Alpencross 2019 Genf - Nizza
Der Westalpen-Cross II
31.08. - 08.09.2019
428 km - 10.890 Höhenmeter
Unser zweiter Westalpencross. Wie 2016 - allerdings auf einer anderen Route - fahren wir von der Schweiz aus durch die französischen Alpen bis zum Mittelmeer bei Nizza. Höchster Punkt wird wieder der Col de la Bonette mit seinen über 2.800 m ü.M. sein. Weitere legendäre Pässe, wie der Col d'Izoard stehen auf dem Programm. Wilde Landschaften, höchste Berge und einmalige Hütten erwarten uns. Wir starten in diesem Jahr zu viert, aber nur drei werden durchkommen. Warum, lest ihr im folgenden Bericht.
Samstag, 31.08.2019
Anreise
Düsseldorf, 31.08., 8.27 h. Dr Zoch kütt. Tom ist - wie immer - bereits drin. Der Zug fährt bis Olten in der Schweiz, dort Umstieg nach Genf. Nach 10 Stunden erreichen wir Genf. Dort angekommen werfen wir uns auf unsere Räder und bei über 30 Grad gehts los auf die erste kleine Etappe. Wir überqueren die Grenze von der Schweiz nach Frankreich und kommen nach 14 km bei unserer ersten Unterkunft in Beaumont an. Dort erwartet uns Anne, eine akzentfrei Deutsch sprechende Norwegerin, die mit ihrem englischen Freund Martin diese einfache Unterkunft betreibt.
Außer uns übernachten hier noch zwei Jakobspilgerinnen aus der Oberpfalz, Renate und Elisabeth. Mit ihnen teilen wir uns das knuffige Bettenlager. Echt hygge!
Genf - Beaumont
Entfernung: 14,1 km
Höhenmeter: 380 m
Unterkunft: Gîte la Fromagerie de Beaumont, Beaumont
Sonntag, 01.09.2019
Erster Tourtag: Oberhalb des Lac d'Annecy
Ein sehr gemütliches Frühstück um 8.00 Uhr mit Renate und Rita (die gar nicht Elisabeth heißt). Man tauscht noch ein paar regionale Besonderheiten aus nach dem Motto „was esst ihr zum Frühstück oder wie wird der Müll bei euch getrennt?“.
Wir zahlen unsere günstige Rechnung bei der wirklich sehr freundlichen Anne, wünschen den Pilgerdamen einen „buon camino“ und starten um 9.00. Uhr. Es geht direkt ein Stück aufwärts, aber gut machbar. Dann kommt eine abwechslungsreiche Passage mit einigen Abfahrten und Aufstiegen, bei der wir die schöne Region genießen können. Nach etwa 33 km machen wir in einem Kaff namens Alex Mittagspause mit den am Frühstückstisch geschmierten Broten von morgens.
Wir tanken nochmal unsere Wasserflaschen voll und machen uns auf den Anstieg zum Col de Frèttes oder so. 1000 Höhenmeter liegen vor uns. Was wir nicht wussten, wir treffen auf einen absolut steilen Schotterweg, der nicht gefahren werden kann. 25% Steigung auf etwa 8 km. Wir brauchen bis ca. 17.00 bis wir oben sind. Wer geglaubt hat, dass es da besser wird, wird enttäuscht. Ein kurzes Stück können wir noch fahren, aber dann wird es wieder sehr steil. Wieder absteigen und schieben.
Unsere Trinkflaschen leeren sich bedenklich. Wir hoffen, bei einer als “Chalêt“ bezeichneten Örtlichkeitunsere Flaschen auffüllen zu können. Leider Fehlanzeige! Das Chalêt entpuppt sich als popeliger Bauernhof, der zudem geschlossen ist. Wir füllen unsere Flaschen aus der Viehtränke, etwas mulmiges Gefühl, aber Verdursten ist auch keine Lösung.
Dann wird es aber richtig heftig. Ein Pfad erster Güte, völlig verblockt und steinig geht es noch einmal 200 Höhenmeter aufwärts. Oben erwartet uns ein phänominaler Blick über den Lac d‘Annecy. Hilft nix, wir müssen weiter, inzwischen ist es 18.00 Uhr und bis 19.00 Uhr sollten wir bei unserer Unterkunft sein.
