Suche dir einen Arzt/ eine Ärztin, die dich und deine Symptomatik ernst nimmt.
Das kann mitunter dauern und einige Anläufe erfordern, aber in dieser Situation ist dir schlicht nicht geholfen, wenn dein Arzt/ deine Ärztin die Beschwerden nicht ernst nimmt und nicht bereit ist, notwendige und sinnvolle Differentialdiagnostik durchzuführen bzw in Auftrag zu geben. Auch das Abwiegeln der Symptome und Spielen auf Zeit ist nur begrenzt sinnvoll.
“begrenztes Spiel auf Zeit” deshalb: Es stimmt, dass Infektionsfolgen manchmal lange dauern, bis sie ausheilen. Die Geduld dazu aufzubringen kann zermürbend sein. Bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 kann die Akutphase beispielsweise 8-12 Wochen dauern, das ist nicht selten.
Wenn danach aber sich nicht eine Besserung wenigstens in kleinen Schritten einstellt, dann sollte genauer geschaut werden. Dann sind individuelle Überweisungen abhängig der Symptomatik zu Fachärzt*innen sinnvoll.
Je nach Schwere der Symptomatik ist eine längerdauernde Krankschreibung sinnvoll, denn stetige Überlastung ist scheinbar der größte Trigger bei der Chronifizierung postviraler Fatigue, die zu ME/CFS werden kann.
Die Wartezeit auf Facharzt-Termine oderr Termine in einer Ambulanz beträgt inzwischen oft mehrere Wochen bis Monate, diese Wartezeit kann und sollte man tatsächlich nicht mit ungeduldigen Warten verbringen, sondern auch als Zeit zur Genesung ansehen. Dass das für Personen, die Verantwortung tragen für andere (bsp. für Kinder, pflegebedürftige Angehörige, oder die alleinverdienend sind) unfassbar schwer bis unmöglich sein kann, das ist mir durchaus bewusst. Nur lässt sich Gesundheit nicht erzwingen.
Ich habe in einem Beitrag einer Bekannten den Satz gefunden: “Es gibt vermutlich nichts, was ich so sehr bereue, wie den Versuch, einfach weiterzumachen.”. Dieser eine Satz umfasst so viel in wenigen Worten. Danke dafür, Maria!
Im Internet gibt es mittlerweile einige gute Selbsttests, die bei eigenem Verdacht hilfreich sein können, aber eine ärztliche Diagnostik nicht ersetzen, beispielsweise auf den Webseiten mecfsmed.de oder sgme.ch.
Wichtig ist es mir, zu betonen, dass man bei der eigenen Recherche darauf achten sollte, nicht auf unseriöse Webseiten “abzurutschen”, wo verschiedene Krankheitsbilder vermischt werden (bsp. “Erschöpfung”, “Burnout”) oder wo erkennbar finanzielles Interesse vorhanden ist (bsp. durch angegliederten Shop, in dem man ohne weitere Prüfung oder persönliche Beratung Nahrungsergänzungsmittel oder Coachings kaufen kann, oft sogar mit “Kennenlernrabatt”). Auch hilft tatsächlich auch eine Namensuche bei Suchmaschinen weiter, wenn man zu Webseiten oder Youtube-Videos gelangt, die einem angeblich leichte Lösungen für komplexe Probleme anbieten oder Lösungen, die “die Pharmaindustrie” oder “die Politik” “verschweigt”. Der Name der Person eingegeben zusammen mit dem Wort “Kritik” kann hilfreich sein bei der Einschätzung der Seriosität.
Ob und wie intensiv man privatärztliche Hilfe in Anspruch nehmen kann und will, das ist eine Frage der finanziellen Möglichkeiten und auch abhängig davon, wie gut man mit der Hausärztin/ dem Hausarzt zusammen arbeiten kann, in die Erkrankung anerkannt wird und ob Unterstützung geschieht. Arztpraxen oder Sprechstunden, die sich abseits der Kassenleistung um ME/CFS- oder Long-Covid-Betroffene kümmern, werden stetig mehr. Die Wartezeiten auf einen Ersttermin sind derzeit dennoch gravierend und betragen mitunter mehrere Wochen bis Monate. Die Nachfrage ist riesig, die Kapazitäten auch im privatärztlichen Bereich begrenzt.
