Für ME/CFS gibt es derzeit (Mitte 2025) keine zugelassenen Medikamente oder andere Therapieverfahren.
Experimentell wird in Studien viel geforscht, eine Ursache hierfür ist die Corona-Pandemie mit sehr vielen Personen, die von Long/ Post Covid betroffen sind und von denen ein beträchtlicher Teil krank bleibt und die Diagnosekriterien für ME/CFS erfüllt.
Es gibt aber zahlreiche Möglichkeiten, einzelne Symptome gut zu behandeln, dazu gehören beispielsweise verschiedene Schmerzen, Schlafstörungen, Mastzellprobleme, orthostatische Intoleranz bzw. PoTS.
Mit Spannung erwartet wird (Stand Mitte 2025) eine Liste mit Medikamenten, für die es bereits zahlreiche Erfahrungen Betroffener und Behandler*innen gibt. Welche Medikamente enthalten sind, ob es Handreichungen für verschreibende Ärzt*innen und auch eine gewisse Rechtssicherheit bei der Verordnung dieser “offlabel-Medikamente” geben wird, das bleibt abzuwarten.
Eine solche Liste gibt es bereits für Österreich.
Es kursieren in der Community zahlreiche Listen mit Empfehlungen für Medikamente und Nahrungsergänzungen, beispielsweise das D-A-CH Konsensus-Statement zur Diagnostik und Behandlung von Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom, eine Liste vom Fatigue-Center der Charite oder die einer neurologischen Schwerpunktpraxis im schweizerischen Solothurn.
Diese Listen beinhalten jedoch weder konkrete Anwendungsvorgaben wie Dosierungen und Hinweise, für welche Subgruppen das jeweilige Mittel sinnvoll sein kann, noch gibt es anhand der Listen eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen.
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS hat auf ihrer Webseite eine umfangreiche Ausarbeitung zu Therapiemöglichkeiten bereitgestellt. Im unteren Bereich des langen Beitrags zeigen sie auch die Gefahren von GET und anderen aktivierenden Therapien auf und nehmen Stellung zu 'Spontanremission versus Therapieerfolg'.
Hilfreich empfinden viele Betroffene Physio- und Ergotherapie.
Verordnet auf Heilmittelrezept sind diese Behandlungen Kassenleistung. Je nach individueller Symptomatik gibt es viele verschiedene Behandlungsmethoden, je nach Praxis können verschiedene Rezepte kombiniert oder auch verschiedene Behandlungen über ein Rezept abgerechnet werden.
Welche Maßnahmen im Einzelfall hilfreich sind, das muss in aller Regel ausprobiert werden, das ist stark abhängig von der Schwere der Erkrankung und oftmals von der tagesaktuellen Verfassung. Beruhigende Therapien oder passive Anwendungen im Rahmen der Physiotherapie sind oftmals kräftigenden und aktivierenden Anwendungen vorzuziehen.
Es gibt noch immer zahlreiche Therapeut*innen (und Ärzt*innen), die die Erkrankung nicht verstanden haben oder diese nicht akzeptieren und eine Dekonditionierung als Ursache von Muskelschwäche und -schmerzen sehen und GET als Möglichkeit sehen, die Symptome zu behandeln. GET bedeutet Graded Exercise Therapy, also abgestufte, ansteigende Belastung im Rahmen eines Therapiekonzeptes. Hierbei wird in festgelegten Abständen die Belastung erhöht, um Kraft und Ausdauer zu erhöhen. Das funktioniert gut bei Personen, deren einziges Problem dekonditionierung ist, bei Personen mit ME/CFS funktioniert das maximal ein paar Tage, bis unweigerlich PEM (PENE) bzw. ein Crash passiert.
Längerdauerndes GET, beispielsweise im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme, kann punktuell einen messbaren Zuwachs an Kraft erwirken. Hier hilft Adrenalin, die Symptomatik der Überlastung zu verschleiern, auch der Ehrgeiz der Betroffenen ist leider sehr oft ein guter Motor für stetige Überlastung. Wenn dies durch geschultes Personal (oder auch durch Mitpatient*innen!) nicht unterbrochen wird, kann eine solche längere Überlastungsphase in die Bettlägerigkeit führen - und damit das genaue Gegenteil der Rehabilitation bewirken.
