Happy End im Kettenhemd

Band 1

Leseprobe 2

Ritter Gisbert lässt es krachen

- Sina Blackwood -

Ritter Gisbert, der kühne Recke von unvergesslicher Gestalt, war bekannt dafür, die Nächte ausschließlich mit seinen vier Knappen zu verbringen.

Allerdings traute sich niemand, Einspruch dagegen zu erheben, denn Gisbert pflegte seine Gegner mitsamt Plattenpanzer auf ein handliches Maß zusammenzufalten.

Nun hatte König Gero zum Turnier geladen und alle warteten darauf, Gisbert mit seinem Tross antraben zu sehen. Den Weg säumten fast ausschließlich Mädchen und junge Frauen, denn schon der bloße Anblick des schwarzen Riesen war ein ernsthafter Grund, tagelang zu träumen.

Auf den letzten hundert Metern zum Areal der Königsburg standen adelige Damen mit ihren Söhnen, in der Hoffnung, Gisbert werde einen von ihnen als Knappen in sein Gefolge aufnehmen. Wobei sich dieses Sinnen und Trachten ausschließlich auf das Waffenhandwerk richtete.

Gegen Mittag kündigten lange Staubfahnen auf der Straße die Ankunft eines größeren Reitertrupps an. Der Turmwächter erspähte als Erster den schwarz gewandeten Ritter mit dem imposanten Straußenfederbusch auf dem Helm, der auch ohne diese Zier sein Gefolge um mindestens zwei Köpfe überragte.

„Er kommt! Er kommt!“

„Hätte mich auch gewundert, wenn es anderes gewesen wäre“, murmelte ein Diener des Königs. Er beeilte sich, auf dessen Befehl, das Weinfässchen und die Becher für die Fünf bereitzustellen, um sie später in deren Zelt zu bringen.

Vor dem Tor fielen die Damen reihenweise in Ohnmacht, wenn ihnen Gisbert im Vorbeireiten ein Lächeln schenkte.

Die Visiere seiner Knappen blieben stets geschlossen und noch keiner hatte sie jemals ohne Rüstung gesehen. Auffällig an der ganzen Sache war, dass sie nicht, wie andere Knappen, als Waffenträger ihres Herrn fungierten. Für die groben Arbeiten standen zwei spezielle Knechte in seinen Diensten, die auch Lanzen, Schilde und sonstigen Waffenkram schleppten.

Das prunkvolle Zelt des Hochbegehrten konnte bestenfalls durch das des Königs in den Schatten gestellt werden. Gleich nach der Ankunft verschwand Gisbert mit seinen vier Gehilfen im eigenen Zelt, wobei zwei andere Bewaffnete sofort den Eingang für Unbefugte versperrten. Die Stallknechte des Königs kümmerten sich inzwischen um des Ritters Pferde.

Ein Bote Geros erschien. „Herr Gisbert, mein König erwartet Euch!“

„Gleich oder sofort?“, fragte der schwarze Ritter überrascht, weil es gegen jede Etikette verstieß, Neuankömmlinge rufen zu lassen, bevor diese ihre Zelte häuslich eingerichtet hatten.

„Sofort.“

Gisbert zog die Augenbrauen zusammen, nach seinem Helm fassend, den er eben erst an einen Knappen übergeben hatte. „Dann scheint es lichterloh zu brennen. Führe mich zu deinem König.“

Er ignorierte die schmachtenden Blicke der Damen, ihre Ah und Oh Seufzer, genau wie die finsteren Gesichter deren Ehemänner.

Gisbert hatte erwartet, in den Thronsaal geführt zu werden. Stattdessen öffnete sich für ihn die Tür zum Arbeitskabinett des Königs, der ihm mit ausgestreckten Armen entgegen kam.

Ritter Gisbert versteckte das ungläubige Staunen unter wie gemeißelt wirkenden Gesichtszügen. Kein Muskel zuckte und die stahlblauen Augen ließen nicht den geringsten Aufschluss über seine Gefühlswelt zu.

Er kam nicht einmal dazu, vor dem König demütig grüßend niederzuknien, denn Gero unterband den leisesten Versuch mit den Worten: „Lasst die Etikette! Ich bin glücklich, Euch zu sehen, edler Ritter.“ Er deutete auf einen bequemen Sessel. „Setzt Euch! Ich brauche Eure Hilfe.“

„Stets zu diensten, mein König.“

Gero schenkte eigenhändig Wein in zwei Becher, was Gisbert auf die Brisanz der Informationen vorbereitete, die er wohl gleich bekommen werde.

„Sehr zum Wohl!“, rief der König, nahm einen großen Schluck und wandte sich fast flüsternd an seinen Gast: „Es geht um meinen Schwager, Kunz von Morgenthau.“

„Wollt Ihr, dass ich ihm eine Lektion erteile?“, fragte Gisbert äußerst vorsichtig.

„Nein. Ich will, dass Ihr ihm aus einer argen Klemme helft! Ihr kennt doch seine Kampfkünste?!“

Gisbert nickte noch vorsichtiger.