Es gibt inzwischen verschiedene Labore, die Diagnostik anbieten, teils sogar mit gesonderten Anforderungsscheinen für “Long Covid”, “ME/CFS”, “reaktivierte Viren” und weiteren Komplettpaketen.
Da es derzeit (Stand Mitte 2025) noch keine gesicherten Laborparameter für ME/CFS oder auch Long Covid gibt, sind die angebotenen Diagnostiken mit Vorsicht zu betrachten. Denn es werden hier auch Laborparameter bestimmt, deren Vorhandensein (also “Ergebnis positiv”) keinen Aussagewert über das Vorhandensein der Erkrankung hat, keine Aussage über die Schwere der Symptomatik gibt und auch keine Therapie nach sich zieht.
Als Beispiel seien Auto-Antikörper genannt: Es sind inzwischen in Forschungen etliche AAK definiert, die mit ME/CFS in Verbindung zu bringen sind. Aber das bloße Vorhandensein erklärt eben leider derzeit noch nichts (und daraus resultieren dann auch keine Therapieoptionen).
Auch Heilpraktiker*innen, Alternativmediziner*innen und vergleichbare Berufsgruppen bieten verschiedenste Wege, sich untersuchen, behandeln und betreuen zu lassen.
Die Kooperationen mit Laboren und Shops, in denen Nahrungsergänzungs- und andere Heilmittel erworben werden können, sind vielfältig und oftmals objektiv fraglich bei dem zu erwartenden Nutzen. Auch im Bereich der Esoterik gibt es viele, teils interessante, Angebote, bei denen hochschulmedizinisch oder -biologisch interessierten Menschen mitunter die Haare zu Berge stehen. Und dennoch könnten auch solche Angebote eine Möglichkeit sein, Unterstützung zu bekommen. Nicht jede Person aus diesen Berufsfeldern ist ein*e Scharlatan*in!
Ähnlich ist es mit der schier unendlich scheinenden Zahl und Vielfalt von Coachings. Es gibt Personen, die ein solches An-die-Hand-genommen werden brauchen, um aktiv zu werden und nicht vor Angst, etwas falsch zu machen und einen Crash zu riskieren, erstarren, während andere von der Community profitieren, die sich um verschiedene Coachingangebote bilden. Wiederum andere Personen hingegen finden besser und sicherer ihren eigenen Weg, mit der Erkrankung umzugehen, teils unterstützt durch freie Angebote verschiedener Selbsthilfegruppen und -Communitys.
Allen - privatärztlicher Betreuung, alternative Heilmethoden wie auch Coaching - ist gemein, dass man Webauftritte, Instagram- oder Tiktok-Accounts gut beobachten sollte, bevor man sich zu einer Kontaktaufnahme entschließt. Therapieangebote sollten möglichst gut geprüft und auf Plausibilität gecheckt werden, man kann in aller Regel in Selbsthilfegruppen oder Internetforen Informationen, Betroffenenberichte und Kritiken finden.
Hellhörig sollte man bei Heilsversprechen werden, egal, ob diese sehr allgemein gehalten sind oder sogar suggerieren “Wenn Sie durch unsere Methode nicht gesund werden, dann haben Sie sich nicht genug angestrengt”.
Die Not der Betroffenen ist groß, das ruft leider viele unseriöse Geschäftemacher auf den Plan.
Und last but not least: suche dir Gleichgesinnte, Betroffenennetzwerke, Selbsthilfegruppen (bsp. via fatigatio.de oder long-covid-plattform.de). Bei allem Mist, den die Erkrankung mit sich bringt, ist es oft einfach nur notwendig, zu erfahren, dass man damit nicht alleine ist. Man kann wirklich unfassbar viele Tipps und Strategien bekommen, wie man mit der Erkrankung umgeht (und den Baustellen, die man versehentlich und unnütz aufreißen kann).
Und darüber hinaus ist es so wertvoll, Menschen zu haben, die verstehen, was man gerade durchmacht.