Es gibt inzwischen einige Konzepte, die vorrangig über Social Media verbreitet werden, bei denen eine stetige Steigerung beispielsweise der Schritte definiertes Ziel ist (es gibt auch andere Zieldefinitionen), und alle anderen Aktivitäten diesem rigoros untergeordnet werden, aber auch das Prinzip Pacing gelehrt und angeleitet wird. So können durchaus beeindruckende Resultate erzielt werden, es gibt zahllose Berichte, dass Betroffene sich so aus der Bettlägerigkeit gekämpft haben. Im Einzelfall sollten solche Berichte und Konzepte aber kritisch hinterfragt werden, denn nicht für jede Person kommt es infrage, alle anderen Aktivitäten einer einzelnen unterzuordnen und es passiert durch dieses Training grundsätzlich auch keine ursächliche Heilung. Dennoch kann das eine gute Möglichkeit sein für Personen, die vor lauter Angst vor einem Crash sich nichts mehr zutrauen. Und diese Konzepte beinhalten in aller Regel auch das Angebot von Coaching, alleine oder in Gruppen - was gegen Vereinsamung nützlich sein kann.
Eine generelle Dekonditionierung passiert sicherlich im Verlauf der Erkrankung und ist auch kaum aufzuhalten, weil sich der Aktivitätsrahmen oft schnell und stark verkleinert und regelmäßiger Sport im Sinne des Trainings wie vor der Erkrankung schlichtweg nicht mehr möglich ist.
Dekonditionierung ist jedoch nicht Ursache der Beschwerden und Einschränkungen, sondern Folge.
Es gibt aktuell (Mai 2025) eine Arbeit, die Unterschiede bei Personen mit ME zu Personen mit Dekonditionierung bei Bettlägerigkeit aufzeigt. Hier ist diese verlinkt.
Es gibt Personen, bei denen körperliches Training auch mit ME/CFS gelingt. Das habe ich hier in diesem Abschnitt aufgeführt.
Im Rahmen von Ergotherapie kann Pacing geübt und dessen Wirkung objektiv beurteilt werden, es können Strategien zum Umgang mit Gedächtnis- oder Aufmerksamkeitsstörungen erarbeitet werden.
Auf PEM (PENE) bezogen möchte ich hier nochmals erwähnen: Viel hilft hier NICHT viel. Ein zu viel an Therapien kann und wird überfordern und damit mögliche Fortschritte zunichtemachen.
Physio- und Ergotherapie kann auch im Hausbesuch erfolgen, wobei es schwierig sein kann, Therapeut*innen zu finden, die Hausbesuche machen und dann auch noch das Verständnis für die Erkrankung da ist.
Ob Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sind, darüber kann eine Untersuchung des Blutes auf Mineralien und auch manche Vitamine Auskunft geben. Pauschal Multivitaminpräparate oder (in aller Regel überteuerte) “Systempräparate” einzunehmen, die lt. entsprechender Werbung explizit für ME/CFS entwickelt wurden, macht wenig Sinn und kann mitunter sogar gefährlich sein. Nur, weil etwas rezeptfrei erhältlich ist, bedeutet das nicht, dass das ungefährlich ist. Mineralien und Mischpräparate können mit zahlreichen Medikamenten Wechselwirkungen auslösen.
Einige Nahrungsergänzungsmittel sind hingegen bereits gut erforscht und in Dokumenten aufgelistet, beispielsweise in der Empfehlung der Charite (und möglicherweise auch in der noch nicht erhältlichen Offlabel-Liste)
Mit Ernährung kann man einen Teil der Symptomatik beeinflussen.
Ganz allgemein kann man sagen, dass eine ungesunde und einseitige Ernährung keine gesunden Zellen und keinen guten Stoffwechsel bedingen kann.