„Der Dummkopf hat bei einem Trinkgelage seine gesamten Ländereien darauf verwettet, bei diesem Turnier Ritter Theobald zu besiegen.“

„Ach, du großer Gott!“ Gisbert schlug in echtem Entsetzen die Hände vor das Gesicht.

„Seht Ihr! Genau so habe ich auch reagiert!“ Der König goss noch einmal Wein in die Becher. „Ihr sollt für mich diesem Haudrauf die Beute wieder abjagen!“

Die Frage nach der Gegenleistung war Gisbert so deutlich ins Gesicht geschrieben, dass Gero beinahe hilflos die Hände hob. „Wenn Ihr es schafft, bekommt Ihr die Burg Drachenfels mitsamt dem Dorf zu ihren Füßen.“

„Einverstanden.“ Gisbert hatte schon lange ein Auge auf dieses Fleckchen Land geworfen, welches im Augenblick noch Kunz von Morgenthau, dem Schwager des Königs, gehörte.

Nur wäre es wenig ratsam gewesen, die königliche Verwandtschaft anzugreifen und so hatte er schweren Herzens auf jegliches Scharmützel verzichtet. Das Versprechen, die imposante Burg als Lohn für treue Dienste zu bekommen, beflügelte ihn.

Gisbert verbeugte sich tief vor seinem König und beeilte sich, zu seinem Zelt zu kommen.

„Wir haben uns Sorgen gemacht“, verriet sein erster Knappe.

„In einer halben Stunde beginnt das Turnier“, berichtete der Zweite.

„Wünscht Ihr eine Massage, um die Glieder zu lockern?“, fragte der Dritte.

Gisbert grinste. „Massage klingt gut. Aufgrund der Kürze der Zeit, nur die, um das eine Glied zu straffen.“

Knappe Nummer Vier machte sich mit kundiger Hand ans Werk. Gisbert wäre nun auch ohne Lanze in der Lage gewesen, seinen Gegner glatt vom Pferd zu stechen. Gern hätte er noch andere Annehmlichkeiten in Anspruch genommen, nur kannte er die Tücke plötzlich zuklappender Visiere bestens. Sich das Gemächt aus purer Lüsternheit noch vor dem Kampf zu klemmen, wäre der Gipfel der Erheiterung für die Meute der Gegner gewesen.

Gisbert fand rasch Erfüllung, verhieß seinen vier Knappen eine lange heiße Nacht, so er unversehrt aus allen Kämpfen hervorginge und rüstete sich zum Kampf. Kampf nur für ihn, den anderen deuchte es, ein Gemetzel zu sein, sobald er sein Pferd angaloppieren ließ.

In der ersten Runde standen drei ausgerenkte Arme, zwei schwere Stürze mit unabsehbaren Folgen und ein geradenwegs durch das geschlossene Visier ausgestochene Auge auf seiner Haben-Seite. Die Damen kreischten, die Herren spendeten Applaus und König Gero rieb sich die Hände.

Kunz von Morgenthau schien wieder einmal aus eigener Kraft vom Pferd gefallen zu sein, denn an seinem Brustharnisch ließen sich nicht die geringsten Spuren einer Fremdberührung finden. Sein Land war futsch. Seine Frau rang die Hände, bis ihr einfiel, dass es sinnvoller wäre, ihm selbige mit Schwung um die Ohren zu schlagen. Gesagt – getan. Danach fühlte sie sich um Vieles wohler.

In der langen Mittagspause ließ sich Gisbert von seinen vier geheimnisvollen Geharnischten verwöhnen. Sein wohliges Stöhnen hielt man außerhalb des Zeltes für die Reaktion auf die üblichen kräftigen Massagen, um die Muskeln geschmeidig zu halten.

Wo andere Ritter vor Schmerz ächzten, wenn der Bader kräftig an den verspannten Stellen zufasste, musste Gisbert wohl Gefallen daran finden – dachte man zumindest. Das laute Stöhnen seiner Masseure rührte vermutlich von der Anstrengung, wahre Muskelberge durchzukneten.

Als die Endkämpfe begannen, war Gisbert topfit und richtete erneut Blutbäder unter seinen Gegnern an. Der Einzige, der es ihm gleichtat, war Theobald von Grüntal. Es war nur eine Frage der Zeit, die beiden Kämpen gegeneinander antreten zu sehen.

Gisberts Rappe tänzelte in Kampfeslust. Gegen Theobalds Braunen war er schon oft der Bessere gewesen. Ein Wink der Königin mit dem Tüchlein, dann dröhnte die Erde unter den Hufschlägen ihrer Schlachtrösser.

Ritter Gisbert stieß mit solcher Wucht zu, dass er, trotz splitternder Lanze, Ritter Theobald zu Boden schickte. Sie hatte sich direkt am unteren Rand des Helmes verhakt und es grenzte an ein Wunder, dass Theobalds Genick den Anprall fast unbeschadet überstand. Ehe er jedoch aufstehen und sein Schwert ziehen konnte, kniete Gisbert auf ihm. „Ergebt Ihr Euch?“

„Ja, verdammt! Aber nur, weil die Königin keine Toten beim Turnier haben will.“

Gisbert begann zu lachen. Theobalds rabenschwarzer Humor war weithin bekannt. „Ich verlange das Land, welches Euch Ritter von Morgenthau schuldet“, raunte er ihm zu.

