Il était une fois, es war einmal...
einst im Mai im Jahre 1998,
als Ilsefrau und Fritzimann sich auf den Weg
machten,
um das Reich des Zauberers Merlin
und seiner Geliebten Viviane
in der Bretagne aufzusuchen
Sie schniegelten und striegelten ihr schnuckeliges kleines Cabrio
das genau den nötigen Kofferraum hatte für 2 Reisetaschen,
1 Kühltasche und eine Fahrradtasche für die Reiseliteratur:
Fürs leibliche Wohl den "Michelin" und "Gault Millau France",
für das Zuhause unterwegs den Hotelführer
"Auberges de Charme en France",
fürs Kulturelle den Super-Reiseführer "Velbinger/Bretagne ",
und als Reisebibel das Französisch-Lexikon.
Samstag, 16.5.1998, 8.3o Uhr,
starteten die beiden erwartungsvoll und gut gelaunt im Schwarzwald, Eigentlich wollten sie nur 4-5 Stunden am ersten Anreisetag fahren, aber die Autobahnen in Frankreich waren fast leer, und so schwebten sie 800 km durch die unendlich weite französische Landschaft über Mulhouse-Besancon-Beaune-Auxerre-Orléans bis Le Mans und stellten fest, dass sie immer noch topfit waren.
Trotzdem wollten sie nun ihr Nest für die erste Übernachtung bauen: Fritzimann hatte aus einem Autobahn-Prospekt eine kleine Anzeige herausgerissen und so beschlossen sie, das Hotel "Le Bretagne" in Sillé-le-Guillaume aufzusuchen: Zimmer sehr einfach, sauber, Badewanne ohne Duschvorhang, sonst o. k. Dafür war das Essen im großen Saal umso haubenverdächtiger! Ilsefrau und Fritzimann fühlten sich schon wie die Götter in Frankreich und sprachen dem jungen Koch ein entsprechendes Lob aus.
Nebenan durch Paravent abgeschirmt eine riesige Geburtstagsfamilie, deren junge und jüngste Mitglieder bis spät in die Nacht im Hof Fußball spielten, in verdächtiger Nähe zum geliebten Cabrio...! Bevor Ilsefrau sich ins Bett begab, sorgte sie dafür, dass auch das Cabrio an geschützterer Ecke seine Nachtruhe antreten konnte.
Sonntag, 17.5.1998
Anstatt des typisch kargen Hotelfrühstücks suchten sich die beiden eine Boulangerie, wo sie ihren Milchkaffee schlürften und dazu noch Apfeltaschen und Brioches und etliches zuckersüßes Gebäck zum Sattwerden.
Auch am Sonntag waren alle Läden auf und überall sah man Hausfrauen mit meterlangen Baguettes unterm Arm. Ilsefrau und Fritzimann beschlossen, zu Mittag für ein Picknick einzukaufen, doch oh weh, je weiter sie nach Norden kamen, um so "zu-er" waren die Läden und plötzlich gab es gar nichts mehr!
Ihre Mägen meldeten ein Vakuum und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als im nächstmöglichen größeren Ort einzukehren.
Leider landeten sie auf kulinarischem Zentralfriedhof:
Die Fischsuppe war dicker roter Kleister und wollte nicht enden.
Die Tripes, die man ja unbedingt in dieser Gegend einmal probieren muss, waren ebenso roter Kleister, aber mit dicken Tapetenresten darin(oder was war der Schlotz?), abgeschmeckt mit...nichts!
Resümmée en francais: Wenn die Läden geöffnet sind, soll man auch kaufen!
Weiter ging es gen Norden über die Austernstadt Cancale zum Pointe de Grouin.
Im Natursteinhotel "Pointe du Grouin" in Superlage direkt am Cap nisteten sich Ilsefrau und Fritzimann für die nächsten drei Nächte ein. Die Madame ist auch die Besitzerin, das Zimmerchen klein aber fein und durchs winzige Fensterchen schauen sie direkt aufs Meer und auf ihr kleines Cabrio am Parkplatz.
