Segelfahrt 1860

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- Band 91 -

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Segelfahrterinnerungen 1850-70 - Richard Wossidlo befragte ehemalige Seeleute: Band 91 in der maritimen gelben Buchreihe bei Juergen Ruszkowski

Die Antworten der Matrosen und Schiffer up Plattdütsch

bei amazon unter

ISBN 978-1542971409

für 14,90 €

Aus dem Inhalt:

Der Autor Richard Wossidlo

Vorwort des Autors

Rückblick

Die Fahrensleute

Anmustern und Heuer

Schiffsjunge

Matrosen und Schiffer

Wustrow

Großherzogliche Navigationsschule

Auf Fahrt

Ausreise

Arbeit an Bord

Vom Singen an Bord

Essen und Trinken

Kleidung

Freizeit

Strafen

Fahrtgeschwindigkeit

Ziele der Fahrten

Seenot

Leuchtfeuer und Hänselplätze

Feiertage auf See

Elemente der Lebenswelt

Wind und Wetter

Tiere außenbords und an Bord

Länder und Menschen

In der Heimat

Der Seemann zu Hause

Von Reedern und Schiffen

Ladung

Des Seemanns letzte Fahrt

Überlieferungen aus der seemännischen Glaubenswelt

Klabautermann

Der Fliegende Holländer

Worterklärungen

insgesamt 293 Seiten - reich bebildert

Die Seefahrt brachte in Jahrhunderten eine eigene Kultur hervor, die sich in der Zeit der Segelschifffahrt entwickelte.

Die alte Segelschiffepoche oder die Zeit der Kohlendampfer hatte aus unserer heutigen Sicht zwar auch ihre Reize und Faszination. Wir sehen sie gerne durch eine romantische Brille. Das Leben an Bord war aber für die dort tätigen Menschen oft sehr hart und entbehrungsreich (siehe auch Band 4 dieser gelben Buchreihe!). Die Devise hieß: Navigare necesse est – „Seefahrt ist not!“ – Aber ebenso galt: Seefahrt ist Not!

In diesem Band 91 stelle ich das maritime Werk des 1939 verstorbenen Nestors der mecklenburgischen Volkskunde Richard Wossidlo neu vor, der Seefahrer aus Fischland, Warnemünde und Wismar über ihre Zeit auf Segelschiffen befragte hatte. Die Antworten der Fahrensleute wurden in ihrer niederdeutschen Mundart up Plattdütsch notiert.

Richard Wossidlo - 1859-1939

Um die Erinnerungen an eine für immer entschwundene Welt lebendig zu erhalten und der Heimatkunde und Sprachwissenschaft nutzbar zu machen, habe ich in den letzten Jahrzehnten an der mecklenburgischen Küste das niederdeutsche Seemannsleben eingehend erforscht, so schwer es auch der Landratte wurde, sich in die fremde Welt einzuleben.

Auf den folgenden Blättern gebe ich von der Ausbeute eine kleine Probe. Mein Ziel war, das Seemannsleben aus der Zeit der mecklenburgischen Segelschifffahrt, soweit sie noch in der Erinnerung der Alten lebendig ist oder war, zu schildern (also aus der Zeit um 1850 bis 1870). Nichts ist aus Büchern entlehnt, Marine und Dampfer scheiden aus. Die frühere Ausdehnung und den Niedergang der Segelschifffahrt, das Reeder- und Partenwesen und ebenso die allmählichen Veränderungen im Bau der Schiffe und in der Anordnung der Schiffsräume konnte ich nur streifen. Das Lotsenwesen, die Navigation, die Einteilung in Klassen musste ich beiseite lassen.

