Tsingtau 1907
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Briefe aus Fernost – 1907 – Oberzahlmeister Otto Schulze berichtet
Aus dem Inhalt:
Daten zur Person des Otto Schulze
Ausreise mit Salondampfer PRINZ-REGENT LUITPOLD nach Fernost
Reiseroute: Hamburg – Antwerpen – Southampton – Gibraltar – Genua – Neapel – Port Said – Aden – Colombo – Penang – Singapore – Hongkong – Shanghai – Tsingtau
Ankunft in Shanghai – November 1906
Berichte aus Tsingtau
Besuch in Tschemulpō (Korea) im Februar 1907
Reise auf dem Yangtsekiang ins Innere Chinas
Besuch in Nanking
Reise nach Peking
Leseprobe:
14.05.1907
…Seit heute früh unterwegs, sind wir schon ein bedeutendes Stück in das Innere Chinas eingedrungen; uns voran fährt das Admiralschiff FÜRST BISMARCK. Der Yangtse ist ein recht breiter und tiefer Strom, mit bedeutendem Gefälle. Die Breite beträgt etwa 3.500 m oberhalb Shanghais, nur ganz allmählich wird er schmaler, bis er bei den sogenannten Stromschnellen tief im Innern, wohin wir auch kommen, zwischen hohen Felsen eingekeilt wird und sehr reißend ist. Bisher ist die Fahrt gut verlaufen, da wir von einem Lotsen geführt werden. Heute Vormittag trafen wir einen chinesischen Kreuzer, der die Admiralsflagge mit 13 Schuss salutierte. Es ist komisch, wenn man die langgezöpften Chinesen in der Ausübung des Kriegsschiffshandwerks beobachtet. Dann kam ein japanischer Kreuzer, ebenfalls mit einem Admiral an Bord. Nachmittags salutierten wir ein chinesisches Fort, welches an einer schmalen Stelle auf Felsen angelegt den Yangtse verteidigen soll. Das Fort machte einen recht guten Eindruck, und unsrer Salut wurde promp erwidert. Die Gegend ist bisher recht wenig abwechselungsreich, da mit Ausnahme von wenigen Felsen die Flussufer nur Niederung sind. Weiter hinauf soll die Landschaft aber schöner werden, so dass der Yangtse häufig mit dem Rhein verglichen wird. Nur ist der Yangtse bedeutend breiter. – Heute Abend war auf dem Flaggschiff Konzert von der Geschwaderkapelle. Denke Dir, …mitten in China auf dem fast größten Strom der Welt Abendkonzert! Da muss ich doch unwillkürlich sagen, dass die Seefahrt doch ihre Reize haben kann. Bei allen Erlebnissen, die vom Alltäglichen abweichen, weilen meine Gedanken ganz besonders bei Dir, und ich freue mich, wenn ich wenigstens brieflich Dich alle kleinen Episoden miterleben lassen kann. Jetzt eben – es ist ½ 9 Uhr – wird geankert, da die Fahrt nachts auf dem Yangtse gefährlich ist. Morgen früh gehen wir mit unsrem Boot voraus, um den Dolmetscher nach Nanking vorauszubringen, damit dieser die Vorbereitungen zu dem Besuch beim Gouverneur Tuang Fang regelt. Morgen Mittag sind wir in Nanking, und von hier schicke ich diesen Brief ab, so dass er mit meinem vorigen zusammen eintrifft. – Wenn Du genau wissen willst, wo ich mich befinde, dann musst Du jetzt wieder einmal den Atlas zur Hand nehmen und den Yangtsekiang (Kiang = Fluss) aufsuchen, damit Du ein klares Bild bekommst. Das hättest Du auch wohl so gethan; denn Du hast ja doch an allem, was mich angeht, so großes Interesse, mein bestes Lieb. Trotz einer lebhaften Brise war es heute recht warm, und die Hitze fängt jetzt erst an. Wir sitzen am Tage unter einem Sonnensegel, geschützt gegen die Sonnenstrahlen und freuen uns der Flussschifffahrt.
