Alpencross 2014 Oberstdorf - Gardasee
Direttissima
28.06. - 05.07.2014
408 km - 10.240 Höhenmeter
Auf dem Plan der 2014er-Tour steht die leicht abgeänderten Klassik-Strecke von Andy Heckmair, die von Oberstdorf nach Riva del Garda führt. Wir nennen sie die "Direttissima", weil sie auf dem direkten Weg aus dem Allgäu an den Gardasee verläuft. Am Samstag reisen wir mit der Deutschen Bahn nach Oberstdorf und am Sonntag folgt dann die erste Etappe. Das monatelange Trainieren, die Plagerei, die vielen Entbehrungen, die geistige, mentale und psychopathische Vorbereitung müssen sich jetzt auszahlen, zumal die Wetteraussichten extrem bescheiden ausfallen. Vorgesehen sind rund 400 km und 13.500 Höhenmeter. Wir starten zu dritt, da Norbert aus beruflichen Gründen leider verhindert ist.
Samstag, 28.06.2014
Anreise
Tom und ich genießen die Anreise nach O’dorf in vollen Zügen. Immerhin, das Wetter scheint besser zu sein als angedroht. Wir sind kurz vor Oberstdorf und die Sonne grinst. Ein gutes Zeichen für morgen?
In Oberstdorf stößt Winz dazu, der mit dem Auto angereist ist. Das Wetter ist - entgegen den Weissagungen der Wetterauguren - trocken und warm. In einem Biergarten genießen wir noch einen typisch bajuvarischen Brauhausschmaus. Mein Wurstsalat schmeckt besser als er aussieht. Anschließend schauen wir noch das WM-Spiel Chile gegen Brasilien. Nach einer kleinen Spazier-Runde durch Oberstdorf vorbei an Mtb-Pabst Heckmair sein Laden hüpfen wir in die Betten, um morgen ausgeruht starten zu können. Hoffentlich im Trockenen.
Unterkunft: Gästehaus Binz, Oberstdorf
Sonntag, 29.06.2014
Erster Tourtag:
Wir starten bei Regen, wir fahren bei Regen, wir kommen bei Regen an. Der Unterschied liegt nur darin, dass der Regen mal mehr und mal weniger heftiger ist. Freundlicherweise lädt uns ein freundlicher italienischer Wirt in Lech nass und schmutzig auf einen Cappucchino in sein feines Restaurant ein und versorgt uns sogar noch mit einem warmen Süppchen.
Ansonsten haben wir unsere geplante Strecke konsequent durchgezogen, wobei der erste Teil dieser Route unserer 1. Etappe von 2011 entsprach. Aus Pietätsgründen legen wir an der Stelle, wo damals einer unserer Mitfahrer unglücklich auf den Brustkorb stürzte und später aussteigen musste, eine ehrende Gedenksekunde ein.
Morgen gehts weiter in die Schweiz, angesagt ist wenigstens trockenes Wetter.
Oberstdorf - Silbertal
Entfernung: 68,6 km
Höhenmeter: 2.210 m
Unterkunft: Ferienhaus Sennhüsli, Silbertal
Montag, 30.06.2014
Zweiter Tourtag:
Auch der 2. Tourtag beginnt mit Regen, ist aber insbesondere aus einem anderem Grund sehr unerfreulich: Winz muss wegen einer gelegentlich auftretenden chronischen Morbusattacke aussteigen. Wir begleiten ihn noch bis Schruns. Dort fährt er mit dem Zug zurück nach Oberstdorf, wo ja sein Auto weilt. Schade, schade. Zu zweit gehts weiter. Der Höhepunkt des Tages: der 1.200 Höhenmeter-Aufstieg zum 2.000 m hohen Schlappiner Joch. Auf den letzten 400 Höhenmetern ist an Fahren nicht zu denken. Mehr tragen als schieben auf einem extrem steinigen, steilen Weg. Zuletzt durch dicken Schnee.
Auf halber Strecke kommt uns ein holländisches Pärchen zu Fuß entgegen. Man plaudert ein wenig und beschließt, dass sich Holland und Deutschland im WM-Endspiel treffen.
