Tag 9
Nun ist es also so weit. Der letzte Tag meine großen Radtour ist angebrochen. Heute werde ich Rom erreichen. Ein etwas komisches Gefühl. Ich kann es noch gar nicht glauben.
An was noch alles schief gehen könnte dachte ich gar nicht. Dies tat ich in den 9 Tagen übrigens nie. Ich bin täglich in den Tag gefahren, und das was der Tag mir brachte, so war es dann.
Nach einem typisch Italienischen Frühstück ging es auch gleich los. Nur keine Zeit verschenken.
Schließlich müssen noch ungefähr 1000 Höhenmeter bei 110 Kilometern überwunden werden um endlich an meinem Lieblingsziel, dem Colloseum in Rom zu stehen.
Allerdings wurde ich relativ bald nach der Abfahrt wieder auf den Boden der Tatsachen zurück geholt als ich mit einem langen 18% steilen Berg konfrontiert wurde.
Selbst schieben wird dann hier mit den vollen Packtaschen zu Qual. Aber vielleicht ist das ja auch die letzte Prüfung vor dem Ziel?
Weiter ging es wieder durch den typischen Toskana Style, wenn ich auch mittlerweile seit kurz nach Chiusi in Umbrien unterwegs war.
Nach ungefähr 15 Kilometern kam ich in der Ortschaft Orte an. Die Freude war groß, als ich auf einem Straßenschild "Roma 65" gelesen habe. Ich wiegte mich schon in Sicherheit das nun nichts mehr schiefgehen kann, und ich schon bald mein Ziel erreichen werde.
Weitere 10 Kilometer nach Orte wurde ich dann allerdings wieder mal eines besseren belehrt. Ich hatte damals bei der Routenplanung mehrfach vom Tiber Radweg gelesen. Dieser war auch in einigen Italienischen Radkarten eingetragen. Eigentlich wollte ich auch diesen Weg soweit es geht nutzen.
Bei der Planung war allerdings ein Abschnitt kurz vor Baucche als gesperrt eingezeichnet worden. Mit etwas stöbern fand ich heraus das hier Unwetterschäden die Ursache waren. Es wurde dann eine kleine Umfahrung empfohlen, da scheinbar nur ein kurzer Abschnitt des Radweges beschädigt war. Diese Umfahrung plante ich leichtsinnig so ein. Das dieser Abschnitt in der Karte bereits bei meiner Planung als unklassifiziert gelistet war störte mich nicht. Wird schon gehen, dachte ich damals.
Also bog ich in Höhe Baucche in diese Umfahrung ein.
Der Weg war nicht der beste, aber ich kam dennoch flott voran. Nach ungefähr 1,5 Kilometern musste ich aber scharf abbremsen. Vor mir eine ca. 2 Meter breiter Entwässerungsgraben der unter der rechts neben mir verlaufenden Straße, und links ins dichte Schilf und Gebüsch verschwand.
Nach kurzer Analyse stellte ich fest das es keine Möglichkeit gab diesen Graben zu umgehen. Die Vegetation war einfach zu dicht bewachsen um eine vernünftige Aussage zu treffen. Also was tun?
Mit einem Stock versuchte ich die Tiefe des Grabens zu ermitteln. Zum durchlaufen wäre es auf jeden Fall zu hoch. Es war ca. 15-20 Zentimeter tief. Darauf hin beschloss ich einfach durchzufahren, in der Hoffnung das es nicht doch noch tiefer wird.
Also etwas zurückgefahren und Anlauf genommen. Mit knapp 30 km/h und beiden Füßen zur Seite schoss ich durch den Graben. Meine hohe Geschwindigkeit reichte tatsächlich aus, um gerade so durch den Graben zu kommen. Dafür war dann das Fahrrad mit stinkendem Schlamm bedeckt, und ich hatte auch ein wenig abbekommen. Aber das war mir egal. Weiter vorwärts Richtung Rom!
Die nächste Meter wurde der Weg immer schlechter, und endete nach 200 Metern an einem Feld. Und nun? Ich überlege ob ich über das Feld fahren soll, um so eventuell wieder auf einen Weg zu kommen, und im weiteren Verlauf auf den Tiber Radweg zu stoßen. Eine kurze Überprüfung der Karte am Handy zeigte dann das ich allerdings im weiteren Verlauf über ein Grundstück gemusst hätte. Da ich nicht sicher wusste ob das Grundstück offen und frei befahrbar ist, und mir das ganze zu unsicher war entschloss ich mich umzudrehen, um schließlich dem Verlauf der Hauptstraße zu folgen.
Natürlich musste ich dann wieder durch den Entwässerungsgraben fahren. Dies störte mich aber nicht mehr. Ich bin ziemlich flott zurück bis zu der Richtung Abzweigung bei Baucche gefahren, und bin nochmal durch den Wassergraben geschanzt. Nur dieses mal blieb noch mehr stinkender Schlamm an mir und meinem Fahrrad kleben.
Ich habe dann ab hier meine ursprüngliche Planung etwas verworfen und bin eigentlich eher auf den Straßen Richtung Rom gefahren, bis ich wieder auf eine Strecke meiner Planung kam.
