Band_50 FRIEDERIKE

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: Salzwasserfahrten 2

Erlebnisbericht einer Seefahrt

Band 50:

Trampfahrt worldwide

mit FRIEDERIKE TEN DOORNKAAT

Band 50 in der maritimen gelben Buchreihe „Zeitzeugen des Alltags“

Seefahrtserinnerungen - Seefahrtserinnerungen - Maritimbuch

von

Jürgen Coprian

Salzwasserfahrten - 2 -

Trampfahrt worldwide

mit

"FRIEDERIKE TEN DOORNKAAT"

Beginn als Funker ab 1967

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Inhalt Band 50 : Beiträge:

Seefahrtschule Bremerhaven – Jobsuche ………………………

Schwerer Start – Leben als Seefahrtschüler – Das Geld wird knapp – Falsche Reederei – Geschafft

Anmusterung in Triest – nach New York – Kanada……………

Erster Dampfer als Funker – Werft – Anfängerprobleme – Reise nach Genua – Zollprobleme – Unter dem Hungerkreuz nach New York und Boston – St. Lorenz-Golf – Kartoffeln und Weihnachtsbäume für die Karibik

In die Karibik – nochmal „Staaten“ – Orkanreise ins Mittelmeer...

Ein markanter Felsen zu Weihnachten – Voll Schiff Zucker ins frostige Boston – Volles Rohr Getreide von Chesapeake nach Sardinien – Weg für alte und schwache Dampfer – Neun Tage Orkan und dann keinen Diesel mehr – Noch mal davon gekommen – Verklarung in Cagliari – Neapel – Spanischen Reis laden für Indonesien – Ceuta

Von Ceuta nach Indonesien……………………………………..

46 Tage ums Kap nach Djakarta – Tandjung Priok - Cigarettenwährung – Nachtleben im Seemannsparadies - Einbruch – Wo zum Geier ist Gladstone? – Besuch auf der Höchst

Durch tropische Meere nach Ostaustralien – zurück nach Singapur…

Tausende Meilen ohne Seekarten – Mit Übersegler

durch Java-See - Banda-See - Arafura-See nach Thursday Island - weiter durchs Great Barrier Reef nach Gladstone und alles ohne Zigaretten – Blitzladen in Gladstone - Proviant und Kantine – Allgemeine Unpässlichkeiten – Die Hälfte unserer Stores fehlt

Singapur – Cochin – Lobito – Sète………………………..

Bunkern und Bumboats – in Cochin – Shake-hands-Dampfer – Gewürze und Vasco da Gama – Tausende Meilen in Ballast – Tückisches Riff Minikoy – Bunkern in Durban und noch immer in Ballast – SOS und der Untergang der TEXACO FRANKFURT – Kurs Heimat und dann doch zurück – Lobito – Aufstand wegen Schwarzbart – Weiter Richtung Mittelmeer

Südfrankreich – Westafrika – Bremen………………..

Crew-Wechsel in Sète – Der Siebteltonner – Zuckerhüte für Mauretanien – Noakschott – Ein Sonntagsausflug mit Folgen – Lagos – Biafrakrieg – Bier von Oldendorff – Rüberrobber mit Handicap – Noch einer zuviel an Bord – Malaria tropica – Nothafen Las Palmas – Eine Festnahme – Bremen Ende der Reise

Leseprobe:

...Die Löscharbeiten gehen zügig voran. Zum Schluss werden kleine Raupen in die Laderäume gesetzt, die mit vorgehängter Schaufel die letzten Zuckerhaufen zusammen schieben. Unsere Decksgang wird viel Spaß haben, die Luken von den klebrigen Resten zu säubern. Die Anschlussreise hat der Alte morgens bekannt gegeben: Mit Kohle von Hampton Roads zum Nordkontinent zurück. Na, prima, dann brauchen die Luken ja diesmal nicht gar soo gründlich sauber zu werden. Aber nein, als wir bereits dorthin unterwegs sind, kommt neue Order. Nach Newport News sollen wir jetzt, was entfernungsmäßig zwar keinerlei Unterschied macht, weil es in derselben Bucht liegt – nämlich auch am Ausgang von der Chesapeake Bay. Aber als Ladung werden wir Getreide bekommen, was weit höhere Ansprüche bedingt für die Abnahme der Laderäume. Eineinhalb Tage Fahrt nur, was bedeutet, die Räume müssen bis dahin zuckerfrei und tiptop sauber gewaschen sein. Und nicht nur das. Getreideschotten müssen gesetzt werden, also über dem Zwischendeck eine solide Zwischenwand längsschiffs durch alle Räume. Die vorgesehenen Stützen dafür liegen irgendwo unten im Raum, wo aber sind die Stander und sonstigen Beschläge? Es findet sich nach und nach all das; die Crew kommt nicht drum herum, Tag und Nacht durch zu wühlen. Allgemein großes Gefluche, aber so ist nun mal Trampfahrt. Schließlich stehen die Schotten. Ein im Grund simples Patent. Im Zwischendeck sind sämtliche Scherstöcke eingesetzt, und darauf müssen mit Hilfe des Ladegeschirrs senkrecht die eisernen Doppel-T-Stützen eingeklinkt werden. Diese wiederum sind oben zu den seitlichen Lukenkummings hin mit dreiviertelzölligen Drahtstandern verankert. Die Drahtstander enden in soliden stählernen Fingerhaken, und die sind in dafür vorgesehene Öffnungen in der Kumming eingehakt. Schließlich werden zwischen die T-Stützen von vorn bis achtern die Lukendeckel der Zwischendecks mit der Breitseite übereinander über die gesamte Höhe des Zwischendecks eingesetzt. Loses Getreide hat die unangenehme Eigenschaft, dass es unterwegs nachsacken kann, sich verdichtet. Sinn und Zweck des durchgehend aufgebauten Längsschotts ist also, zu verhindern, dass das lose Getreide bei starkem Seegang zur Seite übergeht und das Schiff Schlagseite bekommt. Das aber kann tödlich enden!

