Band 62 Sturm

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Band 62 in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski

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Band 62

Funkoffizier Bernhard Schlörit erzählt von seiner Seefahrt in den 1970ern

Inhalt

Anmerkungen des Autors

Der lange Marsch zum Seefahrtsberuf

Seefahrt zur Probe auf MS BURGENSTEIN

Der Einstieg… – ein Aufwäscher geht an Bord

Große-Seen-Fahrt

SAWK – ‚Südamerika-Westküste’ auf MS HESSENSTEIN

Der Weg zum Seefunkzeugnis

Alles Banane... – Funkoffizier auf MS PEKARI (Reederei Laeisz)

Nachtrag

Die Printausgabe hat insgesamt 308 Seiten

Band 62 - Band 62 - kindle-ebook

* * *

Die erste Leserreaktion:

Guten Morgen Herr Ruszkowski,

recht herzlichen Dank für die Datei „Hast du mal einen Sturm erlebt“.

Ich bin gleich mit dem lesen angefangen und sofort bis zum Ende. Es hat mir sehr gut gefallen. Toll geschrieben. Ich werde in meinem Bekanntenkreis ordentlich Mundpropaganda machen und hoffe, das es den Erfolg hat, den dieses tolle Buch verdient.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Nennstiel

* * *

Leseprobe:

Und was tun, wenn ich das alles durchzog und hinterher feststellte, dass die Seefahrt doch nicht meine Welt war? Es gab ’ne Menge zu grübeln in jenen Tagen.

Nach längerer Orientierungsphase kam mir dann eine besonders tolle Idee, zumindest hielt ich meine Kopfgeburt für so was. Es müsste doch möglich sein, irgendwie bei einer Reederei so eine Art „Schnupperreise“ zu absolvieren, ein Bordpraktikum oder etwas Ähnliches. Auf dem heimischen Postamt lagen die Telefonbücher der ganzen Republik, nichts wie hin, die Adressen mir bekannter Reedereien müssten ja da drin stehen. Das waren gerade mal drei, Hapag-Lloyd, DDG Hansa und Frigga. Letztere antwortete gar nicht, Hansa lehnte dankend ab und Hapag-Lloyd bot mir in einem kurzen Schreiben eine Anstellung als Aufwäscher an. Keine Ahnung, was ein Aufwäscher zu tun hatte, egal, nun würde es mit der Seefahrt klappen. Ich kontaktierte die in dem Brief aufgeführte Telefonnummer und wurde umgehend nach Bremen einbestellt. Seefahrt, Schlörit kommt, zweiter Anlauf...

Ein Aufwäscher geht an Bord

Hapag-Lloyd, damals Deutschlands größte und bei Landratten auch bekannteste Reederei, war erst 1970 durch Fusion der beiden traditionsreichen Unternehmen Norddeutscher Lloyd (Bremen) und Hapag (Hamburg) entstanden. Eigentlich standen beide Firmen immer in heftiger Konkurrenz zu einander, dieser Geist hatte auch die Besatzungen durchdrungen, und je nach Standort wollte man diesen Hamburgern oder Bremern nichts zu tun haben. Es brauchte noch einige Jahre, bis aus beiden Reedereien wirklich eine Company geworden war. 1972 gab es teilweise getrennte Verwaltungsbereiche, und das alte Lloyd-Heuerbüro im Bremer Überseehafen existierte auch noch. Dort stand ich an einem nasskalten Januarmorgen vor einem gewissen Herrn Pauli, der die Lloyddampfer (und damals nur diese) mit Mannschaftsgraden bemannte. Meine Einstellungsprozedur war denkbar kurz, mit einer Art Laufzettel ging es zum Vertrauensarzt der See-Berufsgenossenschaft, der untersuchte den hoffnungsvollen seemännischen Nachwuchs und stellte dann die obligatorische Gesundheitskarte aus, dazu noch den so genannte ‚Seuchenpass’, wenn die Verwendung im Bedienungssektor vorgesehen war. Wieder bei Pauli gelandet, folgte die Frage, ob man gerade polizeilich gesucht würde. Nach meinem Kenntnisstand war das nicht der Fall. Auf meine Frage, was denn bitteschön ein Aufwäscher eigentlich zu tun hatte, lautete die kurze Antwort: „Na, saubermachen halt. Geschirr spülen, Gänge feudeln und so’n Kram.“ Aha!

