Alpencross 2025 Modane -Monaco
Die Mo-Mo-Tour (Westalpencross III)
28.06.-05.07.2025
433 km, 9.430 Höhenmeter
Die Tour 2025 führt uns - wie schon 2016 und 2019 - in die Westalpen mit dem Ziel Mittelmeer. Im Unterschied zu damals findet in diesem Jahr die 2. Hälfte der Tour in den italienischen Alpen statt, immer entlang der italienisch-französischen Grenze. Dort werden wir die spektakuläre hohe Salzstraße ("Alta Via del Sale") auf einer Höhe von etwa 2.000 Meter ü.M. befahren, eine unbefestigte ehemalige Transportstraße, die die piemontesischen und französischen Alpen mit dem Mittelmeer verbindet. In Ventimiglia erreichen wir die Riviera. Noch einige Kilometer nach Westen und wir treffen in Monaco ein, der einzige Alpenstaat, den wir bisher noch nicht in unseren Tourbüchern verzeichnen konnten.
In diesem Jahr sind wir wieder einmal zu viert am Start, Norbert, Tom, Winz und ich. Laut Komoot-Planung sollen die sechs vorgesehenen Etappen rund 440 Kilometer und 11.000 Höhenmeter umfassen. Am Ende wurden es ein paar Höhenmeter weniger, weil mal wieder nicht alles so lief, wie wir uns das vorgestellt hatten.
Samstag, 28.06.2025
Die Anreise
Die Reise beginnt. Zunächst mit dem Eurostar nach Paris. Ich steige um 08.05 Uhr in Düsseldorf ein, Tom ist - wie immer - schon "drin", Norbert folgt wenig später in Köln. Winz treffen wir in Paris, da er dort am Ostbahnhof ankommt. Traditionell gibt es leckeren Kuchen von Dagmar und etwas „Sprudel“ zum Anstoßen und Runterspülen.
Für die Bahnfahrt müssen wir unsere Räder in Transporttaschen verstauen, da weder im Eurostar noch im TGV Fahrradplätze zur Verfügung stehen.
In Paris müssen wir den Bahnhof wechseln, und zwar vom Nordbahnhof (Gare du Nord) zum Gare de Lyon. Das bedeutet, dass wir nach der Ankunft erst einmal unsere Räder aus den Taschen holen und zusammensetzen müssen. Dann holen wir Winz am Gare de l´Est ab, der unmittelbar neben dem Gare du Nord liegt. Glücklicherweise kommt sein Zug nur wenig nach unserem in Paris an.
Der TGV vom Gare de Lyon bringt uns bis in das Alpenstädtchen Modane, wo wir um kurz vor 19.00 Uhr eintreffen. Anstatt hier in Modane eine nette Unterkunft zu buchen und einen schönen Abend zu verbringen, hat der Tourplaner zum Warmwerden noch eine kleine Bergetappe zum Wintersportort Valfrejus vorgesehen. Die Strecke ist zwar nur rund 9 Kilometer lang, hat aber immerhin über 440 Höhenmeter. Wir sind für 20.30 Uhr angemeldet, müssen uns also sputen.
Wir bauen unsere Räder wieder zusammen und starten um kurz vor halb Acht. Es ist immer noch 29 Grad warm, aber es weht ein frischer Wind, der das Radeln angenehmer macht. Nach anfänglich moderater Steigung haben es die letzten sechs Kilometer echt in sich.
Die Straße wird immer steiler. Dann kann man endlich zwischen den Baumwipfeln die Dächer des Örtchens sehen. Pünktlich um 20.30 erreichen wir unser Ziel, ein Hostel namens Body Go.
Die sehr freundliche, etwas extravagante Wirtin hat uns das Abendessen, das wir bereits im Zug vorbestellen konnten, bereit gestellt. Ein sehr leckerer Salat mit Ziegenkäse und Schinken für mich und ein lokaler Kartoffelauflauf für die anderen. Ein Quetschi mit Apfelmus, an dem meine Enkelin Gefallen hätte, zum Nachtisch. Nach der Dusche genießen wir diese Köstlichkeiten und gönnen uns ein lokales Bier dazu.
Um 22.30 ist Bettruhe in unserer 6-Personen-Schlafkammer, die wir uns mit einer Wandererin teilen.