ME/CFS-Betroffene leiden oft an Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien, die in der täglichen Ernährung sowie beim Einkauf beachtet werden müssen. Das Zubereiten frischer Nahrung ist für viele Betroffene mit Problemen verbunden, sei es der Einkauf, das Putzen und Schnibbeln, aber auch die Entsorgung von (Bio-)Müll. Hier sollten idealerweise Hilfen organisiert werden, denn ungesunde Ernährung kann die Erkrankung nicht positiv beeinflussen.
Einen größeren Teil in der Community nimmt das Thema Histamin ein, sei es als Histaminitoleranz oder diagnostiziertes Krankheitsbild MCAS (Mastzell-Aktivierungs-Syndrom). Bei beidem schüttet der Körper auf unterschiedliche Trigger hin Histamin aus und/ oder der Abbau von Histamin passiert verzögert, was zahlreiche Symptome auslösen kann, die sich zum Teil mit den Symptomen von ME/CFS decken oder ergänzen. Gerade im Bereich von kognitiver Symptomatik sowie Magen-Darm-Beschwerden spielt Histamin bei einem Teil der Betroffenen eine nicht unwesentliche Rolle. Eine Beschäftigung mit dem Thema ist sinnvoll, wenn man den Verdacht hat, auf Histamin zu reagieren.
Recht einfach kann man das für sich selbst testen, indem man sich an die zwei, drei Wochen möglichst histaminarm ernährt und dann eine sehr histaminreiche Mahlzeit einnimmt. Das ersetzt nie eine echte Diagnostik!, kann aber ein einfaches Mittel sein, um eine mögliche Sensitivität auf Histamin zu entdecken.
Wo überall Histamin drin ist, das kann man beispielsweise in einer sogenannten Sighi-Liste nachlesen, die es in verschiedenen Versionen im Internet gibt (oder auch als App zur Einkaufsbegleitung).
Fasten ist für die meisten Betroffenen im Crash ein No-Go, auch während akuter PEM (PENE) ist Fasten nicht ratsam. Beides, ein Crash und PEM (PENE) entsteht fast ausnahmslos durch Überlastung und damit herrscht ein Energiedefizit. Dieses lässt sich durch regelmäßige Nahrungsaufnahme während der Wachphasen abmildern, viele Betroffene berichten, dass eine kleine Mahlzeit direkt vor dem Schlafen den Nachtschlaf verbessert und sie besser und länger durchschlafen können.
In stabilen Phasen kann Fasten jedoch helfen, dem Körper wieder an eine sinnvolle Nährstoffausbeute zu erinnern. Zudem kostet die Verdauung Energie, sodass durch kurzzeitiges Fasten manche Betroffene einen Arzt-, Amts- oder ähnlichen Termin besser überstehen können.
Kognitive Anforderungen können oftmals besser gemeistert werden, wenn der Körper nicht gleichzeitig mit Verdauungsarbeit beschäftigt ist. “Ein voller Bauch studiert nicht gern” ist ein altes Sprichwort, welches für ME/CFS-Betroffene gut anzuwenden ist. Größere Mahlzeiten sollte in zeitlichen Abstand von einigen Stunden zu notwendigen kognitiven Anforderungen liegen (bsp. wichtige Arzt- oder Behördentermine), wobei ein kleiner Energiekick in Form von Müsliriegel, Traubenzucker, Obst o.ä. direkt vor dem Termin die Leistungsfähigkeit und Konzentration punktuell steigern kann. Das sollte frühzeitig aus- und durchprobiert werden, um im Bedarfsfall auf die eigenen Erfahrungen zurückgreifen zu können.
Ob man von einem Fastentag in der Woche oder von sogenanntem 16/8-Fasten profitieren kann, das muss man individuell ausprobieren. Manche Betroffene berichten von einem Energie-Hoch durch ernährungsfreie Zeiten, andere bekommen starke Kopfschmerzen oder andere Beschwerden, wenn sie nicht über den Tag verteilt regelmäßig kleine Portionen essen.