Dann überreichte mir Pauli mein Seefahrtsbuch, wichtigstes Dokument überhaupt, um Arbeit auf einem Schiff zu finden. Neben persönlichen Daten und einem Passbild enthielt es auf vielen Seiten Raum für Visa und Vermerke sowie die Eintragung aller Borddienstzeiten, die ich jemals leisten würde. Mir schien es in dem Moment das kostbarste Dokument zu sein, das ich besaß.

„So“, meinte Pauli abschließend, „Nun fahren ’se mal wieder nach Hause, wir schicken ein Telegramm, wenn’s dann soweit ist“ Das war es dann...

...Endlich, als ich schon fast nicht mehr daran glaubte, trudelte ein Telegramm ein, kurzer Text: DIENSTANTRITT MIT ALLEN EFFEKTEN 27.03.72 MS BURGENSTEIN HALO BREMEN +. Was bitteschön waren Effekten? Keine Ahnung, was das nun wieder sollte, aber der zum Dienst einberufene Seelord packte seinen Bundeswehr-Seesack, davon ausgehend, dass ein Seesack das allgemein übliche Verpackungsmöbel für Seeleute sei. An Bord stellte sich heraus, dass der frisch gestrickte Aufwäscher der einzige Verwender dieses Traditionsgepäcks war, Hein Seemann reiste 1972 schon mit Koffer und Reisetasche. Und übrigens, mit Effekten war lediglich meine persönliche Ausrüstung gemeint… Aber der Reihe nach.

Am 27. März stand ich wie angeordnet wieder vor dem Heuerstall im Bremer Hafen. Mit mir noch einige andere Gestalten, die aber im Gegensatz zu mir schon verdammt erfahren wirkten. Wir wurden alle in einen Kleinbus verfrachtet und zum Schiff gekarrt, der genaue Liegeplatz ist mir nicht mehr erinnerlich.

Tja, und da lag sie dann. MS „BURGENSTEIN“, ein klassischer Stückgutfrachter, 1958 als Typschiff einer Serie von zunächst drei Schiffen in Dienst gestellt und mit 8.495 BRT vermessen. 147 Meter lang, 20 Meter breit, von einem 9.000 PS-Diesel angetrieben. Platz für 10.900 Tonnen Fracht und neun Passagiere. Nicht gerade ein Riesenschiff, aber mir kam es im Moment gigantisch vor. Schwarz gestrichener Rumpf, weiße Aufbauten, ein gewaltiger Schornstein in Ockergelb mit der schwarzweißroten Hapag-Schornsteinkappe. Und jede Menge Masten, eine andere Bezeichnung für das umfangreiche Ladegeschirr war mir unbekannt. Der Zossen war gerade von einer Mexiko-Reise via Antwerpen und Rotterdam wieder nach Bremen zurückgekehrt und sollte nun zunächst nach dem Löschen der Restladung in Bremerhaven eindocken. Apropos Zossen, an jenem Tage kannte ich diesen Begriff noch gar nicht und sprach hochachtungsvoll nur von einem Schiff. Für den Seemann aber ist jeder ‚Dampfer’ ein ‚Zossen’, ein ‚Schlorren’, ein ‚Zarochel’, ein ‚Wurstwagen’, alles Mögliche, aber kein Schiff.

Nun also die ersten Schritte in diese neue Welt. Mit leichter Verzögerung, wir mussten an der Gangway kurz warten, weil die Wasserschutzpolizei gerade zwei Typen in Handschellen an Land schleppte. Einer davon war mein Aufwäscher-Vorgänger, wir mir später erklärt wurde. Die beiden hatten vor der Ausreise irgendetwas ausgefressen und waren schon beim Einlaufen sehnlich erwartet worden…

Leseprobe:

...Mitte Juli war es dann soweit. Nach einer schlaflosen Nacht rückte ein höchst nervöser Kandidat in der Postbehörde an, um sein Haupt aufs Schafott zu legen. Als ich merkte, dass ich schon wieder das Flattern bekam, habe ich mal eben noch auf die Schnelle zwei Flaschen Bier rein geschüttet. Es war das erste und das letzte Mal in meinem ganzen Dasein, dass ich mir vor einer Prüfungssituation Alkohol in die Birne jagte. Ob das nun eine besonders schlaue Idee war, lassen wir mal dahingestellt sein. Mir war völlig klar, würde ich heute durchfallen, bedeutete dies ein Jahr Prüfungssperre, ich würde dann wohl nicht mehr antreten.