Die ganze Seemannssprache kann ich auf dem beschränkten Raum, der mir zur Verfügung steht, natürlich nicht darstellen – so erwünscht das auch wäre. Das ja meist aus Büchern geschöpfte Werk von Kluge („Seemannssprache“) gibt nicht im Entferntesten ein Bild von dem reichen Leben, das sich hier auftut. Die Ausdrücke für Wind, Welle, Wetter, Mond usw. hat Kluge wenig herangezogen. Sogar von den Namen der einzelnen Schiffsteile fehlt vieles. Der seemännische Aberglaube und die Seemannssagen sind, soweit ich weiß, in Deutschland bisher überhaupt nicht in größerem Umfang gesammelt worden.

Die Äußerungen meiner Gewährsmänner –- alter Matrosen, Steuerleute und Kapitäne, die mir aus ihren Erinnerungen heraus die früheren Zustände schilderten – ließ ich unverändert, um dem ganzen Bilde den Charakter der Echtheit zu bewahren.

Dass viele der von mir dargestellten Bräuche nicht auf allen Schiffen geübt wurden, ist selbstverständlich. Die Ortsangaben habe ich fortgelassen, weil eine solche Quellenangabe ermüdend wirken würde und Unterschiede der einzelnen Gegenden nicht erkennbar sind. Das meiste stammt aus Warnemünde und Wustrow, einiges auch aus Wismar, Dändorf, Dierhagen und anderen Orten der mecklenburgischen Ostseeküste.

Beschränkung auf Mecklenburg war notwendig, sonst wäre die Arbeit uferlos geworden. Aber bei dem ständigen Wechsel der Mannschaft, die aus allen Gebieten der deutschen Küste stammte, wird im großen und ganzen das für die mecklenburgische Seefahrt gezeichnete Bild auch für die andern Küstengebiete zutreffen.

Ich wage zu hoffen, dass das Buch in den Kreisen der Seeleute eine gute Aufnahme finden und dass auch darüber hinaus das bunt bewegte Bild aus alter Zeit allen Freunden niederdeutschen Volkstums Freude machen werde.

Wenn unner de Lesers oll Lüd mank sien süllen, dee vör viertig bet föfftig Johr sülben as Kaptain oder Madroos up een von de mäkelborger Schäpen fohrt hebben – viellicht gor weck von mien Frünn’ in Warnmünd, in de Wismer, in Wustrow, dee mien Lihrmeisters wäst sünd –, denn roop ik dee den ollen mäkelborger Seemannsgruß to, as he früher up 't Fischland Mod wier: Woll to seihn!

Waren (Müritz), 1929/1939 Richard Wossidlo

Als schon viele Jahre hindurch Dampfschiffe die Weltmeere überquerten, erlebte die Segelschifffahrt der deutschen Ostseeküste eine Spätblüte.

Das bürgerliche Zeitalter hatte zu einem kräftigen Aufschwung von Handel, Gewerbe und Industrie geführt. Die Beförderung der Waren stand als Gewinn versprechende Aufgabe vor dem Transportgewerbe zu Wasser und zu Lande. Da sich die Dampfschifffahrt zunächst zögernd und ungleichmäßig entwickelte, hatten vorerst andere der Forderung des Tages zu genügen: das Segelschiff und sein Besatz. Es war dies das letzte Mal in einer langen und bewegten Schifffahrtsgeschichte, die in den Tagen der Hanse einen Höhepunkt erreicht hatte und auch während der folgenden Jahrhunderte immer ein Stolz der Küstenländer gewesen war. Die zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts beschrieb das letzte Blatt des Logbuchs der Segler mit kräftigen Zügen.

Fünfzig Jahre später – die alte Herrlichkeit war längst dahin – mochte es dem einstigen Segelschiffer so scheinen, als habe der Seemannsberuf nicht für alle Zeit gleiche Bedeutung: De Seemann hadd ’n groten Wiert früher. Tatsächlich musste einem Rückblick aus der Zeit um 1930 die Blütezeit des Seehandels der 1850er bis 1870er Jahre als schlechtweg unvergleichlich erscheinen. Da schwärmten alte mecklenburgische Kapitäne von ihren Fahrten ins Schwarze Meer, wo man aus Odessa, Rostow, Tanganrog Weizen nach England brachte: Kort vör un ’n bäten na den französischen Krieg hebben de lütten Briggschäpen swores Geld verdeent mit de Swartsee-Fohrt. Doormals hett ’n’ Schipp, wat in de Fohrt wäst is, oft so väl verdeent, dat dat halwe Schipp betahlt wäst is.

