Werfen und Händigkeit

Einige Merkmale unseres Körpers deuten darauf hin, dass sie Anpassungen an das Werfen sind. So vermuten Anthropologen, dass Homo erectus auch durch das gezielte Werfen seine Nahrungszufuhr sichern und verbessern konnte. 

Fragen zu den Videos:

Link - Rechtshändigkeit

Das gezielte Werfen, aber auch die Herstellung von Werkzeugen, erfordern nicht nur bestimmte körperliche Strukturen, sondern auch eine gute Koordination und Kontrolle von Armen und Händen. 

Wir Menschen tun sehr viel mit unseren Händen. Überlege einmal, wie oft und für welche Zwecke du im Laufe eines Tages deine Hände bewegst. Selbst wenn wir nichts zu tun haben, bewegen wir oft die Hände (Däumchen drehen, mit den Fingern klopfen,…) oder hantieren mit Dingen herum. Die Fähigkeit, unsere Hände flexibel einzusetzen, haben wir mit vielen Primaten gemeinsam.

Bist du Linkshänder oder Rechtshänder? Oder kannst du die linke und die rechte Hand gleich gut, z.B. zum Werfen und Schreiben, verwenden? 

Die meisten Menschen benutzen bevorzugt eine der beiden Hände für Aktivitäten, die besondere Koordination, Kraft und Präzision erfordern (schreiben, greifen, werfen,...) während die andere Hand zum Abstützen, Balancieren oder Halten verwendet wird. Etwa 85 - 90 % der Menschheit sind Rechtshänder, und diese Verteilung scheint in allen bekannten Populationen und Kulturen ähnlich zu sein. Nur etwa 1% der Menschheit können beide Hände gleich gut für derartige Aktivitäten verwenden.  Warum ist das so, und warum ist die Händigkeit nicht z.B. eher zufällig verteilt? Seit wann hatten unsere Vorfahren diese starke Tendenz zur Rechtshändigkeit?

Selbst bei Amphibien, Vögeln, Nagetieren, und Primaten wurde in freier Wildbahn und in Experimenten eine leichte Tendenz beobachtet, dass die rechten Gliedmaßen für bestimmte Aufgaben, wie das gezielte Manipulieren mit Futter und Objekten, eingesetzt werden. Dies hängt aber von den Anforderungen der Aufgabe ab, und davon, ob Tiere derartige Aufgaben zum Überleben erfüllen müssen - je mehr Koordination und Konzentration erforderlich ist, desto eher ist zu beobachten, dass die Tiere eine der beiden Seiten, und tendenziell die rechte Hand/Pfote/Bein dafür einsetzen. 

Schimpansen und andere Primaten haben aber scheinbar nicht eine derartig starke Dominanz der Rechtshändigkeit in ihren Populationen. Wissenschaftler sind sich zwar nicht ganz einig, wie die Händigkeit in Populationen von Primatenarten verteilt ist (ob z.B. zu 50% rechts- oder linkshändig, oder ob eine leichte Tendenz zur Rechts- oder Linkshändigkeit für bestimmte Tätigkeiten zu erkennen ist). Tatsache ist, dass die Dominanz der Rechtshändigkeit bei Menschen, verglichen mit Schimpansen und anderen Primaten, besonders hervorsticht. 

Warum und wie könnte diese Dominanz der Rechtshändigkeit im Laufe der letzten 6 Mio Jahre in unserer Art entstanden sein? 

Was wissen wir über die Ursachen der Links- oder Rechtshändigkeit in uns Menschen und anderen Arten?

Es ist schwer, die Händigkeit unserer Vorfahren zu erforschen. Doch anhand von Spuren in fossilen Zähnen, der Ausbildung von fossilen Knochen, und Höhlenmalerei schließen Forscher, dass spätestens Homo heidelbergensis und Homo neanderthalensis eine ähnliche Verteilung der Rechtshändigkeit hatten wie heutige Populationen des Menschen. 

Diese ca. 12 000 Jahre alten Handabdrücke in Cuevas de las Manos  in Argentinien deuten darauf hin, dass die meisten dieser Künstler Rechtshänder waren: die rechte Hand hielt die Farbe oder Werkzeuge, und die linke Hand diente als Schablone.

Ursache-Wirkungs-Diagramm

Die Umweltbedingungen der Savanne waren vor ca. 2 Mio Jahren zunehmend der Art, dass sie von den dort lebenden Hominidenarten eine tierische Ernährung erforderten. Diejenigen, welche die tierischen Nahrungsquellen der Savanne effektiv ausschöpfen konnten, hatten bessere Überlebens- und Fortpflanzungschancen als andere. Die tierischen Nahrungsquellen der Savanne effektiv ausschöpfen konnten wiederum diejenigen, die gut im zielgerichteten Werfen von Steinen und anderen Objekten waren. Denn dies machte das Erlegen von Beutetieren und Schutz vor Raubtieren effektiver. Besser im zielgerichteten Werfen waren wiederum diejenigen, und hatten damit höhere Überlebens- und Fortpflanzungschancen, deren Körperbau dieses Verhalten erleichterte oder effizienter machte. Besser im zielgerichteten Werfen waren auch diejenigen, die ihre Hände und Arme gut koordinieren und kontrollieren konnten. Diese Koordinationsfähigkeiten werden von der Vernetzung und Aktivität von Gehirnregionen beeinflusst. Gene, die diese Merkmale des Körpers und der Gehirnaktivität beeinflussen, wurden an Nachkommen vererbt, welche ebenfalls diese Merkmale und damit einhergehende erhöhte Überlebens- und Fortpflanzungschancen hatten.

Weitere Diskussionsfragen

Durch das aufrechte Gehen wurden die Hände frei und konnten zunehmend für andere Zwecke verwendet werden, insb. für das Tragen von Gegenständen und das Werfen.

Die Fähigkeit für gutes Werfen entwickelt sich im Laufe eines Lebens durch Lernen und Übung. So ist neben der Vererbung der Gene auch die soziale Umwelt und soziales Lernen an der Ausbildung und Weitergabe dieser Fähigkeit beteiligt. Wie könnten wir das obige Ursache-Wirkungs-Diagramm erweitern, um die Rolle der sozialen Umwelt und der Fähigkeit für soziales Lernen darzustellen?

Außerdem vermuten Anthropologen, dass die Fähigkeit für das Werfen nicht nur gegen Beute und Räuber, sondern auch gegen Artgenossen eingesetzt werden konnte, und zwar sowohl innerhalb der eigenen Gruppe, als auch gegenüber anderen Gruppen. Wenn z.B.  einige in der Gruppe zu aggressiv und dominant wurden, dann ermöglichte das Werfen, dass sich mehrere in der Gruppe gegen ein einzelnes starkes Individuum wehren und durchsetzen konnten.  Dies hatte womöglich Vorteile für das Gruppenleben, und so stellte die soziale Umwelt einen zusätzlichen Selektionsdruck für gute Werffähigkeiten dar (siehe auch: Leben in Gruppen).

Mögliche Erweiterung des Ursache-Wirkungs-Diagramms, um auch die Rolle der sozialen Umwelt in der Entwicklung und Selektion der Fähigkeiten für gezieltes Werfen abzubilden.

Literaturangaben