Band_36 Seemaschinist

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Band 36

in der maritimen gelben Buchreihe "Zeitzeugen des Alltags"

Rolf Peter Geurink:

In den 1960er Jahren als

Seemaschinist

weltweit unterwegs

Band 36

in der maritimen gelben Buchreihe "Zeitzeugen des Alltags" von Jürgen Ruszkowski

Seemaschinist

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nur noch bei amazon oder als ebook

Inhalt:

Brackwede – mein Tor zur Welt - Schulzeit: 1.04.1948 bis 31.03.1956 - Lehrzeit als Maschinenschlosser 1.04.1956 bis 30.09.1959

Im Zug nach Hamburg

Ing.-Assistent auf M/S CAP FINISTERRE ab Januar 1960

M/S URSULA HORN 19.02.1960 - 8.09.1960

Schmierer Valentin

Heizer Fritz - Die Geschichte der Reederei Bock, Godeffroy & Co, Hamburg - Schiffe der Atlas Levante-Linie GmbH - Steuermann Bum Bum - In Casablanca - Dusche von oben - Bootsmann Max - Arroganter Lackaffe

Jimmy der Dunkyman und Schmierer Valentin

M/S LIBANON 19.10.1960 - 4.01.1961

Funktion der Tauchkolben- und Kreuzkopf-Motore

M/S PHÖNIX – mit Eisfahrt - MS PHÖNIX und das Sturmtief Vincinette

D/S ARGO ab 22.05.1962

Seppel, unser Smutje

Besuch der Seemaschinistenschule in Bremerhaven - vom 10.01.1963 bis 29.05.1963 mit Abschluss Patent C3

Werde Seemaschinist II

M/S PAUL RICKMERS 19.06.1963 -14.05.1964

M/S LEVANTE 22.06.1964 - 5.12.1964

Angestelltenfachschule Bremerhaven 4.01.1965 - 23.03.1965

M/S EHRENFELD 3. Mai 1965 – Februar 1966

Seefahrtschule Cuxhaven 1 1966

Chronologie des Schiffsantriebes

Seefahrtschule Cuxhaven Fortsetzung 1966

Wieder zur See - Neubau M/S RUTH-DIETER 1966

M/S RUTH-DIETER 11.10.1966 - 13.02.1968

M/S GÖSTA BERLING 24.11.1959 - 20.06.1968

Ende meiner Seefahrt

Verzeichnis maritimer Fachwörter

insgesamt 279 Seiten

Leseprobe:

MS PHÖNIX

Im Sommer 1961 hatte ich bereits 18 Monate Fahrzeit als Assi hinter mir, Halbzeit in meiner Ausbildungsphase zum Seemaschinisten. Es wurde Zeit, eine andere Reederei zu finden, eine Reederei, bei der ich als Maschinisten-Assistent meine sechs Monate Dampfschiffzeit absolvieren konnte. Bei dem Reederei-Konzern Hamburg-Süd hatte ich dazu keine Chance, jedenfalls nicht für mich als einen Maschinisten-Assistent, wohl für einen Ingenieursaspiranten, der ich ja nicht war und wie bereits geschildert nicht werden konnte. So ging ich zum Arbeitsamt in die Admiralitätsstraße, um mich beraten zu lassen. Der zuständige Sachbearbeiter, ein netter und hilfsbereiter Vermittler, kramte in seinen Unterlagen und suchte Reedereien, die Dampfschiffe besaßen. Ich meinte: „Es muss ja nicht unbedingt eine Hamburger Reederei sein, habe mal erfahren, dass es in Bremen eine Reederei, die Argo-Linie - Richard Adler & Söhne gibt, die mehrere Dampfschiffe besitzt und vorwiegend auf Kurs England und Finnland fährt. „Ich muss das wohl in Bremen abklären.“ Er griff zum Telefon: „Werde die in Bremen mal anrufen und fragen, wie da die Chancen stehen.“ Ich hatte Glück, großes Glück, die Reederei suchte Maschinisten-Assistenten. Er gab mir die Anschrift, ich dankte ihm und fuhr nach Bremen. In Bremen am Weserufer befand sich das Argo-Haus. Ich sollte mich bei Herrn Fritsche melden.

Die Argo-Reederei geht auf das Ende des neunzehnten Jahrhunderts zurück. Mehrere Kaufleute und Reeder gründeten damals die Dampfschifffahrtsgesellschaft Argo AG mit Sitz in Bremen. Die ersten bei dieser Reederei fahrenden Schiffe waren klein und zum Teil mit Hilfssegeln ausgestattet. Im Laufe der nachfolgenden fast einhundert Jahre fusionierte sie mit anderen Reedereien. Bedingt durch die beiden Weltkriege gingen Schiffe verloren oder mussten an die Siegermächte abgeliefert werden. Stets bauten die Männer um Richard Adler und dessen Söhne immer wieder ihre Reederei neu auf. In den Jahren ab 1992 jedoch baute die Reederei immer mehr ab und gehört heute der Vergangenheit an. So fuhren bei dieser Reederei, die spöttisch die Bremer Pfeffersäcke mit dem gelben Stern auf grünem Grund genannt wurden, mehr als 100 Schiffe jahrzehntelang mit ihren Seeleuten von Bremen aus über alle Meere.

Die Reederei Argo, besaß zu meiner Zeit mehre Schiffe, welche in der kleinen Fahrt im Liniendienst nach England, vorwiegend Hull sowie nach Finnland eingesetzt waren. Zu dieser Reederei gehörte auch die Atlas-Levante-Linie. Schiffe dieser Reederei hatte ich schon im Mittelmeer gesehen. Ich trug Herrn Fritsche meine Wünsche vor. „Ach, Sie kommen vom Arbeitsamt in Hamburg, wurde mir schon berichtet, suchen ein Dampfschiff? Zurzeit sind aber leider alle Stellen besetzt. Sie haben noch Zeit, fahren Sie erst noch mal einige Zeit auf einem Motorschiff, könnte ihnen die MS PHÖNIX anbieten, läuft in einer Woche von Finnland kommend in Bremen ein“, meinte er.

So heuerte ich am 15. August 1961 an. Damit begann meine Fahrenszeit auf kleiner Fahrt. Obwohl auf kleiner Fahrt, arbeiteten wir, wie auf allen Schiffen der Reederei im Drei-Wachen-Betrieb. MS PHÖNIX lag an Schuppen 18 auf der (von der Weser kommend) Backbordseite und löschte die in Kotka geladenen Papierrollen auf ein Binnenschiff zum Weitertransport nach Minden, Empfänger: Melitta-Werke, Minden.