Augenfällig war besonders der Aufschwung, den die Rostocker Handelsflotte nahm. Noch lange lebte die Erinnerung daran: Früher legen hier in Warnmünd in’n Frühjohr dree Schäpen een an ’n anner langssiet – so vull wier de Strom. Wenn all de Schäp frühjohrs in Warnmünd liggen deden, dat sehg grad so ut, als wenn ’n in ’n Ellerbrook kiekt. Rostock wier gor nich to sehn vör luter Masten. – Rostock hadd vierhunnert Schäpen, meist grote Barken un Briggen. – Rostock hett in de höchste Tiet vierhunnertachtuntwintig Schäpen hatt. Und schließlich: Rostock hadd fiefhunnert Schäpen.

So spricht die Erinnerung, und sie hat nur wenig übertrieben, denn Rostock hat als Höchstzahl tatsächlich dreihundertachtundsiebzig Schiffe mit 105.554 Netto-Register-Tons gehabt; es kam der Schiffszahl nach unter den deutschen Seestädten gleich nach Hamburg.

Nicht ganz so bedeutend wie Rostock war Wismar. Immerhin herrschte auch hier ein lebhaftes Treiben im Hafen: In mien jungen Johren hadd Wismar dreeunföfftig Schäpen, meist mit Kahlen, de Holtfohrt wier weniger. – So ’ne Fohrt wier früher up Wismar.

Hoch bedeutend war die Seefahrt auf dem Fischland, wo doch erst im 18. Jahrhundert der Drang zur See eingesetzt hatte. Zuvor waren Landwirtschaft und etwas Fischfang auf dem Bodden die einzigen Erwerbszweige gewesen.

Schon 1832 aber meldete das „Freimüthige Abendblatt“: sechsundneunzig Schiffe besitze das Fischland jetzt, vor siebzig Jahren sei noch kein einziges dort gewesen. Und was sagt der Seemann? Hunnertfief Schäpen hett Wustrow hatt in de beste Tiet.

In de 1870er Johren hebben Wustrower Schippers Schääp in England köfft.

Nicht anders war es im benachbarten Dierhagen. Hier in Dierhagen sünd achtuntwintig Schippers wäst, berichtet der eine, und ein anderer stellt sogar fest: 1857 wieren in Dierhagen soebenunviertig Schäpen, dee in Fohrt wieren.

Aus Dändorf liegen folgende Berichte vor: In Dändorf waren in meiner Jugend zweiundfünfzig Häuser, davon besaßen sechs Bauern, ein Müller, ein Schmied, drei Arbeiter je ein Haus, alle übrigen gehörten Seeleuten. – Dändörp wier de riekste Uurt up ’n Fischland, so bi viertigdusend Mark rüm hadd jeder Schipper, oft ok mihr.

Soweit die Blütezeit der Segelschifffahrt in der Erinnerung. Dem großen Geschäft (Soebenteihn bet twintig Prozent hebben de Schäpen bröcht) folgte die Krise. Und dies sind erinnernde Berichte über den beginnenden Verfall: Utgangs von de achtziger Johren güng de Sägelschippfohrt daal. Bi 1890 rüm sünd de Schäpen all verköfft na Sweden un Nuurwägen. Wat wi in Düütschland nich mihr bruken künnen, dat kreegde Skantehuw (so säden wi to den Sweden); dat wier so von 1885 bet 95. De Memeler un Danziger köfften ok Mäkelbörger Schäpen up, oewer am meisten de Sweden.