Modane - Valfréjus
Entfernung: 8,44 km
Fahrzeit: 0:54:55 (in Bewegung)/01:18:14 (Gesamtzeit)
Höhenmeter: 443 m
Tiefenmeter: 3 m
Unterkunft: BodyGo Hostel, Valfréjus
Sonntag, 29.06.2025
Erster Tourtag
Um genau 7.30 wird das Frühstück angeboten. Leider nicht nur für uns. Es tollen sich noch mindestens 10 andere Gäste im Frühstücksraum, die sich über die wenigen Croissants hermachen und Kaffee bei der sehr freundlichen, aber allein agierenden Servicedame ordern. Das Frühstück als solches ist typisch französisch: Baguette mit Konfitüre und Honig. Mit Glück kann ich ein Minicroissant ergattern. Erst später merke ich, dass sogar Käse und Schinken verfügbar sind. Die herumliegenden rohen Eier müssen allerdings vom Gast selbst gekocht werden. Satt werde ich gut, ich kann mir sogar noch zwei Baguettestückchen für die Fahrt schmieren.
Die Abfahrt verzögert sich um eine viertel Stunde, weil sich bei meinem Rad - wohl durch den gestrigen Bahntransport - die Schaltung verstellt hat und die Kette beim Schalten in den kleinsten Fang immer links in die Speichen herunterfällt.
Dann geht es aber los, gleich mit einem ordentlichen 800-Meter-Anstieg auf Schotter. Der Weg wird zunehmend steiler und steiniger, so dass wir immer wieder absteigen und schieben müssen. Mittags erreichen wir endlich den Pass, den Col de la Vallée Etroite. Wunderbar gelegen mit einem kleinen See umrahmt von dem einmaligen Alpenpanorama. Die Sonne scheint von einem wolkenlosen Himmel und es wird immer wärmer.
Nach einer kurzen Mittagspause machen wir uns auf den Abstieg. Wer geglaubt hat, dass wir jetzt gemächlich herabrollen können, irrt gewaltig. Lediglich ein kleiner und mit Steinen übersäter Wanderweg steht uns zur Verfügung. Immer nur kurze Stücke können wir es mal rollen lassen, ansonsten müssen wir wieder schieben. Zwischenzeitlich verlieren wir auch noch den Weg, weil die bei Komoot geplante Strecke in Natura gar kein richtiger Weg ist. Alles sehr zeitaufwendig und enorm anstrengend, aber letztendlich gelangen wir dann doch zu einem Sträßchen, das uns zu einem Örtchen führt, wo sich einige Gaststätten und vor allem sehr viele Touristen befinden. Alles italienisch sprechende Menschen. Wie sich herausstellt, eine Region, die früher zu Italien gehörte und heute gerne von Italienern zum Wandern genutzt wird. Wir füllen unsere Wasserflaschen an einem Brunnen auf, der „Aqua not controllata“ speit, welches aber angeblich „assuramente buona“ sein soll.
Nach kurzer Rast müssen wir weiter, weil wir noch 50 Kilometer und 1.300 Höhenmeter vor uns haben. Und es ist schon 15.00 Uhr. Zunächst geht es auf Serpentinen abwärts, später auf einer leicht abfallenden Straße. Ein kleiner Aufstieg und wir befinden uns auf der Anfahrt nach Briancon, wo wir noch einmal pausieren und uns mit frischen Getränken versorgen. Langsam schwinden aufgrund der Anstrengungen und der inzwischen 35 Grad die Kräfte. Der erste beschließt, sich den 1.000-Meter-Anstieg zu unserer Hütte zu ersparen und nimmt ein Taxi. Wir drei anderen sind aber wild entschlossen, den letzten Berg noch zu besiegen.
Nicht lange, dann will auch der zweite ein Taxi. Nach einigen Diskussionen siegt dann auch bei den Restlichen die Einsicht, dass die Auffahrt heute kaum noch zu bewältigen ist. Wir haben noch 800 Höhenmeter vor uns und es geht schon auf 18.00 Uhr zu. Und wir sind ziemlich geschafft. Also bestellen wir schweren Herzens, aber mit dem Bewusstsein, vernünftig zu handeln, ein Großraum-Taxi, das den Rest der Auffahrt für uns erledigt.
Um 19.00 Uhr fährt das Taxi bei der sehr urigen Hütte, dem Réfuge Napoléon, vor und wir werden gleich sehr freundlich empfangen. Duschen, Umziehen und schon gibt es ein köstliches Abendessen. Also alles richtig gemacht.
Um 22.00 Uhr treten wir den Weg in unser Chambre an, in dem wir heute ohne fremde Begleitung nächtigen können.