Wir kommen auf der Reede von Hampton Roads an, und wiederum heißt es, erst mal ankern und Standby. Und Tuckerton-Radio WSC und das UKW beobachten. Wir machen es uns auf der Brücke gemütlich und betrachten die Gegend. Eine riesiglange Brücke führt meilenweit auf Betonstelzen heran und taucht dann in einen ausreichend langen Tunnel ab, damit die vielen Schiffe und der Autoverkehr sich nicht in die Quere kommen. Also, praktisch sind sie ja, die Amis.

Die Reede liegt voll mit fünfzehn bis zwanzig Schiffen, die alle wie wir auf die Beladung warten. Tuckerton meldet sich nicht. Die UKW-Funkstelle heißt hier nicht wie sonst üblich ‚Norfolk-Radio‘ oder ‚Newport News-Radio‘ oder so ähnlich, sondern ‚Norfolk Marine Operator‘. Jedes Mal zur vollen Stunde meldet sich da auf Kanal 16 eine reichlich verknautschte, blechern klingend, weibliche Stimme mit breitem Südstaaten-Slang mit stark verdrehtem „R“ und liest gelangweilt ihre Liste runter mit den Schiffen, für die sie Messages vorliegen hat. Der Schluss endet immer gleich, nämlich: „Noofaak M’rien Ahbereeda – Noofaak M’rien Ahbereeda – Noafack off“, was genau genommen klingt wie das bekannte – uramerikanische – „Now fuck off“ und uns damit immer wieder großen Spaß bereitet.

Die Nachricht zum Längsseitsgehen kommt morgens um vier Uhr (da schlafe ich natür­lich) über UKW, und als ich zum Frühstück geweckt werde, sind wir bereits fest an der Pier und schon am Laden. Wir werden voll Mais geschüttet, und nach wenigen Stunden sind wir abgeladen bis dicht unter die MacGregors. Unser Fahrtziel hat sich auch geändert, wir sind bestimmt für Cagliari auf Sardinien. Ein winzig kleines Problem hat sich ergeben: Wir sind etwas überladen. Die Nordatlantik-Winter-Lademarke ist eindeutig unter Wasser. „Don’t worry Cap“, sagt der Agent zum Alten, „we’re here on thirty seven degrees north and so you sail just sixty miles south to Cape Hatteras and than you are officially on summer draft and on the safe side. If you follow that on rhumbline straight over to Gibraltar than you ain’t get in any trouble, right cap?” Der Alte nickt zustimmend. Er kennt das schon. Ab 36 Grad Nord rechnet man die Gewässer nach Süden hin als Sommertiefgang. Einer von den kleinen Tricks, ohne die es bei der Seefahrt einfach nicht geht. Im Nordatlantik-Handbuch wird diese Route folgendermaßen definiert: „Weg für alte und schwache Dampfer.”

Wir fahren los. Unser nächstes Ziel ist Ceuta, wir sollen dort bunkern. 3.400 Meilen sind es bis dahin. So weit so gut. Wir haben den sechsunddreißigsten Breitengrad, so wie uns aufgegeben nach Süden passiert und fahren jetzt genau auf Ostkurs dem Affenfelsen entgegen. Am zweiten Tag kommt zunehmend Wind auf, steigert sich. Gegen Abend haben wir Stärke acht gegenan, morgens darauf Sturm um die neun, steigert sich auf zehn und mehr. Das Selbststeuer ist längst ausgeschaltet, der Alte lässt Ruder gehen. Mittags kommt der Wetterbericht von NAM, kein Wort von einem Tief oder Trog steht da drin. Ist auch nicht mal als Andeutung auf der Wetterkarte heraus zu lesen, für die ich täglich die Analyse aufnehme.

Die Nacht kommt. Meine Wache endet abends um zehn. Ich fühle mich durch das stundenlange ständige Gegenanstützen gegen das Geschaukel an meinem Funktisch wie gerädert. Immer wenn es ganz hart kommt, greife ich instinktiv an die Einschubgriffe des Mittelwellensenders, in der vagen Hoffnung, dass die Geräte ja auch äußerst stabil montiert sind. Bloß ab in die Koje! Aber von wegen. Schlafen kann man vergessen. Das Schiff rollt und stampft, und man kann sich nur noch zwischen Kojenbrett und der Wand mit Händen und Füßen quer einkeilen und hoffen, dass man nicht rausfliegt. Und – obwohl ich nun alles, aber auch wirklich alles weggestaut und verriegelt und verkeilt habe, irgendwas juckelt sich los, rutscht, schleift hin und her, macht Geräusche. Also raus, Wäsche dazwischen gestopft. Wenn der Dampfer besonders stark überholt, dann rollt draußen im Gang irgendwo über der Deckenverschalung eine Flasche oder sonst was spazieren. Der vom Körper so dringend verlangte Schlaf wird so zur Tortur. Als ich frühmorgens dann schließlich hochschrecke, meine ich höchstens eine Stunde lang so etwas wie Schlaf erlebt zu haben. Beim Frühstück sehen alle übernächtigt aus. Die üblichen Witze fallen dünn aus.