Die Gebeprüfung absolvierte ich in einem komaähnlichen Zustand, mein Hirn fühlte sich völlig leer an. Der Prüfer verschwand mit meinem Papierstreifen, der präzise jedes noch so kleine Zittern meiner Hand aufgezeichnet hatte. Banges Warten. Endlos. Dann öffnete der Postmensch die Tür, grinste mich an und sagte: „Herzlichen Glückwunsch. Sie haben es geschafft!“

Etwas später saß ich vor dem Fernmeldeamt in meinem alten Volkswagen und starrte minutenlang auf das kleine rote Dokument, das mich, so der Originaltext, dazu berechtigt, den Telegrafie- und Sprechfunkdienst bei deutschen Seefunkstellen nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Bestimmungen auszuüben...

Leseprobe:

Alles Banane...

Ein Taxi bringt mich am frühen Morgen in den Hafen, es ist ein grauer Tag, nasskalt.

Und da liegt sie: MS PEKARI, 1966 gebaut, mit 4.917 BRT vermessen und mit 139 Metern Länge und 18 Metern Breite nicht gerade ein Gigant. Wie die meisten Kühlschiffe in diesen Jahren weiß gestrichen, Aufbauten mittschiffs, zwei Masten, Bäume und über allem ein etwas überdimensionierter Schornstein in der fahlgelben Laeisz-Farbe. Über den Luken schweben weit ausladende Elevatoren, deren Laufbänder unablässig Bananenkisten an Land und in den lang gestreckten Fruchtschuppen befördern. Auf der Pier reger Betrieb, ein LKW liefert gerade Proviant an, eine ganze Schar dunkelhäutiger Exoten schleppt Kiste um Kiste an Bord. Andere Trucks bringen Ölfässer und technisches Equipment, ziemlich was los auf dem Kai. Ich wuchte meinen Koffer die Gangway hoch, in den Aufbauten der schiffstypische Geruch, ein Mix von Dieselmief, Küchendunst, Reinigungsmitteln, ich kann es kaum beschreiben. Lüfter summen, tief aus dem Schiffsbauch das Brummeln der Hilfsdiesel, seit über drei Jahren fühle ich zum ersten Mal wieder ein Schiff.

Die Funkbude ist ganz oben, wo auch sonst? Ich schleppe mein Gepäck drei Decks hoch, diese Zossen hatten noch nicht diese turmhohen hässlichen Wohnspargel, die auf späteren Schiffen als Deckshäuser fungieren...

...Und der Alte erwähnt das Ami-Telegramm. Die Reederei Laeisz betreibt ihre Bananenjäger 1976 nicht mehr auf eigene Rechnung, die vier Schiffe sind an den amerikanischen Fruchtkonzern United Brands verchartert. Dieses Unternehmen mit Sitz in Boston, früher bekannt und berüchtigt als United Fruit Company, besitzt zahllose Plantagen in ganz Mittelamerika und disponiert eine beachtliche Flotte von Kühlschiffen, darunter auch die PEKARI. „Panama for Order“ ist die Standartanweisung, am Panama-Kanal sind die Pötte in einer zentralen Verfügbarkeit und können dann kurzfristig zu einem der Ladehäfen an den Küsten Panamas, Costa Ricas, Honduras oder Kolumbien dirigiert werden. In europäischen Gewässern habe ich lediglich die Sammelanrufe von Norddeichradio zu überwachen, ab Atlantik dann Chatham-Radio, eine Küstenfunkstelle im Nordosten der USA. So schreibt es der Charterer vor. Und nun wartet der ganze Dampfer gespannt auf die Lade-Order...

