60 Jahre documenta | 2015
60 Jahre documenta | 2015
Kurz nach den Feiern zum fünfzigjährigen Bestehen der documenta im Jahr 2005 stand bereits das nächste Jubiläum an: Die documenta wurde 2015 60. Damals war ich noch Mitglied im Vorstand des documenta forums, und wir hatten natürlich ein kleines Programm vorbereitet.
Den Auftakt bildete ein Gespräch mit Ugo Dossi. Ich erinnere mich besonders daran, dass Dossi, der selbst zweimal an der documenta teilgenommen hatte, sinngemäß sagte, auf jeder documenta gebe es im Grunde nur einen Künstler – und das sei der Kurator selbst.
"Es gibt auf jeder documenta nur einen Künstler: den Kurator …"
Später folgte eine Führung zum Penone-Baum. Im Tagungsraum des documenta forums schloss sich die Veranstaltung „Papas documenta – Eindrücke aus der Kinder- und Jugendzeit von Professor Buttlar“ an, mit einem anschließenden Gespräch mit E.R. Nele, der Tochter von Arnold Bode.
Während der Feierlichkeiten waren einige Mitglieder des Kuratorenteams der kommenden documenta – Dieter Roelstraete, Hendrik Folkerts und Adam Szymczyk – im documenta Forum zu Gast. Drei Charaktere, wie sie unterschiedlicher kaum sein konnten.
Nachdem Roelstraete sich kritisch zur d13 geäußert hatte – sie habe keine gute Ausstellungserfahrung ermöglicht – erwiderte ich (ausführlich), dass es eine solche „Ausstellungserfahrung“ gar nicht gebe – mein Lob galt dem Einzelkunstwerk. Roelstraete quittierte meinen Einwand bloß mit einem degoutierten Gesichtsausdruck.
Zum Jubiläum der documenta gab es natürlich auch im Fridericianum ein umfangreiches Programm. So zeigte man eine umfassende Retrospektive von Marcel Broodthaers, die alle Schaffensphasen des Künstlers abdeckte.
Zur Eröffnung war auch Dieter Roelstraete anwesend. Als ich ihn dort begrüßen wollte, eilte er an mir vorbei und fragte, wer auf die Idee gekommen sei, zum Jubiläum der documenta eine Broodthaers-Retrospektive zu zeigen. Auf meinen verdutzten Hinweis, dass viele Entwicklungen in der Kunstgeschichte ohne Broodthaers kaum vorstellbar wären, antwortete er nur: „Ja, leider“ – und entschwand.
Zur Eröffnung war auch Thierry Geoffroy im Fridericianum anwesend. Er ist ein regelmäßiger Gast der documenta, allerdings nicht als eingeladener Künstler, sondern als "künstlerischer Kommentator".
Das kunstforum schreibt zum Beispiel zu Geoffroys' Aktion bei der d14:
„Wie auch schon bei früheren Documenta-Veranstaltungen, so sind in Athen und in Kassel auch diesmal nicht nur die offiziell eingeladenen Künstler am Start, sondern ebenso andere Akteure mit eigenständigen Begleitveranstaltungen. So arbeitet z.B. auch der Künstler Thierry Geoffroy/COLONEL in den beiden Städten, um ‚eine Debatte über die globale Rolle‘ der Kunst in Biennalen und solchen Großveranstaltungen anzustoßen. Ihm geht es dabei um die Analyse von ‚Struktur und Konzept‘ von Adam Szymczyks kuratorischem Wirken, und dazu stellt er Fragen wie ‚Is Documenta Dangerous?‘, ‚Why Athens?‘ oder ‚Do artists have a role or a function?‘“
Ich hatte ihn kurz zuvor im Trailer zu „Art’s Home is my Kassel“ (siehe YouTube-Video) gesehen. Ebendieser Thierry Geoffroy war auch einer der Besucher bei der Eröffnung der Broodthaers-Ausstellung.
Es dauerte zwar einen Moment, bis ich ihn dem Film zuordnen konnte, aber irgendwann machte es Klick. Also sprach ich ihn kurzerhand an. Hier ein hoffentlich authentischer Versuch, das Gespräch zu rekonstruieren:
Ich: Ich kenn' Sie aus dem Kino, ich dachte erst, Sie seien Herr Broodthaers
Thierry Geoffroys: Von welchem Film?
Ich: Über die documenta13!
Thierry Geoffroys: Da hab ich in mehreren mitgespielt ...
Ich: Oh ...
Thierry Geoffroys: irgendwas mit Kassel Home ...
Ich: Ja genau ...
Ein anderer Besucher, der dabei steht: "Stimmt, es gibt eine gewisse Ähnlichkeit mit Marcel Broodthaers ..."
Thierry Geoffroys: Nein, ich glaube, dieser Herr dort ist Marcel Broodthaers [wendet sich einem vorbeigehenden Gast zu und spricht ihn an] Sind Sie Herr Broodthaers?
Angesprochener: [kommt zur Gruppe] "Ich komme aus Belgien ..."
Ich: Sehen alle Belgier wie Broodthaers aus?
Angesprochener: ... und ich kenne die Familie Broodthaers sehr gut.
Angesprochener und Thierry Geoffroys vertiefen sich daraufhin weiter ins Gespräch. Okwui Enwezor und Rein Wolfs, die neben uns standen, haben von der schönen Episode nichts mitbekommen.