Ich habe einen längeren Besuch in der documenta-Halle im Raum von Ali Farka Touré begonnen.
Ich habe mir sehr lange die Musik angehört – dabei blieb es nicht aus, dass ich irgendwann nicht nur die Musik hörte und die Installation betrachtete, sondern auch die anderen Besucher. Viele kommen herein, suchen, finden hier aber offenbar nicht die documenta, die sie erwarten, und verlassen den Raum schnell. So ähnlich ging es mir beim ersten Versuch auch. Das führte zu dem interessanten Moment, dass ich mich selbst in den anderen wiedererkennen konnte.
Das Kunstforum schreibt, dass es nicht ganz nachvollziehbar sei, warum diese Memorabilia auf der documenta gezeigt werden. Ehrlich gesagt ging es mir die ganze Zeit fast genauso – obwohl ich die Musik zunehmend genossen habe. Erst nachdem ich den Raum verlassen und mir einige andere Arbeiten angesehen hatte, wurde im Rückblick deutlich, warum dieser Raum zu sehen ist. Wenn man so will, ist er die musikalische Ouvertüre – auch wenn das sicher nicht der einzige Aspekt ist.
Ich wurde gefragt, ob die d14 elitär ist:
Elitär? Vielleicht ja, vielleicht nein … Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, dass die documenta dieses Mal besonders elitär ist – in dem Sinne, dass man sehr viel kunsthistorisches oder allgemeines Kunstwissen mitbringen müsste, um etwas von der Ausstellung zu haben. (Es gibt natürlich Ausnahmen. In manchen Bereichen reflektiert die documenta ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Entstehungsbedingungen. Da kann es natürlich nicht schaden, wenn man weiß, unter welchen Umständen sie zum ersten Mal gezeigt wurde – wenn man also einen Begriff vom Kalten Krieg und dem Marshallplan hat, und insbesondere, wenn man die Person Arnold Bode kennt.)
Vielleicht hilft das folgende kleine Erlebnis weiter: Neulich stand ich bei einem Kunstwerk, das mir selbst sehr gut gefiel, und ein paar Meter entfernt standen drei Damen, die sich fragten, ob sie hier wohl verarscht werden sollten …
Mir fiel dazu ein bekannter Witz ein:
Jemand blättert in einem Telefonbuch. Nach ein paar Seiten denkt er bei sich: „Die Besetzung ist sehr gut, aber die Story ist total mau.“
Wenn man an ein Telefonbuch in der Erwartung herangeht, einen Roman zu lesen, wird man sicher enttäuscht sein. Aber das liegt natürlich nicht am Telefonbuch – das ist vollkommen in Ordnung für den Zweck, den es tatsächlich erfüllt.
So ähnlich war es wohl bei den drei Damen. Sie haben offenbar nicht das gefunden, was sie erwartet hatten – aber das ist bei der documenta und bei Kunst generell, wenn vielleicht nicht der Normalfall, so doch sicherlich nicht völlig ungewöhnlich.
Es ist natürlich eine totale Plattitüde, aber in vielen Fällen ist es tatsächlich so, dass man versuchen muss, die Dinge dieses Mal mit anderen Augen zu sehen …
Welcher Blick derjenige ist, der einem zumindest Aspekte der Arbeit eröffnet, ist in manchen Fällen nicht leicht herauszubekommen. Aber wenn man – egal, was man vor sich hat – darauf fixiert ist, alles so zu lesen, als sei es ein Roman (um noch einmal das Beispiel mit dem Witz aufzugreifen), dann wird man natürlich fast zwangsläufig enttäuscht.
Das heißt aber nicht, dass man auf der documenta nur Dinge findet, die die Erwartungen enttäuschen. Es gibt auch Arbeiten, die einen sofort einnehmen, die man einfach genießen kann.
Viele der gezeigten Werke haben kulturelle oder andere Hintergründe, die man ohne Weiteres gar nicht kennen kann. Ich denke, wenn man nicht so viel Zeit mitbringt, ist es eine gute Empfehlung, sich zunächst ein wenig auf der documenta aufzuhalten, sich einen Überblick zu verschaffen, die eine oder andere Erkundung zu machen – und sich dann einer Führung anzuvertrauen.