Sie zogen die Bergschuhe an, einen warmen Pullover und die Lederjacken und liefen gegen den heftigen Wind ca. 2 Stunden ums Kap herum und durch die Wiesen auf die Klippen. Ilsefrau fand es herrlich, wieder einmal Seeluft zu atmen und wäre am liebsten noch viel weitergelaufen auf dem gut markierten Fußpfad der Grande Randonnée, dem französischen Weitwanderweg, der um die ganze bretonische Küste herumführt.
Aber der Magen knurrt bereits wieder und so schreiten sie hübsch gekleidet in den Speiseraum, der durch die lange Fensterfront einen tollen Blick bis zur "Ile de Landes" bietet.
Das Menü beginnt mit 12 Austern Größe 3! Danach feiner Fisch mit Supersößchen, Käse, Nachspeise, - alles echt klasse!
Montag, 18.5.98
Die beiden werden morgens von den kreischenden Möwen geweckt und sind bereit für einen neuen sonnigen Urlaubstag!
Das Frühstück ist agréable, es gibt immerhin Orangensaft und 3 kleine Marmeladengläschen, frisches Baguette, krachend knusprig trotz Meeresluft.
Sie hatten gerade das Verdeck des Cabrios heruntergeklappt, genossen dabei die neidvollen Blicke der Mercedes- und Peugeot-Besitzer neben ihnen, als plötzlich das neu erworbene Handy klingelte.- "Oh Fritzimann, es klingelt, - wo ist das Telefon??"
Große Suche überall, es klingelt, es klingelt! Endlich: Der Sohn ist dran, in Graz ist alles in Ordnung und das Wetter nicht besonders. - Wie schön, das Wetter ist in Graz nicht besonders! Ist das nicht ein herrlicher Urlaub?!
Sie fuhren durch die wunderschöne Gegend hinunter in Rancetal, machten nach Velbingers Reisevorschlag Rast in Taden, einem putzigen kleinen Miniörtchen, sauber und niedlich wie aus einem Film geholt. Ilsefrau sagte immerzu begeistert: Dass es so etwas Hübsches gibt!!
Aber das war ja erst der Anfang. Die Städtchen wurden von nun an immer schöner und putziger, aber davon später.
Sie gingen hinunter zu Rance und spazierten den ehemaligen Trendelpfad entlang, keine einzige Mücke belästigte sie, nur die Vögel zwitscherten ihre Chansons und die Blüten ringsherum dufteten nach Frühling und Urlaub.
Danach fuhren sie in die malerische, mittelalterliche Stadt Dinan, die sehr schön auf einem 70m hohen Felsplateau über dem Rancefluss liegt. Sie spazierten auf der Stadtmauer entlang, durch die verwinkelten Gassen mit den windschiefen Fachwerkhäusern und den vorragenden Obergeschossen der alten Patrizierhäuser und wieder schwärmte Ilsefrau ständig vor sich hin: Dass es so etwas Schönes gibt!
Natürlich mussten sie jetzt in eine Crêperie gehen, denn diese hauchdünnen Pfannkuchen, manchmal aus Buchweizenmehl, sind eine Spezialität der Bretagne. Es gibt regelrechte Crêpes-Menues, zu denen dann der Apfelwein Cidre in Tassen(!) serviert wird.
Am Abend, kurz vor dem Diner bekam Fritzimann plötzlich eine regelrechte Begierde nach Austern. Ilsefrau hatte in Anbetracht des gebuchten und ihnen zustehenden Essens eigentlich eher den Willen, durchzuhalten, bis es im Hotel etwas gäbe. Aber gut, sie fuhren in die Austernstadt Cancale, um noch schnell eine Douzaine Austern zu gustieren. Doch die Preise waren erschreckend, nimmt man doch an, dass die Dinger direkt an der Quelle preisgünstiger seien. Sie rannten an der Hafenstraße auf und ab, waren aber nicht bereit, für 6 Stück 15 Mark auszugeben, zumal dann noch ein Getränk und das Trinkgeld dazukämen...