Wieder ein heftiger Aufstieg auf engem Pfad. Um 18.00 Uhr erreichen wir die Anhöhe, dann noch einen gut fahrbaren Schotterweg runter und pünktlich um 19.00 Uhr treffen wir bei der sehr urigen Hütte „Réfuge Pré Vérel“ ein.
Alpenpanorama, Schlafen im Bettenlager und sehr gutes Savoier Abendessen. Gefällt uns sehr gut!
Beaumont - Réfuge Pré Vérel
Entfernung: 45,0 km
Höhenmeter: 1.660 m
Unterkunft: Réfuge Pré Vérel, Montmin
Montag, 02.09.2019
Zweiter Tourtag: Die Hütte am See
Ich wache auf und erkenne im Halbdunkel zwei Gestalten, die eine gewisse Hektik verbreiten. Norbert und Tom sind schon um 7.00 aufgestanden und lassen einem jetzt keine Ruhe mehr. Ich also auf von der extrem durchgelegenen Matraze. Frühstück im Freien, es gibt leckeres Brot mit Marmelade, Kaffee ohne Milch und Apfelsaft. Hüttenfrühstück halt.
Bereits um 8.20 Uhr fahren wir los. Erst gehts hefig runter ins Tal, dann auf einen Radweg nach Albertville. Hier kurze Versorgung mit Brot, Croissant und Kaffee. Dann erst in den Train nach Moutiers.
Die 2. Halbetappe startet in Moutiers und geht 30 km aufwärts. Insgesamt 1500 Höhenmeter am Stück. Zum Glück erst einmal Straße mit bis zu 10 % Steigung. Kann man fahren, wenn auch langsam. Nach drei Stunden erreichen wir auf 1400 Meter das schöne Örtchen St. Martin de Belleville. Hier haben wir vor drei Jahren schon einmal Pause gemacht. Doch „unser“ Lokal Edelweiß hat heute leider geschlossen. An der Kirche finden wir einen Italiener, wo wir Eiscafe und Cola bestellen. Das tut gut nach der anstrengenden Auffahrt.
Nach der Stärkung geht es weiter. Wir haben noch 600 Höhenmeter vor uns. Erst die Straße nach Les Menuires. Kurz vor Val Thorens biegen wir rechts in ein Seitental ab. Dann kommen wir auf einen Schotterweg mit 10% Steigung. Aber bis auf wenige ganz steile Stücke fahrbar. Um 18.00 Uhr kommen wir in der Hütte an. Superschön hier, direkt an einem See gelegen, absolut ruhig am Ende des Tals.
Die schöne Hütte am See.
Außer uns vier gastiert nur ein französisches Paar in der Hütte, beide sprechen passables Deutsch. Wie in Frankreich üblich essen alle zusammen am selben Tisch. Es gibt sehr leckeren Auflauf mit Fleisch und Kartoffelgratin - ein Traum. Als Dessert ein Aprikosenkuchen, heute darf man mal zuschlagen. Dazu Bio-Bier.
Réfuge Pré Vérel - Réfuge du Lac de Lou
Entfernung: 60,7 km (+ 29,1 km Bahn)
Höhenmeter: 2.130 m (+ 250 HM Bahn)
Unterkunft: Réfuge du Lac de Lou, Saint-Martin de Belleville
Dienstag, 03.09.2019
Dritter Tourtag: Zwischenstopp im Krankenhaus
Nach einem einfachen Frühstück in unserer ansonsten Super-Hütte starten wir um 8.30 Uhr. Es geht gleich ordentlich aufwärts, und zwar auf einem engen und völlig verblockten Pfad mit gefühlter 100%-Steigung. Von Fahren keine Spur, nur Schieben und Tragen. So geht es Stunden. Immer, wenn man glaubt, man sei bald oben, kommt der nächste Berg. Ich weiß nicht, ob mir der Rücken, das linke Knie oder die Blase an meiner rechten Ferse mehr schmerzt. Irgendwie alles. Zu allem Überfluss löst sich langsam auch noch die Sohle meines linken Schuhes ab. Na super - ein Bikeschuh-Geschäft liegt nicht gerade am Wegesrand.
