Alpencross 2011 Oberstdorf - Tirano
Die Tom-Route
02.07. - 09.07.2011
332 km - 9.540 Höhenmeter
Von den Erzählungen über die vorjährige Pionier-Tour angespornt, plant Tom für dieses Jahr eine phantastische Strecke, die in Oberstdorf - dem klassischen Alpencross-Startpunkt schlechthin - bis ins italienische Tirano führt. Erstmals werden wir in Hütten übernachten und "echte" Alpentrails befahren. Der Schrofenpass, den jeder Alpencrosser mal gemacht haben muss, steht ebenso auf dem Programm wie das Zeblasjoch und das grandiose Val Mora. Den Abschluss wird eine Fahrt mit der Rhätischen Eisenbahn über die spektakuläre Berninastrecke bilden. Insgesamt sind 330 Kilometer und 10.000 Höhenmeter zu überwinden. Mit dabei sind Andi, Norbert, Tom und ich.
Samstag, 02.07.2011
Die Anreise
Der IC bringt uns ohne Umstieg direkt von Bochum (Tom) über Düsseldorf (Andi und ich) und Bonn (Norbert) nach Oberstdorf. Ein, zwei Runden "Wizzard" bringen uns etwas Abwechslung bei der rund 10stündigen Fahrt mit der Bahn. Mit kleiner Verspätung kommt der Zug um 18.30 in Oberstdorf an.
Unser Quartier liegt in der Oberstdorfer Innenstadt. Abends gehen wir zu "Sascha`s Kachelofen" und verputzen jeder eine Holzfällerportion leckerster Käsespätzle. Ich glaube, ich habe noch nie so viel von dem Zeug gegessen, aber bekanntlich sollen sich Alpenbiker ja einen Kohlenhydratvorrat anlegen.
Auf dem Weg zurück zur Unterkunft drehen wir eine kleine Spazierrunde vorbei an Heckmairs Fahrradladen, um die Alpencross-Motivation noch ein wenig zu steigern.
Unterkunft: Gästehaus Binz, Oberstdorf
Sonntag, 03.07.2011
Erster Tourtag: Über den Schrofenpass
Tag 1 wird geprägt vom Aufstieg zu unserem ersten Gebirgspass, dem legendären Schrofen. Von Oberstdorf aus an der Stillach entlang immer weiter nach Süden. Erst rollt man noch angenehm auf einem Sträßchen bis zum Haldenwanger Höfle. Dann wird der Weg eng, kann aber zunächst noch beradelt werden.
Schließlich macht der Weg eine 90°-Kurve nach links und wird steil. Der Aufstieg zum Schrofen beginnt. Hier ist Schieben und Tragen angesagt. Der schmale Weg ist ausgesetzt führt direkt am Fels entlang. Kurios: Ein Warnschild macht in humorvoller Reimform darauf aufmerksam, dass das Rad besser auf der talseitigen Seite zu tragen ist, um nicht zu nah am Abgrund zu laufen.
Der Marsch ist spannend und nicht ganz ungefährlich, jedoch nicht besonders kräftezehrend. Bald erreichen wir den Pass, queren die Grenze zu Österreich und fahren auf holprigen Wanderwegen hinunter nach Warth. Dort wird erst einmal eine Kaffeepause eingelegt. Anschließend führt uns die Lechtalstraße bis ins feine Lech, wo wir rechts abbiegen. Auf schönen Feldsträßchen und Schotterwegen radeln wir bei gut machbaren Steigungen von bis zu 5% Richtung Freiburger Hütte. Am Ende müssen wir noch eine 270°-Runde um den Formarinsee drehen und kommen gegen 16.00 Uhr bei unserer Hütte an.
Oberstdorf - Freiburger Hütte
Entfernung: 47,4 km
Höhenmeter: 1.570 m
Unterkunft: Freiburger Hütte
Montag, 04.07.2011
ZweiterTourtag: Durchs Verwalltal
Die Strecke von der Freiburger Hütte führt zunächst auf steilen, verwurzelten Holperwegen bergab. Da passiert es. Andi stolpert und landet unglücklich mit dem Brustkorb auf einem Baumstumpf. Kein schlimmer Sturz, aber der Aufprall ist heftig. Schnell berappelt er sich und es geht weiter. Doch im weiteren Verlauf der Strecke lassen die Schmerzen leider nicht nach. Er hält tapfer durch.
Die Strecke führt hinab nach Dalaas, um gleich wieder in einen steilen 700-Meter-Aufstieg zum Kristbergsattel überzugehen. Der Weg ist steil, aber gut fahrbar. Nach der Abfahrt taucht im Tal plötzlich das einladende Hasahüsli auf und wir bekommen Lust, dort einen kleinen Mittagssnack als Stärkung für den Aufstieg zur Heilbronner Hütte zu uns nehmen.