Valfréjus - Col d'Izoard
Entfernung: 53,86 km
Fahrzeit: 05:24:01/09:19:18
Höhenmeter: 1.420 m
Tiefenmeter: 1.480 m
Unterkunft: Réfuge Napoleon, Col d'Izoard
Montag, 30.06.2025
Zweiter Tourtag
Heute wird erst um 08.00 Uhr das Frühstück bereitgestellt. Bringt uns eine halbe Stunde mehr Schlaf. Das Frühstück ist praktisch dasselbe wie gestern. Aufgebackenes Baguette, ein Croissant, Marmelade, Honig und etwas Schinken und Käse. Dazu O-Saft, Quark und Müsli. Völlig okay und sättigend.
Um Punkt 9.00 wird gestartet. Es geht direkt in den Rest-Anstieg zum Col d‘Izoard. Noch 160 Höhenmeter dann erreichen wir schon den Gipfel. Heute ist es (noch) nicht so warm wie gestern, vielleicht 20 Grad und leicht bewölkt. Also ideale Wetterbedingungen. Nach kurzer Foto-Session rauschen wir zügig 1.200 Meter auf der Passstraße abwärts bis zu einem Ort namens Guillestre. Hier müssen wir einen kleinen Hügel von 125 Höhenmetern überwinden, ehe es direkt in den Anstieg zum Col de Vars übergeht. Diese Auffahrt ist in zwei Teile unterteilt. Erst 600 Meter nach oben. Dann folgt ein kurzes Flachstück, um schließlich noch einmal in einen Anstieg von 400 Höhenmeter überzugehen.
Es ist inzwischen ziemlich warm, so um 28 Grad und vor allem drückend. Wie üblich, machen wir alle 200 Höhenmeter eine kleine Verschnaufpause. Gegen 14.00 Uhr erreichen wir das Örtchen Vars auf einer Höhe von 1.900 Meter. Auf der Terrasse eines Cafés gönnen wir uns eine Erfrischung. Über uns braut sich etwas zusammen. Die ersten, noch sehr wenigen Regentropfen lassen Schlimmes erahnen. Das eine oder andere Gewittergrollen ist auch schon zu vernehmen. Das hält uns jedoch nicht davon ab, unsere Fahrt fortzusetzen. Was sollen wir auch anderes machen?
Noch 250 Höhenmeter zum Pass. Die sind glücklicherweise nicht mehr so schwer, so dass wir kurz nach 15.00 Uhr dort eintreffen. Ein Gipfelcafe lädt zu einer weiteren Verweil ein. Nicht sehr lange, dann geht es wieder ordentlich abwärts. Bald biegen wir auf einen Waldweg ab.
Jetzt kommt das Gewitter schon bedrohlich näher. Es grummelt immer öfter und bald setzt ein heftiger Regen ein. Im Waldweg sammelt sich immer mehr Wasser und wird bald zur Regenrinne, oder besser gesagt zu einem Bach. Das Fahren wird zu einer echten Wasserparty. Wir beschließen, von unserem Waldweg möglichst bald auf eine Straße zu kommen.
Schlau wie wir sind, orientieren wir uns daran, den nächsten Weg nach unten zu nehmen und siehe da, nach einiger Zeit treffen wir wirklich auf die Straße, die wir nun „nur“ noch herabrollen müssen, um in unseren Zielort Jausiers zu kommen. Glücklicherweise hat es aufgehört zu regnen.
Zwei kleinere Hindernisse halten uns allerdings noch davon ab, unsere Herberge zügig zu erreichen. Das eine ist eine riesige entgegenkommende Schafherde, die auf der Straße vorangetrieben wird. Bald sind wir von zig Schafen einschließlich monströsem Bock umgeben. Keine zwei Kilometer vor unserem Ziel passiert aber noch etwas Ungeplantes. Noch nichts ahnend passieren wir eine ewig lange Autoschlange. Am Ende steht mit Blaulicht ein Gendarmeriefahrzeug. Eine Reihe von Gendarmen hält uns ziemlich brüsk davon ab, weiter zu fahren. Hier hat es einen Bergrutsch gegeben, der die Straße blockiert. Mehrere Räumfahrzeuge bemühen sich, den Dreck von der Straße zu schieben. Mist, so kurz vor Ende. Angeblich ist mit mehreren Stunden Aufenthalt zu rechnen.
Nach einiger Zeit verliert Norbert die Geduld. Er erkundet die Umgebung und stellt fest, dass es 50 Meter tiefer einen Spazierweg am Fluss gibt, mit dem wir die Sperre umgehen könnten. Leider hat der Ober-Gendarm unser unzulässiges Tun mitbekommen und lässt uns zügig in die Warteschlange zurückbeordern. Nur Norbert, den kriegen sie nicht mehr. Winz, Tom und ich müssen noch ausharren. Nach rund einer Stunde hat die Gendarmenmannschaft gewechselt und ein anderer Gesetzeshüter das Kommando übernommen. Der ist lockerer drauf und hat keine Bedenken, wenn wir den unteren Weg nehmen, so dass wir uns schnell davonmachen.