Der Sturm flacht mal ein wenig ab, steigert sich dann wieder. Es ist weniger der Wind, es sind die riesigen, sich auftürmenden Wellenberge, die da backbord von vorn anlaufen und uns Sorgen machen. „Da muss doch irgend ein Riesending von Tief südlich von uns stehen“, mosert der Alte. Die FRIEDERIKE mit ihren 94 Metern „Länge über alles“ rauscht rein in das tiefe Tal und wird gleich drauf von der nächsten sich uns entgegen werfenden Welle abrupt abgebremst. Den Berg muss sie dann regelrecht wieder erklimmen. Dabei ist sie eigentlich dafür gebaut, für solches Wetter. Der Steven taucht tief ein, das ganze Schiff schüttelt sich, die A-Masten vibrieren, und die Bäume wippen und schlagen laut in den Halterungen. Im Funkraum zittern und rappeln die schweren Geräte auf ihren Schwingmetallen, dass es einem Angst wird. Man staunt, wie sie das so weg steckt, die FRIEDERIKE – Stunden und aber Stunden. Aber so etwa jede vielleicht dreißigste, vielleicht fünfzigste Welle, ganz sicher die hundertste – wer zählt da schon genau mit – ist einfach zu stark, zu steil, zu gewaltig, und die bricht dann mit Wucht über dem Vorschiff zusammen. Grünes Wasser – zwanzig? dreißig Tonnen? – fällt hart und massiv „über Back, Deck und Luken“ – wie es so schön heißt. Das ganze Schiff schüttelt sich, vibriert äußerst heftig in seinen Verbänden – steht! „Mann! Wenn uns bloß die Maschine nicht schlapp macht!“ Jeder auf der Brücke sagt das irgendwann mal.

Man horcht förmlich nach hinten Richtung Schornstein und atmet durch, wenn der Jockel anschließend wie befreit wieder aufdreht. Wenn der keinen Regler hätte, der die unterschiedlichen Belastungen etwas ausgleicht, dann hätte es schon längst mal geknallt da unten. Ich hangele mich zum Essen runter. Auf den Treppen und in den geschlossenen Gängen kann man sich nur noch an den Handläufen anklammern, das natürliche, sonst an die gleichmäßig wiegenden Schiffsbewegungen gewöhnte Körpergefühl ist irgendwie aufgehoben. Der Messbüdel hat zusätzlich zu den hochgeklappten Schlingerleisten klitschnasse Laken auf die Backen aufgelegt. Runter rutschen dürfte nun eigentlich nichts mehr – wenn die Schraube nicht gerade mal halb heraus gehoben heftig auf das Wasser einschlägt, aber trotzdem ist es mit dem Auslöffeln des Eintopfes so eine Sache. Die Stühle sind mit Lederriemen an die im Boden angeschraubten Augbolzen festgezurrt, aber zu den Seegangsbewegungen muss man mit den Beinen gegenan stützen, um nicht vom Stuhl zu rutschen. Außerdem ist es unumgänglich, mit beiden Händen seinen Teller in Balance zu halten, sonst schwappt dir die Suppe über den Tisch oder über Hemd und Hose. Jetzt noch geduldig den richtigen Moment der Schwebe abpassen und – jetzt – schnell den Löffel zum Mund führen. Ist alles gar nicht so einfach. „Ich glaub’ i–i–ich sch-spinne – m-m-meine Fresse!“ knurrt der Zweite Ing – leicht stotternd verbissen, „se-se-so was hab ich aber auch noch nicht erlebt…“

Nachmittags eine neue Situation. Die Seen kommen immer noch schräg von Backbord vorn, und wenn eine davon durch die Wasserpforten oder auch über die Verschanzung haut, ist das Versaufloch überschwemmt, ja für Momente das gesamte Steuerbord-Vorschiff unter Wasser gesetzt. Hoppi hat beobachtet, dass mindestens zwei von den Deckeln für die Tank-Entlüftungen von der Wucht des Wassers weggerissen worden sind. Es besteht damit größte Gefahr, dass Seewasser in die Tanks für Schweröl und Diesel reinläuft. Was das für Folgen haben kann, mag man sich gar nicht ausmalen. Gibt also nur eines: Die verdammten Luftrohre müssen dicht!

Freiwillige vor! Scheich und Zimmermann übernehmen das ohne langes Zögern. Auch wenn es nicht sommerlich warm ist, so ist es doch ein Job für Hemd und Badehose. Und Noraschuhe. Alles andere wäre hinderlich. Die beiden haben sich angeleint; Helfer stehen geschützt im Hintergrund bereit. Der Alte geht mit der Maschine auf ‚Langsam‘ runter und dreht den Dampfer nach Steuerbord; aus dem Wind. Dann eilen die beiden über Deck, ausgerüstet mit kurzen Brettern, Lappen und Lukenkeilen. Stopfen die Rohre dicht, Keile dazwischen, ein paar stramme Schläge mit dem Hammer. Fest! Der Dampfer fährt mit den Wellen wie ein Fahrstuhl hoch und runter. Nur einmal wäscht eine See rüber, die denen bis über die Knie hochwächst, wird aber nicht weiter gefährlich. Fertig, nix wie weg!