...Messesteward Tiroko, sonst nur des Englischen mächtig, serviert mit einem fröhlichen „Mahlzeit, Radio!“ „Wie läuft das mit den Gilbies denn so?“ frage ich den Dritten. „Och, eigentlich sind das gute Seeleute. Anstellig, willig, die können ihren Job. Mit einigen Einschränkungen halt. Irgendwie können die einem auch leid tun, die reißen hier 12 Monate runter, ein Matrose oder AB macht so 800 Mark im Monat, davon gehen 400 bis 500 als Zwangsziehschein an die Familie. Den Rest kann er unterwegs verbraten!“

„Und wie kommen die ausgerechnet auf Polynesier?“ – „Nun, angefangen hat das mit den Limeys. Die Engländer bauten da ’ne Schule für Seeleute, weil man dort billige Arbeitskräfte abgreifen konnte. Bei dem Begriff ‚billige Arbeitskräfte’ werden deutsche Reeder hellwach, die bauten gleich ’ne Schule dazu, und da trainieren sie die jungen Kerls von den Inseln ein Jahr, entweder als Decksmann, als Motorenhelfer, oder als Steward. Danach werden die auf die Schiffe verschickt. Meistens sind die am Anfang ganz krank vor Heimweh, nur ihr enger Zusammenhalt hält die über Wasser!“ – „Und das läuft hier völlig problemlos ab?“ – „Na ja, meistens. Bloß mit dem Alkohol haben die ein Problem, denen fehlt angeblich irgendein Enzym oder sonst ein Rädchen im Getriebe, die vertragen nix, und wenn sie dann einen drin haben, drehen die komplett durch. Die sind schon besoffen, wenn sie ein Brauereipferd beim Pissen sehn!“ – „Und wie kriegt man das unter Kontrolle?“ – „Ja also, hier an Bord ist das nicht schwierig, der Alte macht ja hier selbst die Kantine und gibt denen nur ein kleines Bier-Kontingent. Auf manchen Zossen kriegten sie schon die Flaschen einzeln und geöffnet verkauft, damit sie nichts bunkern und dann den großen Jahrhundertrausch fahren. Hier geht’s eigentlich, wir haben hier sogar ’nen Gilbie-Bootsmann, der hat das einigermaßen im Griff. Bloß an Land ist’s Scheiße, da drüben in Zentral wetzen die los, die Cuba Libre kostet nur ’ne müde Mark, und nach ein, zwei Stunden sind die total breit. Wenn’s überhaupt solange dauert. Dann fangen sie an zu randalieren, die Policia kreuzt auf und haut gleich zu. Die haben da so Gummiknüppel aus Hartholz, damit dreschen sie solange auf den Gilbies rum, bis die Ruhe geben. Anschließend wandern die hinter Gitter, und dort verbleiben sie meist bis Auslaufen. Der Alte zahlt Auslösung, die werden wieder an Bord gebracht, oft grün und blau gekloppt, und dann ist wieder Ruhe im Puff. Hier, der Tiroko, der Steward, der saß schon in jedem Knast, den es von Kolumbien bis Honduras gibt!“ Na, das hört sich ja viel versprechend an. Und Gummiknüppel aus Hartholz…

...Auslauftag. Zur Mittagszeit haben die letzten Chiquita-Kartons den Dampfer verlassen, die Crew ist vollzählig an Bord. Die Bunker-Barge, die seit dem frühen Morgen an unserer Bordwand festgemacht und das Schiff mit Treibstoff versorgt hatte, wird von einem kleinen Tugboat weggezogen, ein anderer Schlepper geht bei uns längs, um der PEKARI bei Auslaufmanöver zu assistieren. Längst habe ich einen Mittelmeer-Wetterbericht auf die Brücke gelegt, die Funktionsfähigkeit der Funkstation in allen Teilen überprüft, und einige tausend Lire wurden ebenfalls zurückgezahlt, die Maaten hatten es nicht geschafft, ihre Kohle komplett auf den Kopf zu hauen. Ich händige diese Rückzahlungen umgehend dem Alten aus, der reicht die Kujambels an den Agenten weiter. Wir sind klar vorn und achtern, als letzte schiffsfremde Person vor dem Lotsen geht der Agent von Bord. Ich stehe in der Nock und beobachte das Ablegen, mein Blick schweift noch einmal über die Stadt. Ob ich noch einmal nach Neapel kommen werde? „Von wegen Neapel sehen und sterben“, meint Herbie, der unbemerkt hinter mich getreten ist. „Neapel sehen und kotzen kommt eher hin, irgendwas von dem gestrigen Futter habe ich nicht vertragen, ich reihere schon den halben Morgen herum!“ Er sieht wirklich recht blass aus, ich hingegen kann nicht klagen, obwohl wir das Gleiche gegessen haben. Dachte ich, aber dann stellt sich heraus, er hatte eine Pizza mit „Frutti di Mare“, das Zeug hatte das Mare wohl schon vor längerer Zeit verlassen. Er hat es dann aber nach einigen Stunden auch überwunden.