Um 13.00 erreiche ich als Letzter der Gipfel. Zum Glück hat Tom die Super-Idee, den Schuh mit Kabelbinder zu fixieren. Endlich weiß ich, warum ich die Dinger immer mitschleppe. Nicht gerade sexy, aber sie halten die Sohle, mal schauen wie lange.
Auf der folgenden Abfahrt passiert leider ein weniger spaßiges Unglück. Einer unserer Mitfahrer kommt zu Fall und stürzt auf die Schulter. Puh, das sieht nicht gut aus und schmerzt. Da helfen leider keine Kabelbinder. Nach dem ersten Schock, wagt er es, langsam ins Tal nach St. Michel de Maurienne zu rollen. Da wir uns nicht noch einmal nachsagen lassen wollen, einen Kameraden “zurückzulassen“ (was übrigens nie passiert ist), suchen wir qua Internet das nächste Krankenhaus. Glück im Unglück: Es befindet sich in St. Jean, einer 24 km entfernten Gemeinde, die von St. Michel aus direkt mit dem Zug erreicht werden kann. Dort wird ein Schlüsselbeinbruch diagnostiziert. Mit angelegtem Rucksackverband und mit ausreichend Schmerzmitteln ausgestattet kann er das Krankenhaus wieder verlassen.
Heute Nacht bleiben wir erst einmal hier. Die ursprüngliche Unterkunft, das einzige Hotel auf unserer Tour, sagen wir ab. Stattdessen finden wir hier in St. Jean ein anderes nettes Hotel. Mal schauen, wie es morgen weitergeht.
Réfuge du Lac de Lou - Saint-Jean de Maurienne
Entfernung: 21,6 km (+ 10,0 km Bahn)
Höhenmeter: 650 m
Unterkunft: Hotel Saint Georges, Saint-Jean de Maurienne
Mittwoch, 04.09.2019
Vierter Tourtag: Mit dem Taxi auf den Galibier
Unser gestürzter Mitfahrer hat zwar einen Bruch des Schlüsselbein erlitten, aber glücklicherweise nicht kompliziert. An eine Weiterfahrt ist natürlich nicht zu denken. Nach der Übernachtung in St. Jean begleiten wir ihn heute morgen noch zum Zug. Er fährt jetzt über Paris nach Luxemburg, wo ihn seine Frau abholt.
Wir drei müssen jetzt improvisieren, weil wir ja die übernächste Unterkunft erreichen müssen, um wieder in die Reihe zu kommen. Schweren Herzens lassen wir uns mit einem Groß-Taxi zum legendären Col de Galibier transportieren. Viel schöner wäre es, uns selbst mit dem Rad dort hinauf zu kämpfen, was aber heute leider aus Zeitgründen nicht hinhaut.
Der Galibier ist scheinbar ein Hotspot für Biker aller Art, Motorrad-, E-Biker und richtige Fahrradfahrer. Wir mischen uns darunter und tun so, als wären wir selbst hochgefahren. Ein kleiner Mittagssnack, ein paar Andenkenfotos und dann düsen wir mit den Rädern bergab ins 36 km entferte Briancon. Das schaffen wir dank Erdanziehung in einer Stunde. Dort treffen wir wieder auf unsere vorgeplante Route.
Kurze Pause und Versorgung bei unserem inzwischen Lieblingsladen Carrefour, dann gehts auf die Rampe zum 2.380 Meter hohen Col d'Izoard. Ein weiterer dieser legendären Tour-de-France-Aufstiege. Da Staße, sind die bis zu 9% Steigung zwar anstrengend, aber gut fahrbar. Wenn nicht diese 1000ende, echt nervigen Motorradfahrer wären, denen scheinbar der Berg gehört.
Auf der Hälfte gönnen wir uns den gefühlt bis dahin besten Café au lait. Witzigerweise in einem kleinen Café am Place de 4. septembre 😄. Nach etwa 4 Stunden, um 18.00 Uhr erreichen wir 100 Meter unterhalb des Izoard unser Quartier, das Réfuge de Napoleon. Sehr urig. Heute glücklicherweise ohne weitere unangenehme Zwischenfälle.
Die urige Unterkunft am Col d'Izoard, das Refugium des Herrn Bonaparte.
Das wieder super leckere Abendessen besteht wie immer hauptsächlich aus Käse, jedenfalls bei Tom und mir.