De Schippshändler Paul Gramp in Rostock up ’n Borgwall hett donntomal väl Schäpen köfft un verköfft. He köffte de ollen Schäpen un verköffte se an de Sweden. Se würden ’n bäten upfient, alle Löcker tostoppt un oewersmeert.

Manchmal erkannten in späteren Jahren die ausgedienten Seeleute, die ihr täglicher Gang in den Hafen führte, ihr altes Schiff voller Stolz und Trauer wieder: Den Haifischswanz heff ik noch sülben an ’t Boogspriet annagelt. Und die Geschäftsleute klagten: Wat is de Welt retour gahn, wat bröcht so ’n Schipper Nohrung in de Stadt!

Die alten Seeleute empfanden auch schmerzlich den Rückgang der alten Bräuche auf den Schiffen. Früher wier dat all in den Gang mit den ollen Seemannsbruuk, nu hett sik de Welt dreiht. – De ollen Seemannsbrüke hadden sik oewerläwt – dat wier vör dissen. Vielen Jüngeren standen die Bräuche so fern, dass auf meine Frage ein Seemann meinte: Dee Moden sünd woll vör Christi Geburt wäst. Andere sagten: To mien Tiet – so bi 1900 rüm – wier dat all mihr utstorben. Dat wier all all in ’n Vergäten, as ik jung wier.

Mit Geringschätzung schaut so ein alter Segelschiffer auf den Dampferbetrieb herab: Nu kann jo jeder Buerknecht to See fohren. Nu is dat jo bloot noch Winnschendriben un Farwwaschen un an ’t Roder stahn. Hüüt up ’n Damper lihrt so ’n Jung jo wider nicks as ’n Bessen anfaten un mit ’n Pinsel ümgahn.

So ’n Madrosen as früher gifft dat jo nich mihr. Hüüt kann ’n oll Wiew ’n Schipp roewerbringen. Und krass ausgedrückt: Früher geew dat höltern Schäpen un isern Madrosen, nu gifft dat isern Schäpen und höltern Madrosen. – Bi ’n Damper heit dat: Vullkraft voraus! Oewer ik müsst dat Schipp – nach dem Tod des Kapitäns – mit Sägel roewerbringen, erzählte stolz ein früherer Steuermann.

Klingt aus solchen Worten die Hochschätzung der gewiss schweren, aber doch vielseitigen Arbeit auf den Segelschiffen, so tadelte man an der Dampfschifffahrt auch die Eintönigkeit und Hetze bei der Arbeit. Man wier mihr Minsch up ’n Sägelschipp. Nu heit dat: Rin in ’n Haben un wedder rut. Bi de Sägelschippfohrt künn man sik doch mal verpusten, nu geiht dat jo all mit de Klabatsch.

Der wirtschaftliche Rückgang am Jahrhundertende wird aus der Sicht von 1930 auf die Maschine zurückgeführt. Früher wier Handel un Wandel un Arbeit, de Maschinenkraft verdarwt uns. Dor hett sik dat sammelt mit de Fracht, dat se wat to doon hadden. Hüüt ward Winter un Sommer fohrt – dat is jo grad de Verdarw. Ob hier nicht ein früherer Segelschiffreeder seine qualmende Konkurrenz doch ein wenig verkannt hat? Überlassen wir die Entscheidung über Wert und Schönheit der Segelschifffahrt dem Urteil der Fahrensleute!

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Vom Singen an Bord

Im unmittelbaren Zusammenhang mit der Arbeit stand das Singen an Bord.

Zwar wurde nicht ausschließlich beim Arbeiten gesungen – es heißt auch: Sungen würd ut Lustborkeit, also zur Unterhaltung –, aber wirklich charakteristisch für das Singen an Bord waren doch die Arbeitslieder oder Shanties.