Später, als ich an der Taste sitze und Norddeich für die Übermittlung der Auslauftelegramme rufe, dämmert mir, dass heute eine neue Reise beginnt. Ich habe meine erste Reise als Funkoffizier weitgehend ohne größere Patzer bewältigt, und ich fühle mich gut dabei. Und wieder, wie schon auf dieser meiner ersten Reise, lautet das Ziel „Panama for Order“. Mal sehen, was der neue Trip bringt...

...Ich räume meine Station ein letztes Mal auf. Soll ja alles ordentlich aussehen, wenn der ablösende Kollege erscheint. Die ersten Urlauber habe ich auch schon verabschiedet und ihnen die Seefahrtsbücher in die Hand gedrückt, deren Ablöser sind schon eingetrudelt.

Der Funker soll aus Hamburg anreisen. Da steht der Alte in der Tür: „Sparks, ich habe gerade bei der Stauerei mit Hamburg telefoniert, ihr Ablöser sitzt zur Zeit auf dem Airport fest, die können wegen Nebel am Zielflughafen nicht starten. Kann also noch ein bisschen dauern.“ Also ist die ganze Küste hier im Nebel verschwunden, und damit auch Amsterdam Schiphol, wo mein Kollege hinfliegen soll. Zunächst mache ich mir aber keine Gedanken, die PEKARI soll erst am kommenden Morgen ganz früh auslaufen.

Es wird Abend. Alle Ablöser sind an Bord, die kamen per Bahn, und einer wurde von seiner Frau mit dem PKW angeliefert, lediglich der Funker fehlt noch. Der Alte geht nochmals rüber in das Büro der Stauerei und telefoniert mit der Reederei. Schlechte Nachrichten, in Fuhlsbüttel halten sie immer noch den Flieger nach Amsterdam fest, man habe zwar keinen Kontakt zum Funker, aber der warte dort noch bestimmt auf Wetterbesserung. „Die können sich gar nicht vorstellen, wie ich darauf warte“, sage ich zum Alten. Der zuckt mit den Schultern. „Ich will Ihnen jetzt nicht den Teufel an die Wand malen, aber wenn Ihr Kollege es nicht schafft, hier anzutanzen, müssen Sie noch ’ne Reise dranhängen.“ Verdammt, verdammt! Ich bin schon total auf Urlaub eingestellt, die erste Party zuhause habe ich schon telefonisch organisiert. Und jetzt das. Andererseits, ich bin Realist genug, um mit der Sache richtig umzugehen. Wenn der Kollege nicht auftaucht, muss ich es so akzeptieren. Dann sitze ich in zehn Tagen wieder im T-Shirt vor einem Cuba Libre, da hilft alles nix.

