Therapie

Was ist Verhaltenstherapie und was ist Ausbildung? Wo liegt die Grenze?

Eine klare Grenze gibt es sicherlich nicht. Wir haben die Ausbildung so an Theo angepaßt, daß sie zur Therapie wurde. Der Schwerpunkt lag eindeutig bei der Desensibilisierung. Damit wollten wir ihm die Ängste vor allen furchteinflößenden Dingen und Situationen nehmen. Dabei mußten wir die angstauslösenden Reize immer so dosieren, daß wir keine Panik auslösten und er sich weder losriß noch über Gebühr auswich. Je besser uns das gelang, desto mehr wuchs sein Vertrauen zu uns und desto mehr konnten wir ihm zumuten.

Je weniger Panikreaktionen Theodor noch zeigte, desto mehr wurde seine Therapie zur Ausbildung.

Anfangs spielte sich alles auf seinem Paddock ab, da er sich ja nicht führen ließ.

Die Werkzeuge einer Angsttherapie

Habituation

Habituation bedeutet Gewöhnung. Wenn ich einen Reiz immer und immer wiederhole, und das Pferd dabei keine negativen Auswirkungen erfährt, gewöhnt es sich mit der Zeit an diesen Reiz. Diese Gewöhnung ist zunächst nur kurzfristig wirksam. Durch Wiederholung wird sie aber gefestigt.

Außer der Wiederholung spielt meine Beziehung zum Pferd eine große Rolle. Je mehr Vertrauen mir das Pferd grundsätzlich schon entgegenbringt, desto schneller wird es lernen, zuvor ängstigende Reize zu tolerieren. ("Wenn mein Mensch das mit mir macht, wird es schon seine Richtigkeit haben.")

Gegenkonditionierung

Eine Konditionierung ist die Verbindung eines Reizes mit einer bestimmten Reaktion. Ein Beispiel:

Reiz: Berührung am Bein
Reaktion: Pferd schlägt aus

Bei einer Gegenkonditionierung belohne ich das Pferd jedesmal, wenn es auf den Reiz nicht mehr unerwünscht sondern stattdessen mit einer erwünschten Verhaltensweise reagiert.

Unerwünschtes und erwünschtes Verhalten müssen dabei unvereinbar sein, d.h. beide Verhaltensweisen dürfen nicht gleichzeitig ausführbar sein.

Desensibilisierung

Die Desensibilisierung ist eine Kombination aus Habituation und Gegenkonditionierung. Der angstauslösende Reiz wird zunächst in abgeschwächter Form angewendet, so daß die Reaktion des Pferdes nur minimal ist. Das macht man solange, bis keine Angstreaktion mehr erfolgt. Dann steigert man den Reiz ein wenig und übt wieder solange, bis das Pferd nicht mehr ausweicht. 

Jedesmal, wenn das Pferd keine Angstreaktion mehr zeigt, wird es belohnt.

Habe ich so in mehreren Übungsdurchläufen die normale Reizstärke erreicht ohne daß das Pferd noch reagiert, ist die Desensibilisierung abgeschlossen.

Beispiel:

Wenn ein Pferd beim Versuch, die Hufe aufzunehmen, ausschlägt, streichle oder putze ich es zunächst soweit oben am Bein, daß es nur minimal reagiert. Hören die Ausweichbewegungen dort auf, nehme ich den Reiz (meine Hand) weg und belohne das Pferd. Nach und nach taste ich mich nach unten vor und belohne jedesmal das Ausbleiben einer Abwehrreaktion bis ich am Fesselgelenk angekommen bin.

Mit dem eigentlichen Aufnehmen der Hufe kann ich genauso verfahren: Erst genügt es mir, wenn das Pferd den Huf einen Augenblick lang vom Boden aufhebt. Nach und nach vergrößere ich die Höhe und verlängere die Zeit...