Auf der anderen Seite hinunter nach Schlapin dasselbe Spielchen: erst Schnee, dann steinig und steil. Der reine Wahnsinn. Wie kann man bloß auf die Idee kommen, hier mit dem Rad raufzukommen???
Die Besteigung des Schlawiner Jochs hat uns soviel Zeit und Kraft gekostet, dass wir etwas schummeln. Wir nehmen in Klosters den Zug nach Davos Wolfgang. So kommen wir gegen 20.30 h in Dürrboden an, dem “Ende der Zivilisation”, wie ein humorvolles Schild zu erkennen gibt. Gutes Abendessen, warme Dusche und einige Weißbier (alk-frei!) bringen uns wieder unter die Lebenden. Allerdings kein TV, kein I-net und kaum Telefonnetz. Das Deutschland-Spiel können wir nicht verfolgen. Erst am nächsten Morgen erfahren wir erleichtert das erfreuliche Ergebnis.
Silbertal - Dürrboden
Entfernung: 61,9 km
Höhenmeter: 2.610 m
Unterkunft: Bergasthaus Dürrboden Scaletta GmbH, Davos
Dienstag, 01.07.2014
Dritter Tourtag:
Der dritte Tourtag beginnt mit einem Knaller im wahrsten Sinne. Meinen Hinterreifen hats mit lautem Knall zerrissen, noch bevor wir losgefahren sind. Ich vermute, dass ich mir gestern bei der Extrem-Besteigung des Schlawiner Jochs einen Riss im Mantel zugezogen habe und der Schlauch sich heute Morgen in der Sonne und der dünnen Luft ausgedehnt hat, bevor er geplatzt ist. Der freundliche Gastwirt verkauft mir seinen eigenen, nagelneu!!! Super diese Schweizer Gastwirte!
Die nächste Panne wartet nicht lange. Bei einer kleinen Steigung krachts schon wieder- meine Kette reißt!! So ein Mist. Jetzt macht sich meine Ausstattung bezahlt. Das Multitool hat einen Kettendrücker, der zum Einsatz kommt. In 20 Minuten ist die Kette repariert. Zur Belohnung finde ich ein angebrochenes Tütchen Gummibärchen auf der Bank, an der ich das Rad repariere. Tom meint, die wären vergiftet, aber für mich ein verdienter Trost bei all dem Pech.
Nur leider haben wir viel Zeit verloren und außerdem liegt auf Scaletta und Chachauna so viel Schnee, dass uns Einheimische vom Aufstieg mit dem Fahrrad dringend abraten. Wir entscheiden uns für die bequeme Lösung. Wie fahren mit Bus und Bahn (superpünktlich!!) nach Livigno und schummeln schon wieder. Aber dann nehmen wir den tollen Aufstieg zum 2.285 m hohen Alpisella, um von dort die herrliche Abfahrt zum Val Fraele zu genießen, irre Gegend!!!
Dürrboden - Rifugio Val Fraele
Entfernung: 52 km (+ 44 km Bahn/Bus)
Höhenmeter: 800 m (+ 3.650 m Bahn/Bus)
Unterkunft: Rifugio Val Fraele, Valdidentro
Mittwoch, 02.07.2014
Vierter Tourtag:
Der Tag beginnt nebelig und kühl. Bei etwa 10 Grad starten wir bei dem süßen Refugio Val Fraele, das man nur empfehlen kann, allerdings auch nicht billig. Die Abfahrt nach Bormio ist der reine Wahnsinn. Irre Wege direkt an der Felskante und tolle Ausblicke trotz Nebel. Doch in Bormio erwartet uns eine neue Überraschung….
Die Seilbahn, die wir in Bormio nehmen wollten, fährt nicht. Nach kurzem Überlegen - als IHK-Manager denken wir ja lösungsorientiert - entscheiden wir uns dazu, die Nationalstraße zu nehmen. Nicht schön und ein Umweg, aber was soll man in der Situation machen.
Die Seilbahn in Bormio, die wir fest eingeplant haben, fährt nicht, erst ab "cinque giulio' wie man uns sagt. Ein Blick in die Karte (gut, dass wir welche dabei haben) zeigt, dass man auch per Strasse fahren kann. Also kämpfen wir uns auf der Nationalstrasse nach Santa Caterina hoch und durchqueren ein paar nette italienische Dörfchen. Dann beginnt der Aufstieg zum Passo Gavia, rund 900 Meter nach oben. Inzwischen hat Regen eingesetzt und es wird mit jedem Meter kühler. Den Gedanken"warum määst du dat?' verdränge ich und konzentriere mich auf den einsamen Kampf gegen den Berg. Da muss Mann halt durch. Doch bald wirds wieder wärmer und der Regen lässt nach.