Wir setzen die Fahrt fort. Das Wetter bleibt unverändert. Noch so eine beschissene Nacht. In der Koje habe ich so ein Gefühl, als ob ich jetzt mehr in einem schrägen Winkel zur Wand hin liege. Rausfallen kann ich so nicht mehr. Irgendwann ist man so groggy, dass man schließlich doch wegnibbelt. Schlaf kann man das nicht nennen, eher eine länger anhaltende Ohnmacht. Am frühen Morgen ist eine Wiederholung des Badeerlebnisses unserer zwei Unteroffiziere angesagt. Die Kraft des Wassers hat irgendwann nachts die stramme Verkeilung einfach so weggeschlagen.

Als die nautische Abteilung das Mittagsbesteck errechnet hat, stellt man übereinstimmend fest, dass wir ein Etmal von ‚fünfzig Meilen zurück‘ haben. Der Sturm hat uns tatsächlich trotz langsamer Fahrt nach Osten um diese Distanz zur US-Küste zurückgesetzt. Und noch immer nichts im Wetterbericht. Der Alte schüttelt den Kopf. „Also Funker! Wenn ich Ihnen beim Aufnehmen nicht auf die Finger gesehen hätte, dann würde ich glatt annehmen, Sie ham uns ’n alten Wetterbericht vom letzten Jahr untergejubelt.“ Mit der Zeit ist es nicht mehr wegzureden; es ist keine Täuschung durch die immer noch von seitlich vorn anrollenden Wellengebirge, nein – wir scheinen tatsächlich eine starke Schlagseite nach Steuerbord zu haben. „Mann, Mann, Mann!“

Um es kurz zu machen: Dieser verdammte Sturm aus dem Nichts hält uns noch volle fünf Tage eisern im Griff. Und als endlich alles vorbei ist – nachdem wir noch einmal ein Etmal von fünfzig Meilen zurück hatten und ansonsten fast nur auf der Stelle gedampft sind – da kommt von NAM so ganz nebenbei die Meldung: „Corrected position of gale…“ Genau auf unserer Position! Und das war’s denn...

Noch eine Leseprobe:

Wir erfahren vom Agenten, unser Löschhafen Nouakchott ist die Hauptstadt der „Islamischen Republik Mauretanien“. Diese gerade erst von den Franzosen in die Selbständigkeit entlassene Ex-Kolonie besteht aus rund einer Million Quadratkilometern bestem Sahara-Sand; grenzt im Norden an die Noch-Kolonie Spanisch-Sahara und im Süden an den Senegal. An der offiziellen Staatsbezeichnung ‚Islamische Republik’ lässt sich bereits die konservative Grundhaltung einschätzen. Die hausen da hauptsächlich noch in Zelten in der Wüste...

...Nachmittags unternimmt der Alte eine kleine Erkundungsfahrt mit unserem Motor-Rettungsboot. Wer will, kann mit. Das Ganze läuft unter Bootsmanöver. Wir fahren also erst mal die knapp eine Meile zur Pier rüber. Die besteht aus zahllosen eisernen Pfählen, die rechtwinklig zum Strand ins Meer hinausgebaut sind, und die Abdeckung oben ist gute zehn Meter hoch. Keine Leiter nach oben, nichts. Wie – zum Henker – soll man da denn hochkommen? Die Wellen brechen sich an den Pfählen, und der anbrandende Schwell hebt und senkt unser Boot laufend ‚so um und bei‘ bis zu zwei Meter. Wir drehen ab. Der Alte nimmt Kurs auf die Küste, fährt verspielt längs der steilen Brandungswelle, lässt das Boot daran emporklettern, reitet die Welle, als ob er sagen will: Mit dir werd’ ich fertig. Der kräftige Diesel hat genug Power dazu, und das Boot hält sich prima. Der macht das so ganz gut, der Dicke, aber zu einer Landung am Strand hat er keine Lust und dreht schließlich ab, fährt zum Dampfer zurück.

Am nächsten Tag hat der Alte zur Zerstreuung der Besatzung eine Badefahrt angesetzt. Brummi ist Bootsführer und hat ‚das Ganze’. Neun Mann finden sich zu diesem Ausflug zusammen, die beiden Ings, der Koch, zwei Assis, zwei Mann von Deck und ich. Was ist das Wichtigste, was man bei solchen Gelegenheiten mitnimmt – außer Badezeug natürlich – richtig, Bier und Zigaretten, dazu ’ne Flasche ‚Hausbrand’. Und gute Laune, weil’s ja mal was anderes ist. Wir tuckern los, machen dasselbe wie gestern der Alte. Nachdem wir wiederum keinerlei Möglichkeit entdecken können, die Pier, auf welche Art auch immer, zu erklettern, dreht Brummi ab in Richtung Badestrand. Das, was irgendwie so aussieht, da in Richtung Norden. Wir sehen vereinzelte kleine Gruppen von Menschen an der Beach und auch beim Baden. Sie schauen alle neugierig zu uns rüber. Man kann bereits Europäer und einige Einheimische in weißen wallenden Gewändern auseinander halten. Beim Näherkommen erkenne ich vage einen einzelnen älteren Europäer. Ihm fehlt der linke Arm. Aha. Der Franzmann erzählte doch gestern, dass der deutsche Botschafter am Ort einarmig ist, und sein Name lautet von Arnim. Reichlich makabres Wortspiel, dachte ich noch so für mich. Tscha, und nun wandelt Herr von Arnim womöglich da drüben am Saharastrand entlang. Brummi spielt genüsslich dieses Wellenreiten-Spiel...

