Mittwoch, 6. Juni - Eine Eidechse und die Schwerkraft
Der Tag beginnt wieder mit schönstem Wetter und entspannter Stimmung. Die heutige Route steht ganz im Zeichen der Punktejagd unseres Chef-Passknackers. Ich werde auch noch auf meine Kosten kommen. Das wird bestimmt ein guter Tag für uns. Für eine Eidechse wird der Tag nicht ganz so gut verlaufen.
Selbige stürzt sich todesmutig kurz vor Blahwas auf die Straße und verharrt mitten auf der Fahrspur - Blahwas' Reflexe sind chancenlos, was das Schicksal der Echse besiegelt und so endet sie als Straßenpizza. Ich überlege kurz, wie man eine Echse angemessen bestattet, aber es ist nicht genug übrig...
Wir arbeiten die Pässe ab und genießen die Fahrt und die umwerfende Landschaft. Die Passknackerpunkte selber - na ja. Man muss Mülltonnen mögen. Am heutigen Tag finden sich direkt drei solcher Punkte, die durch Mülltonnen garniert sind. Ich weiß nicht, wer solche Punkte vorschlägt.
Als uns der Sprit ausgeht, steuern wir die nächste Tankstelle an. Hier in der Gegend funktioniert meine EC-Karte bis auf eine Ausnahme tadellos. Das war im Trentino noch anders.
Dann kommt mein großer Auftritt: Ich bin mit Tanken fertig und mache die Säule frei. Ich erblicke ein Stück weiter ein schattiges Plätzchen. Da fahr' ich doch gleich mal hin. Helm aufziehen für 10 Meter? Ach was!. Die Handschuhe in der linken Hand, den Helm noch auf dem Spiegel lasse ich den Motor an. Kuppeln mit zwei Handschuhen in der linken Hand, während der Helm das Einlenken am Windschild verhindert ist eine super Technik. Ich kann jedem empfehlen das mal auszuprobieren. Das lenkt wunderbar davon ab, dass man sich mit dem linken Fuß im Rammschutz der Zapfsäule verheddert. Es kam, wie es kommen musste und mein Motorrad lag da nieder.
"So fährt man auch nicht los!" rufe ich. Tremor darauf: "So steigt man auch nicht ab!". Blöder hätte ich mich kaum anstellen können.
Blahwas 1, Tremor 1, Ich 1, Manuel 0.
Eine halbe Stunde später mache ich es noch besser und fahre eine sehr steile Kehre weit innen an, wodurch die GS schon das Gewicht zum Großteil auf dem Hinterrad verlagert hat. Durch kräftiges Gas geben wird die Front noch leichter und das Vorderrad verliert die letzte Haftung und schmiert weg. Die GS liegt auf der rechten Seite und ich schlage einen eleganten Rückwärtspurzelbaum bergab. Großes Kino!
Diese Kurventechnik war mir neu. Ich versetze die GS per Killschalter in ein künstliches Koma, um die Schäden zu begutachten. Die GS hat die üblichen Abschürfungen am Ventildeckel - man sieht jetzt den Spachtel vom letzten Bodenkontakt aus dem vorletzten Jahr. Aber die GS läuft klaglos wieder an und lässt sich nichts anmerken. Die paar Kratzer heilen schon wieder. Von ein paar Gebrauchsspuren lässt die sich nicht beeindrucken.
Tremor fragt sich, wie ich das angestellt habe. Ich antworte: "Eure zwei Stürze gestern an einem Tag, schaffe ich locker alleine!"
Blahwas war schon ein Stück voraus gefahren und hatte meinen Sturz nicht mitbekommen. Wir treffen ihn ein paar Kehren weiter. Auf seinen fragenden Blick, erkläre ich: "Ich brauchte mal eine kurze Pause." Blahwas: "Links oder rechts?" Ich: "Rechts." Das wäre geklärt.
Damit steht es aktuell: Blahwas 1, Tremor 1, Ich 2 und Manuel 0. Wir schauen Manuel kritisch an und ermahnen ihn, dass er diesen Urlaub auch noch seinen Unterhaltungsbeitrag leisten muss. Manuel scheint nicht überzeugt.
Den nächsten Stopp legen wir auf einer Anhöhe mit einem grandiosen Blick über Lucca ein.
Am Nachmittag geht es einen Pass hoch, der mit einer hier seltenen Asphaltmischung mit hohem Grip und flüssigen Kurven glänzt. Tremor und ich nutzen die Gelegenheit, unsere Mitfahrer entschwinden aus dem Rückspiegel. Oben angekommen dann der Klassiker: Wir springen vom Mopped, reißen die Helme vom Kopf und holen hektisch die Getränke aus dem Gepäck und schauen demonstrativ gelangweilt, wo denn die Blümchenpflücker bleiben. Manuel kommt nach einiger Zeit angezockelt, geht aber nicht auf uns ein und meint, dass Blahwas kurz ausgetreten ist. Mist, wir wurden hinterhältig ausgetrickst. Irgendwann werde ich mal erwachsen - bestimmt.
Spaß gemacht hat's trotzdem.
Gegen Nachmittag verdüstert sich das Wetter und wir überlegen, ob wir noch die komplette Route mit allen Passknackerpunkten zurück fahren wollen oder lieber abkürzen. Blahwas und Manuel lassen die Punkte natürlich nicht liegen.
Tremor und ich nehmen den direkten Weg zurück und machen unterwegs noch eine Fotopause.
Wir bleiben auch diesmal vom Regen verschont und freuen uns schon auf unsere abendliche Pizzeria.
Mir war heute die Passknackerei ein wenig langweilig geworden und ich überlege mir, mich an der morgigen Runde nicht zu beteiligen und stattdessen noch einmal Richtung Küste (diesmal mit Badesachen) zu fahren und dabei das wunderschöne Tal mit den Marmorsteinbrüchen mit zu nehmen. Das ist die letzte Chance, da wir am Freitag den Campingplatz wechseln. Tremor gefällt die Idee und er will sich anschließen.
Wir beschließen, uns morgen aufzuteilen, damit jeder auf seine Kosten kommt. Eine 4er-Gruppe hat für mich schon eine ideale Größe. Klein und flexibel.