Nach einer gefühlten Ewigkeit und schlotternd vor Kälte kommen wir endlich oben an. Die Eisschollen schwimmen auf dem Bergsee, die Temperaturen müssen kurz vor dem Gefrierpunkt liegen. Ein kleines Refugio auf dem Pass lädt uns zur Verweil mit Cappuccino ein. Kurzer Austausch mit anderen Bikern, etwas aufwärmen, dann gehts weiter. Auf der Abfahrt erwartet uns dichter Nebel.
Noch eine kurze Imbisspause, dann rasen wir weiter. Wir haben noch den Aufstieg zum Passo Tonale vor uns. Noch einmal 400 Höhenmeter. Glücklicherweise ist der nicht ganz so steil. Dann 25 km leicht bergab durch Wald und Feld und wir erreichen ermattet unser Ziel in Pellizzona. Am Ende hat der Tag 2.200 Höhenmeter und 90 km, nicht schlecht!
Das Abendessen ist ne Wucht. Kartoffelsuppe, Salat, Pizza, Ravioli, Spagetti, Kalbfleisch mit Kartoffeln und Eierjedöns. Zum Nachtisch Strudel.
Rifugio Val Fraele - Pellizzano
Entfernung: 88,4 km
Höhenmeter: 2.100 m
Unterkunft: Hotel Arcangelo, Pellizzano
Donnerstag, 03.07.2014
Fünfter Tourtag:
03.07.14, 5. Tourtag und Geburtstag meiner Mutter. Zum ersten Mal scheint schon morgens die Sonne. Folgerichtig kommt Sonnencreme erstmals zum Einsatz. Das Wetter soll heute sehr schön werden - endlich! Mit einer Horde italienisch schnatternden Seniorinnen nehmen wir unser Colazione ein mit reichhaltigem Kuchenbüffet. Naja, ein wenig Wurst und Schinken gibts auch.
Nach dem ausgiebigen Frühstück gehts los. Nach kurzer Einrollphase auf einem Radweg im Tal beginnt der 900 Höhenmeter-Aufstieg zur Malga Malifra. Ein passabler Schotterweg im Wald lässt sich gut befahren. Oben erwartet uns neben der einfachen Alm ein schmuckes Ferienparadies mit Golfplatz. Interessiert uns nicht. Wir fahren herab nach Madonna die Campiglio, wo der einzig auffindbare Lebensmittelladen Mittagspause hat. Es wäre nämlich nicht schlecht, unsere Wasservorräte aufzufüllen. Na gut später. Es geht wieder bergauf. Zunächst wunderschön auf Waldwegen mit beeindruckenden Ausblicken auf die alpine Bergwelt. An einem besonders lauschigen Plätzchen hocken wir uns auf einen großen Stein und verspeisen unsere mitgebrachten Brote. Nach 600 Höhenmeter treffen wir überraschend auf eine Art Jugendcamp, wo wir endlich unsere Wasserflaschen auffüllen können. Dann beginnt der Horror des Tages.
Um über den nächsten Hügel zu kommen, müssen wir 280 Höhenmeter auf einem steilen, steinigen Weg bewältigen. Fahren ist nicht. Wieder einmal tragen und schieben. Oben angekommen, unsere Kräfte neigen sich langsam, müssen wir feststellen, dass der Weg nach unten auch nicht viel besser ist. Er führt uns über eine wahnsinnig steile Wiese und schmalste Wald-Stein-Wege. Wieder schieben und tragen. Das Verlangen nach einem kühlen Hopfengetränk und einer warmen Dusche wächst. Doch das wird noch etwas dauern. Die Angst, zu spät im Hotel anzukommen, treibt uns zu Höchstleistungen. Nach schier endllosen Holperwegen stoßen wir endlich auf eine Straße. Wir rasen runter nach Tione. Dann nochmal 300 Höhenmeter, die uns das Allerletzte abverlangen, bis wir völlig ausgepowert um 20.45 h unser Ziel erreichen. Warsteiner Bier und Nudeln schmecken joot.