Ein Assi springt über die Kante, schwimmt nach Land zu. Der Koch und ich tun es ihm nach. Das Wasser ist reichlich warm, weich und salzig. Die Welle trägt mich Richtung Beach. Und – dieser Europäer da dreißig Meter vor mir sieht ausgesprochen deutsch aus und hat nur einen Arm; sicherlich gibt es in so einem kleinen Wüstenkaff wie Nouakchott keinen zweiten einarmigen Europäer. Die meisten von denen sind ja Entwicklungsdienstler, Techniker und Ingenieure, und dafür sind Leute mit zwei Armen Voraussetzung. Ich nähere mich dem Einarmigen, der mit der verbliebenen Hand die Sonne abschirmt und Brummis Fahrkünste zu bewundern scheint. Also, der muss das sein. Schon verspüre ich Boden unter den Füßen, will gerade frohgemut meinen Spruch loswerden: „Guten Tag, Herr Botschafter…“, da höre ich neben mir den Schrei vom Koch: „Das – Boot – ist – umgekippt!!!“

Also sag mal, spinnt denn der? Quatsch, ein deutsches Rettungsboot kippt nicht um! Da ruft der wieder: „Das Boot, da…!“ und ich drehe mich voll rum. Das gibt es doch nicht! Da, wo wir eben noch fröhliches Wellenbumsen veranstalteten, die große Show für die versammelten Nouakchotter abzogen, da treibt es knapp hundert Meter hinter mir kieloben in der Brandung. Der weiße Kiel tanzt auf und nieder, und unsere Piepels spaddeln alle drum herum. Ach du Sch… Nicht wie hin, Jetzt sind wir wirklich die Sensation am Strand! Alle bemühen sich, zu retten, was zu retten ist. Zum Glück hat keiner von den Jungs beim Umschlagen in diesem flachen Wasser was abgekriegt, aber es treibt eine Menge von der Ausrüstung herum, und außerdem müssen wir das Boot erst mal wieder in normale Lage bekommen. Alles, was da jetzt so herum driftet, irgendwie absaufen kann, wird ergriffen und an Land gebracht. Nachdem ich meinen Campingbeutel mit dem Marschproviant (die kostbare Doornkaat-Buddel) und ein paar andere Klamotten geborgen habe, unterstütze ich die anderen bei ihren Bemühungen, das Boot wieder auf ebenen Kiel aufzurichten. Keine Chance. So sehr wir alle Neune uns mit vereinten Kräften an die Greifleisten klammern und ziehen, drücken und reißen, das Boot denkt gar nicht daran, sich wieder umdrehen zu lassen.

Was tun…? Zu unserem Glück sind in der Nähe der Pier ein paar Dutzend Schwarze mit Molenbauarbeiten beschäftigt, und als einer von uns hinrennt und mit Händen und Füßen gestikulierend um Hilfe bittet, sind sie begeistert dabei, die schwarzen Boys. Mit vereinten Kräften von mehr als zwanzig Mann klappt es dann endlich. Allgemeiner Jubel! Als es randvoll mit Wasser endlich wieder auf ebenem Kiel schwimmt, begehen wir jedoch einen kapitalen Fehler, wie wir leider erst viel später feststellen. Zunächst versuchen wir mit dem Ösfass das jetzt zwischen der dritten und zweiten Brandungswelle auf und nieder dümpelnde Boot leer zu schöpfen, aber für jede zwanzig Liter, die wir rausschaffen, haut uns die Brandung gleich tonnenweise wieder Wasser rein. Aussichtslos!

So beschließen wir, das Boot erst mal an den Strand zu ziehen. Wenn es höher raus kommt, dann werden wir es schon irgendwie leer kriegen. Das erweist sich aber als Trugschluss, die Wellen rauschen auch am Strand über das tief im Wasser liegende Boot hinweg. Also liegen lassen und Kriegsrat halten. Mit eintretender Ebbe, so meinen wir, wird’s schon werden. Erst wird mal Treibholz gesammelt – zum Glück liegt genug herum – und ein Feuer angemacht, um die Sachen zu trocknen. Inzwischen haben sich eine Menge Leute eingefunden – fast durchweg Europäer – die alle lebhaften Anteil an unserer Lage nehmen.

Auch zwei Deutsche von unserer Botschaft sind da – vom Botschafter selber ist allerdings nichts mehr zu sehen. Vielleicht ahnt, fürchtet er heraufziehende Komplikationen. Ein freundlicher Franzose kommt mit seiner Frau hinzu, beteiligt sich mit einigen deutschen Brocken an unserer Diskussion und schlägt vor, wir brauchen einen Truck, um das Boot weiter zum Strand hochzuziehen, damit kein Wasser mehr reinschlägt. Die Idee an sich sehr gut, aber wo bitte sehr sollen wir in dieser saharischen Einöde mal eben so einen Truck her bekommen. Sand, soweit das Auge reicht, und kein Abschleppunternehmen in der Gegend, da kannste wetten drauf. Die Hauptstadt ist dreizehn, der so genannte Hafen nur einen Kilometer entfernt, ist aber wegen Sonntagsruhe geschlossen. Also sichten wir erst mal unsere Bestände und beratschlagen. An ‚Proviant’ finden sich lediglich die Flasche „Namensgeber“ und zwei Flaschen Bier für jeden. Die Zigaretten sind natürlich klatschnass, aber damit wird uns von den mitfühlenden Zuschauern fürs erste ausgeholfen. Nächste Maßnahme also: Der rangniederste Assi wird sogleich mit einem Botschaftsmenschen, der mit dem Wagen zum Strand gekommen ist, in die Hauptstadt geschickt, um einen Vorrat an Zigaretten zu besorgen. Ohne Smokes läuft nun mal nichts auf einem deutschen Schiff anno 1968, das hat auch für Rettungsboote zu gelten. Anschließend bauen wir uns eine große Sandburg zum Schutz gegen den einsetzenden Wind, ist es uns inzwischen doch klar geworden, dass wir die Nacht hier verbringen müssen. Von unserem Dampfer ist absehbar keine Hilfe zu erwarten, wo doch das zweite Rettungsboot keinen Motor hat. Reedereien begründen derlei kleinliche Sparmaßnahmen gerne mit dem Spruch, „damit die Seeleute nicht das Pullen verlernen“. Klugscheißer die!