Saint-Jean de Maurienne - Réfuge Napoléon du Col d'Izoard
Entfernung: 80,7 km (+ 24,8 km Taxi)
Höhenmeter: 1.110 m (+ 3.540 HM Taxi)
Unterkunft: Réfuge Napoléon du Col d'Izoard, Cervières
Donnerstag, 05.09.2019
Fünfter Tourtag: Schoko-Croissant und Fritz-Kola
Nach einem für Réfuge-Verhältnisse ausgezeichnetem Frühstück starten wir um 8.30 Uhr bei 7 Grad. Zunächst erklimmen wir die restlichen 120 Meter zum Col d‘ Izoard. Schon um diese Uhrzeit tummeln sich da diese Motorradfahrer. Ein paar Fotos und weiter gehts. Von 2300 runter auf 1100 in das Städtchen Guillestre. Hier besorgen wir uns erst einmal neues Bargeld, indem wir einen Sparkassenautomat plündern. Merke: in den einfachen Unterkünften in Frankreich wird bar bezahlt.
Sonnenaufgang am Col d'Izoard.
Das gelbe Trikot am Col de Vars.
Wieder einmal sehr beeindruckende Ausblicke.
Fritz-Kola aus Hamburg mitten in den französischen Alpen.
Wer nach Fouillouse will, muss über diese hohe Brücke.
Glücklicherweise liegt neben der Sparkasse direkt eine kleine Bäckerei. Schoko-Croissants, sonst absolut tabu, werden als kleiner Snack noch vor Ort vertilgt. Dann machen wir uns auf den Weg zum nächsten legendären Tour-de-France-Col, dem Col de Vars. Der liegt bei 2.200, d. h. für uns 1.100 Höhenmeter bewältigen. Unglaublich, aber „Vars“, auch den schaffen wir.
Zwischendurch kommt Tom auf die tolle Idee, unbedingt eine Cola kaufen zu müssen. Bei der Suche nach einem Lebensmittelladen müssen wir feststellen, dass man in dieser Region noch Mittagspause macht. Also erstmal nix mit Cola. Wir nuckeln weiter an unseren mit plattem Leitungswasser gefüllten Trinkflaschen.
Das Wetter ist übrigens hervorragend. Nach dem kühlen Start hat sich ein sonniger Tag entwickelt mit gut 20 Grad. Da trinkt man schon einmal seine 4-5 Liter bei Aufstiegen wie diesen. Da kein Colaladen erreichbar war, muss ein Brunnen in einem kleinen Straßendorf uns das erforderliche Nass spenden.
Auf dem Col de Vars machen wir Mittagspause. Richtig zünftig mit mitgebrachten Broten, Käse, Wurst und Obst an einem Rastplatz. Gestärkt rasen wir dann 800 Meter abwärts nach St. Paul sur Ubaye. In einem kleinen Lokal bekommen wir dann endlich unsere Cola, „Fritz-Kola“ aus Hamburg.
Jetzt müssen wir „nur“ noch 500 Meter hoch in das auf 1.900 Meter liegende Dörfchen Fouillouse. Die haben es aber echt in sich. Bis 12% Steigung. Die gute Nachricht: kein einziger Motorradfahrer! 😄. Allerdings außer uns auch kein anderer Radler. Echt abgelegene Gegend. Unsere Unterkunft entpuppt sich als Herberge aus dem 18. Jahrhundert, natürlich renoviert, aber wirklich sehr romantisch in den Bergen. Allerdings nichts für moderne Handy-Daddler: es gibt weder Internet noch Mobilfunkempfang. Da müssen wir halt mal auf die abendliche Kontaktaufnahme in die Außenwelt verzichten.
Réfuge Napoléon du Col d'Izoard - Saint-Paul sur Ubaye
Entfernung: 56,0 km
Höhenmeter: 2.520 m
Unterkunft: Les Granges, Saint-Paul sur Ubaye
Beeindruckend, das Bergmassiv bei SaintPaul sur Ubaye
Geschafft: Der Cime de la Bonette ist erreicht.