Abends 11 Uhr
Wie eben Befehl vom Flaggschiff kommt, fahren wir morgen früh ½ 5 Uhr weiter und zwar mit großer Fahrt. Da kann ich bei den heftigen Vibrationen des Bootes keinen Federstrich schreiben und will zur Sicherheit schon jetzt den Brief beendigen, damit ihn noch ein Flussdampfer mit nach Shanghai nimmt. Ich muss hier mit allen Faktoren rechnen, um die günstigste Postverbindung zu erreichen...
Nanking, 15. Mai 1907
Heute Vormittag ½ 11 Uhr kamen wir hier an in Nanking, der alten chinesischen Kaiserstadt. Der Yangtse ist hier schon bedeutend schmäler, aber immer noch reißend. Unser Ankerplatz ist etwa 50 m vom Lande ab und infolgedessen sehr günstig. Um 12 Uhr kam FÜRST BISMARCK, der unweit von uns liegt, unter dem Donner des Saluts der Nanking-Forts und eines chinesischen Kreuzers lief das große Schiff hier ein, ein Schauspiel für die Chinesen. Heute Nachmittag unternahm ich mit den beiden anderen Offizieren des Bootes eine Wagenfahrt durch die Stadt. Dr. Kratzsch, der Dolmetscher, den ich hier an Bord hatte, war so liebenswürdig, uns seinen chinesischen Diener als Fahrer zur Verfügung zu stellen. Um ½ 3 Uhr nachmittags gingen wir von Bord, unser Wagen stand bereit. Das Gefährt ließ recht viel zu wünschen übrig, und jeden Moment glaubten wir, ernstliches Unglück mit dem Vehikel zu haben. Aber mit Gottvertrauen stiegen wir ein, und der Pony, welcher nach seinem recht knochigen Aussehen mehr einem wandernden Garderobenständer, denn einem Gaul glich, lief wider unser Erwarten ganz munter. Auf unsrer Tour durch die Stadt hatte ich Gelegenheit, echt chinesisches Leben kennen zu lernen. So interessant dies auch ist, so ist mein Bedarf durch meinen einmaligen Besuch dieser alten Stadt reichlich gedeckt. Von einem „Wohl“geruch kamen wir in den andern, nur gut war es, dass wir darauf vorbereitet gut parfümierte Taschentücher mitnahmen, um bei den allerschwierigsten Passagen das Atmen nicht gänzlich aufstecken zu müssen. Man macht sich keinen Begriff von dem Schmutz in chinesischen Städten, wenn man es nicht selbst gesehen hat. Nackte Jöhren wälzen sich mit schwarzen Schweinen, Chinesenhunden und sonstigem Viehzeug in Schmutzwassertümpel herum, die nicht weniger schmutzige Chinesenmama freut sich, an einen Hauspfosten gelehnt, über das gar muntere Gebaren ihres Sprösslings und hätte nicht übel Lust, dem schmutzigen Kleeblatt Gesellschaft zu leisten. Was ich schon so oft schrieb, kann ich nur wieder hier bestätigen, dass das gemeine Chinesenvolk unter einem Hunde steht; dieser ist wenigstens darauf bedacht, an sich so weit es angängig ist, die nötigen Waschungen vorzunehmen, der gemeine Chinese dagegen, ob Männlein, ob Weiblein, kann mit Sicherheit noch heute denselben Schmutz aufweisen, der vor 3, 4 und mehr Jahren bereits seinen menschenähnlichen Körper „zierte“. Wenn man von den Chinesen als Kulturvolk spricht, so kann man nur die herrschenden Klassen damit meinen, die ja von ihrem Standpunkt das selbst einem Hunde unwürdige Dasein des niederen Chinesenvolkes künstlich erhalten, um an ihren Rechten keine Einbuße zu erleiden. Durch diese Fährnisse, begleitet von Chinesen, die uns anbettelten, jedoch ohne Erfolg, sonst wird man dieses Volk überhaupt