Alpencross 2010 Oberstdorf - Gardasee
Via Claudia Augusta
27.06. - 02.07.2010
437 km - 8.080 Höhenmeter
Alles begann mit den Römern, die einen gut fahrbaren Handelsweg über die "Alpes" gefunden und ihrem Kaiser Claudius Augustus gewidmet hatten. Auch wenn die Römer vielleicht "equi montani", nicht aber Mountainbikes besaßen, wird die Strecke heute gerne als Einsteigertour für Alpencrosser bezeichnet. Und Einsteiger sind wir, so dass diese Tour für den Anfang genau die richtige ist. Deshalb machen sich Winz und ich einfach mal auf den Weg.
(Anm.: Wegen meiner verloren gegangenen Fotokamera gibt es von dieser Tour leider keine Bilder.)
Samstag, 26.06.2010
Anreise:
Am Nachmittag rollen wir mit dem Intercity in Oberstdorf ein. Noch im Zug kommen wir mit einem anderen Mountainbiker ins Gespräch, der ganz offensichtlich schon mehr Erfahrungen im Überqueren der Alpen hat. Er erzählt uns, dass er heute noch über den Schrofenpass nach Österreich fahren will. Wir sind ordentlich beeindruckt.
Wir checken in unserer kleinen Pension ein und begeben uns in die schöne Oberstdorfer Innenstadt. Auf der Terrasse eines Lokals bestellen wir erst einmal ein leckeres Nudelgericht, um für den morgigen Tourstart ausreichend Kohlenhydrate zu speichern. Dann trinken wir noch ein, zwei Bierchen in einer Eckkneipe, wo gerade das WM-Spiel USA gegen Ghana läuft. Nach dem Spiel kehren wir zurück in unsere Unterkunft und hauen uns aufs Ohr.
Unterkunft: Pension in Oberstdorf
Sonntag, 27.06.2010
Erster Tourtag:
Nach einem ausgiebigen Frühstück starten wir voller Elan in unseren ersten Alpencross. Die Route führt nicht, wie die von Experten bevorzugte Heckmairroute, über den Schrofenpass, sondern zunächst über Fischen, Sonthofen und Hindelang zum Oberjoch. Da erwartet uns der erste anstrengende Anstieg, nur 350 Höhenmeter, für uns Flachlandtiroler aber schon einmal eine kleine Herausforderung. Wir überqueren die Grenze zu Österreich und bleiben auf gut fahrbaren Forstwegen zunächst noch auf der Höhe, später geht es herab zum Lech. Am Fluss entlang strampeln wir auf Rad- und asphaltierten Waldwegen leicht bergauf bis zu unserem Tagesziel Stanzach, wo wir am Nachmittag angemessen geschafft einrollen.
Wir kommen gerade rechtzeitig, um im Gasthof Post das WM-Spiel Deutschland-England (4-1, hurrah!) zu verfolgen. Später bewegen wir uns hinunter in den Gastraum, um ein leckeres Alpendinner zu uns zu nehmen.
Oberstdorf - Stanzach
Entfernung: 71,5 km
Höhenmeter: 930 m
Unterkunft: Gasthof Post, Stanzach
Montag, 28.06.2010
Zweiter Tourtag:
Der zweite Tourtag ist nicht sehr lang, bringt uns aber zu dem höchsten Punkt der gesamten Tour, dem Hahntennjoch, das auf der Bergkette zwischen Lech und Inn liegt. Nach dem Frühstück wünscht uns unser netter Wirt alles Gute, um die Bemerkung anzuschließen, dass er am liebsten gleich mitfahren würde.
Nach einem kurzen Stück entlang des Lech biegen wir links in ein Waldgebiet ab. Es geht aufwärts über teilweise enge Wanderwege, später kommen wir auf einen gut fahrbaren Waldweg, der auf die Straße zum Hahntennjoch mündet. Dort beginnt die Rampe zum Pass, der auf knapp 1.900 Metern liegt. Für uns ist es die erste Erfahrung mit einem Alpenpass, der uns einiges an Kraft abverlangt. Ab und an wird Pause gemacht und Luft geholt. Am Nachmittag ist das Hahntennjoch erreicht, unsere erste Passüberquerung! Die rasende Abfahrt auf der Straße hinunter nach Imst ist schnell erledigt. Dann sind noch wenige Kilometer am Inn entlang bis Imsterberg, wo unsere Pension auf uns wartet.