Herberge zum kleinen Stern: Die freundliche Unterkunft in Saint-Dalmas
Freitag, 06.09.2019
Sechster Tourtag: Über den Col de la Bonette
Frühstück um 7.30, französisch karg, aber akzeptabel. Brot, Marmelade, Müsli, wer will (ich nicht), Fromage blanc. Dazu starken Kaffee. Wir starten um 8.15 Uhr bei 4 Grad. Weil wir oben sind, geht es zunächst wieder ordentlich runter. Erst nach St. Paul, dann weiter bis Jausiers, das Städtchen am Fuße des Bonette. Zwischendurch ein netter Singletrail durch Wald und entlang eines Flüsschens.
Dann wird es wieder anstrengend. Wir machen uns auf den Weg zum Col oder besser Cîme de la Bonette. Der Pass liegt auf 2.760 Meter. Man kann aber, was wir natürlich machen, noch einmal um die Spitze herumfahren und kommt so auf eine Höhe von 2.802 Meter, was angeblich die höchste Alpenstraße sein soll. Von dort aus führt dann noch ein Fußweg zur Spitze („cîme“). Auch das nehmen wir selbstverständlich mit. Das ist der höchste Punkt unserer gesamten Tour.
Aber ehe wir da oben ankommen, vergehen fast 6 Stunden. Das Wetter in Jausiers ist perfekt. Sonnig bis wolkig, etwa 20 Grad. Je höher wir kommen, desto kühler wirds. Auf etwa 2000 Meter wird uns von Norbert ein nettes Restaurant versprochen. Die Freude auf einen schönen Café au lait wird allerdings enttäuscht. Geschlossen. Trotzdem setzen wir uns auf die Panoramaterrasse und verspeisen die mitgebrachten Sandwichs, die uns unser freundlicher Wirt in Fouillouse am Morgen mitgegeben hat.
Noch 900 Meter bis zum Gipfel. Ich bilde mir ein, dass die Luft dünner wird, jedenfalls schwinden meine Kräfte. Das Witzige ist aber, dass man irgendwie in einen Flow gerät, der einem aus unerfindlichen Gründen weiterhift. Normalerweise wäre ich jetzt umgekehrt oder wäre in den nächsten Biergarten gegangen. Geht hier aber nicht. Also weiter, zumal die anderen beiden vor mir sind. Jetzt bloß nicht hängen lassen.
Irgendwann taucht diese schwarze, kahle, pyramidenförige Bergspitze des Bonette vor mir auf. Sie hat etwas Erhebendes, regelrecht Mystisches. Auf den letzten Metern scheint das Rad wie von selbst zu rollen, bis ich endlich, endlich den Pass erreiche. Blöderweise hat ausgerechnet jetzt ein Schneegriesel eingesetzt, der die Stimmung versaut. Trotzdem machen wir auch noch die letzen Meter zum höchsten Punkt, wo - wen wundert es - schon wieder Horden von Motorradfahrer herumgammeln. Tom und ich erklimmen zu Fuß die 60 Meter bis zum Gipfel, muss einfach sein, obwohl es inzwischen arg kalt ist. Ein paar Erinnerungsbilder, dann wieder runter. Bevor wir uns auf die Räder schwingen, machen wir ein Foto für unseren verunglückten Mitfahrer, der inzwischen zu Hause ist und sicher mit Interesse diesen Blog verfolgt.
Es ist ziemlich kalt, so ca. 3 Grad, und regnet in Strömen als wir hinunterrollen. Einen kurzen Augenblick denke ich, dass mir die Finger abfallen. Dann müssen wir zum Glück noch einmal einen klitzekleinen Pass, den Col de Moutiers hinauf, was trotz der Kälte das Blut wieder durch die Adern fließen lässt. Dann geht es nur noch bergab in das süße Örtchen St. Dalmas. Klatschnass und frierend erreichen wir unsere Herberge.
Die supergastfreundliche Wirtin wäscht und trocknet unsere verdreckten Klamotten. Wir können duschen und uns erst einmal ausruhen. Sogar Wifi ist vorhanden.
Um 20.00 Uhr gibt es Abendessen. Aber nicht wie sonst. Wir sitzen mit sechs französischen Gästen und den Wirtsleuten an einem Tisch. Französische Konversation ist angesagt.... Auch wenn ich nur die Hälfte mitbekomme, ist es wirklich sehr nett und dass wir Deutsche eine solche Tour durch Frankreich machen, kommt sehr gut an. Zum Glück bläst der Patron um 22.30 zum Bettgang. Bonne nuit!