Auf dieser Seite lagen nur Schiffe der Argo-Reederei, während auf der anderen Seite die Schiffe der Neptun-Reederei festgemacht hatten. Der Hafen war voll.

* * *

Motorschiff PHÖNIX

Reederei: Argo, Adler & Söhne, Bremen

Unterscheidungssignal: DLDG

Baujahr: 1956 - Adler Werft

Indienststellung am 22.12.1956 in Bremen

Heimathafen: Bremen

Abmessungen: 1.197 BRT, Tragfähigkeit: 1.820 t,

Länge: 68,99 m, Breite: 10,50 m, Tiefgang: 4,20 m

Besatzung im Drei-Wachen-Betrieb Kleine Fahrt: 16 Mann

Der Kapitän steht über allen als Vertreter der Reederei an Bord

Bereich Deck: 1. und 2. Wachoffizier, 6 Decks-Seeleute

Bereich Maschine: Chiefingenieur, 2. und 3. Ingenieur,

3 Ingenieurassistenten

1 Koch

Die Wohnräume der Besatzung sowie die Messen, Kombüse und der Maschinen­raum befanden sich in den Aufbauten im Achterschiff.

Ladung: vorwiegend Stückgut, Maschinen, sowie Papier, Zellulose unter Deck und als Deckslast. Zwei Luken mit MacGregor-Lukendeckel. Im Haupt- bzw. Zwischendeck konnten die Laderäume mit je einem Zwischendeck beladen werden. Hierfür standen sechs Ladebäume je 5 t und ein Schwergutbaum für 10 t zur Verfügung. Bedient wurden diese durch 6 elektrisch angetriebene Ladewinden mit Spillkopf, installiert auf zwei Windenhäusern. Die Laderäume sowie Wohnräume und der Maschinenraum wurden über die Lademasten und Lüfterhauben be- und entlüftet.

Einsatzgebiet: Kleine Fahrt – Nord- und Ostsee. Vorwiegend Linienverkehr: Rotterdam – Bremen - Finnland. Für Fahrten im Eis war der Schiffsrumpf gemäß der finnischen Eisklassen-Zertifikation verstärkt. Somit konnte das Schiff sich im Packeis ohne fremde Hilfe fortbewegen. Jedoch lag es im strengen Winter 1966 in der Ostsee in der Höhe von Bornholm im Eis fest und musste frei gebrochen werden.

Technische Daten

Der Antrieb des Schiffes (Maschinenraum) befand sich im Achterschiff. Dadurch wurde kein Wellentunnel benötigt, eine lange Schiffswelle entfiel (Gewichteinsparung). Als Antrieb diente ein Neun-Zylinder-Tauchkolben-Zweitaktmotor, Fabrikat Henschel mit direktem Propellerantrieb, Zylinderdurchmesser 290 mm, Hub 700 mm, bei 320 U/min. Die Leistung betrug 1.330 PSe. Bei maximaler Leistung betrug der Brennstoff­verbrauch ca. 5,3 t pro Seetag.

Zur Stromerzeugung der elektrischen Verbraucher (Winden, Lüfter, Pumpen, Bordheizung sowie Beleuchtung ect.) standen zwei Dieselaggregate für 110-Volt-Gleich­strom zur Verfügung. Ein weiterer Hilfsdiesel trieb den Kompressor für die Anlassluft an.

Das Schiff wurde im Dezember 1963 nach Belgien verkauft. Über den Verbleib danach ist mir nichts bekannt.

* * *

Meine Fahrzeit als Ing.-Assi. dauerte vom 15.08.1961 bis 16.05.1962.

MS PHÖNIX mit einer Vermessung von 1.197 BRT war einer der großen „Schlickrutscher“. Die Besatzungen größerer Schiffe machten solche abfälligen Äußerungen über Kümos und andere kleine Schiffe: Schlickrutscher. Sollten sie doch, ich jedenfalls freute ich mich schon auf ein kleineres Schiff und die Fahrten in Nord- und Ostsee. Hatte erst mal die Nase voll von den langen Reisen. Kurze Reisen bedeuten weniger Seetage, viele kleine Häfen, mehr Abwechslung. Weniger Ärmelstreifen, wenn auch schon mal der Kapitän und der Chief in einer Uniformjacke, meist einer abgetragenen Kakijacke rum liefen, keine arroganten Vorgesetzten, keine hochnäsigen Kollegen.

In der Maschine versahen drei Maschinisten mit ihren Assis den Dienst. Alles war viel gemütlicher. Es gab nur zwei Messen, eine für die Deckbesatzung sowie eine weitere für den Kapitän, die zwei Steuerleute, die Maschinisten und uns drei Assis. Die Kammern waren klein, aber wohnlich eingerichtet. Wir Assis wohnten im Zwischendeck zusammen mit dem Koch, auf der Steuerbordseite die sechs Deckleute, vier Matrosen und zwei Leichtmatrosen.

Der Maschinenraum war klein und übersichtlich, die Neunzylinder-Hauptmaschine mit ihren 1.330 PS war mittig angeordnet, auf beiden Seiten die Hilfsdiesel, ein paar Pumpen, der kleine naturbefeuerte Ölkessel für die Bordheizung, mehr nicht.

Gehe meine erste Wache

Auslaufen Bremen, keine Manöverwache, der II. Maschinist fährt die Manöver, ich notiere. „Assi, na, wie gefällt es dir? Haste dich schon eingelebt?“ fragte er. „Glaub schon“, antwortete ich.

„Zutörnen nur, wenn es unbedingt sein muss“, meinte der Chief, „machen wir im nächsten Hafen.“ ‚Papa Henschel’ nannten sie ihn. Papa Henschel war schon fast sechzig Jahre alt, fuhr bereits vierzig Jahre bei der Argo, sein erstes Schiff, auf dem er 1923 als Heizer angemustert hatte, war der Dampfer „AEGINA“ der Roland-Linie. Seit dieser Zeit war er auf vielen Schiffen des Reederei-Verbundes der Argo gefahren, selbst im Krieg, bis zum Ende auf Dampfer „HECHT“. Sein erstes Schiff nach dem Krieg war der Dampfer „SPECHT“. Er fuhr auf der PHÖNIX seit deren Indienststellung. „Soll mein letztes Schiff sein, gehe dann in Ruhestand.“ Zu Hause war er in Bremerhaven-Geestemünde. Er hatte 1919 bei der Tecklenborg-Werft in Gestemünde seine Lehre als Maschinenschlosser begonnen. Der ruhige Eigenbrödler ging selten an Land, saß viel an seinem Schreibtisch und las. Hatten wir Assis mal Probleme, gingen wir zu Papa Henschel.