nicht los, kamen wir aus der Vorstadt durch ein großes Tor in die eigentliche Stadt. Wie alle chinesischen Städte, so ist auch Nanking mit einer riesenhaften Mauer umgeben, die zunächst die große Stadt mit einem Steingürtel umgibt. Innerhalb dieser großen hohen Mauer, auf der sich zwei Wagen bequem ausbiegen könnten, befinden sich noch wieder andre Mauern, welche für sich die Tartarenstadt und die Chinesenstadt, streng von einander getrennt, einschließen. Nanking war ehedem dicht bevölkert, ist jedoch durch eine Revolution vor mehreren
hundert Jahren hart mitgenommen worden. Die Größe der ehemals dicht bevölkerten Stadt kann man nur noch nach der alten Mauer erkennen. In der Stadt selbst sind jetzt nur verhältnismäßig wenig bewohnte Straßen, sonst nur Felder, Bambushaine, Sandwüsten, hier und dort ein verfallener Tempel, sonst lässt nichts darauf schließen, dass Nanking ehedem die volkreichste Stadt der Welt gewesen ist. Nach einer Stunde Fahrt gelangten wir an ein Stadttor, das uns wieder den Ausweg gestattete, und nun ging es zu Fuß außen an der 20 m hohen Stadtmauer entlang nach den alten Kaisergräbern der Ming-Dynastie, die 1 ½ Stunden außerhalb der Stadt liegen. Die Kaisergräber werden von roh gearbeiteten Denkmälern, die in zwei Reihen stehen, bewacht, um die bösen Geister von einem eventuellen Unterfangen, die Toten in ihrer Ruhe zu stören, abzuhalten. Diese Denkmäler sind durch verschiedene Tiere, als Löwen, Pferde, Tiger, Hunde, Elefanten, dann chinesische Krieger im Panzer und Priester dargestellt. Den Hauptschutz bildet eine große Schildkröte, die auf ihrem Rücken eine große steinerne Gedenktafel trägt. Die größten Denkmäler sind zwei stehende Elefanten, die auf ihrem Rücken viele kleine Steine tragen. Mit diesen hat es eine eigene Bewandtnis. Da die Elefanten sehr hoch sind, ist es recht schwierig, beim ersten Wurf so einen Stein hinaufzuwerfen, dass er liegen bleibt. Und wenn der Stein liegen bleibt, ohne wieder herabzufallen, so ist der Erstgeborene bzw. der erste Sprössling des Werfers ein Junge. Dieser chinesische Brauch und Aberglaube war mir bekannt, und es lag ja für mich nichts näher, als auch einmal einen Stein auf den Rücken des Elefanten hinaufzuwerfen und… beim ersten Wurf, er blieb oben liegen. Spaß macht´s mir doch, obwohl ich ja absolut auf solchen abergläubischen Humbug nichts gebe. Nun sei mir aber nicht böse, Lieb, dass ich Dir diese kleine Episode auch gleich erzählt habe; später hättest Du es ja doch erfahren. Damit Du mir denn auch gar nicht böse bist, habe ich in allernächster Nähe dieses Wunderelefanten einige Vergissmeinnicht und wilde Rosen gepflückt, die ich dem Briefe beigefügt habe. Vergiss mein nicht, mein Röschen!
… Meine beiden Begleiter erzählten heute beim Abendessen diesen kleinen Scherz sogleich dem Kommandanten – bei ihnen beiden blieb der Stein merkwürdigerweise auch nicht oben liegen, sie sind ja auch nicht verlobt – und da erzählte der Kommandant, dass er im vorigen Jahre auch einen Stein
hinaufgeworfen hätte, der ebenfalls liegen geblieben wäre, na, nun ist er ja sieben Monate glücklich verheiratet und hofft, wie er mir im Vertrauen nachher erzählte, dass der Elefant Recht behalten möge.