Gegen halb sieben erreichen wir unser Quartier. Die super freundliche und zudem sehr passabel deutsch sprechende Chefin bietet sofort an, gegen 10€ unsere verdreckten Fahrradklamotten einer Wäsche zu unterziehen, was wir natürlich gerne annehmen.
Um 19.30 Abendessen, um 22.00 Bettruhe. Gute Nacht.
Col d'Izoard - Jausier
Entfernung: 75,43 km
Fahrzeit: 05:13:38/08:19:36
Höhenmeter: 1.355 m
Tiefenmeter: 2.390 m
Unterkunft: Gîte d'Etappe Auberge de l'Ardoisière, Jausier
Dienstag, 01.07.2025
Dritter Tourtag
Aus abwicklungstechnischen Gründen gibt es erst um 07.45 Frühstück. Das übliche, siehe die Tage zuvor. Völlig ausreichend. Punkt neun sitzen wir auf unseren Rädern.
Die heutige Strecke besteht zu 90% aus einem Mörderanstieg zum Cîme de la Bonette. Insgesamt mehr als 1.500 Höhenmeter am Stück. Die Steigung schwankt zwischen 3 und 13%, im Schnitt 6%. Gut machbar, zumal durchgehend Straße, aber es zieht sich, vor allem weil man keine erholsame Flachstrecke zwischendurch hat.
Unsere Unterkunft liegt freundlicherweise bereits am Beginn des Aufstiegs zum Bonette. Wir biegen auf die Straße und sehen bereits zahllose andere Biker nach oben ziehen, meist Rennradler/innen jeden Alters. Ich glaube, das ist der einzige Pass, der mehr Radler als Motorradfahrer anzieht. Was nicht heißt, dass es dort keine Motorräder gibt, ganz im Gegenteil. Und natürlich Porsche-Poser.
Der Tag startet bei sehr angenehmen Temperaturen und strahlendem Sonnenschein. Wir teilen uns die Strecke wie immer im 200-Höhenmeter-Häppchen ein und kommen so gut voran. Die Strecke zieht sich gewaltig und wir kommen ordentlich ins Schwitzen. Bei 2.000 kehren wir in einem Café namens „Halte 2.000“ ein und genießen Kaffee, Fritz-Cola und Orangina.
Je weiter es nach oben geht, desto kühler wird es. Langsam ziehen Wolken auf, es braut sich etwas zusammen. Das hält uns nicht davon ab, uns weiter nach oben zu kämpfen. Kurz nach 15.00 Uhr erreichen die ersten von uns den Gipfel. Das heißt, nicht ganz, wir müssen zu Fuß noch 60 Meter zum "Cîme" überwinden, um wirklich ganz oben zu sein. Eine ganz phänomenale Aussicht, aber leider sehr getrübt, weil es zu regnen beginnt. Während wir noch dort oben sind, kommt auch noch Hagel dazu. Und es wird plötzlich arg kalt. Zum Unterstellen gibt es hier garnichts.
Was sollen wir machen? Nichts wie auf die Räder und weiter. Wir haben noch 15 Kilometer zu unserer Unterkunft in Saint-Dalmas. Glücklicherweise führt der Weg bis auf einen kleinen Anstieg abwärts. Ein Gewitter zieht auf, aber nicht direkt über uns.
Klatschnass erreichen wir um 16.00 Uhr unsere Unterkunft, eine sehr nette private Art Pension (Gîte d‘Etappe), wie es in Frankreich viele gibt.
Wir bekommen erst einmal ein lokales Bier und können unsere verdreckte Kleidung waschen. Toller Service.
In diesen Gîtes ist es üblich, dass zum Abendessen alle an einem Tisch sitzen und angeregt kommunizieren. So auch hier. Wir sitzen zwischen einer Gruppe englischer Motorbiker und einem französischen Wanderpaar. Ein herrliches Sprachengewirr. Unnötig zu erwähnen, dass außer uns niemand Deutsch spricht. Trotzdem ein sehr netter Abend.
