Winterprojekt 2020/21: MTB-Selbstbau
21.11. -28.12.2020
Alles fing damit an, dass ich bei Bikediscount eher nebenbei einen netten und günstigen Hardtail-27,5-Zoll-Rahmen sah. In mir reifte die Idee, mal wieder ein Fahrrad selbst aufzubauen und damit die fahrradarme Winterzeit sinnvoll zu überbrücken. Also schlug ich kräftig zu und bestellte gleich einige Bikeparts dazu: Räder mit Reifen, 12er Zahnkranz mit Kette, Kurbel, Federgabel mit Steuersatz und einiges Zubehör. Bremsen erwarb ich günstig beim örtlichen Handel. Einige Teile wie Tretlager, Lenker, und Vorbau hatte ich bereits im Bestand. Andere Parts wie Pedalen, Schaltwerk und Kleinkram sollten noch später dazukommen. Beim Sattel begnüge ich mich vorläufig mit einem vorhandenen, doch Weihnachten bekomme ich einen super-ergonischen poposchonenden Sattel von SQ-Lab (wenn ich brav bin). Bei den technischen Teilen habe ich durchgängig eine Shimano XT-Ausstattung gewählt. Der Gesamtpreis beläuft sich auf rund 1.200 €, was für ein Bike mit dieser Ausstattung ein echtes Schnäppchen ist.
Scheinbar recht wenig für den eigenständigen Aufbau eines Radls. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mir aus Kostengründen nicht alle eigentlich erforderlichen Spezialtools zugelegt habe, sondern auch profane Hausmanns-Werkzeuge wie Hammer und Rohrzange zum Einsatz brachte. Auf dem Bild fehlt: Rohrschneider, der nur ausgeliehen war.
1. Schritt: Zusammenbau der Laufräder
Los gehts. Ich beginne mit einer leichten Übung. Die Laufräder werden zusammengebaut. Schläuche und Mäntel werden auf die Felgen gezogen und aufgepumt, die 180mm-Bremsscheiben werden auf die Centerlock-Aufnahmen geschraubt und der 12er-Zahnkranz auf den Leerlaufkörper aufgebracht. Das kleinste Ritzel hat 10 Zähne, das größte 51. Die Übersetzung entspricht in etwa der meines Alpen-Fullys, das eine 2x11-Schaltung hat.
Mein erstes Problem: Ich bemerke, dass das Vorderrad nicht in die Federgabel passt, weil diese über einen sog. Boost verfügt, d.h. 10 mm breiter ist. Ich lerne, nicht jede Nabe passt auf jede Gabel. Also bestelle ich mir später ein neues Vorderrad und biete das unpassende bei Ebay an.
Boost oder Nicht-Boost, das ist hier die Frage.
2. Schritt: Gabel, Steuersatz und Vorbau
Der nächste Arbeitsschritt gestaltet sich schon niveauvoller. Die Gabel muss passgenau zugeschnitten werden. Zu kurz abgeschnitten ist die Gabel unbrauchbar, zu lang hängt sie über den Lenker hinaus. :-) Der von Tom ausgeliehene Rohrschneider verrichtet seinen Dienst einwandfrei. Nach milimetergenauem Aufmaß, das jedem Handwerker zur Ehre gereicht hätte, wird das Gabelrohr zunächst sauber abgelängt und entgratet.
Dann wird die Steuerrohrkralle eingeschlagen. Was üblicherweise ein Spezialwerkzeug bewerkstelligt, leisten bei mir ein Hammer und eine Schraube, die ich in die Kralle eingeschraubt habe. Vorsichtig wird die Kralle etwa 2 cm tief in das Rohr getrieben. Klappt wunderbar dank Youtube: https://youtu.be/VErYAwuHyuc
Ähnlich rustikal gehe ich bei der Anbringung des Konus auf das Gabelrohr vor. Hammer und Schraubenzieher ersetzen das Spezialwerkzeug und führen ebenso gut zum gewünschten Ergebnis.
Abschließend werden die Steuersatzschalen oben und unten am Steuerrohr des Rahmens eingelegt (Lagerfett nicht vergessen!), die Gabel durchgezogen sowie zwei Spacer und der Vorbau auf das Rohr aufgebracht. Die Ahead-Kappe wird schließlich aufgeschraubt - fertig!
Achtung: Die Gabel darf einerseits im Rohr nicht wackeln, andererseits aber auch nicht so stark eingepasst werden, dass sich der Lenker später nicht mehr leichgängig bewegen lässt. Für die passgenaue Montage der Gabel ist die Schraube in der Ahead-Kappe daher gefühlvoll anzuziehen, bevor der Vorbau angeschraubt wird. An dieser Stelle erfolgt zunächst nur eine Voreinstellung, die endgültige Positionierung der Gabel kann erst dann vorgenommen werden, wenn das Vorderrad und die Bremse angebracht sind.
Die Gabel wird mit einem Rohrschneider zentimetergenau abgeschnitten.
Mit einem Hammer wird die Vorbaukralle vorsichtig in das Gabelrohr eingetrieben.
Dann noch zwei Spacer und der Vorbau aufgebracht - fertig!
3. Schritt: Der Antrieb
Im nächsten Arbeitsabschnitt widme ich mich Tretlager, Kurbel, Schaltwerk und Kette. Das Shadow II Tretlager wird mittels Rohrzangeneinsatzes eingeschraubt. Die eigentlich dafür vorgesehene Nuss habe ich mir wieder gespart. Dabei ist darauf zu achten, dass die beigefügten Spacer nicht nur die Breite des Tretlagergehäuses ausgleichen, sondern auch das Kurbelblatt im Verhältnis zu den 12 hinteren Ritzeln möglichst mittig positioniert wird. Bei mir sind es rechts zwei und links ein Abstandshalter.