Ilsefrau war beruhigt und Fritzimann enttäuscht, als sie beschlossen, den Rückweg anzutreten und dann, ja dann sahen sie eine Menschenmenge direkt am Strand rumwieseln und... direkt aus der Hand Austern schlürfen. Nix wie hin!
Eine fleißige Fischersfrau war dabei, Hunderte von Austern mit bloßen Händen im Blitztempo zu öffnen, die dann weggingen wie warme Semmel. Für uns hatte sie noch nicht einmal mehr eine Zitrone. 12 Riesen-Austern kosteten 28,- Fr, also weniger als 10 Mark.
Nun ja, Fritzimann triumphierte und schlürfte seine 6 Austern mit großer Genugtuung. Bei Ilsefrau sah es ein wenig anders aus: Es fehlte ihr das Ambiente einer gepflegten Umgebung, die Zwiebelchen in Essig und die weiße Serviette, um sich die Kleckereien von der Haut zu wischen. Seit diesem "vrai regal" hat sie nie wieder Appetit auf Austern gehabt.
Als sie danach zum Essenstisch kamen und beim Gedeck kleine Austerngabeln sahen, ahnten sie Schlimmes... aber zum Glück waren dieselben für die Lachsvorspeise gedacht!
Dienstag, 19.5.98
Sie hatten Austern gegessen, den Skulpturenpark in den Felsen von Rotheneuf bewundert, und nun erfuhren sie, dass am Abend Ruhetag sei, zumindest im Restaurant.
Also zahlten sie und zogen weiter: über Dinard bis zum Cap Fréhel, die von tosenden Wogen umspülte Landzunge. Wieder ein kurzer Spaziergang auf den hohen Klippen herrliche Luft, unendliche Freiheit, ...wunderschöner Urlaub!
Nachmittags erreichten sie den traumhaften Landsitz "Chateau de Coatguelen", ihre Bleibe für die nächsten 2 Nächte. Ilsefrau verließ die Wirklichkeit und verwandelte sich in eine edle Hofdame in einem wunderschönen Schloss, betrachtete sich im goldgerahmten Riesenspiegel und schlief in einem großen, weichen Bettchen(an dessen blöden Dackelbeinen sie sich allerdings mehrere Male das Schienbein anstieß und in die jähe Wirklichkeit zurückgeworfen wurde!)
Als Fritzimann durch das geöffnete Fenster auf den großen gepflegten Golfplatz blickte, schickte er ein Stoßgebet zum Himmel, dass der hervorstehende, wacklige Fenstersturz wenigstens noch 48 Stunden halten möge...
Mittwoch, 20.5.98
Sie ließen sich mit einem herrlichen Frühstück verwöhnen, betrachteten die Caddie ziehenden Golfer mit niederschmetternder Missachtung und schnürten ihre Bergschuhe.
6 Stunden waren sie unterwegs in einer sehr gut angelegten und markierten Strecke der Grande Route 341 durch abwechslungsreiches, mal waldiges, mal wiesiges, mal frühlingshaft beblühtes Gelände. Der letzte Teil ab Pontrieux auf offener Straße war ein "Hatscher", aber solange Ilsefrau nicht Hunger hatte oder Durst oder durch schlechte Laune gepeinigt wurde, ging es den beiden bestens und sie waren fest überzeugt, dass sie die warme Dusche am Abend redlich verdient hatten und danach das gute Essen eine hervorragende Belohnung war.
