foster, A. D., Gerdeman, G. L., Seillier, A., & Giuffrida, A. (2012). Wired to run: exercise-induced endocannabinoid signaling in humans and cursorial mammals with implications for the “runner’s high.” Journal of Experimental Biology, 215(8), 1331–1336. http://doi.org/10.1242/jeb.063677

Schulkin, J. (2016). Evolutionary Basis of Human Running and Its Impact on Neural Function. Frontiers in Systems Neuroscience, 10(July), 1–10. https://doi.org/10.3389/fnsys.2016.00059