„Hast du denn schon ein Versteck für den Schnaps, den wir schmuggeln und in Finnland verkaufen wollen?“ fragte mich der Zweite, während er am Fahrstand auf den Maschinentelegrafen schaute. Ehe ich antworten konnte, sagte er: „Geh mal nach oben und schau, wo wir sind.“ Ich lief hoch, der Hafen lag achter raus, waren in der Höhe von Farge, vor uns überquerte die Fähre die Weser. Ging wieder runter und erstatte Meldung. „Dann wird’s ja etwas ruhiger“, meinte er und setzte sich auf den Hocker. Ich war im Begriff, die Kipphebel der Hauptmaschine und des Jockels (Hilfsdiesel) zu ölen. „Wenn du damit fertig bist, lass uns mal die Sache mit den Schmuggelverstecken bekakeln“, meinte er.

Hatte meine Arbeit beendet, vierzig Kipphebel geölt und stand nun vor ihm. „Hol dir ne leere Pütz von da hinten überm Judenloch.“ Als Judenloch bezeichnete man die Bilge unterhalb des Stevenrohres, dort wo die Welle durch die Bordwand zur Schraube führt. Ich schnappte mir die Pütz. „Dreh sie um und setzt dich drauf! So, okay! Kann es nicht ab, wenn einer vor mir steht, wenn ich sitze, bin nicht sein Richter“, meinte er und erklärte mir, wie das Schmuggeln so abläuft.

So erfuhr ich die Geflogenheiten: „Wenn du nachher Freiwache hast, gehste zum Steward, der ist für den Einkauf zuständig, organisiert den Einkauf beim Schiffshändler in Rotterdam. Wir schmuggeln vorzugsweise Wodka. Die Flasche kostet unverzollt zwei Mark, verkaufen sie für mindestens 10 Finn-Mark, umgerechnet etwa 12 DM.“ - „Und wo soll ich die verstecken?“ war meine Frage. „Da wende dich an Hannes, den Assi von Papa Henschel, der verwaltet die Verstecke für euch und gibt dir noch Tipps.“ Ehe er weiter erzählte, klingelte der Maschinentelegraph, der Zeiger sprang auf „halbe Fahrt voraus“. Wir sprangen auf und unterbrachen die Besprechung.

Nach Wachende suchte ich Hannes auf: „Der Zweite hat mir gesagt, du möchtest mich über das Schmuggeln informieren.“ Er erklärte mir die Verstecke: „Kannst zwei Schwanenhälse der Ballasttanks bekommen, und den Rest kannste in der Bilge unter dem Maschinenfundament verbergen. Zeichne die Flaschen, die du unterm Maschinenfundament versteckst, damit wir sie auseinander halten können. Klaus und der Dritte verstecken da auch ihre Flaschen.“ Der Schwanenhals befand sich an Deck im Bereich der Reling. Er war flach und im oberen Bereich gebogen, damit beim Fluten bzw. Füllen die Luft entweichen und das Wasser überlaufen konnte. „Du bindest die Flasche an eine lange Leine und lässt sie bis auf den Grund runter gleiten. Wenn die Flasche unten ist, verkeilst du den Tampen unterhalb des Halses. Ich zeige dir das.“ Nun wollte ich das mit dem Verkaufen wissen. Er meinte: „Verkaufe grundsätzlich nur an Bord und ganz vorsichtig, immer nur dem Käufer allein. Die sichersten Kunden sind die Hafenarbeiter und die Soldaten. Aber auch da helfen wir mit, wollen ja nicht auffallen, reicht schon, wenn die Schwarze Gang uns filzt“, meinte er. „Wir haben viele Möglichkeiten hier an Bord, auch wenn es ein kleines Schiff ist, aber wenn die von der Schwarzen Gang in ihren Kesselpäckchen kommen, finden sie meistens alles.“

Von Rotterdam kommend liefen wir in den Nord-Ostsee-Kanal ein. Hatte wieder mit dem II. Wache. „Bin noch nie durch den Kanal gefahren, wie lange dauert denn die Durchfahrt?“ wollte ich wissen. Er rechnete, überlegte und meinte: „Wenn wir keinen Entgegenkommer haben, also nicht in einer Weiche warten müssen, können wir es in vier bis fünf Stunden schaffen, haben aber auch schon mal acht Stunden benötigt.“

Hatten in der Schleuse festgemacht. Von der Brücke kam die Nachricht: „Maschine wird nicht benötigt, dauert vermutlich so um fünfundvierzig Minuten, bis das Schleusentor zum Kanal öffnet.“ - „So, das war’s, kannst dir mal die Schleuse ansehen. Könntest mir dabei im Kiosk etwas kaufen, den Weserkurier, einen Schmöker, Wildwest-Roman und eine Tafel Vollmilch-Schokolade.“ Er holte einen Zehnmarkschein aus der Tasche. Könnte mir ja auch was holen, überlegte ich. Oben an Deck traf ich Hannes, er sollte für Papa Henschel auch einen Schmöker kaufen. Wir gingen beide zum Kiosk. „Hole dem Chief gleich mehrere seiner Lieblingsromane. Am liebsten liest er diese bekloppten Liebesromane. Bin froh, wenn er was zu lesen hat, liest immer während der Wache auf der Kammer, kommt aber vier bis fünfmal runter und meint: ‚So, Assi, geh mal hoch, mach Pause und stell mir dann eine Muck Kaffee auf meinen Schreibtisch.’“ Wenn der Koch Feierabend hat, können wir trotzdem in die Kombüse, um uns Kaffee zu kochen oder um eine Butterstulle zu schmieren. Hannes meinte: „Aber erst, seitdem Kapitän Strunck an Bord ist, sein Vorgänger, Kapitän Mewis, wollte das nicht. Wieder an Bord, ging ich zur Kammer des Zweiten. Er kam mir entgegen, bedankte sich: „Leg das eben auf meinen Tisch, geh schon mal vor.“

Das Schleusentor ging auf und PHÖNIX setzte ihre Reise fort. Nach Ende meiner Wache ging ich an Deck, wollte mir die Landschaft anschauen. Es wurde langsam dunkel, die Hochbrücke von Rendsburg lag schon achter raus. Der Altmatrose sah mich, er war auf dem Weg zur Brücke: „Assi, komm mit, kannst von oben besser sehen“, meinte er. Ich konnte dieses alles nicht fassen, diese ganz andere Atmosphäre an Bord, so etwas hatte ich in den ganzen 18 Monaten nicht erlebt. Auf der Brücke angekommen, hörte ich den Käpten: „Sieh an, unser Assi besucht uns.“ Ich konnte mir alles ansehen, keiner schaute mich schief an. Wie gesagt, so etwas war Neuland für mich, wie vieles an Bord der PHÖNIX.