Donnerstag, 21.5.98
Eigentlich sollte ihre nächste Herberge in Roscoff sein, doch welche Enttäuschung, man war "Complet!". Kein Problem, wir finden was, dachten sie am Morgen noch optimistisch und machten sich auf den Weg: Über Paimpol nach Tréguier, einem ganz reizenden Städtchen, in dem man eine wunderbare Leberpastete kaufen konnte, aber weit und breit kein Brot dazu! Es war Himmelfahrt und Ladenschluss um midi! - Ilsefrau und Fritzimann trösteten sich, dass in der allergrößten Not, Pastete schmeckt auch ohne Brot, und verließen diese Stätte in Richtung Küstenstraße über Port Blanc, Trestel, Ploumanach, Tregastel. Und zwischendurch, irgendwo, ganz plötzlich und unerwartet gab es einen Laden, der noch geöffnet und ein übriggebliebenes Sesambrot zu verkaufen hatte. In einem Skulpturenpark inmitten irgendeiner Stadt machten sie Picknick und verzehrten Sesambrot und Leberpastete, dazu Rotwein und Oliven...
Da sie wie Josef und Maria bis jetzt noch nicht wussten, wo sie am Abend übernachten könnten, machten sie sich intensiv auf Herbergsuche. Das Ergebnis war traurig und Ilsefrau auch. Weil Fritzimann nicht mag, wenn Ilsefrau im Urlaub - und überhaupt - traurig ist, frührte er sie zum schönsten und vornehmsten Hotel der Gegend, zum "Manoir de Lan Kerellec" in Trebeurden.
Ilsefrau nahm den Gault Millau France dekorativ in die Hand, zog sich das T-Shirt zurecht und schritt in die Empfangshalle, tat dort kund, dass man bereit wäre, 2-3 Nächte zu logieren. Aber der Herr an der Reception erwiderte mit einem sufisanten Lächeln, dass es leider unmöglich sei, da man bis nach Pfingsten ausgebucht wäre... sah Ilsefrau von oben bis unten an und verfolgte sie mit seinem Blick, bis sie im Cabrio saß. Dort meinte sie, der Laden habe ihr sowieso nicht gefallen!
Unterwegs wurde es ihr aber doch langsam mulmig, denn Ungewissheit ist etwas , was sie gar nicht gern mag, und so beschloss Fritzimann, der belebten und frequentierten Küstenregion Adé zu sagen und ins Landesinnere abzudümpeln. Kurs auf Morlaix - Thégonnec - Landisvisiau - Lampaul - Guimiliau - Ende (der Welt!) . Aufgerissene Straßen, staubige Häuser, nur ein pfiffiger, kleiner Pfadfinder, der in einer Telefonzelle seine Eltern um Abholung bat. Ilsefrau und Fritzimann wurden wehmütig, da sie sich in die Zeit zurückversetzt fühlten, als ihr Wölfi noch ein Wölfling war.. Sie hätten alles getan , um diesem kleinen französischen Jungen weiterzuhelfen. Aber er hielt das für "pas nécessaire".
Im Hotel "De L'Enclos" wurden sie von der Patronne freundlich empfangen, bekamen ein Zimmer im hinteren Trankt zugewiesen und ein deftiges Essen im Restaurant. Ilsefrau war wieder zufrieden und beruhigt.
Nun befanden sich die beiden im Reich der Calvaire: das sind typisch bretonische, umfriedete Pfarrbezirke des Spätmittelalters, mit mehr oder weniger gut erhaltenen Kirchen, Friedhöfen, Beinhäusern, Triumphbögen, Mauern und natürlich Souvenierläden. Ilsefrau und Fritzimann folgten jedem Hinweisschild, betrachteten Teufel mit Schweinsohren, Pferdehufen und Ochsenhörnern, Dämonen in Granit geschlagen, verwittert oder noch gut erhalten, Reliefs der Austreibung aus dem Paradies und der Lebensgeschichte Jesu Christi, mannstolle Mädchen und sündige Männer in großen Granitblöcken vereint...
Sie waren nie in ihrem gemeinsamen Leben in so vielen Kirchen gewesen und überzeugt, dass ihre vier Kinder sie für verrückt halten und befürchten würden, dass sie nun ihr ganzes Hab und Gut der Kirche stiften könnten.
