Der Sattel
Der Feind auf seinem Rücken
Eigentlich gehört der Sattel noch zum Thema "Desensibilisierung". Warum? Weil viele Pferde traumatische Erfahrungen mit dem ersten Satteln verbinden. Wie viele Pferde gibt es, die beim Satteln ausweichen, die Ohren anlegen oder anderweitig reagieren?!
Der Sattel soll ja gerade nicht zum Feind auf dem Rücken meines Pferdes werden! Wie wird ein Pferd denn normalerweise das erste Mal gesattelt? - So habe ich das mehrfach beobachtet: Mindestens zwei Personen führen das Pferd auf den Reitplatz. Eine weitere trägt den Sattel hinterher. Dann hält einer das Pferd am Führstrick, der andere legt den Sattel auf. Das Pferd wird schon unruhig: "Was ist das da auf meinem Rücken?" - Die dritte Person schiebt vorsichtig den Sattelgurt auf die andere Seite, die andere greift zu. "Nun muss es schnell gehen!" sagt die eine, "Damit der Sattel nicht auf den Bauch rutscht, wenn das Pferd losbockt!" Ehe das Pferd auch nur ansatzweise versteht, was da passiert, wird der Gurt richtig festgezogen. Das Pferd bockt los, die Helfer springen zur Seite.
WARUM NUR???
Warum zerlegt man diese riesige Aufgabe nicht einfach in mehrere kleine, ganz leichte Aufgaben?
Um ein Pferd an das Satteln zu gewöhnen, zerlege ich diese Aufgabe in mehrere Teilaufgaben:
Longiergurt
Satteldecke
Sattel
Mit dem Longiergurt kann ich explizit das Anlegen und schrittweise Festziehen eines Gurtes üben. Dabei ist es völlig egal, ob dem Pferd der obere Teil des Longiergurtes auf den Bauch rutscht. Das macht ja wohl keinen Unterschied und ist völlig ungefährlich. So kann ich dem Pferd den Longiergurt zunächst ganz locker umbinden. Nach und nach ziehe ich die Schnalle ein Loch enger. So hat das Pferd Zeit, sich daran zu gewöhnen und braucht auch nicht loszubocken. Dazwischen mache ich mit dem Pferd z.B. Führübungen. Bald kann ich den Gurt richtig festziehen, ohne dass das Pferd noch Probleme damit hat.
Mit der Satteldecke kann ich simulieren, dass dem Pferd etwas in Sattelgröße auf den Rücken gelegt wird. Das fehlende Gewicht spielt dabei noch keine Rolle. Es geht zunächst nur um die Größe. Zunächst lege ich die Decke oder das Pad auf seinen Rücken und nehme es gleich wieder herunter. Das wiederhole ich, wenn nötig mehrere Male. Erst dann kommt der Longiergurt hinzu. Aber den kennt das Pferd ja schon...
Als letztes trainiere ich mit dem Sattel. Auch hier wieder derselbe Ablauf, den das Pferd ja nun auch schon kennt: Sattel auflegen und wieder entfernen. Wiederholen, bis das Pferd ruhig und locker stehenbleibt. Nun kann ich seelenruhig unter dem Bauch nach dem Sattelgurt greifen und diesen sofort richtig festziehen. Denn das kennt das Pferd ja schon vom Üben mit dem Longiergurt. In diesem Schritt lernt es nur noch, das Gewicht des Sattels zu tolerieren.
So mache ich das mit jedem Pferd. Diese Methode ist völlig unaufgeregt. Für das Pferd, aber auch für mich. Außerdem brauche ich keine Helfer, sondern kann das allein in Ruhe mit dem Pferd üben. Jeder dabei auftretende Reiz kann dabei so dosiert werden, dass die Situation absolut kontrollierbar bleibt. Und: Das Pferd hat keinen Stress mit dem Satteltraining! Und ich auch nicht!
Natürlich zieht sich das Satteltraining auf diese Weise über mehrere Tage hin. Dafür hält es für die Ewigkeit, denn das Pferd hatte von Beginn an niemals schlechte Erfahrungen mit dem Satteln.
Zuerst Longiergurt allein
Stück für Stück festerziehen
Dann Gurt mit Decke
Zum Schluss der Sattel
Jeden Schritt festige ich durch begleitende Übungen: Mit dem Longiergurt kann ich Führübungen machen. Ebenso mit Satteldecke und Longiergurt: Bodenarbeit, wie Longieren, Führen, Rückwärtsrichten - einfach alles, was das Pferd schon kennt, machen wir nun mit Gurt und Decke.
Dasselbe gilt zum Schluß für den Sattel: Wir können damit grasen gehen und Bodenarbeit machen. Alles mit Sattel auf dem Rücken.