Sie hatten den Zweck, bei gewissen Gemeinschaftsarbeiten den richtigen Einsatz und überhaupt einen beständigen Takt zu vermitteln. Utsungen würd ümmer, wenn ’n Tau haalt würd, dat dat togliek heißt. Na ’n Sang geiht dat wisser. Süss haalt een hü un de anner hott. – Een wier de Utsinger, de annern süngen den Kurs na. Utsingen ded, dee ornlich ’n bäten frech wier.

Wenn de Sägel upheißt warden, ward vörsungen. Een steiht an de Vörkant an den Tau, dee singt ut; die annern gahn achter de Hand un trecken. An de Pump würd ok oft sungen. – Wenn wat Sweres ruckwies treckt warden sall, denn würd na jede Puul (so nennten wi den Ruck bi ’t Trecken) wedder sungen. – Wenn wi väl Lüd an Buurd hadden, güngen de Marssägel mit Gesang hoch, dorna geiht dat scharper. Sungen würd ok, wenn de Bolien vöruttreckt würd; wenn de Stammstock ansett’t würd an ’n Klüverboom, dat he de Näs daalhollen süll; wenn det Anker mit de Partüürlien na achter ranhaalt würd. Bi ’t Ankerhieven ward allerlei sungen. Toletzt kümmt denn ümmer achteran:

Glore, glore, halleluja, schöne Mädchen gibt es in Batavia.

Shanties würden bi ’t Ankerhieven sungen. Am besten singt sik dat Leed: Es wohnt ein Müller an jenem Teich. Käppselleeder warden sungen, wenn dat Käppsel dreiht ward. Käppsel is dat Ankerspill. Ein Käppsellied war zum Beispiel dies (aus Wustrow mitgeteilt):

Wenn wir von der Reise kommen, holdrio-ho,

wird sogleich das Geld genommen, holdrio-ho,

und dann geht ’s nach dem Gasthof hin,

und versaufen wir den ganzen Klimbim.

Wenn in de Swart-See Ballast löscht würd, würd ok sungen. – Bi ’t Iniesen von de Sägelschäpen in Warnmünd un Wismar würd sungen. Sungen würd ok bi ’t Treideln in Holland in de Kanäle.

In Memel un Danzig, wenn de Balken as Deckslast oewerlad ’t würden, wenn de Ruum all vull wier, würd sungen. Man sieht also, es gab kaum eine Gemeinschaftsarbeit an Bord, bei der nicht gesungen wurde.

Vielfach waren es bekannte Volkslieder wie das „Von Herrn Pastuur sien Koh“.

Bi ’t Holtladen in Danzig würd väl sungen:

Wenn ich des Morgens früh aufsteh’

und zum Schornsteinfegen geh...

De Stauers bi ’t Holtladen süngen in Memel:

Unser Handwerk das ist verdorben,

die echten Saufbrüder sind gestorben.

Es leben keine mehr als ich und du.

Bi ’t Bramsägelheißen würd sungen: Ein Mädchen wollte Wasser holen... Orre wi süngen ok: Es wollt ein Jäger jagen.

Bei der Ausreise erklang das Lied:

Jetzt reisen wir zum Tore hinaus.

Feinsliebchen, lass das Schauen sein,

ich kann nicht länger bei dir sein.

Neben solchen Allerweltsliedern gab es auch rein seemännische Arbeitslieder. Beginnen wir mit dem Loten. Dat groot Loot ward vör hensmäten. Wenn ’t kloor is vörn, röppt de Madroos: All kloor! Denn röppt achter de Schipper oder Stüermann: Smiet wegg! Denn ward utsungen:

Barg to juug all von unnern,

dat Loot kümmt daal to dunnern!

Zu dieser Warnemünder Fassung gibt es viele Varianten.

Wustrower Seeleute sangen:

Wohrt juug von unnern,

Kabeljau un Flunnern!

Nu kümmt dat grote Loot

un fallt juug doot.

Ein Seemann aus Arendsee (Kühlungsborn) berichtet: Dor ward jo bi swenkt mit ’n Arm. Bi dat ierste Swenken ward ropen:

Barg von baben na unnern!

