Die Zeit rechnet die Arbeit zu den Highlights der documenta: "Piotr Uklański empfängt die Besucher mit einer Wand aus Porträts von 'Real Nazis'". Welche Provokation die Arbeit vor dem Beuys-Raum in der alten Neuen Galerie darstellt, wird in dem Artikel aber mit keinem Wort erwähnt. In ihrer Rubrik "Lieblingskunstwerke der documenta 14" wird die HNA schon deutlicher: "... inmitten dieser wand füllend komponierten Schwerverbrecher tauchen Flakhelferinnen, unbekannte Soldaten und auch der junge Joseph Beuys auf: mit Funkerkappe und verschlossenem Blick. Hier wird er dem Beuys von 1969 im Kabinett nebenan, der berühmten, auch während der documenta unantastbaren Installation „The pack (das Rudel)“ als sein junges Ich entgegengesetzt."
Joseph Beuys war sechsmal auf der documenta vertreten. Seine 7000 Eichen haben Kassel verwandelt. Und jetzt findet man ihn auf der documenta wieder in einer Reihe mit Goebbels und Mengele?
Wie konnte es dazu kommen? Vor wenigen Jahren erschien von Hans Peter Riegel eine Beuys-Biografie. Nach den Worten der "Welt" "ein Denkmalsturz: Leben und Werk des Künstlers Joseph Beuys müssen neu bewertet werden." Dort liest man: "Beuys war ohne „Skrupel“ in der HJ, das bekannte er selbst. Dass er sich nicht nur freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet, sondern sich gleich für zwölf Jahre verpflichtet hat und damit Berufssoldat wurde, war nicht bekannt."
Aber war Beuys ein Nazi? Auf diese Frage der "Welt" antwortet Riegel: "Es hat Autoren gegeben, die versucht haben, Beuys zu einem Nationalsozialisten zu machen. Die nationalsozialistische Ideologie war durch Rassenhass geprägt, das kann man Beuys nicht nachsagen. Er war kein Antisemit. ..."
Die Biografie von Riegel ist mehr als umstritten, enthält aber auch etliche erstaunliche Tatsachen über Beuys. Viele Kommentare geißeln die Biografie jedoch als einseitig und überzeichnet.
Klaus Staeck, der 18 Jahre intensiv mit Joseph Beuys zusammengearbeitet hat, erläutert in einem Interview des "Deutschlandfunk": " ... ich habe nie gemerkt, dass der Beuys in irgendeiner Form jetzt, sagen wir mal, reaktionäres Alt-Nazitum in irgendeiner Form gepflegt hätte, um es ein bisschen gespreizt auszudrücken. Nein, sondern das war jemand, der die Erwartung hatte, alle Menschen sind irgendwie noch zu retten. Deshalb hat er ja auch mal auf der documenta, weiß ich, mit Hunderten von Leuten gesprochen, wenn nicht Tausenden, in der Erwartung immer, der kommt auch noch irgendwie. Er hatte eine Vorstellung von einer anderen Welt, einer ökologischen, das war aber keine rechte."