Die Schwarze Gang

Hannes hatte Recht, sie kamen. Wir waren am frühen Morgen in Kotka eingelaufen, nachmittags, wir hatten noch keine Flasche verkauft, kamen sie. Sie verteilten sich über das ganze Schiff, gingen in die Kammern, egal ob da einer schlief oder nicht, durchwühlten die Kojen, klopften die Matratzen ab, durchwühlten die Spinde, die Schubladen, suchten in den WC’s, in den Duschräumen, hinter den Spiegeln, an Deck, in den Laderäumen. Sie suchten in allen Ecken und Winkeln, klopften Verkleidungen ab und schraubten die Verschalungen los. Sie durchwühlten die Proviantsäcke, egal ob Mehl, Reis oder Nudeln drin waren, öffneten alle Kisten. Der Koch war sauer, dachte: Bloß nicht meckern, dann spielen sie ganz verrückt! Sie stiegen in die Rettungsboote, kletterten in die Masten und in den Schornstein. Die Zöllner waren ja alle ehemalige Seefahrer, gefahren an Deck, in der Kombüse und in der Maschine.

Ich hatte Bordwache im Maschinenraum, war gerade dabei, den zweiten Hilfdiesel abzustellen, da die Winden nicht mehr benötigt wurden und somit kein Bedarf mehr für Strom an Deck war. Sie kamen die steile Treppe rückwärts gehend herab, tauchten ein in die Bilge, suchten, durchleuchten mit ihren Taschenlampen die Bilgenbrühe und das Rohrleitungsgewirr, öffneten Seewasserfilter, Ölfilter. Sie suchten, suchten und - fanden!

„Assi, deine Flaschen?“ fragte einer der etwas Deutsch konnte. Ich zuckte mit den Achseln, wackelte ein paar Mal mit dem Kopf hin und her und haute ab. Sie fanden die Schnapsflaschen, viele Schnapsflaschen, freuten sich und dampften ab. Sie luden ihre Beute ein und zogen von dannen, um Meldung zu machen. Wir standen da, Hannes und Erick. Der Altmatrose meinte: „Schöne Scheiße, jetzt haben sie uns erwischt, das wird teuer!“ Ich fragte die beiden: „Was machen die jetzt mit den Flaschen?“ Erick meinte: „Saufen die nachher selber aus oder verscheuern sie, diese Halunken.“ Konnte mir das nicht vorstellen, soll aber schon vorgekommen sein.

Die Meldung: „Durchsuchung des deutsches Motorschiffes PHÖNIX der Reederei Argo aus Bremen, vertreten durch den Kapitän Albert Strunk, erfolgreich abgeschlossen. Gefunden und beschlagnahmt:

65 Einliterflaschen unverzollten 45%tigen Alkohol.“

Die illegale Einfuhr jeder dieser Flaschen wurde mit einer Geldstrafe von umgerechnet dreißig Deutsche Mark belegt. Da das Schiff bereits zwei Jahre vorher mit Erfolg durchfilzt worden war, erhöhte sich die Strafe um 50% auf fünfundfünfzig Mark. Musste also unsere Besatzung auch noch für die Idioten von damals bluten, aber wir waren ja auch Idioten, haben doch auch geschmuggelt. Fast alle schmuggelten, Schmuggeln gehörte dazu, Schmuggel war an der Tagesordnung, Schmuggeln musste sein. Alkohol soffen fast alle, besonders die Finnen.

So überbrachte ein Oberzöllner im Hafen von Kotka dem Kapitän Strunck einen Ordnungsbescheid in Höhe von 2.925 Mark, schnellstens zu zahlen. Dazu die Ankündigung: „Sollte das Bußgeld bis zum Ausklarieren nicht bezahlt sein, wird das Schiff an die Kette gelegt.“ Kapitän Strunk besorgte sich beim Agenten das Bargeld, errechnete die Höhe der Summe, die jedem, der geschmuggelt hatte, durch die Reederei von der Heuer abgezogen werden sollte. Ich war mit ca. 200 Mark dabei, fast eine Netto-Monatsheuer.

Zwei Flaschen hatten sie nicht gefunden, die leerten wir abends, um unseren Frust runter zu spülen. Papa Henschel und Kapitän Strunk trösteten uns....

* * *

Männer, jetzt geht’s ins Eis!

Ein kalter Tag in Bremen, das Thermometer zeigte minus 10°C. MS PHÖNIX

lag im Europahafen am Argo-Kai. Das Schiff war seeklar zum Auslaufen nach Kotka in Finnland. Steuermann Hecht hatte den Wetterbericht gehört. „Starker Wind aus Süd-West, verbunden mit starken Schneefällen, die Aussichten für den Weser-Elberaum: In den Mittagsstunden Einsetzen von ergiebigen Schneefällen bei Windstärke sechs, zunehmend sieben bis acht, schlechte bis mittlere Sicht.“ Auch aus Finnland kam keine gute Nachricht. Kapitän Meinert von MS „GANTER“ ließ wissen, dass „die Eisdecke ab Bornholm in Richtung Finnland an Stärke zunimmt.“ Kapitän Strunks Stimme erschall von der Brücke: „Auf geht’s, Männer, ab ins Eis, klar vorne und achtern, Maschine Achtung!“ Die Matrosen versammelten sich an Deck, warteten auf die Anweisungen von Erick. Alle waren da, nur der Leichtmatrose nicht. „Wo bleibt denn der Leichtmatrose?“ meinte er. Jungmann Otto, mit dem er sich die Kammer teilte, lachte und sagte: „Den kannste abhaken, der ist fix und fertig mit Hose und Jacke, platt wie ’ne Ratte,vernascht bis zum Abwinken.“ den hat Gisela