Jausier - Saint-Dalmas
Entfernung: 40,31 km
Fahrzeit: 04:18:40/06:15:55
Höhenmeter: 1.584 m
Tiefenmeter: 1.191 m
Unterkunft: Petite Etoile, Saint-Dalmas
Mittwoch, 02.07.2025
Vierter Tourtag
Ich wache auf und erhalte gleich eine Hiobsbotschaft. Einer unserer Mitfahrer schlägt sich seit der Nacht mit einer veritablen Diarrhoe herum. Er war öfter auf der Toilette als im Bett und es geht ihm gar nicht gut. Er beschließt, zunächst mit uns in die nächste Stadt zu fahren und dann mit einem Taxi abzukürzen.
Nach dem - wie immer - typisch französischen Frühstück starten wir. Der Tag verspricht schön zu werden. Die Sonne lacht und es sind etwa 15 Grad. Auf dem Programm stehen heute 78 Kilometer und ein ordentlicher Aufstieg zum Col de la Lombarde von knapp 1.500 Höhenmeter am Stück.
Bis nach Isola sind es 20 Kilometer, die wir - bis auf einen kleinen Abschnitt, auf dem die Straße abgebrochen ist - schnell bewältigen, da es nur abwärts geht. In Isola wollen wir uns mit etwas Wegzehrung versorgen und unser kranker Freund möchte sich ein Taxi bestellen. Problem: es gibt hier gar keine Taxis, man empfiehlt ihm Uber. Das ist schnell geordert. Später erfahren wir, dass Uber zwar die Fahrt bestätigt, aber dann doch keinen Fahrer gefunden hat. Er fährt deshalb mit dem Bus nach Nizza und von dort weiter mit dem Zug nach Ventimiglia. Von dort könnte er, wenn es ihm besser geht, uns entgegenkommen.
Wir drei Gesunde machen uns auf den Aufstieg zum Pass. Es ist inzwischen schön warm geworden, so etwa 24 Grad, und wir schrauben uns nach oben. Im Gegensatz zum gestrigen Bonette sind kaum andere Radler und auch nur wenige Motorradfahrer unterwegs. Wir kommen also ungestört voran. Doch dann bemerken wir, dass sich das Wetter ändert, Wolken ziehen auf und es droht Gewitter.
Auf der Höhe von 2.000 Meter liegt der Wintersportort Isola 2.000. Wir erreichen den Ort um 14.30 Uhr und beschließen, in eine der hunderten Gaststätten, die uns Google anzeigt, einzukehren. Pustekuchen, alles dicht. Hier ist scheinbar nur im Winter etwas los. Ein Bauarbeiter, der uns zufällig über den Weg läuft, kann uns schließlich ein geöffnetes Restaurant nennen. Das war gut, denn die Wetterfront ist bedrohlich nahe. Kaum sitzen wir im Lokal, poltert schon ein kräftiges Gewitter los. Wir bestellen erst einmal Cola und Essen und hoffen, dass sich das Unwetter bald verzieht.
Um kurz vor 16.00 Uhr, wir sind seit einiger Zeit die letzten Gäste, meint der Chef, dass er leider jetzt schließen müsse. Es tröpfelt zwar noch etwas, aber wir wollen nun den restlichen Teil des Anstiegs angehen. Wie durch ein Wunder hört der Regen schlagartig auf und es kommt sogar die Sonne wieder etwas heraus. Es dauert nur 50 Minuten und wir erreichen den Pass, der gleichzeitig die Grenze zu Italien bildet.
Jetzt sind es nur noch 37 Kilometer bis zu unserem heutigen Tagesziel in Festiona. Kein größeres Problem, weil die Strecke praktisch nur abwärts verläuft. Um 18.30 Uhr erreichen wir das B&B-Hotel.
Abendessen gibt es in einer Pizzeria, wo die Pizza ungefähr die Hälfte kostet wie in Frankreich. Sehr lecker, angeblich hat der Koch in Napoli gelernt. Unser ebenso engagierter wie patriotischer Gastgeber klärt uns darüber auf, dass die Italiener alles besser können als die Franzosen, außer Croissants.
Unser erkrankter Mitfahrer hat es heute nicht mehr zu uns geschafft. Zum einen weil er kein Taxi bekommen hat und auch kein Uber-Fahrer zur Verfügung stand, zum anderen aber auch, weil es ihm nicht besser ging. Er fährt jetzt erst einmal nach Ventimiglia und kommt uns im Fall der Besserung von dort mit Zug oder Bus entgegen. Wie sich später herausstellen wird, funktioniert das aber leider auch nicht. Wir werden ihn erst am letzten Tourtag in Antibes wiedersehen.