„Nehmt es und geht endlich von mir runter!“ Theobald blieb langsam die Luft weg.

Gisbert allein wog sicher an die 100 Kilo. Mit dünnem Gambeson, Kettenhemd und Plattenpanzer fast doppelt so viel. Er grinste Theobald breit an, hielt ihm die Hand hin und zog ihn auf die Füße.

Königin Ottilie überreichte Gisbert persönlich die Trophäe für den Gesamtsieg des Turniers. Er kniete vor ihr nieder, nahm das Damaszenerschwert mit dem juwelenbesetzten Gehänge entgegen und ließ sie mit den Augen wissen, dass er sich noch in der Nacht etwas mehr holen werde, als den Kuss auf die Stirn, welchen er soeben bekommen hatte.

Ottilie erwiderte die heiße Offerte mit einem huldvollen Lächeln. Das gleichzeitige rasche Zucken mit dem Augenlid nahm nur Gisbert mit tiefer Zufriedenheit wahr.

Gero ließ für Gisbert ein heißes Bad bereiten. Der nahm es dankbar an, schickte aber des Königs Badeknechte hinaus, nachdem sie die Platten mit den Speisen abgestellt hatten. Die Marotte, nur seine vier Knappen bei sich zu dulden, nahm man hier, wie überall, mit einem Lächeln zur Kenntnis.

Nun fiel Gero aber ein, dass es besser sei, nicht offiziell über die Rückgabe der Ländereien an von Morgenthau zu verhandeln. Also begab er sich rasch zum Badehaus, um sich mit Gisbert ins Einvernehmen zu setzen.

Die Tür öffnete ein, noch komplett geharnischter, Knappe. Der Ritter saß bereits im heißen Wasser und die drei anderen halfen sich gegenseitig, ihre Rüstungen abzulegen.

Gero vergaß in den nächsten Sekunden völlig, weshalb er gekommen war. Unter Harnischteilen und Gambesons kamen eindeutig weibliche Rundungen zum Vorschein. Als die Helme fielen, klappte ihm der Unterkiefer fast bis auf die Spitzen seiner Schnabelschuhe. Langes, seidig glänzendes Haar, bis dahin, wo bei bekleideten Frauen der Gürtel gewesen wäre.

Gisbert blinzelte kaum merklich seinen vier goldblonden Schönheiten zu, die sich daraufhin gemeinsam dem König widmeten. Was Gisbert veranlasste, mit einem Satz aus der Wanne zu springen und in Ottilies Schlafgemach zu eilen.

Gero entging das völlig. Der war für die nächste halbe Stunde nicht in der Lage, an etwas anderes, als die Genüsse mit den vier geheimnisvollen Schönen, zu denken. Er merkte nicht einmal, dass Ritter Gisbert irgendwann wieder erschien und unbefangen seinen Platz in der Wanne wieder einnahm.

„Seid Ihr zufriedengestellt?“, hörte er eine der Vier, Gisbert ins Ohr hauchen und bezog es auf deren Künste.

„Zutiefst, meine Liebe. Nur habe ich auch nichts gegen einen Nachschlag einzuwenden“, lautete die Antwort, worauf sich die Schöne intensiv mit ihrem Ritter beschäftigte.

„Müsst Ihr morgen wirklich schon fort?“, fragte Gero Gisbert an der Abendbrottafel. Er hätte zu gern noch ein paar Tage, die anregende Gesellschaft dessen Knappen genossen.

Auch aus Ottilies Augen sprach die gleiche stumme Frage. Genau genommen lauerte die ganze weibliche Gesellschaft auf eine Antwort, welche ziemlich lange auf sich warten ließ.

„Wenn Ihr es befehlt, mein König, dann bleibe ich noch eine Woche.“

Der Jubel über diesen, wie es aussah, schweren Entschluss war riesig. Und keiner ahnte, dass sich hinter Gisberts unbewegten Gesichtszügen nur ein einziger Gedanke verbarg: Das ist Zeit genug, Ottilie das lang ersehnte Kind zu zeugen, weil es dem Gatten wohl an Einigem gebricht.

Auf dem Turnier im folgenden Jahr wiegte Ottilie einen Säugling im Arm.

Gisbert betrachtete den Kleinen mit einem warmherzigen Lächeln. „Einen prachtvollen Knaben hat Euch Ottilie geboren!“, wandte er sich an Gero.

Der strahlte Gisbert mit stolz geschwellter Brust an. „Ist er mir nicht wie aus dem Gesicht geschnitten?!“

Nur gut, dass im gleichen Moment das Zeichen zum Beginn der Kämpfe ertönte und sich Gisbert, ohne gegen die Etikette zu verstoßen, davonmachen konnte. Sein breites Grinsen versteckte er unter dem heruntergeklappten Visier.