MS PHÖNIX legte ab. „Auf geht’s ins Eis, für mich Neuland“, meinte ich zum Zweiten, mit dem ich an Deck stand. In zwei Stunden sollte unsere Wache beginnen. „Warte ab, Pitt und lass dich überraschen!“ Ich stutzte, sagte er doch zum ersten Mal Pitt zu mir, Pitt wie mich meine Kollegen nannten, obwohl ich Peter heiße. Er fuhr fort: „Kalt wird es da oben sein, so um die 40°C minus und noch mehr, ist allerdings eine trockene Kälte. Und am Tage wird es auch nicht richtig hell, habe extra noch Strahler für die Mastlampen geordert, ohne Beleuchtung des Decks geht es auch am Tage nicht.“

„Ach, gut dass ich dich treffe. War gestern Nachmittag noch im Argo-Haus und unter anderem auch bei Herrn Fritsche. Er wollte wissen, ob wir mit dir zufrieden sind.“ Er unterbreitete mir, dass Hannes und Kurt in Kürze abmustern werden. Hannes heuert auf Dampfer ARGO an, und Kurt muss auf die Adler-Werft, um sein notwendiges Praktikum anzutreten. Also kommen zwei Neue, und du sollst dann Chief-Assi werden, möchte Papa Henschel jedenfalls und ich leider auch“, dabei schmunzelte er.

Auf der Höhe von Nordenham kam der Schneefall, wurde immer stärker, die Sicht immer schlechter. Kapitän Strunk beorderte Erick und den Zweiten Steuermann Müller als zusätzliche Ausguckmänner auf die Brücke. Sie standen in den Nocks, da die Scheiben des Ruderhauses zum Teil zugeschneit waren, nur zwei Scheiben waren mit Rotationswischern ausgerüstet. Steuermann Hecht beobachtete im Radar die Situation, und Müller und Erick standen in den Nocks an Steuerbord- und Backbordseite. Ihnen erging es auch nicht besser, mussten dauernd die Ferngläser vom Schnee befreien. Wir passierten das Feuerschiff ELBE 1. Die Sicht wurde besser, der Schneesturm kam nun von achtern. Es schneite aber weiter. Es schneite in Brunsbüttel, in Rendsburg, in Kiel-Holtenau, erst querab von Laboe wurde es besser. Dafür trafen wir auf die ersten Treibeisfelder, die sich aber bald auflösten. Wir erreichten das offene Wasser der Ostsee. Der Wind frischte auf, blies von vorne. Die Gischt überzog das Vordeck. Bei einer Temperatur bei fast minus 20°C bildete sich Eis. Eis auf dem gesamten Vorschiff. Jetzt war er da, der ‚Schwarze Frost’: Die Ankerwinde ein Eisblock.

Die Luken, Lademasten und das Tauwerk waren überzogen mit einer dicken Eiskruste.

Die Insel Bornholm passierten wir an der Backbordseite. Die ersten kleinen Treibeisfelder tauchten auf, wurden noch spielend überwunden. Es wurde Nacht, eine kalte sternenklare Nacht. Wir sahen ohne zusätzliche Beleuchtung, dass die Treibeisfelder zunahmen, dichter wurden. In der Höhe von Gotland boxte sich PHÖNIX durch aufgeschobene Eisschollen. Das Schiff vibrierte. Es wurde schwierig, das Schiff auf Kurs zu halten, auszuweichen, die dicken Brocken zu umfahren. Wieder knallte eine große Scholle vor den Bug, wieder ein Knall, wieder das Zittern. Immer lauter wurde das Krachen und Bumsen des Schiffskörpers gegen das Eis. PHÖNIX war speziell für den Einsatz im Eis gebaut worden, erfüllte die Vorgaben für die höchste Eisklasse des Germanischen Lloyd, die Stahlplatten des Rumpfes waren dicker als bei normalen Schiffen.

Der Bugsteven lief im unteren Bereich keilförmig aus, um das Eis besser brechen zu können. Nur die Maschinenleistung hätte stärker sein können, etwa wie die vom Motorschiff GANTER, das hatte fast 600 PS mehr bei fast gleicher Schiffsgröße.

Unterhalb der Wasserlinie vorne unter der Vorpiek knallte es. Man hörte, wie der Bugsteven das Eis knackte und zerbrach. Die Geschwindigkeit nahm ab, obwohl wir unten alles aus dem Motor herauskitzelten. „Jetzt bloß nicht stecken bleiben, das kann gefährlich werden, nicht im Eis einfrieren! Ich glaube, wir müssen einen Eisbrecher anfordern“, meinte Kapitän Struck. Er stand schon mehrere Stunden auf der Brücke. In weiser Voraussicht hatte man sich schon vor Bornholm zur Eiswache entschieden. Die beiden Steuerleute gingen jetzt zwei Wachen, jeder sechs Stunden. Für Kapitän Strunk aber hieß es, solange wir Eis brachen, musste er oben auf der Brücke bleiben. Er ging in den rückwärtig gelegen Karteraum, in dem über dem großen Kartentisch an der Außenwand das Funkgerät installiert war. Das Funkgerät konnte man mit einem Radio vergleichen. Man stellte eine bestimmte Frequenz im UKW-Bereich ein und sprach hinein. „Hallo Eisbrecher „SAMPO“, hallo Eisbrecher SAMPO, Kapitän Strunk vom deutschen Motorschiff PHÖNIX, hören Sie mich? Kommen Sie!“ - „Ja, hier ist Eisbrecher SAMPO. Kommen Sie!“ Er teilte die Position mit, das Schiff befindet sich nordöstlich der Insel Gotska-Sandön. „Eisbrecher SAMPO, bitte kommen, erbitten Eisbrecherhilfe!“ - „SAMPO an PHÖNIX - hören sie mich? Bitte kommen! Stecken Sie total fest?“ - „PHÖNIX an Eisbrecher Sampo, bitte kommen! Ja, total fest.“ Eisbrecher SAMPO teilte mit, dass er komme und PHÖNIX in einem bereits erstellten Konvoi in Richtung der finnischen Südspitze bringen würde.