Saint-Dalmas - Festiona
Entfernung: 78,62 km
Fahrzeit: 05:15:05/07:45:10
Höhenmeter: 1.577 m
Tiefenmeter: 2.315 m
Unterkunft: La Rocca Bianca, Festiona
Donnerstag, 03.07.2025
Fünfter Tourtag
Heute werden wir endlich auf die „Alta Via del Sale“, die „Hohe Salzstraße“ kommen, auf die ich mich schon lange gefreut habe. Ein uralter Transportweg, immer entlang der französisch-italienischen Grenze, schmal, unbefestigt und hoch auf 2.000 Meter.
Um dahin zu gelangen, müssen wir von Festiona aus aber erst einmal 40 Kilometer radeln. Gestärkt mit dem besten Frühstück der bisherigen Tour starten wir wie immer um 9.00 Uhr. Das Wetter verspricht schön zu werden. Es ist zwar erst 17 Grad, aber sonnig und soll es auch bleiben. Eine leicht abfallende Strecke auf einer ehemaligen Bahntrasse führt uns zunächst in die nächst größere Stadt Borgo San Dalmazzo. Von dort führt eine ansteigende Staatsstraße hinauf Richtung Limone Piemonte.
Nicht sehr schön, weil die Straße sehr befahren ist und es keinen Radweg gibt. Gegen Mittag treffen wir in Limone ein. Ein wunderschönes, sehr gepflegtes und sauberes Städtchen mit schöner Altstadt. In einem Gartenlokal gönnen wir uns kalte Cola und heißen Kaffee. Hier im Städtchen sind es über 30 Grad und wir genießen die willkommene Rast.
Nach kurzer Verweil geht es weiter, wir haben noch einiges vor uns. Hinter Limone steigt die Straße immer stärker an. Bald schon zweigt der Weg zum Tende-Pass, die wir nehmen müssen, von der viel befahrenen Staatsstraße ab. Es wird merklich ruhiger. In zahlreichen Kehren kämpfen wir uns immer höher. Auf 1.800 Meter Höhe befindet sich ein schönes Restaurant. Das letzte vor der Wildnis. Die Sonne brennt, wir haben Durst und bestellen erst einmal eine kalte Cola. Hier trennen sich die Wege. Rechts führt ein Sträßchen zum Tende-Pass, also nach Frankreich, und links geht es zur Salzstrasse. Da müssen wir entlang. Ein Schild macht darauf aufmerksam, dass der Einstieg in diesen ehemaligen Transportweg in drei Kilometern erreicht ist.
Wir verlassen die Asphaltstraße. Fortan handelt es sich um einen Weg aus grobem Schotter, der mehr oder weniger steil nach oben führt. Was man auf einer asphaltierten Straße noch einigermaßen flüssig bewältigen kann, ist auf diesem steinigem, schottrigem Untergrund doppelt anstrengend. Ab und an müssen wir die Räder schieben, weil es einfach zu schottrig und steil wird.
Gegen 16.00 Uhr kommen wir an der „Mautstelle“ zur Salzstraße an. Hier werden hauptsächlich PKWs und Motorräder abkassiert. Aber auch Fahrräder müssen zahlen, einen symbolischen Preis von 1€, der dazu dient, die passierenden Fahrradfahrer statistisch zu erfassen. Der freundliche Mitarbeiter gibt uns in einer Mischung aus Englisch und Italienisch den Tipp, das Ticket von unserem Rifugio, das inmitten der Salzstraße liegt, abstempeln zu lassen, damit wir am nächsten Tag bei der Ausfahrt nicht noch einmal zur Kasse gebeten werden. Heute haben wir Glück, dass die Straße für Motorfahrzeuge gesperrt ist, wir sind absolut allein. Auch andere Fahrradfahrer und Wanderer treffen wir nicht.
Die restlichen 15 Kilometer bis zur Hütte sind enorm anstrengend. Glücklicherweise ist es nicht zu warm, so etwa 24 Grad. Dennoch bringt uns die Sonne vom wolkenlosen Himmel ordentlich ins Schwitzen. Es geht auf diesem Grobschotterweg hoch bis auf 2.100 Meter. Und dann in Wellenlinien immer wieder rauf und runter. Aber die Gegend ist überwältigend: Schroffe Felsen, niedrige Hochgebirgspfanzen, eine phantastische Gebirgslandschaft. Immer wieder halten wir an, um diese Ausblicke zu genießen. Genau das ist der Grund, warum wir die verrückten Alpentouren machen. Witzig, dass wir zwischendurch noch einmal 7 Kilometer durch französisches Hoheitsgebiet müssen, was man - abgesehen von einigen wenigen Schildern am Straßenrand - überhaupt nicht bemerkt. Um 18.45 kommen wir an der Hütte, dem Rifugio Don Barbera, an. Diese liegt wieder auf italienischem Grund. Schon von weitem sehen wir, dass sich zahlreiche Menschen um das Gebäude herumtollen. Genau in dem Moment, als wir eintreffen, rufen die Hüttenkräfte zum Abendessen. Wir dürfen aber noch schnell duschen, um uns anschließend auf unsere gekennzeichneten Plätze im rappelvollen Speisesaal zu setzen. Neben zwei jungen Holländern, zwei Ladies aus Schottland und ganz vielen italienisch sprechenden Gästen. Mit der Ruhe und der Einsamkeit des Weges ist es vorbei. Rund 60 Personen hat man in diesen engen Speisesaal zusammengesteckt. Die Lautstärke hier würde der Arbeitsschutz in Deutschland wahrscheinlich streng limitieren.