Sie machten wunderschöne Wanderungen durch die Wiesen, entkamen bellenden, keifenden Hunden und sprachen ein Dankgebet an der Quelle der Heiligen Anastasia.
Sie zuzelten in der "Ar Chupen" in Guimiliau unendlich lang an bretonischen Artischocken und lauschten dabei den Erzählungen des Créperie-Besitzers, der behauptete, dass die bretonischen Krieger immer die tapfersten und begehrtesten gewesen seien.
Sie machten einen Ausflug in das hübsche Städtchen Morlaix (Es gibt eigentlich nur hübsche Städtchen, bis auf das blöde Kaff Landesviseau, wo nicht ein einziges passables Restaurant zu finden war! Orte, die im Velbinger nicht erwähnt werden, sollte man gar nicht aufsuchen).
Als sie dann einen gemütlichen Bummel durch die Gassen machten, zog es sie zu "Tristan", wo Ilsefrau für Fritzimann einen schönen Gürtel draußen in den Auslagen erspäht hatte und wo Fritzimann drinnen dann noch ein Hemd u n d eine Hose kaufte. Letztere war etwas zu lang und so wickelte der freundliche Patron ca. 3 m passende Nähseide ab, damit Ilsefrau gleich im Hotel zu schneidern beginnen konnte ( n i e m a l s würde Ilsefrau für nur zwei Hosenbeine eine ganze Rolle Garn kaufen!)
Sonntag, 24.5.98
Jetzt hatten sie genug von Beinhäusern und heiligen Stätten und zogen in Richtung Küste auf schmalen, leeren Straßen nach Westen. Zwischendurch ein kleiner Spaziergang im Watt, - Fritzimann zog sogar die Schuhe aus(!).
"Aber" ist die bretonische Bezeichnung für eine Trichtermündung, die bei Ebbe ziemlich unansehnlich aussieht, sich bei Flut aber in einen breiten Strom verwandeln kann. An der "Aber-Wrach" - was so viel heißt wie "Hexenmündung", sollte sich laut Velbinger ein Muschel-Probier-Restaurant befinden, a b e r es befand sich nicht mehr, d.h. es sah zu aus und verlassen. Gleich hinter der Brücke haben sie doch noch sehr gut und preiswert gespeist. In Frankreich ist die Chance, zu verhungern gleich null bzw. eine Frage der Zeit.
Ab dem Weiler Kersaint ging es auf einer wunderschönen Panoramastraße mit Blick aufs Meer und entzückende Häuschen bis zum nächsten Quartier "La Pointe St. Barbe" in Toplage oberhalb des Hafens von Le Conquet.
Sie hatten ein ringsum verfenstertes Eckzimmer mit sagenhafter Aussicht aufs Meer und Möwenbesuch direkt am Fensterbrett. Als Ilsefrau im Badezimmer wieder über den nicht vorhandenen Duschvorhang stöhnte, nahm sie sich nun endgültig vor, im nächsten Reisegepäck eine Teleskopstange und mindestens einen aufgeschnittenen Müllsack mitzunehmen!
Das Abendessen im Hauben-Riesenrestaurant war sehr gut, aber die Bedienung genauso unfreundlich, wie sie im Gault Millau bereits im Vorjahr beschrieben wurde. Man bestellte mutig "Lieu(Fisch) au beurre aux alges" und siehe da, Algen schmecken wie Sauerampfer!
Montag, 25.5.98
Sie hatten gut geschlafen, auch wenn sie einige Male aufgewacht waren "vom starken Regen", der sich dann aber bei näherem Hinhören als Meeresrauschen entpuppte.
