Neoliberale Lobbyisten gefährden Demokratie und Rechtsstaat

Neoliberale Lobbyisten gefährden Demokratie und Rechtsstaat

Pressemitteilung Sarah Luzia Hassel Reusing, Sommer 2009

"gewährleisungsstaatliche Bestrebungen" an den Bundesverfassungsschutz gemeldet

Die international bekannte Menschenrechtlerin Sarah Luzia Hassel-Reusing (Wuppertal) und Bundestagskandidatin der Ökologisch Demokratischen Partei (ödp) hat sich an den Bundesverfassungsschutz gewandt, um diesen über eine mutmaßlich verfassungsfeindliche Ideologie sowie Bestrebungen von Personen und innerhalb von einer Vereinigung zu deren Umsetzung zu informieren, welche bisher noch keine Berücksichtigung im Verfassungsschutzbericht gefunden haben. Es geht um die Ideologie des Gewährleistungsstaats, deren Protagonisten meist sehr bürgerlich auftreten.

Ein Staatsformwechsel zum Gewährleistungsstat würde Deutschland jedoch in ein administratives Chaos stürzen, den Rechtsstaat zerstören, und bis hin zur de-facto Auflösung der Staatlichkeit führen. Die Ideologie des Gewährleistungsstaats verlangt, alle Aufgaben der Daseinsvorsorge und der staatlichen Verwaltung sowie erhebliche Teile der nationalen Sicherheit an Privatfirmen zu vergeben. Ein Magnet für Interessenkonflikte. Das günstigste Gebot für den Betrieb der Umweltämter wäre aus der Industrie, für den Betrieb von Finanzbehörden aus dem Bankenbereich, für Einwohnermeldeämter aus dem Medienbereich sowie für den auswärtigen Dienst, Polizei, Militär, Geheimdienst und Gefängnisse von privaten Sicherheits- und Sölderfirmen zu erwarten. Die Vergabe von Aufgaben der inneren oder äußeren Sicherheit an Privatfirmen würde nach Auffassung der Menschenrechtlerin zu kolumbianischen Verhältnissen mit Paramilitärs als Staat im Staate führen. Nicht einmal davor, den Grundrechtsschutz den Gerichten wegzunehmen und an private Schlichter zu geben, macht diese Ideologie Halt. Ein Teil der Gewährleistungsstaatsideologen will sogar bei der Gesetzgebung private Konkurrenz zulassen. Die Kontrolle über die im Gewährleistungsstaat, formell auf Zeit, mit hoheitlicher Macht ausgestatteten Privaten will die Gewährleistungsstaatsideologie anderen, ebenfalls per Vergabe zu bestimmenden, Privaten übertragen.

Als besonders gefährlich sieht die Menschenrechtlerin die Kombinantion der Gewährleisungsstaatsideologie mit dem Governance-Modell (auch Horizontalisierung genannt) an. Letzteres Modell strebt eine weitestgehende Reduzierung des materiellen Rechts, also eine weitgehende Abschaffung aller gesetzlich normierten Rechte und Pflichten, an. Das würde einen größtmöglichen Verhandlungsspielraum zwischen dem Staat auf der einen und der Wirtschaft bzw. den Bürgern auf der anderen Seite schaffen. Wer Macht hätte, könnte beim Staat überall Sonderkonditionen aushandeln. Und das noch kombiniert mit Behörden, die von Privatfirmen betrieben werden, sodass oft auf beiden Seiten die gleichen Leute sitzen würden.

Die Gewährleistungsstaatsideologie sieht die Menschenrechtlerin trotz des gewaltlosen Auftretens von deren Protagonisten als verfassungsfeindlich an, weil diese Ideologie 6 von 7 Merkmalen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (§4 Abs. 2 BVerfSchG) erheblich beschädigen würde, und bereits die Ablehnung eines einzigen dieser Merkmale verfassungsfeindlich sein kann. Diese Ideologie würde den Rechtsstaat zerstören, vor allem bzgl. der Gleichheit vor dem Gesetz, der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, der Rechtsweggarantie sowie des Grundrechtsschutzes. Aber auch die Demokratie würde bis in ihren Kern erschüttert, da die demokratisch gewählten Organe des Staates im Gewährleistungsstaat entmachtet würden durch den Kontrollverlust über die dann privat betriebenen Bereiche Verwaltung, Militär, Polizei und Geheimdienst ebenso wie durch den Wissensverlust, wie man diese überhaupt betreibt. Sowohl die Rechtsstaatlichkeit (Art. 1 Abs. 2+3 GG, Art. 20 Abs. 2+3 GG) als auch die Demokratie (Art. 20 Abs. 1 GG) gehören zu den durch die Ewigkeitsgarantie (Art. 79 Abs. 3 GG) geschützten Strukturprinzipien unseres Grundgesetzes, bei deren Zerstörung der gesamte Staat ins Wanken geriete. Der Gewährleistungsstaat würde Deutschland außerdem zu einem gescheiterten Staat, also zu einer Gefahr für Europa im Sinne der EU-Sicher-heitsstrategie, machen auf Grund der Merkmale Machtmißbrauch, schwache Institutionen und mangelnde Rechenschaftspflicht. Nicht umsonst gibt es im Grundgesetz das grundrechtsgleiche Recht auf den sogenannten Funktionsvorbehalt (Art. 33 Abs. 4 GG), um allen Einwohnern Deutschlands zu garantieren, dass hoheitliche Macht grundsätzlich nur von Personen ausgeübt wird, deren wirtschaftliche Existenz von ihrer Treue zum Grundgesetz abhängt, und nicht von der Treue zu privat-wirtschaftlichen Partikularinteressen.

Die meisten Lobbyisten in Richtung Gewährleistungsstaat jedoch sind sich voll bewusst, dass der von ihnen angestrebte Staatsformwechsel die Rechtsstaatlichkeit im Sinne des Grundgesetzes auflösen würde, und sie sehen auch erhebliche demokratierechtliche Probleme, aber sie machen trotzdem weiter, scheren sich nicht einmal um die Ewigkeitsgarantie.

Das größte Einfallstor für die Gewährleistungsstaatsideologen war bisher die leider weit verbreitete Gutgläubigkeit von Politikern gegenüber Akademikern und Juristen. Es besteht nach Auffassung der Menschenrechtlerin die dringende Gefahr, dass Personen, welche die Umsetzung dieser mutmaßlich verfassungsfeindlichen Ideologie betreiben, gezielt Schlüsselpositionen in Politikberatung, Medien, juristischen Karrierenetzwerken, Justiz und Universitäten besetzen bzw. zum Teil schon besetzt haben. Auch im "Vertrag von Lissabon" sind viele Regelungen, die in Europa zur Durchsetzung des Gewährleistungsstaates führen könnten.

V.i.S.d.P:

Sarah Luzia Hassel-Reusing, Thorner Str. 7, 42283 Wuppertal, 0202/2502621