Das Abendessen besteht aus ganzen vier Gängen. Immer wenn ein Gang vorbei ist, kommt der Koch mit einem riesigen Kochtopf und bietet Nachschlag an. Sattwerden ist also kein Problem und schmecken tut es auch. Um 22.00 Uhr, wie in Hütten üblich, ist Bettruhe. Wir sind in einem Saal mit 8 Personen untergebracht. Kein Massenlager, glücklicherweise hat jeder sein eigenes Bett.
Festiona - Rifugio Don Barbera
Entfernung: 62,59 km
Fahrzeit: 05:52:55/08:49:04
Höhenmeter: 1.882 m
Tiefenmeter: 602 m
Unterkunft: Rifugio Don Barbera
Freitag, 04.07.2025
Sechster Tourtag
Der letzte Tag unseres diesjährigen Alpencrosses wird uns noch einmal alles abverlangen. 105 Kilometer und 1.420 Höhenmeter stehen auf dem Programm, wobei wir uns allerdings gar nicht recht erklären können, wo diese 1.400 Höhenmeter her kommen sollen. Eigentlich, so jedenfalls unsere Hoffnung, geht es doch erst mit einigen Aufs und Abs weiter auf der ruppigen Salzstraße, danach aber nur noch abwärts ans Mittelmeer. Aber mal schauen.
Ein gutes Frühstück ist die Grundlage für einen anstrengenden Tag. Haben wir heute aber leider nicht bekommen. Hüttenfrühstück light, würde ich sagen. Jeder bekommt jeweils einen Stick Honig, ein Päckchenlein Nutella und ein Stückchen Butter. Aufgebackenes Brot und Konfitüre sind glücklicherweise nicht abgezählt. Dazu ein Becher Kaffee. Ich haue mir so viele Marmeladenbrote rein wie geht, die nächste Essenfassmöglichkeit wird es erst am Nachmittag geben.
Tom drängt wegen der langen Strecke auf einen früheren Start als sonst und sitzt schon viertel nach Acht auf dem Bock, ich folge und mit etwas Abstand Norbert. Uns graut etwas davor, weil wir laut Komoot 40 Kilometer unbefestigten Grobschotter vor uns haben. Das Wetter scheint wieder angenehm zu werden, sonnig, aber nicht zu warm.
Der weitere Teil der Salzstraße stellt sich so dar wie wir es von gestern kennen. Grober Schotter, rumpeliger Untergrund, Auf und Ab, so dass wir nach kurzer Zeit schon absteigen und schieben. Da kommt uns schon der erste Motorradfahrer entgegen. Scheinbar ist die Strecke heute auch für motorisierte Fahrzeuge freigegeben. Motocrossfahrer haben wahrscheinlich ihre helle Freude an diesem herben Gelände. Uns werden im Laufe des Tages noch viele begegnen. Schlimmer ist aber, dass heute auch Autos hier verkehren. Da der Weg recht schmal ist, können die uns nicht einfach überholen; wir müssen jedes Mal am Straßenrand warten und das Fahrzeug passieren lassen. Vor allem eine Vielzahl von historischen Peugeot 205 sind doch recht lästig. Es scheint so, als würden die heute eine Art Rallye veranstalten (siehe: https://alpinaraid.fr/). Immer wieder kommen ein, zwei oder auch mal mehr von diesen Oldtimer von hinten und wollen passieren. Dann machen sie irgendwo Pause, wir überholen sie, um sie kurz darauf wieder im Nacken zu haben. Klar haben sie dasselbe Recht hier entlang zu fahren wie wir, aber langsam nervt es.
Nach ungefähr 20 Kilometern, die sich ewig hinziehen, passieren wir die südliche Mautstelle und hoffen, dass der Untergrund jetzt besser fahrbar wird. Ordnungsgemäß werden unsere 1€-Tickets einschließlich Rifugio-Stempel geprüft. Alles gut, wir dürfen weiter.