„Tscha, is schon’n Hammer, Hein Seemann gestrandet in der Wüste.“ Das nimmt dir so schnell keiner ab. Holz zum Nachlegen des Feuers findet sich reichlich am Strand und wird heran geschafft. Mit der sich neigenden Sonne wird es merklich kühler. Die ‚eingeborenen’ Europäer warnen uns dringend davor, hinter den schützenden Dünen in der Wüste zu übernachten, weil es da nämlich Giftschlangen gäbe. Und zwar reichlich. Auch das noch!

Der Zigarettenbesorger ist bald wieder da, und als die Stäbchen endlich qualmen, nehmen wir das Ganze als interessantes Abenteuer. Kurz vor Dunkelwerden besucht uns der nette Franzose mit seiner Frau nochmals und hat Sandwichs, Zigaretten und sogar für jeden eine Flasche Bier mitgebracht. Großes Hallo, denn in der „Islamischen Republik“ ist Bier rar und teuer. Ein wahrhaft nobles Geschenk. Er redet auch wieder davon, ein Truck müsse her, und wir stimmen höflich zu in der Überzeugung, dass dies ein gut gemeinter Wunschtraum bleibt.

Nachdem Monsieur und Madame sich schließlich verabschiedet haben, bereiten wir uns auf die Nacht vor. Nach guter Seemannschaft werden Wachen eingeteilt, die sich alle zwei Stunden ablösen werden, um nach dem Boot zu sehen, damit es zu allem nicht auch noch abtreibt. Man weiß ja nie... Obwohl wir die Wälle unserer Sandburg mehr als einen Meter hoch aufgetürmt haben, sind wir darin noch immer ungenügend gegen den ständigen scharfen Wind geschützt. Die dünnen Klamotten sind salzfeucht und klamm, und der Sand kratzt unangenehm auf der Haut. Zum Zudecken haben die meisten von uns ein Handtuch mit; na ja, besser als gar nichts ist das schon. Das in der Mitte lodernde Feuer verbreitet einige Wärme, auch ein Gefühl von heimeliger Sicherheit, andererseits ist es auch nicht gerade angenehm, im beißenden Rauch zu liegen. So wird es ist ein ziemlich anstrengendes Schlafen; mehr als ein Dösen wird kaum draus. Ich bin mühsam halb weggedämmert, als mich plötzlich etwas von unten an der Wade kratzt. Erschrocken und reflexartig ziehe ich mein Bein an und – aus dem Sand kommt ein Krebs - ein Dwarsloper – raus gekrochen und flitzt gleich darauf eifrig ins schützende Dunkel Richtung Wasser davon. Ich blicke mich nervös um; am Strand wimmelt es von den Viechern. Nach einer Stunde unruhigen Halbschlafs schrecke ich erneut hoch; irgendetwas hat mich alarmiert. Ganz schwach zu vernehmen – nanu – Motorengeräusch! Nach angestrengtem Umherschauen bemerke ich von ferne ein Licht über die Dünen heranwandern. Es schwankt und verlischt zwischendurch, aber zweifellos ist da ein elektrischer Scheinwerfer. Nach und nach wird das Motorengebrumm lauter; es scheint beides zusammenzugehören.

Inzwischen sind auch die anderen aufgewacht und starren gleichfalls verblüfft auf das langsam sich nähernde Ding. Und wir glauben unseren Augen nicht zu trauen, das „Ding“ ist tatsächlich eine ausgewachsene Planierraupe mit einer riesigen Schaufel vorne dran. Rasselnd und dröhnend schlittert sie den Dünenhang herab und bleibt vor unserer Sandburg stehen. Gelenkt wird das Monster von einem bulligen Senegalneger, und neben ihm auf dem Sitz hockt strahlend unser freundlicher Monsieur. Wir können es kaum fassen und jubeln überwältigt den beiden zu.