Nach dem Frühstück fuhren sie ein kleines Stück in Richtung Norden, stellten ihr Cabrio beim "Aber Ildut" ab und machten einen wunderschönen Spaziergang durch Dünen, Watt, Heide, Wiesen, leicht bergauf, bergab und sogen die Meeresluft tief in ihre Lungen ein... Ilsefrau wagte sogar zu kosten, ob die Algen, die sie für Algen hielt, auch wirklich Algen waren, die so schmeckten, wie die Algen in der Butter von gestern. Der Himmel bewölkte sich mehr, es begann zu tröpfeln, zu regnen, aber sie liefen weiter und weiter und plötzlich sahen sie - fast greifbar - das Hotel St. Barbe, nur dass es durch ein breites Hafengewässer von ihn getrennt war. Ilsefrau wünschte sich Flügel. Dann wäre sie in wenigen Minuten im Hotel gewesen, aber da heutzutage das Wünschen nichts mehr nützt, stellten sie sich in einem der vielen Bunker unter, die in Massen an der gesamten Küstenstrecke errichtet waren. Ilsefrau konnte einfach nicht verstehen, dass die Menschen so viel Zeit, Energie und Material aufwänden konnten, um Bunker für Kriege zu bauen! Sie lagen jetzt brach, ungenutzt, zugewachsen, mit Spinnweb überzogen und bestenfalls als dringend benötigtes "Örtchen" aufgesucht. Dementsprechend roch es auch darin und Ilsefrau litt mehr unter dem Gestank als unter dem Regen. "Warum kann man diese Räume nicht putzen, ausmalen und dann als Würstchenbude, Boutique oder Café-Bar benutzen?", fragte sie versonnen... und Fritzimann hatte Angst, sie würde mit Zollstock, Farbkübel und Bohrmaschine hierher zurückkehren.
Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als trotz Nieselregen den Weg zurück zum Cabrio anzutreten, das frisch geduscht am Ausgangspunkt auf sie wartete.
Auf dem Heimweg nach Le Conquet fanden sie ganz zufällig in Ploumoguer ein süßes, zweistäckiges Restaurantchen, das - obwohl eigentlich bereits geschlossen - durch die freundliche Patronne wieder geöffnet und die Küche nochmals eingeheizt wurde. Ilsefrau bestellte - trotz Fritzimanns skeptischer Nachfrage - Andouillettes, diese kleinen reizenden Schweinswürstchen, die wider Erwarten besser schmeckten, als sie aussahen (meistens ist es ja umgekehrt).
Sie sonnten sich an einem der zerklüfteten Aussichtskaps, beobachteten zwei rot-schwarz-blaue Käfer beim Liebesspiel und die Abendsonne beim Untergehen... und waren einfach glücklich und zufrieden (Wie mag es wohl den Enkeln gehen?)
Dienstag, 26.5.98
Die Reise ging weiter über Brest - Plougastel auf die "Erdbeerinsel Crozon". Weit und breit entdeckten sie weder Erdbeerfelder noch Erdbeerverkäufer und auch von dem im Reiseführer versprochenen Erdbeerduft, der in der Luft liegen sollte, spürten die beiden genauso wenig wie vom Weihnachtsduft einer Neubauwohnung im Dezember. Sie umfuhren die gesamte Pointe des Espagnols, aber es riss sie nichts vom Hocker. Sehr gut dagegen war das Essen im Restaurant "De France" direkt an der Hafenstraße von Camaret: Fisch - Fisch - Fisch in seiner feinsten Verkleidung! Muscheln gratiniert, Kabeljau in Sahnesoße, feinste Gemüsejulienne als Beilage!
Am frühen Nachmittag erreichten sie ihre nächste Herberge in Plomodiern im Departement Finistère, was nicht unbedingt "im Finstern" heißt, sondern etwas mit dem Ende der Welt (Fin) zu tun hat.
Das Hotel de Charme "Porz-Morvan" ist ein ehemaliges Gut, in dessen Pferdeställen ganz süße Appartements eingerichtet wurden. Ilsefrau schaute nur, und schaute und fühlte sich einfach wohl: hier eine Bordüre, dort ein hübsches Bildchen, ein Tisch mit Weingläsern und eine Duschkabine!!!
Die zwei Gasthäuser im Ort hatten Ruhetag, aber in einem kleinen Schlachterladen kauften sie Wurst und Leberpastete, ein Glas Cornichons, eine Portion Oliven und 2 Flaschen Rotwein! Wer sagt denn, dass der Gott in Frankreich immer nur im Restaurant gut gegessen hat?
