Bei der ersten documenta war ich minus fünf. Was bis zur d6 geschah, kenne ich nur aus Erzählungen – dementsprechend habe ich dazu nicht viel zu sagen.
Allerdings hat sich in den letzten Jahren viel getan; der Blick auf die documenta hat sich – auch für mich – verändert. Lange habe ich die gängige Selbsterzählung der documenta geglaubt bzw. eigentlich eher: einfach hingenommen – sie war für mich nie wirklich Thema. Erste Risse bekam dieses Bild, als mir – noch während des Studiums – Wie New York Paris die Idee der modernen Kunst stahl. Abstrakter Expressionismus, Freiheit und Kalter Krieg in die Hände fiel.
2021 machten neue Recherchen die Verstrickungen von Emil Nolde und Werner Haftmann in die NS-Zeit noch deutlicher sichtbar. Ein Video über Nolde, das ich gesehen habe, zeigte ihn als ziemlich unangenehmen Menschen – um es vorsichtig zu sagen.
Zoomen wir noch näher heran: In dem Buch documenta. Politik und Kunst des Deutschen Historischen Museums weist die Kasseler Kunsthistorikerin Mirl Redmann darauf hin, dass Karl Oskar Blase, ehemaliger Professor an der Kunsthochschule Kassel, 1943 der NSDAP beigetreten war. Ich habe an der HBK Kassel studiert – über Blases Parteimitgliedschaft wurde während meines Studiums nie gesprochen. Erst durch die Lektüre von Redmanns Aufsatz erfuhr ich davon.
Zu diesem Dunst habe ich die eine oder andere Zeichnung gemacht.
Auch für die d5 war ich mit 12 Jahren natürlich noch zu jung. Obwohl Szeemann fast ein Mythos ist, hab ich mich auch nachträglich kaum je mit ihm und der d5 beschäftigt.
"... Was aber wirklich epochal war, das war die Rolle, die Harald Szeemann selbst so virtuos besetzt hatte: Aus dem Ausstellungsmacher oder Kunsthistoriker, der eine Schau zusammenstellte, war der "Kurator" geworden, der künstlerisch alleinverantwortlich die Regie und Autorenschaft verantwortet, die Inszenierung und den theoretischen Rahmen festlegt. Und dessen Ausstellung am Ende mehr ist als eine Auswahl, eine Hängung oder eine thematische Setzung, nämlich ein kreativer Akt."
sueddeutsche.de
"Etwas später" wurde daraus ein ganz eigenes Berufsbild. Hans Belting schreibt in der Zeit, in "Was bitte heißt 'contemporary'?": "Das neue Berufsbild des Kurators, der "Projekte" verwirklicht, statt Werke auszustellen, ist Gegenstand der Ausbildung in den "Curatorial Studies", die keinen Rückhalt mehr in einer Kunstgeschichte westlicher Observanz haben, sondern in der Kunst kulturelle und politische Fragen in den Vordergrund stellen."
zeit.de