Pellizzano - Breguzzo
Entfernung: 64,9 km
Höhenmeter: 1.350 m
Unterkunft: Hotel Carlone, Breguzzo
Freitag, 04.07.2014
Sechster Tourtag: Sch(l)ussfahrt nach Innsbruck
Der Tag beginnt noch vor dem Frühstück mit einer Reifenreparatur. Bei dem gestrigen Holpertrip muss ich mir wohl eine kleine Wunde im Schlauch des Vorderreifens zugezogen haben. Warum immer ich???? Tom empfiehlt mir nicht zum ersten Mal seine schweren Doppel-D-Panzerreifen. Jetzt überleg ich es mir.
Gut gefrühstückt gehts ab. Angesichts des heute Abend stattfindenden Viertelfinalspiels Deutschland - Frankreich, das wir gerne in Innsbruck verfolgen möchten, haben wir uns gestern schon zu einer kleine Abkürzung entschlossen. Wir lassen uns von unserem ebenso engagierten wie hektischen Hotelmanager-Barkeeper-Koch-Taxifahrer im "Pullman" einige Kilometer nach Bezzecca kutschieren. Daher sind wir bereits um 10.00 Uhr am Lago di Ledro. Dann fängt der Spaß so richtig an. Es geht abwärts zum Gardasee. Auf der legendäre Via antica del Ponale rasen wir dem See entgegen. Bald schon erblicken wir zwischen den Bergen tief unten das Ziel unserer Reise.
Auf dem gut ausgebauten Rad- und Fußweg oberhalb des Sees rollen wir hinunter nach Riva. Dummerweise sind wir nicht die einzigen Nutzer dieses angeblich schönsten Radwegs. Massen von Bikern und Hikern. Einem blöden Hund kann ich nur mit Mühe auf Schotteruntergrund ausweichen. Immer wieder halten wir, um diesen Wahnsinnsblick auf den See und Riva zu genießen. In Riva gönnen wir uns direkt an der Strandpromenade erst einmal einen Cappucchino - ein unvermeidliches Muss für jeden Alpencrosser, der zum Gardasee fährt. Die Glückshormone drehen durch. Erst recht als wir der Blödzeitung beiläufig entnehmen, dass Deutschland heute Abend 3-1 gewinnen wird. Dann gehts ab nach Mori, von wo wir per Bahn nach Innsbruck fahren wollen. Noch einmal rund 300 Höhenmeter bergauf, aber das merken wir kaum noch. Um 14.05 geht der Zug.
Rudelgucken in der Innsbrucker Altstadt.
Kurzfristige Planänderung. Wir nehmen am Brenner nicht den österreichischen Zug nach Innsbruck, auf den wir eine halbe Stunde warten müssten, sondern fahren die 30 km mit dem Rad. In einer rasanten Schussfahrt rollen wir abwärts und sind in einer knappen Stunde in unserem Hostel. Nach schnellem Einchecken und Frischmachen suchen wir uns ein Plätzchen in einem Straßencafe, wo wir mit tausenden anderen den deutschen Sieg gegen Frankreich enthusiastisch verfolgen. Superabschluss der Woche. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass einige Glaserl Bier dran glauben müssen, auch wenn es natürlich wieder kein Kölsch ist.
Breguzzo - Mori/Innsbruck
Entfernung: 73,6 km (+149,4 km Taxi/Bahn)
Höhenmeter: 530 m (+13.030 m Taxi/Bahn)
Unterkunft: Nepomuk's Bed & Breakfast, Innsbruck
Die Ponale, der angeblich schönste Rad- und Wanderweg am Gardase..
Das Ziel, Riva del Garda, ist erreicht.
Zur Belohnung gibt es einen echt italienischen Cappuchino.
Unser charmantes Hostel mit Tradition mitten in der Innsbrucker Altstadt.
Während der Rückfahrt wird abgerechnet.
Samstag, 05.07.2014
Die Abreise
Die Rückfahrt startet um 9.02 h ab Innsbruck. 10 Stunden Bahnfahrt bis Düsseldorf.