Mittwoch, 27.5.98
Frühstück in der ehemaligen Scheune, liebevoll serviert mit frischen Croissants, Orangensaft, Großmuttermarmelade in offenen Töpfchen und Kaffee in einer richtigen Kaffeekanne aus Porzellan! und der Rat der jungen Wirtin: Sie müssen unbedingt nach Quimper fahren!
Der Himmel ist blau, Diesel billig, das Cabriodach auf, die Laune gut, Urlaub ist herrlich
Quimper ist wirklich ein sehenswertes altes Städtchen. Es gibt einen lustigen überdachten Markt (Nein, Fritzimann, wir brauchen nichts!), witzige und urige Lokale, so oft und so viel kann man gar nicht essen gehen.
Sie suchten und fanden an einer etwas ansteigenden - gerade aufgerissenen - Straße das Haubenlokal "L'Ambroisie", d.h. Götterspeise.
Ach Gott, wie entzückend: Als Gruß aus der Küche gab es mit Lachs-Mousse gefüllte Cherry-Tomaten! Worauf Ilsefrau meinte, das Gulasch würde dann wahrscheinlich im Eierbecher serviert werden. Der Hauptgang war leichter zu finden, da etwas größer und sehr, sehr gut!
Auf dem Heimweg am Strand Halt gemacht und 1 ½ Stunden im offenen Cabrio von der Sonne bestrahlen (und von Spaziergängern beneiden) lassen.
Danach ein langer Strandspaziergang, wobei sich die Bergschuhe als richtige Fußbekleidung erwiesen: Die Flut brachte allerlei Unrat und vor allen Dingen ALGEN mit sich. Der ganze Strand war grün und sie gingen wie auf einem Teppich. Der Himmel wurde schwarz, aber erst als sie im Hotel waren, fing es an zu gießen.
Donnerstag, 28.5.98
Von nun an geht’s...nach Haus! Es war nicht möglich, in den geplanten Wunschhotels Unterkunft für die Vor-Pfingsttage zu bekommen. Und auch im Hotel de Charme "Manoir du Tertre" würde ein Zimmerwechsel notwendig sein.
Also machten sie sich auf gen Osten in den Märchenwald von Paimpont, wo der Zauberer Merlin seine Fee Viviane liebte, die ihm nach und nach seine Zaubertricks entlockte.
Gegen Mittag schwänzelten Ilsefrau und Fritzimann in Mur-de-Bretagne um das vornehme Restaurant "Auberge Grand Maison" herum, schauten hinein, betrachteten die ausgehängte Speisekarte, und hinsichtlich der Preise verschoben sie den Hunger noch etwas bis zur nächsten ...Pleite:
Ein Hinweisschild lockte sie von der Autobahn, aber "Motel d'Armor" hielt nicht, was die Werbung versprach: eine Art Kalbsgulasch mit dicken, schwammigen Nudeln, getrocknete(!) Petersilie und zu kalter Wein. Man sollte sich auf solche Möchtegerns nicht einlassen!
Als sie endlich nach Paimpont hineinkommen, sind die Straßen weiß bedeckt von Hagel! Im Mai! - War das ein Werk der Fee Viviane oder von Frau Holle?
Sie fuhren im Zauberwald von Brocélliande (gallische Bezeichnung fürs Jenseits) hin und her und wieder ins Dorf und wieder zurück durch den Wald und fanden nicht zum Hotel. Waren sie bereits im Banne des Zauberers? - Nein, n o c h nicht...
Endlich standen sie vor dem "Manoir du Tertre" und siehe da, der Parkplatz war voll mit großen Autos aus der Schweiz, den Niederlanden und natürlich aus Frankreich.