Die Hoffnung, dass es jetzt weniger steinig-rumpelig würde, erfüllt sich zunächst nicht. Der Weg ist derselbe wie zuvor. Doch peu à peu wandelt sich der Weg dann endlich doch. Zwischenzeitlich dann zwar immer noch fiese Auf- und Abfahrten, aber immer mehr halbwegs fahrbare Passagen. Auch die lästigen Peugeots-Kolonnen nehmen langsam ab. Nach 40 Kilometern und 8 Stunden hat die Pein ein Ende, wir kommen wieder auf Asphalt. Puh, das war ein Ding. In perfekter Pabstmanier wirft sich Norbert auf den Boden und küsst den glatten Asphaltuntergrund. Trotz - oder vielleicht sogar auch wegen - dieser ruppigen Strecke ein tolles, einmaliges Erlebnis in einer sehr beeindruckenden Berglandschaft.
Das bedeutet nun aber auch, dass wir noch 65 Kilometer vor uns haben. Die nächsten 40 Kilometer bis Ventimiglia sind eine schöne Abfahrt. Man merkt während der rasenden Fahrt förmlich, wie es wärmer wird. Bald stellt sich zudem ein ordentlicher Gegenwind vom Meer ein, der aber wegen des Gefälles nicht sehr stört. In einem kleinen Ort kurz vor Ventimiglia legen wir noch einmal eine Pause ein. In einem Lädchen kaufen wir Ess- und Trinkbares und machen uns gleich vor Ort darüber her. Das karge Frühstück, die kräftezehrende Fahrt und das fehlende Mittagessen haben bei uns ein gewaltiges Hungergefühl ausgelöst.
Gestärkt rasen wir weiter. Bald wird Ventimiglia erreicht, wo wir uns aber nicht weiter aufhalten. Auf einem schönen Radweg direkt am Strand streben wir gen Westen. Bald passieren wir auch schon die italienisch-französische Grenze bei Menton. Auch diese schöne Stadt wird rechts liegen gelassen.
Bei Roquebrune-Cap Martin müssen wir noch einmal eine ordentliche Steigung bewältigen, um dann endlich in unseren Zielort Monaco einzuziehen. Um 19.00 Uhr stehen wir völlig ermattet, aber extrem glücklich über die bewältigte Alpentour auf dem Platz vor dem berühmten Casino. Schnell werden ein paar Erinnerungsfotos gemacht, da werden wir auch schon von beflissenen Security-Kräften verjagt, weil hier keine Fahrräder erlaubt seien, selbst wenn sie geschoben werden. Nun gut, wir wollen eh nicht länger bleiben.
Das nächste Ziel ist der Bahnhof von Monte Carlo. Hier besteigen wir einen Regionalzug und fahren nach Antibes, wo Norberts Schwiegermutter bereits sehnsüchtig auf uns wartet. Unser geplagter Mitfahrer, dem es erfreulicherweise inzwischen viel besser geht, ist auch schon eingetroffen. Hier verbringen wir einen wunderschönen Abschlussabend in einer Pizzeria in der Altstadt.
Rifugio Don Barbera - Monaco
Entfernung: 104,30 km
Fahrzeit: 07:40:35/11:08:50
Höhenmeter: 1.081 m
Tiefenmeter: 2.974 m
Unterkunft: Privat
Samstag, 05.07.2025
Die Abreise
Am nächsten Morgen wird noch ergiebig bei Norberts Schwiegermutter gefrühstückt. Dann müssen wir auch schon zum Bahnhof, von wo aus uns ein TGV nach Paris Gare de Lyon bringt. Dort müssen wir - wie auf der Hinreise - 5 Kilometer durch die Stadt radeln. Winz reist vom Ostbahnhof, Tom und ich vom Nordbahnhof aus nach Hause. Norbert ist noch für zwei Tage länger bei seiner Belle-mère und der schönen Côte d‘Azur geblieben.
Während Winz in Paris pünktlich seinen Anschluss in die Heimat bekommt, verzögert sich die Abreise bei Tom und mir um zwei Stunden, wegen einer - wie die ständig wiederholte Ansage verlautbart - "Wiedereinsetzung eines verspäteten Zuges". Die Logik erschließt sich uns nicht, aber irgendwann können wir dann doch abreisen, um weit nach Mitternacht zu Hause einzutrudeln. Kleiner Trost: Laut EU-Recht erhalten wir den halben Preis für die Fahrt zurück.