Der 75 m lange und 17,4 m breite Eisbrecher SAMPO mit einem Verdrängungsgewicht von 3.540 Tonnen, einer Maschinenleistung von 8.800 PS, knapp zwei Jahre alt, war in Turku stationiert. (www.nordic-holidays.de) Die im Eis erfahrene sechzehnköpfige Besatzung, alles Finnen, kannten die Tücken des Eises, seine Veränderungen, seine Stärke. Die Festigkeit des Eises hängt von der Entstehungstemperatur und dem Salzgehalt ab, je höher man in den Norden kommt, je mehr sinkt der Salzgehalt. Oben im Bottnischen Meerbusen ist der Salzgehalt fast Null, hier bunkerten früher die Dampfschiffe Süßwasser für ihre Kessel. Eisbrecher hatten also kein Problem, die Schiffe bis zu einer Eisdecke von 120 cm frei zu schleppen. Mehrere Bedingungen musste ein Eisbrecher gegenüber normalen Schiffen erfüllen: Er sollte eine Bug- und Rumpfform haben, die nicht nur das Eis bricht, sondern die gebrochenen Eisstücke auch derart unter oder über das Festeis schiebt, dass eine offene Fahrrinne zurück bleibt. Die Schiffsaußenhaut muss besonders stabil gebaut sein, um nicht von den Eismassen zerdrückt zu werden; spezielle Rumpfformen müssen sicherstellen, dass es nicht zu rechtwinkligen Eispressungen kommen kann, wenn der Eisbrecher selbst einmal festsitzt. Der Rumpf eines im Eis fahrenden Schiffes bedarf besonderer Eisverstärkung. Eisbrecher sind im Verhältnis zu ihrer Größe besonders breite Schiffe, um eine möglichst breite Fahrrinne zu erzeugen. Der Bug ist normalerweise derart geformt, dass das Eis nicht von einer scharfen Bugkante wie von einem Messer zerschnitten, sondern von der flachen und gewölbten Bugunterseite nach unten gedrückt wird, so dass sich der Eisbrecher auf das Eis schiebt und es unter seinem eigenem Gewicht zerbricht. Die Form des Bugs muss gewährleisten, dass die Eisbruchstücke um den Schiffsrumpf weit herum gedrückt werden und nicht den Propeller oder das Ruder beschädigen. Ein Auftürmen des gebrochenen Eises zu Schollen vor dem Bug würde den Eisbrecher stark behindern oder zum Stillstand zwingen.

Sollte das Gewicht des Schiffs alleine nicht ausreichen, um die Eismassen zu zerbrechen, kann noch ein besonderer Stampfmechanismus zur Unterstützung zugeschaltet werden. Eine Methode, das Stampfen zu erzeugen, besteht darin, große Wassermassen zwischen Bug und Heck des Eisbrechers hin- und herzupumpen, wodurch das Schiff ins Schwingen gerät (Nickschwingungen, Stampfen) und der Druck auf das Eis verstärkt wird. Bei großen Eisstärken oder im Packeis kann die Schiffsgeschwindigkeit durch den hohen Widerstand, den das Eis entgegensetzt, gegen Null zurückgehen. In diesem Fall muss der Eisbrecher zurücksetzen und einen neuen Anlauf fahren. Dieses unter Umständen mehrfache Zurück- und Vorausgehen nennt man ‚Boxen’.

So erreichte also PHÖNIX im Kielwasser der SAMPO die Reede von Hangö. Der Wind frischte auf, es wurde aus Süden kommend Windstärke sieben bis acht gemeldet. Eine Weiterfahrt war nicht möglich, da das gesamte Eisfeld in den Finnischen Meerbusen gedrückt wurde und so die Gefahr einer Eispressung bestand. PHÖNIX lag da unter diversen anderer Schiffen, hatte sich in eine feste Eisdecke hinein geschoben. Am nächsten Morgen sollte es weiter gehen. Kapitän Struck konnte sich endlich in die Koje hauen.

Eisbrecher „VOIMA“ kam, brach mit seinen enormen Kräften das Eis, schob es krachend an die Seite, befreite die im Eis festsitzenden Schiffe, auch PHÖNIX. Die Fahrt ging weiter. Es war kälter geworden, dafür aber windstill. PHÖNIX glitt in der freien Eisrinne, links und rechts die Abkantung der fast 80 cm dicken Eisschicht. „Wie auf der Autobahn“, meinte der Zweite Steuermann, „kannst dich nicht verfahren, immer geradeaus.“

Sollte das Gewicht des Schiffs alleine nicht ausreichen, um die Eismassen zu zerbrechen, kann noch ein besonderer Stampfmechanismus zur Unterstützung zugeschaltet werden. Eine Methode, das Stampfen zu erzeugen, besteht darin, große Wassermassen zwischen Bug und Heck des Eisbrechers hin- und herzupumpen, wodurch das Schiff ins Schwingen gerät (Nickschwingungen, Stampfen) und der Druck auf das Eis verstärkt wird. Bei großen Eisstärken oder im Packeis kann die Schiffsgeschwindigkeit durch den hohen Widerstand, den das Eis entgegensetzt, gegen Null zurückgehen. In diesem Fall muss der Eisbrecher zurücksetzen und einen neuen Anlauf fahren. Dieses unter Umständen mehrfache Zurück- und Vorausgehen nennt man ‚Boxen’.

So erreichte also PHÖNIX im Kielwasser der SAMPO die Reede von Hangö. Der Wind frischte auf, es wurde aus Süden kommend Windstärke sieben bis acht gemeldet. Eine Weiterfahrt war nicht möglich, da das gesamte Eisfeld in den Finnischen Meerbusen gedrückt wurde und so die Gefahr einer Eispressung bestand. PHÖNIX lag da unter diversen anderer Schiffen, hatte sich in eine feste Eisdecke hinein geschoben. Am nächsten Morgen sollte es weiter gehen. Kapitän Struck konnte sich endlich in die Koje hauen.

Eisbrecher „VOIMA“ kam, brach mit seinen enormen Kräften das Eis, schob es krachend an die Seite, befreite die im Eis festsitzenden Schiffe, auch PHÖNIX. Die Fahrt ging weiter. Es war kälter geworden, dafür aber windstill. PHÖNIX glitt in der freien Eisrinne, links und rechts die Abkantung der fast 80 cm dicken Eisschicht. „Wie auf der Autobahn“, meinte der Zweite Steuermann, „kannst dich nicht verfahren, immer geradeaus.“