Wie der gute Franzmann mitten in der Nacht in der Sahara zu dieser Planierraupe gekommen ist, bleibt ein Rätsel. Na ja, dann geht’s los. Schnell die Fangleine vom Boot zur Raupe und ordentlich festgemacht, und dann gibt der Fahrer langsam und vorsichtig Gas. Etwas mehr Gas. Das Boot rührt sich nicht von der Stelle. Ein Knall – die Leine ist gebrochen. Also schnell ’n Kreuzknoten rein und noch einmal das Ganze. Und wieder bricht sie. Nach dem fünften Mal geben wir auf. Unser Franzmann meint, wir sollen gleich frühmorgens ein paar Stahlseile von der Wharf holen, und dann kommt die Raupe wieder, und dann sollte es eigentlich klappen. OK. Das Ungetüm verschwindet rasselnd und quietschend in der Wüste. Wir lassen uns wieder in den Sand fallen und versuchen leicht klappernd noch etwas Schlaf zu finden. Irgendwie klappt es dann ja auch, und frühmorgens werde ich von der aufgehenden Sonne geweckt. Ein erster Blick zum Boot: Es ist noch da. Warum auch nicht? Aber dann – bei näherem Hinsehen – bekomme ich einen Schreck: Zwar herrscht Ebbe, und die Brandungswellen kommen bei weitem nicht mehr an das Boot heran, aber – es ist voll – mit Sand! Das ganze Boot ist so voller Sand, dass sogar die Duchten teilweise schon überdeckt sind. Von außen betrachtet aber steckt es so tief im Sand, dass es mal gerade noch dreißig Zentimeter Freibord hat, wenn man das so nennen will. Na, schöne Bescherung! Einleuchtende Erklärung: Der Sand ist über Nacht von der verdammten Brandung in das Boot herein geschwemmt worden. Das überschüssige Wasser der Wellen lief oben raus, und der schwere Sand lagerte sich am Boden ab, wurde mit jeder Welle mehr. Ein Rettungsboot von vielleicht sieben Meter Länge fasst wohl um die gleiche Zahl an Tonnen. Also, an die drei bis vier Kubikmeter Sand haben wir bestimmt ‚geladen’.

Hilft nichts, alle Mann ran und mit Händen und dem geretteten Ösfass, haste was kannste, den Sand rausgeschippt, raus geschmissen. Dabei knurrt allen der Magen, und wir erinnern uns, dass wir seit mindestens 18 Stunden nichts mehr gegessen haben. Es mangelt nicht an sarkastischen Bemerkungen. Als der Sand einigermaßen raus ist, sehen wir auch schon die Planierraupe aus der Ferne herantuckern. Neuer Schreck: Das nun erleichterte Boot denkt überhaupt nicht daran, in dem flachen, jetzt völlig ruhigen Wasser aufzuschwimmen. Es verharrt unverrückbar fest im feinen Saharasand und rührt sich kein bisschen, hat sich regelrecht festgesaugt.

Der schwarze Planierraupen-Kapitän, der bald darauf mit seiner Maschine eintrifft, kratzt sich am Schädel und meint, es wäre zu riskant, mit dem zig Tonnen schweren Monstrum in das seichte Wasser und um das Boot herumzufahren, um es mit dem hydraulischen Schieber frei zu baggern. Immerhin besteht die Gefahr, dass sein Gerät im Treibsand versinken könnte. Aber schließlich fängt er dann doch an zu baggern, und nach einer Weile, mutiger geworden, fährt er sogar durch das seichte Wasser um das Boot herum. Aber es dauert immer noch eine lange, bange Viertelstunde, bis es sich mit einem schmatzenden Geräusch aus seinem sandigen Bett löst und unter allgemeinem Beifall endlich aufschwimmt. Dankbar drücken wir unseren beiden Rettern die Hand und nötigen dem widerstrebenden Raupenfahrer unsere gesamte Barschaft verschiedenartigster Währungen auf – wenn auch von bescheidenem Gesamtwert – und verabschieden die beiden auf das herzlichste.

Kurze Zeit später taucht der kolumbianische Matrose Victor von der FRIEDERIKE auf. Er hat einen verschnürten Alutopf mitgebracht und erklärt, auf Anordnung des Kapitäns sollen alle Mann mit Ausnahme des Funkers sofort an Bord zurückkehren. Schließlich ist Montag und damit Arbeitszeit. Der Funker hätte ja sowieso nichts zu tun und soll deshalb da bleiben und auf das Boot aufpassen. Der Topf enthält eine Portion Bauernfrühstück für mich. Okay, aber dass ein menschlicher Körper nach längerem Aufenthalt in oder an der Sahara dringend nach Flüssigkeit verlangt, daran hat unser überaus fürsorglicher Fettkloß nicht gedacht. Missmutig ergebe ich mich in mein Schicksal, bestehe aber darauf, dass der neu hinzu gekommene Matrose für den Fall der Fälle zu meiner Unterstützung bei mir bleibt. Mit Brummi spreche ich ein Alarmzeichen ab (Schwenken mit einem Bootsriemen) falls sich irgendetwas Unvorhergesehenes ergeben sollte. Die anderen setzen von dem inzwischen eröffneten Hafen aus mit einer der Barkassen dort an Bord über.

Wir zwei bleiben zurück, und ich denke, so etwas erlebst du auch nicht alle Tage, Relaxen am Saharastrand. Aber! Schon bald werden die nächsten Stunden zur Tortur. Die zunehmend steiler stehende, glühende Saharasonne will uns beweisen, was sie so drauf hat. Außer der Badehose und dem ärmellosen Unterhemd habe ich praktisch keine Bedeckung, keinen Schutz. Das mitgebrachte Handtuch ist von kleinem Format. Über sonstigen Sonnenschutz verfügen wir nicht. Aus den kleinen Bootsgrätings lässt sich kein Dach bauen. Meine Haut brennt ohnehin schon von Salz und Sand, und um etwas Kühlung zu erhalten, lege ich mich in das flache Wasser und halte mir eine schwimmende Gräting über den Bauch. Aber ewig kann ich auch nicht im Salzwasser liegen und so wandere ich am Strand auf und ab.