Draußen löschen sie Bananen im Akkord. Immer noch dichter Nebel, in Amsterdam bestimmt auch. Es wird später Abend, ich verabschiede mich von meinen Urlaubsplänen. Segundo und Erwin tauchen auf: „Na Sparks, kannst dich doch nicht trennen, was soll’s, was willst du bei dem Scheißwetter zu Hause?“ Ich mache gute Miene zum bösen Spiel: „Hab ich mir auch überlegt, und außerdem kann man euch alleine nicht auf die Menschheit loslassen, ich passe mal besser noch ’ne Reise auf euch auf!“ Und schon schleppt Erwin ’ne Kiste Holsten an, wir reißen die Kronkorken runter, Prost auf die Reiseverlängerung vom Sparks. Wir sitzen in der Funkbude, Zigarettenqualm sorgt nun auch für Nebel im Innenbereich, und aufgeräumt sieht es schon nach kurzer Zeit überhaupt nicht mehr aus. Die Holstenkiste ist zum Drittel gelenzt, da steht ein Fremdling in der Tür. Schaut etwas irritiert, als er da so in eine Party hereinplatzt. „Schönen guten Abend, Doormann mein Name. Ich soll hier den Funker ablösen!“ Ich gucke verdutzt, innerlich hatte ich den Urlaub bereits annulliert. „Also, mit Ihnen habe ich jetzt gar nicht mehr gerechnet, sorry für das Durcheinander hier, aber wir feiern gerade meine Dienszeitverlängerung!“ – „ Macht doch nix, mit mir wäre ja auch gar nicht zu rechnen gewesen. Die haben keine Flieger nach Amsterdam abfliegen lassen, der Platz ist völlig dicht. Da habe ich mich dann am Nachmittag nach Antwerpen umbuchen lassen. Und dort habe ich mir ein Taxi gekrallt, das sind ja nur knapp über 100 Kilometer bis hier her. Tscha, und da bin ich nun!“ Donnerwetter, da hatte sich der Kollege auf eigene Faust hierher durchgeschlagen. Der wollte wirklich einsteigen, manch anderer Spezialist hätte auf die Flugausfälle verwiesen und seinen Urlaub verlängert. Ich atme tief durch, wir haben eine neue Ausgangslage. Meine beiden Kumpels hauen mir auf die Schulter und verdünnisieren sich mit dem restlichen Bier. Ich räume die gröbsten Partyfolgen weg und starte eine Übergabe. Doormann ist ein alter Hase, viel muss ich ihm nicht erzählen. Verwaltung ist auf dem aktuellen Stand, Funkstation technisch OK, und bei der letzten Reise wurde das Funksicherheitszeugnis erneuert, das reicht ihm. Wir wechseln noch ein paar Worte, dann schleppe ich meinen Koffer nach unten. Melde dem Alten meine Ablösung, Doormann kommt mit und stellt sich vor. Der Agent sitzt gerade in der Kapitänskammer, mit seinem Handfunkgerät kontaktet er sein Office. Einen Rückflug in die Heimat bekomme ich heute nicht mehr, der Agent organisiert in einer halben Stunde einen Flug Amsterdam-Frankfurt für den folgenden Morgen, Rückgang des Nebels vorausgesetzt. Dazu ein Einzelzimmer im Seemannsheim für die Übernachtung. Ich unterhalte mich noch ein wenig mit dem Alten. Das war’s dann...

Leseprobe:

...Nach PEKARI und PERSIMMON bin ich nie wieder auf einem Kühlschiff gefahren. Bei F. Laeisz blieb ich bis zum Jahre 1979, dann wechselte ich zu der in jenen Jahren deutlich größeren Reederei Chr. F. Ahrenkiel und verblieb dort bis zu meinem endgültigen Ausstieg aus der Seefahrt im Jahre 1986. Ahrenkiel betrieb eine sehr gemischte Flotte von Containerschiffen, Stückgutfrachtern, Bulkern, Gastankern und auch Kühlschiffen, auf etlichen habe ich meine bescheidenen Spuren hinterlassen.

Es war die Zeit, in der der Container die Hauptrolle in der Frachtschifffahrt übernahm, diese verdammten Kisten haben den Welthandel enorm voran gebracht, uns Seeleuten aber den Spaß verdorben. Ich hatte aber das Glück, überwiegend auf Containerschiffen zu arbeiten, die in den Achtzigern jene Häfen in Afrika und Asien bedienten, welche zwar schon den Container kannten, aber auch noch die Zeit. Eine Woche Liegezeit in Mombasa war immer drin. Ich hatte auch das Glück, auf einem der letzten Stückgutfrachter unter deutscher Flagge eine Reise mit zu erleben, die aufgrund widriger Umstände für den Reeder und günstiger Umstände für die Crew zu einer zweimonatigen Liegezeit in Mexiko führte. Danach meldete der Charterer Konkurs an und der Reeder verkaufte schleunigst das Schiff.

Ich hatte das Glück, für einige Monate auf einem Feederschiff in der Karibik zu funken. Der Zossen karrte Container zwischen Trinidad, Barbados und Puerto Rico hin und her, auf See waren wir immer nur kurz und in den Häfen lang. Seitdem gehe ich mit der Behauptung hausieren, dass ich zehn Sorten Rum am Uringeruch unterscheiden kann.

Einige meiner Fahrtzeiten verbrachte ich auf Bulkern, Massengutschiffe, um die mancher Sailor einen Bogen macht. Lange Seetörns, öde Industriehäfen. Auch da gab es zwei Seiten der Medaille. Ich bin auf einem 140.000-Tonner in der Erzfahrt zwischen Brasilien und Japan an die Grenzen meines Humors gestoßen, eine grauenhaft eintönige Reise, die nicht mehr enden wollte, wir waren sieben Wochen auf See. Monotonie und Langeweile in höchster Vollendung. Sensationellstes Ereignis des ganzen Trips war wohl, als eine Möwe auf den Peilkompass schiss…

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