Als ich in Gallese Teverina meine Wasserflaschen an einem Brunnen auffüllte, begutachtete ich mein schlammiges Rad. So wollte ich natürlich auch kein Foto am Colloseum machen und habe deshalb den Schlamm von mir und dem Fahrrad etwas abgewaschen.
Bei Civita Castellana ging es dann nochmal los mit dem Berg fahren. Ab hier fuhr ich die nächsten 25 Kilometer stetig bergauf. Die Steigung war aber eher moderat, und nahm erst die letzten 2 Kilometer etwas steiler zu. Dafür fuhr man aber auf einer schönen Anhöhe, und blickte weit ins Land.
So gingen die letzten Kilometer auch etwas leichter zu fahren.
In Valle Muricana hielt ich erneut an einem Brunnen um zu trinken. Dieser Brunnen war aber anders als alle je zuvor. Er lief dauerhaft, und hatte keinen Wasserhahn mit dem man ihn hätte abstellen können, sondern nur ein Rohr aus dem dauerhaft das kühle erfrischende Wasser plätscherte.
Für mich ein Zeichen das Rom nicht mehr weit sein kann.
Es ging weiter bergab nach Prima Porta und Saxa Ruba. Hier kam ich dann wieder auf den offiziellen rot asphaltierten Tiber Radweg, der bis Rom führt. Von hier waren es noch ungefähr 18 Kilometer bis zum Colloseum. Die gefühlt schlimmsten 18 Kilometer der ganzen Tour.
Man fährt mehr oder weniger die Tiber Schleifen aus. Dies ist an sich auch kein Problem da es alles auch komplett eben ist, und auch landschaftlich einiges zu bieten hat. Trotzdem wurden die Kilometer bis zum Ziel gefühlt einfach nicht weniger. Natürlich war dies wieder mal nur Kopfsache.
Das erste Denkmal was ich von Rom sah war die Ponte Milvio (Milvische Brücke). Ein erster Stopp für das erste Rom Foto. Nun bin ich also wirklich in Rom angekommen. Nun gilt es nur noch bis zum Colloseum zu kommen.
Es ging direkt am Tiber Radweg ziemlich schnell weiter bis zur Ponte Cavour, die ich dann überquerte um mich Richtung Stadtmitte zu begeben. Da mein Ankunftstag ein Sonntag war, sind die Straßen für den Autoverkehr gesperrt gewesen. Dies wusste ich im Vorfeld nicht, und wunderte mich noch warum viele Leute mitten auf den Straßen liefen.
Wenn ich damals an der Abzweigung der Via dei Condotti besser aufgepasst hätte, hätte ich von dort bis auf die spanische Treppe sehen können. Da dies aber mein erster Besuch in Rom war, kannte ich mich noch nicht aus, und ich war mehr oder weniger sowieso schon etwas überfordert mit den vielen Personen. Zugegeben war ich auch etwas aufgeregt so kurz vor dem Ziel.
Es ging weiter entlang der Via del Corso Richtung Piazza Venezia. Da ich dann teilweise geschoben habe da immer mehr Leute auf der Straße unterwegs waren, sah ich in weiter Entfernung schon einen Teil des Monumento a Vittorio Emanuele II. Es wird umgangssprachlich von einigen auch Schreibmaschine oder Hochzeitstorte genannt.
Angekommen am Piazza Venezia machte ich erstmal ein Bild von der Schreibmaschine und überlegte wie ich dort nun über den Platz komme, ohne vom dichten Verkehr überfahren zu werden.
Ich schob dann teilweise auf dem Gehweg um einen vernünftigen Weg zu finden.
Umfahren habe ich das ganze dann mehr oder weniger Recht unschön über eine Seitenstraße um schließlich auf die Via dei Fori Imperiali zu gelangen.
Hier war ich dann komplett sprachlos. Ich war komplett überwältigt als ich diese Straße entlang fuhr und wusste nicht wo ich als erstes hinschauen soll. Rechts sah ich die Statue von Gaius Iulius Caesar auf mich blicken, und im Hintergrund sein dazugehöriges Forum. Links von mir die große Trajanssäule mit den Trajansmärkten im Hintergrund, und die Statuen von Trajan, Augusto und Nerva.
Als sich meine Blicke dann wieder geradeaus wenden sehe ich in der ferne das erste mal bereits mein geplantes Ziel: Das Colloseum. Zeit für ein Bild mit dem Fahrrad mitten auf der Via dei Fori Imperiali auf der aktuell nur Busse und wenige Fahrzeuge fahren. Dies interessierte mich aber zu diesem Zeitpunkt in keinster Weise.
Nun möchte ich aber wirklich keine Zeit mehr vergeuden und fahre zügig weiter.
Da ich mir vorab bereits einen perfekten Platz für das Zielfoto am Colloseum raus gesucht hatte, verlasse ich die Via dei Fori Imperiali nach links in die Via Cavour um über die Via degli Annibaldi auf eine Anhöhe über dem Colloseum zu gelangen. (Genau genommen steht man direkt über der U-Bahn Station)
Die letzten Meter vor dem Colloseum waren Wahnsinn. Es ging leicht bergauf und ich kam gefühlt vor Überwältigung und Aufregung gar nicht mehr voran. Dennoch wurde das Colloseum immer und immer größer und dann war ich schließlich wirklich an meinem geplanten Ziel angekommen.