Stanzach - Imst
Entfernung: 50,1 km
Höhenmeter: 1.280 m
Unterkunft: Pension in Imsterberg
Dienstag, 29.06.2010
Dritter Tourtag:
Der dritte Tag ist eher eine Flussradtour als ein Alpencross. Wir radeln über 60 Kilometer lang Inn aufwärts. In Pfunds machen wir Pause, ehe wir zunächst durch eine sehr schöne Wiesenlandschaft, später auf der Straße bis nach Martina fahren. Kurz vor Martina überqueren wir die Grenze zur Schweiz, um unmittelbar dahinter wieder in österreichisches Hoheitsgebiet einzudringen. In Martina holen wir an einem Brunnen noch einmal Luft, scheinbar ein beliebter Radler-Treff, denn dort stehen schon andere Biker, die ebenfalls den Aufstieg zum Reschenpass machen wollen.
Der anstrengenste Teil unserer heutigen Etappe ist die 500-Meter-Auffahrt von Martina hoch zur Norbertshöhe, die kurz vor Nauders liegt. Alles Straße, steil, aber nicht zu steil kämpfen wir uns hoch. Am späten Nachmittag rollen wir in Nauders ein. Hier haben wir ein Doppelzimmer in einem ehrwürdigen Gasthof gebucht, doch uns erwartet eine Baustelle. Das Haus ist eingerüstet und niemand ist zu sehen. Dann treffen wir die äußerst freundliche Wirtin, die sich erst einmal entschuldigt. Wir können hier bleiben und in einem von der Sanierung nicht betroffenen Zimmer oder in einem anderen Haus übernachten. Wir bleiben, weil wir keinen Bock haben, noch einmal die Unterkunft zu wechseln. Wir sind die einzigen Gäste, macht uns aber nichts aus.
Zu Abend essen können wir hier nicht, finden aber schnell ein schönes kleines Restaurant, das direkt nebenan liegt.
Imst - Nauders
Entfernung: 66,2 km
Höhenmeter: 1.210 m
Unterkunft: Gasthof Zum goldenen Löwen, Nauders
Mittwoch, 30.06.2010
Vierter Tourtag:
Winz bleibt erst einmal im Bett liegen. Ein Schwächeanfall hat sich seiner ermächtigt, nach den Anstrengungen der ersten Tage. Für uns ist eine solche Mehrtagestour eine völlig neue Erfahrung. Mit einiger Verspätung schafft es Winz dann doch aufs Rad und es kann losgehen.
Die heutige Etappe ist recht lang, aber verhältnismäßig leicht. Der Reschenpass ist schnell erreicht, ab dort müssen wir hauptsächlich bergab fahren. Wir passieren den schönen Reschenstausee und kommen ins wunderschöne Vinschgau. Bei bestem Wetter führt der Weg durch die zahlreichen Apfelplantagen, einfach phänominal. In einer kleinen Hofwirtschaft legen wir eine kurze Pause ein. Da ich ein Deutschland-Trikot trage, identifiziert uns der sympathische Kellner als Germanen. Er erklärt uns, dass hier alle zu Deutschland halten und nicht etwa zu Italien.
Auf einem schönen Radweg fahren wir weiter an der Etsch entlang über Meran bis nach Lana, unserem heutigen Tagesziel.
Nauders - Lana
Entfernung: 95,7 km
Höhenmeter: 630 m
Unterkunft: Pension in Lana
Donnerstag, 01.07.2010
Fünfter Tourtag:
Heute gibt es keine Warmfahrphase, direkt hinter Lana beginnt der heftige Aufstieg zum Gampenpass, 1.200 Höhenmeter am Stück müssen wir überwinden mit bis zu 15% Steigung. Meist können wir die Straße nutzen, aber einige Stücke führen auch auf Wald- und Schotterwegen. Anstrengend, aber gut fahrbar. Am Pass machen wir Pause und vertilgen diesmal keine Semmel, sondern Müsliriegel, die noch aus der Heimat stammen.
Hinter dem Pass schließt sich eine einfache Straßenabfahrt an. Wir erreichen die süße Ortschaft Unsere liebe Frau im Walde. Wir sind wohl einen Moment lang etwas zu unaufmerksam, denn wir verlieren uns kurzfristig aus den Augen. Der eine fährt links, der andere rechts um die schöne Wallfahrtskirche, ich wähne Winz hinter mir und rausche die nächste Abfahrt hinunter. Er sieht mich aber nicht und der Kontakt reißt ab. Zum Glück haben wir Handys. Ein kurzes Telefonat lässt uns wieder zueinander finden.
Weiter geht es durch die herrliche Bergregion. Zwischendurch haben wir eine skurile Begegnung mit einem Radler, der sich schon von weitem ankündigt, weil er ein laut schallendes Radio auf seinem Radl - einem voll bepacktes Tourenrad - montiert hat. Es stellt sich heraus, dass es ein deutscher Radreisender ist, der den umgekehrten Weg nimmt.