Nach wenigen Stunden fühle ich mich wie eine einzige große Brandblase. Ich frage mich, wie lange es noch bis zum Sonnenstich dauern wird. Victor leidet etwas weniger als ich, ist ja auch nicht die ganze Nacht Salz und Sand ausgesetzt gewesen und seine Haut deshalb noch nicht so angegriffen. Aber auch ihm wird es zu viel. Gemeinsam veranstaltetes Winken mit den Bootsriemen wird auf dem eine Seemeile entfernten Dampfer weder zum Smoketime noch sonst wann wahrgenommen.

Endlich gegen 13 Uhr erscheint ein Ablöser für mich. Der ein Kilometer lange Weg zur Wharf unter der senkrecht hernieder knallenden Sonne will kein Ende nehmen. Aber schließlich habe ich das geschafft und auch die Tortur der Überfahrt und ich sehne mich nach einem schattigen Winkel irgendwo an Bord, um meine Wunden zu pflegen. Aber nein, es sollte noch lange nicht sein. Unser Siebteltonner hat noch einen ganz wichtigen Job für mich. Er zitiert mich zu sich und befiehlt mir – dröhnend wie es nun mal seine Art ist – die Post an Land zu bringen. Sein „Motto“, wie ja schon früher angekündigt, ist, „dass der Funker, der ja sowieso nichts zu tun hat“, im Hafen die Post zu erledigen – sprich wegzubringen – hat. Die ‚Post’ besteht in diesem Fall aus zwei mickrigen privaten Postkarten, sonst nichts.

Ergeben in mein Schicksal raffe ich mich noch mal auf. Der ‚Gang zur Post’ ist mit folgenden erschwerenden Umständen verbunden: Klettertour über die Knüppelleiter auf die im meterhohen Schwell gefährlich an der Bordwand auf und nieder fahrenden Leichter. Falls man den falschen Moment beim Aufspringen erwischt und zwischen diese hundert Tonnen schweren stählernen Kästen und unsere Bordwand gerät, dann sind mindestens die Knochen hin. Mit Glück aber geschafft.

Die Schute ist noch nicht ganz voll. Während der zwanzigminütigen Wartezeit betrachte ich etwas gelangweilt einen Senegal-Neger von der Stauerei, der zwei Meter von mir entfernt auf den Jute-Säcken kauert und angelt. Er hat nichts am Leib außer einer zerschlissenen kurzen Hose und ausgetretenen Plastiklatschen. In der Hand eine dünne Sehne, ein Gewicht dran und ein Haken. Der auffallend kleine kugelige Kopf dieses Menschen mit kurz geschorenen Haarkräuseln drauf will zu der hünenhaften Figur mit der stumpfschwarzen Haut nicht so recht passen. Einer hat angebissen, ein kräftiger Katfisch ist es, den er da rausholt. Der Mann zieht seinen Fang mit bedächtig langsamen Bewegungen aus dem Wasser, reißt ihm ohne sichtbare Regung im Gesicht ganz langsam den Haken aus dem Maul und lässt den Fisch zu seinen Füßen auf das Eisendeck fallen. Schaut völlig ausdruckslos zu, wie der Fisch sich langsam zu Tode zappelt. Selbst die Augen von dem Kerl plinkern wie in Zeitlupe.

Endlich kommt die Barkasse und schleppt uns rüber zur Pier. Auch heute hat man dort keine Treppe oder ähnliches installiert, um die zehn Meter nach oben zu gelangen. Es bleibt kein anderer Weg, wer da hoch will, muss sich an eine der mit Strohballen voller Zuckerhüte vollgepackten Netzbrooken anklammern und wird dann wie eine reife Frucht daran baumelnd mit dem Kran hoch auf die Pier gehievt und abgesetzt. Als das wie auch die anschließende Zollkontrolle überstanden ist, stellt sich das Problem, wie ich nun in die zwölf Kilometer entfernte Hauptstadt gelangen werde. Taxi ist nicht. Ein paar herumlungernde Soldaten der glorreichen mauretanischen Armee bieten mir an, mich mit ihrem Jeep mitzunehmen. Also gut, ich nehme das dankbar an, und kaum sitze ich, da wollen sie auch schon liebevoll die Arme um mich legen. Mit einigem Nachdruck kann ich sie überzeugen, dass ich ganz und gar nicht von der Sorte bin, und ab geht die Fahrt, ohne dass ich weiter betatscht werde.

Die Fahrt durch die Wüste ist ungefähr so aufregend wie durch die sibirische Tundra, nur dass es nicht so kalt ist. Hin und wieder mal ein Dornbusch und zweimal in einiger Entfernung aus unterschiedlich eingefärbten Planen und Decken zusammengestoppelte, großflächige Beduinenzelte mit ein paar streunenden Ziegen ringsum, das ist alles. Wir nähern uns allmählich der Hauptstadt.

Kurz davor eine hohe Sanddüne als besonders markanter Punkt in dieser Einöde. Gekrönt ist sie von einem nagelneuen, umfangreichen Bauwerk. Nein, erfahre ich später, es ist nicht die Residenz des Präsidenten der Islamischen Republik, man hat sich da angeblich mit Entwicklungshilfegeldern einen hochmodernen Knast hinstellen lassen. Na ja, muss wohl auch sein in einem jungen Land. Die geschmeidigen Uniformierten fahren mich ohne Umwege zu dem gleichfalls nagelneuen Postamt. Die ‚Post’ ist schnell erledigt. In der gefälligen Hauptpost von Nouakchott gibt es zwei Schalter; einer davon ist speziell für Philatelie-Dienste eingerichtet. Unter dem reichhaltigen Briefmarkenangebot stechen besonders solche mit Motiven von den kommenden olympischen Winterspielen ins Auge...

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