Saint-Paul sur Ubaye - Saint-Dalmas le Selvage
Entfernung: 62,8 km
Höhenmeter: 1.660 m
Unterkunft: La Petite étoile d'hôtes en Mercantour, Saint-Dalmas le Selvage
Samstag, 07.09.2019
Siebter Tourtag: Mission accomplished!
Unser letzter Tourtag. Heute geht es zum Mittelmeer. Scheinbar einfach, nur noch rollen lassen. Ganz so ist es dann doch nicht. Wir haben 106 km von St. Dalmas nach Antibes. Dort müssen wir Norberts Belle Mère „Hallo“ sagen, dann zum Bahnhof und mit dem Zug nach Marseille, wo morgen früh unser TGV nach Mannheim fährt.
Das bedeutet früh aufstehen. Um 07.00 gibt es Frühstück, um 8.00 fahren wir los. Von 1.500 Meter runter auf Meereshöhe. Morgens wieder schattige 4 Grad, aber je näher wir dem Meer kommen, desto wärmer wird es. Auf halber Strecke kehren wir in unsere „ Traditions-Boulangerie“ (Tradition weil wir vor 3 Jahren schon einmal hier waren) ein und verspeisen ein Granaten-Croissant mit Café au lait.
Bei Saint Laurent du Var erreichen wir das Mittelmeer.
Die Côte d'Azur erreichen wir gegen 12.00 in St. Laurent du Var près de Nice. Das Gefühl ist einfach überwältigend. Am Strand kurz ins Mittelmeer, dann weitere 10 km entlang der Küste nach Antibes, wo wir Norberts Schwiegermutter besuchen. Die ist wieder einmal super-super-herzlich. Sie bietet uns eine Dusche an und bewirtet uns mit allem aus der Feinkostabteilung des örtlichen Einzelhandels. Offensichtlich hat sie das Bierregal geplündert. Ich komme nicht umhin, eine Dose Gordon mit 14% Alkohol zu vertilgen. Gut gesättigt und abgefüllt verlassen wir unter 1.000 Küssen die liebe Frau. „Embrasse toute la famille“, okay mach ich.
Um 16.39 geht dann ab Antibes Bahnhof der Zug nach Marseille.
Marseille hat ja einen nicht so schmeichelhaften Ruf. Keine Ahnung, ob das stimmt. Wir sehen jedenfalls eine sehr bunte, sehr lebendige Großstadt mit einer hübschen Altstadt am Hafen. Und unser reizendes Hostel mittendrin, für läppische 29,00€ pro Person!!! Wir machen uns noch einen schönen letzten Abend.
Saint-Dalmas le Selvage - Antibes
Entfernung: 109,0 km
Höhenmeter: 510 m
Unterkunft: Vertigo Vieux-Port, Marseilles
Sonntag, 08.09.2019
Abreise
Rückfahrt von Marseille ab 8:09 Uhr im TGV. Da der Zug keine Stellplätze für Fahrräder hat, kommen unsere 800 gr. schweren, acht Tage lang mitgeschleppten Fahrradtransporttaschen zum Einsatz. Die Räder werden am Bahnsteig auseinander genommen und verpackt. Im Zug finden sie in den Kofferfächern Platz. Blöd nur, dass in jedem weiteren Bahnhof neue Gepäckstücke drüber, daneben, davor gelegt werden. Hoffentlich halten das die Räder aus.
Ja, sie sind heile in Mannheim angekommen. Wir auch, und zwar auf die Minute in der Zeit. Dort haben wir 40 Minuten Aufenthalt, ehe wir in einen deutschen IC steigen, wo wir wieder richtige Fahrradstellplätze haben. Man mag es nicht glauben, aber auch dieser Zug ist pünktlich. Um kurz nach 20.00 Uhr erreiche ich Düsseldorf. Seltsam, vor 12 Stunden war ich noch an der Côte d‘Azur und jetzt schon fast zu Hause.
Okay, Tour zu Ende. Gut, dass ich morgen noch Urlaub habe. Den habe ich jetzt echt nötig.
Übrigens: Der mit Kabelbindern geflickte Schuh hat tatsächlich bis zum Schluss gehalten und wird jetzt ausgemustert.