Ein zauberhafter, verwunschener Garten hieß sie willkommen, - der Hauseingang verschwand fast unter rankelnden Rosenzweigen, eine Glocke ertönte laut als Ilsefrau die Tür öffnete und dann gleich nach der Hand von Fritzimann griff. Sie glaubte sich im Bühnenbild der Pradler Ritterspiele zu finden: düstere antiquierte Möbel, Riesengemälde an den Wänden, ein knisterndes Feuer im offenen Kamin mit hageren Gestalten und einem Riesenhund davor...
Man verwechselte die beiden mit anderen Österreichern, die noch kommen sollten, verwechselte auch die Zimmerschlüssel, schickte sie die knarrende Treppe hinauf, oben links sei das Zimmer. Fritzimann war frustriert, als er den kleinen schmalen Raum sah.Ihm gefiel das Plüsch- und Fetzengerümpel nicht, die von der Decke herabhängende nackte Glühlampe, die Spitzenvorhänge vor den klapprigen Sprossenfenstern, das französische Schwabbelbett mit nur einer mickrigen Zudecke. Er meinte, das "Hotel de Charme" müsse "Schamlos" heißen.
Ilsefrau fand es ganz lustig und war eher erwartungsvoll, wollte herausfinden, was mit den finsteren Gestalten sei, die da unten in der Halle herumgeisterten. Sie beschlossen aber, erst mal den Ort anzusehen. Dort erfuhren sie dann nach und nach, dass dieser Platz inmitten des sagenumwobenen größten Waldgebietes der Bretagne und besonders dieses Hotel ein Mekka für König Arthurs Druiden-Anhänger ist. Entsprechende Bücher und Veranstaltungen mit Debatten über Reinkarnation, nächtliche Waldmärsche und Sonnwendfeiern in weißen Gewändern wurden im Tourismusbüro angeboten.
Als sie mit einem gewissen unguten Gruselgefühl in der Magengrube wieder ins Hotel zurückkamen, fragte die Wirtin, ob sie im Hause zu Abend essen möchten. Der Speisessaal sah etwa so aus wie Burgtheater unter Peimann, und sie konnten sich nicht vorstellen, dass hier in der Einöde etwas Frisches auf den Tisch käme. Sie machten der Dame klar, dass sie doch nur diese eine Nacht bleiben wollten, bezahlten und machten sich im Zimmer über ihren Rücksackvorrat her.
Freitag, 29.5.98
Nachts konnten sie nicht schlafen, weil bis spät nach Mitternacht rücksichtslose Gäste und rücksichtsvolle Mäuse ihr Unwesen trieben, die Klogeräusche sie immer wieder aus dem Dämmerschlaf rissen.
Um 3 Uhr setzte sich Ilsefrau im Bett auf und beobachtete den geheimnisvollen Morgensonnenstrahl, der sich langsam immer mehr durch die Rosen vor den Sprossenfenstern zwängte. Sie kämpfte nicht mehr mit der Schlaflosigkeit sondern träumte hellwach vom Zauberer Merlin und seiner Viviane, von König Arthurs Tafelrunde und von den Ideen und Vorstellungen der Glaubensgemeinschaft, die in diesem Hotel zusammengekommen ist.
Fritzimann wurde ebenfalls wach und wütend, weil er für das viele Geld auch wirklich schlafen wollte. Sie beschlossen, so früh wie möglich das Haus zu verlassen, nahmen eine heiße Dusche, die eine halbe Stunde Schlaf ersetzte, jagten den Riesenhund weg, der vor ihrer Zimmertür schlief(!), schlichen sich im Halbdunkel aus dem Haus und fuhren los Richtung Heimat.
Mittags sehr gutes Essen in der "Auberge du Relais Fleuri" an der Autobahnausfahrt Avallon.
Weiterfahrt durchweg im offenen Cabrio bei wunderschönem Wetter bis zur Pèage in Belfort, wo es dann anfängt zu gießen und somit unseren 2-Wochen-open-air-Urlaub im Land des Zauberers beendet.
Das Märchen Bretagne liegt hinter uns, der Alltag hat uns wieder zurück.