Wir überqueren die Sprachgrenze und kommen ins Trentino. Bald erreichen wir bei sonnigem Wetter und warmen Temperaturen die schöne, italienisch geprägte Stadt Cles, die ganz wunderbar an einem See liegt. Unser Quartier ist ein eindrucksvolles Hotel mitten im Ort, geführt von einem sehr gut deutsch sprechenden Inhaber. In die Terrakotta-farbene Fassade des Hotels mischen sich die vielen bunten Fahrradtrikots, die ausgewaschen in den Fenstern hängen. Scheinbar ist das Hotel ein Geheimtipp für Radler.
Das Abendessen genießen wir im Gartenlokal des Hotels.
Lana - Cles
Entfernung: 47,5 km
Höhenmeter: 1.750 m
Unterkunft: Hotel Cles, Cles
Freitag, 02.07.2010
Sechster Tourtag:
Der letzte Tag wird noch einmal anstrengend. Wir starten früh, weil wir einen langen Tag vor uns haben. Die erste 25 Kilometer auf asphaltierten Nebenstraßen bringen wir schnell hinter uns. Dann folgt ein teils steiler 800-Meter-Aufstieg auf Waldwegen.
Am Mittag erreichen wir den herrlichen Lago di Molveno. Ganz schön viel los hier. Kurz hinter dem See an einer Raststelle machen wir Pause und verspeisen unsere geschmierten Paninis, die am Frühstückstisch den Weg in unsere Taschen gefunden haben. Der Weg führt immer noch durch Waldgebiet abwärts Richtung Arco, wo dann allerdings ein unangenehmer dichter Autoverkehr auf engen Straßen herrscht.
Kurz vor dem Gardasee biegen wir nach Osten ab, um direkt nach Rovereto zu gelangen. Dort fährt morgen früh unser EC nach München. Eine Übernachtung am Gardasee wäre sicherlich schöner gewesen, hätte uns aber einen Tag gekostet, den wir nicht mehr zur Verfügung haben. Deshalb winken wir dem See kurz zu und düsen dann auf einem sehr schön ausgebauten Radweg Richtung Mori. Zwischendurch müssen wir immer mal wieder kleine - wirklich klitzekleine - Hügelchen bewältigen, die uns aber vorkommen wie Monsteranstiege, so erledigt sind wir nach den sechs Tagen. Am späten Nachmittag erreichen wir dann unser Komforthotel in der Nähe des Bahnhofs in Rovereto.
Am Abschlussabend gehen wir noch einmal schön essen, was soll es in Italien anderes sein als Pizza.
Cles - Rovereto
Entfernung: 106 km
Höhenmeter: 2.280 m
Unterkunft: Hotel Rovereto, Rovereto
Samstag, 03.07.2010
Die Rückfahrt:
Die Rückfahrt ist ein Erlebnis für sich. Die Servicedame am Schalter der Deutschen Bahn hatte mir beim Kauf der Bahntickets vor der Tour gesagt, dass die DB für überregionale Züge aus dem Ausland zwar Personenfahrkarten, nicht aber Fahrradstellplätze buchen könne. Wir könnten aber die Fahrräder auseinandernehmen, in einen Müllsack stecken und dann als "Handgepäck" mitnehmen. Gute Idee, nur leider ohne Freigabe durch die Österreichische Bahn. Die lässt uns doch glatt mit den wunderschön verpackten Rädern in Rovereto stehen. Keine Chance! Also fahren wir zunächst mit dem italienischen Regionalzug zum Brenner und von dort mit dem österreichischen Bähnchen runter nach Innsbruck, wo wir dann einen weiteren Regionalzug nach München nehmen. Unser Anschluss-IC in München war natürlich längst abgefahren, also müssen wir einen anderen finden. Ein freundlicher Schaffner lässt uns in einen EC einsteigen. Allerdings haben wir jetzt keine Tickets mehr, die waren ja auf die ursprüngliche Verbindung beschränkt. Jetzt schlägt das Schicksal zu, und zwar zu unseren Gunsten. Es ist der Tag, als Deutschland gegen Argentinien bei der WM im Viertelfinale spielte. Fußballfreunde wissen: Deutschland gewinnt 4-0. Das Zugpersonal hat offenbar keine große Lust auf Kontrolle, sondern schaut das Spiel im Personalabteil, um nach jedem Tor zur Freude der Fahrgäste den neuen Spielstand durchzugeben. So kommen wir kontrollfrei nach Hause, später als geplant, aber ohne neue Tickets kaufen zu müssen.
Weiteres Ärgernis: Während dieses ganzen Hickhacks muss ich irgendwo meine Kompaktkamera liegengelassen haben oder sie wurde mir entwendet. Kein besonders wertvolles Stück, aber alle Bilder der Tour sind damit verloren, so ein Mist.
Merke: Wer vom Gardasee mit den Rädern per Bahn zurück nach Deutschland will, sollte nicht ohne Fahrradreservierung mit einem EC planen. Besser gleich mit Regionalzügen nach Innsbruck und von dort einen Anschluss nach Deutschland nehmen.