* * *

MS PHÖNIX

und das Sturmtief Vincinette

MS PHÖNIX befindet sich auf der Reise von Rauma nach Rotterdam. Am Mittwoch, dem 15. Februar, gegen 18:00 Uhr, wird die Schleuse Brunsbüttelkoog verlassen mit Kurs Nordsee. Beim Abhören des Wetterberichts von Radio Norddeich erfährt der 1. Offizier Hecht: „Sturmwarnung, Windstärke acht bis neun Südwest zunehmend.“ Dieses war dem Elbelotsen auch schon bekannt. Gegen 20:00 Uhr erreichen wir Cuxhaven. Wind und Wellen haben schon stark zugenommen. Die Springflut setzt ein, drückt gewaltige Wassermengen in die Elbe. PHÖNIX kämpft, will gegenhalten, will unbedingt. Der Lotse geht von Bord und wünscht gute Reise. Gute Reise in die Hölle? Wir passieren das Feuerschiff „ELBE 1“, den äußersten Vorposten in der Elbmündung. Die hohe Back der „BÜRGERMEISTER O’SWALD“ hebt sich mal schräg, mal horizontal, Spielball der sturmgepeitschten haushohen Wellen, zerrt an den dicken Ankerketten. Windstärke zehn oder mehr. Das Sturmtief „Vincinette“ tobt, rast vom Norden kommend mit 67 Knoten in die Deutsche Bucht und legt noch zu. Die Brücke ist doppelt besetzt mit Kapitän, Steuermann, Rudergänger und einem weiteren Matrosen. Radar und Funkgerät sind eingeschaltet. Radio Norddeich hat den normalen Sprechkontakt verboten: „Umschalten auf Notfrequenz!“

Alles ist verstaut und verzurrt, in der Kombüse scheppern Töpfe, Pfannen in den Schränken, an den Back’s in den Messen sind die Schlingerleisten aufgeklappt. Alle Sturmklappen der Bullaugen sind fest verschraubt. Die Freiwachen rollen und rutschen in den Kojen, keiner kann richtig schlafen. Liegt ’s an den vom Sturm verursachten Schiffsbewegungen oder ist doch Angst mit im Spiel? Kurswechsel auf den Elbe-Humber-Weg. Der Sturm trifft schräg von Steuerbord aufs Schiff. Brecher schlagen ein, klatschen auf Back, und Deck. Gurgelnd läuft die See wieder ab. Im Maschinenraum halten sie sich fest, versuchen ihre Runden zu drehen. „Pass auf, Assi, geh vorsichtig! Schlag nicht gegen den Heizungskessel!“, meint der Wachmaschinist und klammert sich am Pult fest. Der Diesel quält sich, Abgastemperaturen ziemlich hoch, dreht durch, trotz Drehzahlregler, dreht durch, wenn die Back eintaucht, und die Schraube aus dem Wasser kommt. Auf der Brücke, stehen sie, versuchen sich krampfhaft festzuhalten. Der Kapitän starrt ins Radar: „Backbord Entgegenkommer, fährt ziemlich dicht auf. Jetzt bloß keinen Ruderschaden, Kurs halten!“, meint er zum Rudergänger, der breitbeinig vor dem Ruder steht. Aus dem Lautsprecher des Funkgerätes die ersten verzweifelten Rufe: „SOS - SOS, Mayday, Mayday!“ Geben Positionen und Namen durch. Leuchtraketen steigen auf. „Die armen Kerle, und keiner kann ihnen wahrscheinlich helfen“, murmelte Kapitän Struck. Steuermann Hecht beugt sich über den Kartentisch. Mit gespreizten Beinen sich gegen den Tisch stemmend, versucht er krampfhaft Halt zu bekommen. Wieder bricht sie rein, die Wand, die schwarze mit der weißen Schaumkrone, der „blanke Hans“, PHÖNIX schüttelt sich wie ein begossener Pudel. Mit einem Ohr am Lautsprecher vernimmt man letzte verzweifelte Rufe, Rufe mit den Worten der Angst, der Angst vor dem Seemannstod, nicht mehr hoffnungsvoll, der Ruf wird weniger, verstummt: aus, vorbei, Ende. Auf einem Seemannsgrab, da blühen keine Blumen. Nicht der letzte Hilferuf, nicht das letzte Schiff, das die mörderische See verschlingt.

Sorgen und Angst bei den Besatzungsmitgliedern an Bord der PHÖNIX, deren Verwandte, Eltern, Geschwister, Frauen und Kinder, in dem Katastrophengebiet zu Hause sind. Sorgen und Angst, die für den Moses zur Wirklichkeit wird, zur Wahrheit durch die Mitteilung von zu Hause, einem kleinen Dorfe bei Stade. Die Mitteilung, dass Vater ertrunken sei, kurz, bevor er das Schlauchboot der Rettungskräfte erreichte, zu schlapp, um das Boot noch zu erreichen, die Flut spülte ihn weg, war stärker. Die Mitteilung, dass Bruder Hannes, Matrose des Kümos „ANNELIES“ auf See geblieben sei.

Mit einer Verspätung von 22 Stunden legt MS PHÖNIX im Maashafen zu Rotterdam an. Der Moses darf nach Hause zu seiner Mutter, der Witwe, die auch noch einen Sohn verloren hat.Zwar wurde der Leichnam des Vaters Tage später angespült gefunden, aber die von Hannes nicht, denn „was die See genommen, gibt sie nicht zurück“.

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Meine Fahrzeit auf dem Schiff RUTH-DIETER begann mit dem Auslaufen in Brake an der Unterweser und endete am 13. Februar 1968 in Brunsbüttelkoog. Im Frühjahr 1967 musterte der II. Maschinist, mein ehemaliger Schulkamerad Harry, ab. Er wollte lieber wieder auf große Fahrt. Kapitän Waller, der Reeder und ich sahen uns gezwungen, einen neuen Maschinisten zu suchen. In der Schleuse von Brunsbüttelkoog kam er an Bord, der Seemaschinist Hein Bruns ( Band 39 ), graues Haar und Spitzbart.