Der folgende Streckenabschnitt durch das wunderschöne Verwalltal sollte - jedenfalls nach meinem Empfinden - der anstrengendste der gesamten Tour werden. 20 Kilometer bergauf, meist auf schlecht oder gar nicht fahrbaren, engen, ausgewaschenen Wanderwegen. Es zieht sich ewig hin und die Sonne verzieht sich bedenklich hinter die Berge. Die Kräfte schwinden. Nach Stunden erscheint die Hütte in der Dämmerung. Am Ende müssen wir noch die Schotter-Auffahrt zur Hütte bewältigen und dann sind wir endlich da.
Kurzer Schreckmoment: Der Wirt meint, die Hütte sei ausgebucht, weil heute die Hüttenhauptversammlung stattfinde, was sich aber schnell als Missverständnis entpuppt. Er konnte unsere Buchung nur zunächst nicht richtig zuordnen.
Freiburger Hütte - Heilbronner Hütte
Entfernung: 51,4 km
Höhenmeter: 2.020 m
Unterkunft: Heilbronner Hütte
Dienstag, 05.07.2011
Dritter Tourtag: Über das Zeblasjoch in die Schweiz
Mit großem Bedauern teilt uns Andi morgens mit, dass er aufgrund der Schmerzen in der Brust nicht weiterfahren kann. Er traut sich mit dieser Verletzung die weiteren Strapazen nicht mehr zu. Er hat deshalb beschlossen, sich vom Hüttenwirt nach Galtür bringen zu lassen, dann mit dem Bus in das nächstgelegene Krankenhaus nach Landeck zu fahren, die Brust dort checken zu lassen und schließlich den Heimweg anzutreten. Später erfahren wir, dass es glücklicherweise "nur" eine Prellung ist, die aber ordentlich Schmerzen verursacht. Mist!
Das ist sehr schade. Wir setzen die Tour also zu dritt fort. Die Fahrt von der Heilbronner Hütte nach Galtür ist ganz anders als der gestrige Aufstieg. Es geht auf einem breitem Schotterweg talwärts, die Sonne scheint und wir sind stressfrei in einer Stunde in Galtür, eine halbe Stunde später in Ischgl. Hier wird auf der Terrasse eines feinen Hotels bei Kaffee und Croissants ein Päuschen eingelegt.
Hinter Ischgl wird der Weg allerdings sehr steil. Auf 14 Kilometer sind bis zum Zeblasjoch 1.200 Höhenmeter zu überwinden. Hinter der Mittelstation der Fimbaseilbahn geht die asphaltierte Straße in einen Feldweg über. Dann verlieren wir etwas die Orientierung. Irgendwo müssen wir links abbiegen, finden den rechten Weg aber zunächst nicht. Immer wieder müssen wir unsere Kompasskarten zu Rate ziehen. Die Karte sagt, da müsse ein Weg sein, allein wir sehen ihn nicht. Nach einiger Zeit stellen wir fest, dass wir noch einen kleinen Bogen um einen Hügel fahren müssen, um auf den richtigen Track zu kommen. Der Pfad wird - ähnlich wie gestern zur Heilbronner Hütte - schmal und ausgewaschen, ist aber besser befahren. Die letzten Meter muss geschoben werden. Um kurz vor 17.00 Uhr sind wir oben. Es ist kühl und außer den Murmeltieren keine lebende Seele. Ein erhebendes Gefühl, dass wir auch diesen schweren Aufstieg gepackt haben. Das Zeblasjoch bildet die Grenze zur Schweiz und ist mit seinen 2.538 M.ü.M. der höchste Punkt unserer gesamten Tour.
Noch ein paar Meter, dann gelangen wir auf einen schönen Schotterweg, der uns in Serpentinen abwärts direkt in die zollfreie Gemeinde Samnaun führt. Hier wird heute zollfrei übernachtet.
Heilbronner Hütte - Samnaun
Entfernung: 39,6 km
Höhenmeter: 1.240 m
Unterkunft: Hotel Romantica, Samnaun
Mittwoch, 06.07.2011
Vierter Tourtag: Ins Münstertal
Von Samnaun aus rollen wir zunächst leicht abwärts auf einem sehr schönen Schotterweg, dann müssen wir zwischendurch einmal 350 Höhenmeter überwinden, ehe wir bei Pfunds zum Inn gelangen. Nach 12 Kilometern Inn-aufwärts treffen wir in Martina ein.
Hier sind Winz und ich im Vorjahr schon einmal gewesen. Wie damals nehmen wir heute auch wieder die Straße hoch zur Norbertshöhe. In diesem Jahr machen wir - schon aus Respekt vor Norbert - in dem dort gelegenen gleichnamigen Gartenlokal Halt und genehmigen uns eine hopfenhaltige Erfrischung, natürlich alkoholfrei.
Wir lassen Nauders links liegen und fahren direkt auf den Reschenpass zu, der die Grenze zu Italien bildet. Der Pass gehört nicht zu den knackigsten seiner Art, nur 250 Höhenmeter mit leichter Steigung sind zu überwinden. Dahinter liegt die Ortschaft Reschen. Wir decken wir uns in einem Fahrradladen mit neuen Bremsklötzen ein, nachdem wir festgestellt haben, dass unsere aktuellen Beläge schon arg abgebremst sind.