Gries un graag Flunnern!

Groot Lootl (Denn ward ’t vörutsmäten.)

Bi dat tweete:

Bi ’t drüdd:

Aus Ribnitz stammt diese Fassung:

Barg to von unnern,

Kabeljau un Flunnern!

Dat grote Loot föllt oewer Buurd,

leew Gott in ’n Himmel, help uns fuurt!

Lieder gab es auch für das Anholen der Bowline. Der Bolien is an ’t Grootsägel; an dat Liek is ’ne Kausch in, dor ward dat dörchschoort. Dee ward anhaalt, wenn dat slackert. Denn würd sungen:

Haal ut de Bolien,

Schipper, giff uns Brammwien,

Haal ut de Bolien,

De Bolien haal!

So lautete der Text auf manchen Ribnitzer Schiffen. Bi ’t Krüzen würd dat sungen, wenn dat slackern ded, dat dat stief würd. Dorto würd de Bolien na vörn treckt:

Haal away de Bolien,

Käppen gifft uns Brandewien.

Haal away de Bolien,

haal de Bolien, haal!

Dat wier jo all halw engelsch, bemerkte dazu ein Warnemünder Seemann. Wenn dat Anker mit de Partüürlien na den Kroonbalken ruptreckt würd, denn süng de Vörsinger:

Haalt de Bulien,

De prodilittle Bulien!

Denn süngen de annern:

Haal de Bulien,

De Bulien haal!

Fischländer Matrosen kannten diesen Text:

Haal de Bolien,

Kitsch em in de Daling,

Haal de Bolien,

Haal em an!

Einige „Zieh“-Lieder wurden bei verschiedenen Gelegenheiten gesungen. Wenn de Stammgeigen upsett’t würden oder wenn dat Anker fischt würd, würd sungen:

Amsterdam, Rotterdam, Duurt,

Belfast, maak fast!

Bi ’t Marssägel setten – wenn ’t binah hoch is, bi den letzten Treck – würd dat sungen:

Amsterdam, Rotterdam,

Haalt ran!

Uppe Schippbustäden warden de Planken jo dampt, dörch den Qualm warden se week; vör rüm soelen se sik jo bögen. Vörn sünd Löcker in, dor warden isern Stangen mit in groten Ring dörchstäken. Binnen na ’t Ruum rin is ’n Splint, dat sik dat nich ruttrecken lett. Dörch den Ring warden Bööm instäken. Denn sünd baben up Deck weck, dee haalen an un drücken ran. Dorbi ward dat sungen:

Ia, twia, haal em,

Uqua, luwa, zeiß em,

Amsterdam, Rotterdam un Duurt,

Schiedam, Lissabon un Puurt,

Anklam, Wolgast, maak fast!

Nach dieser Fassung aus Ribnitz hier noch eine ähnliche, mitgeteilt von einem Klockenhäger Matrosen:

Hio, quio, haal em,

Uqua, lua, zeiß em,

Janoewersmann,

Janoewer in de Kann,

Jungens, haalt ran!

Johann sien Diern,

De dicke Diern, hurra,

Dee deit dat giern,

Amsterdam, Rotterdam, Belfast,

Anklam, Wolgast, maak fast!

Wenn de Klüvergeigen insett’t würden, dee den Stammstock halen, süngen wi in Warnmünd:

Hia, tria, haal em,

Unqua, düna, zeiß em,

Johann sien Diern,

De lett sik giern,

Annkristien, I

Wies mi dien Pissmaschien!

Amsterdam, Rotterdam, Mokuurt,

Schiedam, Lissabon un Puurt

Anklam, Wolgast, maak fast!

Harmloser klingt die Variante dazu aus Ribnitz:

Johann sien Diern,

De dicke Diern, hurra,

Se spinnt dat Flass,

Duwweliert den Twiern alle Dag!