Das Schaltwerk findet unproblematisch seinen Weg in das Schaltauge.
Mehr Schwierigkeiten bereitet mir das Anlegen der Kette. Erst einmal muss ich die richtige Länge ermitteln. Die im Netz zu findenden Tipps sind leider nicht sehr zielführend, was insbesondere daran liegt, dass der Unterschied zwischen dem kleinsten (10) und dem größten Ritzel (51) enorm ist und sich vorne nur ein Kettenblatt befindet. Die Kette muss lang genug sein, wenn sie auf dem größten Ritzel liegt, aber auch dann noch Spannung haben, wenn das kleinste Rädchen zum Einsatz kommt. Mein erster Versuch ist erst einmal ein Fehlschlag, zu kurz abgeschnitten. Jetzt fehlen mir blöderweise zwei Kettenglieder. Vergeblich klappere ich mehrere Fahrradläden mit dem Wunsch ab, mir die fehlenden Glieder aus einer abgeschnittenen Kette zukommen zu lassen. Alle sind freundlich, können mir aber nicht helfen. Eine neue, vorsorglich längere Kette muss her und ich besitze jetzt eine 9/10-Ersatzkette.
Der zweite Versuch sitzt. Ich finde tatsächlich das richtige Längenmaß, fädle die Kette durch das Schaltwerk und schließe sie mit Hilfe des beigefügten Kettenschlosses. Moderne Shimano-Ketten haben jetzt auch ein solches Schloss und nicht mehr den früher verwendeten Stift. Das Schließen dieses Verschlusses bedarf eines kräftigen Tritts in die Pedale, während das Hinterrad gebremst wird.
4. Schritt: Kabelverlegung
Bevor Bremsen und Schaltung angeschlossen werden können, müssen die Hüllen verlegt werden. So schön und aufgeräumt ja im Rahmen verlegte Kabel sind, sie wollen erst einmal den Weg durch den Rahmen finden. Es bedarf einigen längeren Stocherns und Fummelns, ehe das hintere Brems- und das Schaltkabel dann doch endlich am anderen Ende des Rahmenrohres wieder herauskommen. Vor allem das Bremskabel, das etwas dicker ist, hat mich einige Nerven gekostet. Zudem muss das Bremskabel von unten nach oben verlegt werden, weil die Verbindung am Bremssattel besser nicht gelöst wird.
Frickelarbeit: Brems- und Schaltkabel werden durch den Rahmen ...
... unterhalb des Tretlagers ...
... bis zum Hinterbau verlegt.
5. Schritt: Die Bremsen
Die Montage der vorderen Bremsen gestaltet sich noch recht einfach. Da die Bremse komplett geliefert wird, also der Hebel mit dem Sattel durch das Kabel verbunden und das System schon mit Bremsflüssigkeit gefüllt ist, muss lediglich der Hebel am Lenker und der Sattel an den Aufnahmen der Gabel montiert werden. Ein Adapter wird dazwischen gesetzt, damit der Abstand zur Bremsscheibe stimmt. Das Kabel wird mit einem Kabelbinder noch an der Gabel fixiert und fertig ist die vordere Bremsanlage.
Wesentlich schwieriger ist die Montage der hinteren Bremse. Von der Kabelverlegung wurde ja bereits berichtet. Um das Kabel in den Rahmen ziehen zu können, musste ich die Verbindung am Bremshebel lösen, wodurch ein erheblicher Teil des Bremsöls entschwand. Die Bremse muss entlüftet und neu befüllt werden. Nach gefühlten 100 Versuchen gelingt es mir dann endlich, die Luft aus dem System zu ziehen und es mit ausreichend Bremsflüssigkeit zu füllen. Auch die Hinterradbremse bedarf eines Adapters zwecks Anpassung an die Bremsscheibe.
Das ist easy: Schaltwerk an das Schaltauge schrauben und mit dem Schaltkabel verbinden.
Das ist weniger easy: Die Bremsen an Gabel und Hinterbau schrauben....
... und die Bremsleitungen mittels Spritze mit Shimano-Bremsöl füllen.
6. Schritt: Die Schaltung
Im Vergleich zur Montage der Bremsanlage ist die Anbringung der Schaltung ein Kinderspiel. Da die Außenhülle bereits verlegt ist, muss nur noch der Innenzug eingezogen und am Schaltwerk angeklemmt werden. Die Einstellung der Schaltung gelingt dank guter Youtube-Erklärvideos sehr gut.
https://youtu.be/9KQfe-NO6q0
Jetzt fehlen nur noch einige “Kleinigkeiten” wie Lenker, Griffe, Pedalen und Sattel mit Satteltasche. Ein Flaschenhalter, Mudguards und ein Tachometer runden schließlich das Bike ab.
Fertig!😄
Die erste Fahrt am 2. Weihnachtstag führt über Erkrath durchs Neandertal nach Haan-Gruiten und zurück. 25 km und 300 Höhenmeter. Nicht gerade alpin, aber ich stelle fest, dass ich mit diesem Rad Spaß haben werde. Es bedarf allerdings noch einiger kleiner Nachjustierungen an Sattel, Schaltung und Bremse. Das wird am nächsten Tag erledigt.
Stand: 28.12.2020