Danach schließt sich eine wunderschöne Schussfahrt an, abwärts am Ufer des Reschensees und anschließend an der Etsch entlang. So geht es bis Laatsch. Dort biegen wir rechts ab ins Münstertal. Noch einmal sind 300 Höhenmeter auf dem schön ausgebauten Radweg zu überwinden und wir erreichen unseren heutigen Zielort Taufers.
Samnaun - Taufers
Entfernung: 79,3 km
Höhenmeter: 1.710 m
Unterkunft: Familie Rufinatscha, Taufers
Donnerstag, 07.07.2011
Fünfter Tourtag: Durch das wilde Val Mora
Kurz hinter Taufers sind wir schon wieder in der Schweiz. Bei Regenwetter fahren wir vorbei an dem berühmten Müstair-Kloster weiter hinein ins Münstertal bis zum Ort Santa Maria. Dort biegen wir nach links ab, es beginnt die Auffahrt zum Döss Radond.
Der Döss Radond ist mit seinen über 2.906 Meter die höchste Erhebung in der Umgebung. Wir müssen nicht ganz rauf, aber immerhin auf eine Höhe von über 2.200 Metern. Glücklicherweise führt hier ein sehr gepflegter, breiter Wald-Schotter-Weg hinauf. Allerdings ist der Weg zeitweise sehr steil, so dass wir ab und an wieder einmal ins Schieben übergehen. Oben angekommen bietet sich uns ein phänominaler Blick über eine von höchsten Bergen umgebene Talebene, wo nur noch niedriges Gehölz wuchert. Wir sind hier oberhalb der Baumgrenze. Das Val Mora wird immer enger. Der schmale Wanderweg führt an einem mehr oder weniger losen Hang entlang, etwa 100 Meter oberhalb eines kleinen Flusses. Nur provisorisch mit Holzplanken abgestützt, die schon bessere Zeiten gesehen haben. Aber es macht wahnsinnig Spaß, hier durchzurauschen. Irgendwann ist diese Passage vorüber und wir erreichen wieder festen Boden unter den Rädern. Nach dem Ortseingangsschild von Italien öffnet sich eine Ebene und geht über in den Nationalpark Stilfser Joch.
Nach kurzer Fahrt sehen wir einen riesigen Stausee, den Lago di San Giacomo, an dessen Ufer wir entlang radeln. Wir sind jetzt im Val Fraele. Ein zweiter, ebenso großer Stausee folgt. An einem beeindruckenden Turm vorbeiradelnd erreichen wir bald den Passo Torri di Fraele.
Vom Passo Torri Fraele brausen wir die 17 Kehren hinunter nach Bormio. Gegen 17.00 Uhr treffen wir bei unserem Hotel, ein schönes Haus im typischen italienischen Baustil, ein.
Nach der erforderlichen Körpererfrischung suchen wir die nahe gelegenen Innenstadt in Bormio auf und stillen unseren Hunger mit einer ordentlichen Pizza.
Taufers - Bormio
Entfernung: 51,7 km
Höhenmeter: 1.190 m
Unterkunft: Albergo Adele di Silvana e Luisa Mevio, Bormio
Freitag, 08.07.2011
Sechster Tourtag: Über den Passo di Verva zur Rhätischen Eisenbahn
Auf der letzten Etappe folgen wir der Empfehlung unseres Bormischen Hotelpatrons. Wir sind nicht sicher, ob die ursprünglich erwogenen Strecke über den Cima Bianca eine gute Idee ist und fragen unseren Wirt. Der rät davon ab und schwärmt vom Weg über den Passo di Verva. Es ginge zwar ordentlich bergauf, aber Leistungssportler wie wir schaffen das.
Der Tipp ist echt Gold wert. Wir müssen noch einmal 1.200 Höhenmeter nach oben kurbeln. Aber der Schotterweg zum Pass ist gut fahrbar und wir befinden uns wieder einmal in einer sensationellen Bergwelt, wo kaum eine Seele unterwegs ist. Hinter dem Pass wartet eine lange Abfahrt, in der die Bremsbeläge wieder ihr Bestes leisten müssen.
Bei Grosio erreichen wir den Fluss Adda und haben noch 25 Kilometer vor uns. Inzwischen sind wir etwas in Zeitnot geraten, da wir in Tirano unseren Zug erreichen müssen. Wir mobilisieren auf der leicht abschüssigen Fahrt noch einmal unsere letzten Kräfte. Und tatsächlich schaffen wir es, fast auf die Minute genau zum Bahnhof, wo der Zug bereits wartet. Über die spektakuläre Berninastrecke gelangen wir nach zweimaligem Umstieg nach Chur.
In Chur haben wir uns in einem sehr netten Hostel im sog. Welschdörfli eingemietet. In der Fußgängerzone finden wir ein schönes Straßenlokal, wo wir unseren letzten Abend gebührend begehen.
Bormio - Tirano
Entfernung: 63,3 km
Höhenmeter: 1.250 m
Unterkunft: Hostel JBN, Chur
Samstag, 09.07.2011
Die Abreise
Mit einem EC geht es von Chur ohne Umstieg bequem nach Hause. Zum Zeitvertreib kommen noch einmal die Wizzard-Karten zum Einsatz.