Nachdem wir uns die Ming-Gräber angesehen hatten, gingen wir nach einem entgegengesetzten Stadttor, wo uns unser klappriges Gespann wieder erwartete, um auf der Rückfahrt die Stadt auch auf der anderen Seite kennen zu lernen. Es sah hier ebenso schmutzig und verfallen aus, nur der alte Kaiserpalast schien, wenigstens was die Farbe anbetrifft, etwas gepflegt
worden zu sein. Sonst nichts wieder als Schmutz und wieder Schmutz, die Wege besäet mit Aussätzigen und Krüppeln. Das ist das große China, ein Land des Ekels und Schmutzes, wonach sich so viele sehnen, es kennen zu lernen als ein altes Kulturland, und wenn sie es gesehen haben, dann haben sie gründlich genug, so geht es mir. Europäer gibt es nur wenige, dennoch gibt es hier je ein deutsches, englisches, amerikanisches und last not least auch ein Affen- (ach na, japanisches) Konsulat. Auch haben wir im Konsulat ein deutsches Postamt, dem ich meine Briefe an Dich …anvertraue zur sicheren Beförderung und Überbringung meiner Liebesgrüße. Ich begreife nicht, wie es ein Europäer hier aushalten kann, ja, die Konsule haben sogar ihre Familien hier. Ich glaube, nach vier Wochen wäre ich fertig. Du machst Dir keine Vorstellung von dieser Schmutzstadt; dagegen ist Seoul noch das reine Paradies. Die Konsulate sind nur hier, weil Nanking der Sitz eines chinesischen Gouverneurs ist, der drei große Provinzen unter sich hat. Auch befindet sich hier ein chinesisches Militärlager. – Auf der Rückfahrt wurden wir mitten in der Stadt von Hunderten von Chinesen, die anscheinend noch nie einen Europäer gesehen hatten, umringt und wie fremde, höhere Wesen – na das sind wir ja auch im Vergleich zum Chinesen – angestarrt. Nur mühsam konnte uns unser Kutscher mit unsrem vorsintflutlichen Gespann aus diesem neugierigen Menschenhaufen retten. Übrigens sind die Kerle alle friedlich und denken hier gar nicht daran, einen Europäer anzufassen oder ihn nur zu belästigen. Das kostet bei einer Anzeige an den Vizekönig dem Übeltäter mindestens das teure Eselshaupt; denn mit einem Chinesenkopf macht man hier nicht viele Umstände. Vielleicht hetzt man nach dem Tode noch alle bösen Geister auf den Missetäter. Das ist mein Besuch in Nanking.
Brokatseide kann ich nicht fertig bekommen, werde mir jedoch Muster verschaffen und sie Dir zur Ansicht schicken. Im nächsten Jahre bin ich wieder hier und bestelle die Seide dann vorher durch das Konsulat. Ich glaube sicher, dass Dir der Stoff gefallen wird; denn zu Hause gibt es derartiges nicht, und haltbar ist er auch, eignet sich nach meiner Ansicht sehr gut zum Bezuge einer Möbelgarnitur. Sobald ich die Proben bekommen habe, werde ich sie Dir schicken und bitte Dich um Dein Urteil. Die Preise werde ich Dir dann gleichzeitig mitteilen; soweit ich weiß, kostet etwa der Stoff zum Beziehen von einem Sofa und zwei Fauteuils rund 120 Mark, dafür ist es aber auch etwas ganz Besonderes, – es hat eben nicht jeder.
Morgen Nachmittag gehen wir jedenfalls weiter in Innere. Da ich nun gern möchte, dass Du diesen Brief recht bald bekommst, schicke ich ihn morgen früh ab; es ist nicht ausgeschlossen, dass Du bei günstiger Postverbindung nach Shanghai Briefe 45 – 47 mit derselben sibirischen Post bekommst. Ich würde mich sehr darüber freuen.
Es ist jetzt mit der Zeit ½ 12 Uhr geworden und ich bin von dem ungewohnten langen Spaziergang doch etwas müde…
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