Aus Kirchhof auf Poel wird mitgeteilt, bi ’t Ankerkatten hebben wi sungen:

Haal Ecken, haal Böken, haal Busch,

Haal Kees, haal Brot, haal Wusst,

Amsterdam, Rotterdam,

Treckt em ran!

Ein Damgartner Matrose wusste diesen Text:

Haal Eek, haal Böök, haal Busch,

unsern Johann sien Bruut,

de dicke Diern, hurra,

de liggt in ’t Bedd,

kann ’n Noors nich rührn, hurra!

Aus Blankenhagen hören wir: Wenn de Sägel sett ’t würden, dat Se goot stief stahn süllen, würd sungen:

Stief un stramm,

mien leew Madam,

in ’n Topp

as ’ne Popp!

Natürlich fehlten unter den „Heiß“-Liedern auch halbenglische Shanties nicht.

Blow, boys, blow

vör Kalifornia,

dor is plenty of gold,

as I heft vertold,

an de Banks von Sakramento.

Hatten die „Heiß“-Lieder alle etwas Abgehacktes, um das ruckhafte Ziehen zu unterstützen, so sang man die Lieder zu anderer Arbeit nach gleichmäßigeren Weisen. Besonders viel gesungen wurde beim Ballast- und Kornschaufeln.

Früher würden de Schäpen hier in Wismar up de Boomhusensiet ballast’t. De Sandböter haalten den Sand ut de Bucht, un denn würd he ut de Boot utsmäten mit Gesang. In de Boot stünnen vier Madrosen, langssiet von ’t Schipp wier ’ne Stellage antakelt, dor stünnen twee up. Mit ’ne kort Ballastschüffel würd smäten, alles güng up Sang:

En Buer is ’n Buer,

(denn würd tosmäten)

Is ’n Sehelm von Natur.

(wedder smitenl)

En Buer hett ’n poor Klumpen an,

(noch 'ne Schüffel vulll)

Johannmaat is ’n Gentleman.

(noch een!)

Wismarer, die in Holland Ballast warfen, sangen mit den Niederländern zusammen:

Hoog, even hoog,

Hier staan wij mooi en droog,

Maar onder op de grond,

Daar lag dat natte stront.

Warnemünder erinnerten sich an folgendes Ballastlied:

Een, hurra, vör twee,

Eens is keen Getall,

De Ballast smiten sall.

So stahn wi all vier

Un stöten Ballast hier.

Wi stöten all up Sang,

Fiefhunnert is noch lang,

Oewerlang un wiss,

Dat geiht de Puurt nich miss,

Oewerlang un äben.

So koent wi lustig läben.

Dazu eine Rostocker Variante:

Hiev mal up Sand,

Un dat mit alle Mann.

Jetzt willn wi mal beginnen

Un fangen kräftig an!

Bi dat Ballastsmiten würd ok sungen, so hören wir aus Wismar:

De Rostocker Dierns

Mit de kugelrunn’ Titten,

Dor güng Johann Maat

Mit ’n Noors up Sitten.

Daneben gab es wiederum eine Fülle von Liedern verschiedenster Herkunft, die wohl in ihrer Funktion, nicht aber mit ihrem Text als eigentliche Arbeitslieder gelten können. Da sang man etwa „Rosa, mein Weibchen, mein einsames Täubchen“ oder „Ihr dunkelblauen Wogen, Fridolin“ oder „Ich stand auf hohen Bergen“ und andere Lieder.

Das Singen. war untrennbarer Bestandteil der Arbeit des Seemanns. Sogar bei Sturm ließ die Sangeslust nicht nach.

Un wenn wi bet an ’n Arm in ’t Water stünnen, sungen würd likers! Wenn ’n teihn Meter von af wier, wier nicks to hüren vör den Storm. Und gern erinnert man sich: Wat wier dat ’n Singsang früher up de Schäpen!

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Jürgen Ruszkowski

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