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Er kam auf das Schiff zu, den Seesack umgehängt, ein Fahrrad schiebend. Erstaunt schauten wir Käpten Waller an und zeigten auf das Rad: „Will er das etwa mitnehmen?“ lautete unsere Frage. Knappe Antwort: „Ja, habe ihm das erlaubt. Das war sein Wunsch, damit er Land und Leute kennen lernen kann.“ Wenn wir beide zusammensaßen, stellte er dauernd Fragen, die nicht unbedingt mit dem Bordbetrieb zusammenhingen. Gingen wir an Land, hatte er stets einen Notizblock dabei und schrieb, schrieb alles Mögliche, am meisten, wenn wir in Kneipen saßen. Auf meine Frage: „Heini, was soll das, was wird das?“ streichelte er seinen Bart und meinte: „Alles bares Geld.“

Es muss so Ende des Jahres gewesen sein, wir lagen im Hafen von Bremen, die Tochter des Reeders, Ruth Jensen, brachte uns Post und Proviant. „Ist Herr Bruns an Bord? Habe Post für ihn“, fragte sie mich. „Nein“, antwortete ich, der ist wieder an Land, wieder mit seinem Fahrrad unterwegs, ich lege sie auf seine Kammer.“ Sie gab mir die Post, darunter ein Päckchen von einem Verlag aus Flensburg. „Hein, habe dir deine Post auf den Tisch in deine Kammer gelegt. Ist auch ein Päckchen dabei.“ Eilig eilte er in seine Kammer. Nach dem Abendessen meinte er: „Komm mal mit, zeige dir mal was!“ Er übereichte mir schmunzelnd ein Buch mit dem Titel „Ein Schmierer namens Valentin“ und meinte vor Freude strahlend, sich am Bart zupfend: „Das ist mein erstes Buch. Schreibe nun an meinem zweiten, das soll heißen ‚In Bilgen, Bars und Betten’. Nun weißt du, warum ich auf deine Frage damals antworte: ‚Alles bares Geld.’ Wenn du möchtest, kannst du es mal lesen.“ Ich las das Buch Seite für Seite, schüttelte öfters mit dem Kopf. Ich kam zu folgendem Ergebnis: Das kann’s doch nicht sein, das ist abartig, das Leben an Bord, die Begegnungen an Bord, alles sozialkritisch geschildert, viele erotische, fast pornographische Schilderungen, die ich zum Teil akzeptiere, hatte doch auch ich solche Vorkommnisse selbst erlebt oder mir glaubhaft schildern lassen. Ähnliches kann man ja in meinen Ausführungen in diesem Buch lesen. Ich finde jedoch einiges übertrieben und unrealistisch, wenn ich etwa an die Schilderung über das Abreißen des Zylinderdeckels lese: „…bricht das Eisen, abgerissene Haltebolzen, kindskopfgroße Muttern…“ Kindskopfgroße Muttern? Umfang ca. 50 cm? Fragte mich: „Wie soll das praktisch gehen, wie können alle Gewindebolzen mit einem Durchmesser von 30 mm abreißen? Ich war der Meinung, dass er vieles erfragt und in seinem Stil, der mir gefiel, zu Papier gebracht hatte. Ich berichtete ihm von meinen Eindrücken. Es entwickelte sich eine lange Diskussion. Er gab zu, dass er einiges erfunden und zugedichtet hatte. „Ideen muss man haben, die richtigen Worte finden, egal in welcher Art und Weise“, meinte er.

Als ich ihm sein Buch wieder zurückgab, erzählte ich ihm meine Story: Es war im Jahre 1962 auf dem Dampfer ARGO. In einem Gespräch mit dem Dunkyman Jimmy meinte dieser unter anderem: „Du bist ja schon wieder da, Valentin“ und drehte sich mir zu. „Jimmy“, fragte ich, „warum nennst du mich Valentin?“ – „Ach, weißt du, auf meinem ersten Schiff als Heizer, ich glaube es war die PERGAMON, war ein Assi, der genau so neugierig und nett war wie du. Ich nenne sie in der Maschine alle nach dem was sie so tun, die Meister (er meinte die Wachingenieure), die Schmierer (er meinte die Assis).“ Hein Bruns lachte: „Nun fahren auf RUTH DIETER zwei Mann mit dem Namen Valentin.“ - „Wie kamst du denn auf die Idee, Bücher zu schreiben?“, wollte ich wissen. Er kannte die Seefahrt seit über 40 Jahren, zunächst als Kochsjunge und Decksjunge. Die überwiegende Zeit fuhr er in der Maschine als Kohlentrimmer, Heizer, Schmierer, auch auf verschiedenen ausländischen Schiffen sowie als Motorenwärter, Maschinen-Assi und später, als er das C3-Patent erworben hatte, als Wachmaschinist. Er war erheblich älter als ich, Geburtsjahrgang 1910. Er fuhr jetzt nur noch auf kleiner Fahrt. „In all den Jahren habe ich mir Notizen gemacht und geschrieben, geschrieben, meiner Frau gesandt, die mir maßgeblich dabei geholfen hat.“ Ich sollte Frau Bruns auch noch kennen lernen. Eines Tages kam sie an Bord und fuhr einige Wochen mit. Auf meine Frage: „Warum der Name ‚BABITONGA’?“, meinte er: „Habe mehrere Reisen auf diesem Seelenverkäufer unter spanischer Flagge gemacht.“

Seine Frau kam dann bald darauf an Bord und fuhr mit. Sie schrieb für ihn seine Manuskripte mit der Schreibmaschine. Er schrieb wieder, die ersten Texte für sein neues Buch ‚In Betten, Bars und Bilgen’, als ich seine Frau aufsuchte. Wir unterhielten uns ausschließlich über seinen Stil als Schriftsteller. Ich trug ihr meine Meinung zu dem Valentin-Buch vor, kam auf den erotischen Teil zu sprechen. Ich merkte ihr an, dass sie auf dieses Thema nicht näher eingehen wollte. Mit einem knappen Satz hakte sie dieses Kapitel ab, meinte: „Wenn Hein diese Szenen nicht eingebaut hätte, wäre das Buch nie erschienen, hätte er keinen Verlag gefunden. Er bekam aber einen Tipp. Man riet ihm, es mit Erotik und Sex zu füllen und mit dem Verlag des Erotikvertriebs Beate Uhse in Flensburg Kontakt aufzunehmen. Das Unternehmen hatte einen eigenen Verlag für solche einschlägigen Bücher und Zeitschriften. So kam er an den Stephenson-Verlag. Die beiden Bücher wurden in den 1970er Jahren viel verkauft und gelesen und sind heute nur noch vereinzelt zu stattlichen Preisen antiquarisch erhältlich.

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Als ich am 13. Februar 1968 abmusterte wurde er I. Maschinist, schenkte mir das Buch und versprach mir: „Wenn ‚In Bilgen Bars und Betten’ (Band 39) erscheint, schicke ich dir ein Exemplar.“ Er hielt Wort. Leider bin ich nicht mehr im Besitz dieser Bücher, hatte sie mal verliehen und nicht wieder zurück verlangt, schade! Ebenso hatte ich ein Bild von ihm, aufgenommen in irgendeinem Hafen, als er mal wieder mit dem Fahrrad auf Erkundung war, habe es auch nicht mehr, ebenfalls schade!

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