---Eindrücke von einem Vortrag mit Prof. Dr. Klaus Buchner

Eindrücke von einem Vortrag mit Prof. Dr. Klaus Buchner zum Vertrag von Lissabon

Am 20.05.09 war ich in Münster, weil Prof. Buchner, einer der drei Kläger gegen die EU- Verfassung in Karlsruhe, die Mitglied der Ökologisch Demokratischen Partei (ödp) sind, zu diesem Thema referierte. Ich versuche hier, so gut es nach meinen Notizen geht, den Vortrag wiederzugeben. Natürlich kann das nie so gut sein, wie der original- Vortrag, zumal einem auch mal etwas bei einer Notiz durchgeht. Auf der Terminseite ist ein Link zu den aktuellen ödp- Terminen, darunter auch Vorträge mit Dr. Buchner.

Einer Vorträge von Prof. Dr. Klaus Buchner wurde bei Youtube eingestellt: http://sites.google.com/site/euradevormwald/viedeo

Dr. Buchner sieht sich als begeisterten Europäer. Es sei ein befreiendes Gefühl heute grenzenlos durch Europa reisen zu können, vor allem, wenn man noch die Schikanen an den Grenzen des Ostblocks selber miterlebt habe. Auch sei grundsätzlich eine wirtschaftliche Zusammenarbeit, etc. wünschenswert, da kein Staat alleine heute die globalen Probleme lösen könne. Aber das müsse besser gelöst werden, als akut in der Europäischen Union vorgesehen oder praktiziert.

Buchner berichtete, mit welcher Freude die Richter beim Bundesverfassungsgericht die Klagen der ödp- Mitglieder angenommen hätten. Denn wenn die EU- Verfassung gültig würde, wäre das Bundesverfassungsgericht nur noch ein drittklassiges Gericht. Das Grundgesetz sei eine der besten Verfassungen der Welt, betonte Buchner, dass nicht durch schlechtere Regelungen einer EU- Verfassung außer Kraft gesetzt werden dürfte.

Drei Hauptkritikpunkte nannte Buchner, die jeweils Schwerpunkt einer Klage durch die ödp- Mitglieder seien:

1. Der Demokratieabbau (Laut Roman Herzog sei die EU schon heute keine Demokratie mehr!)

2. Sozialabbau (entgegen öffentlichen Verlautbarungen bedeute der Vertrag das Ende der sozialen Marktwirtschaft!)

3. Militarisierung

EU und Demokratie

Grundsatz der Demokratie ist, dass alle Menschen gleich viel wert sind. In Deutschland kommt bei 99 Sitzen im Europäischen Parlament ein EU- Abgeordneter auf ca. 800.000 Einwohner, Luxemburg hat keine 500.000 Einwohner und 6 Abgeordnete. Die Luxemburger haben aber eine 11 mal höhere Gewichtung, als die deutschen Wähler. Auf weniger als 80.000 Einwohner kommt in Luxemburg ein Sitz im EU- Parlament.

Buchner verglich das EU- Parlament mit dem Obersten Sowjet in der sozialistischen Räterepublik. Die Kommission sei das Politbüro. Und das konnte er mit einer Aussage von Gorbatschow begründen. Demnach habe dieser bezogen als Staatschef der UDSSR gesagt, das die EU genau das geschaffen hat, was er als Sozialist als gemeinsames Haus der Völker der UDSSR sich vorgestellt habe.

Die Organe der EU:

Das EU- Parlament

Der Arbeitsbereich des EU- Parlamentes sei eine Welt für sich. Dieser ist in Luxemburg wie eine eigene Stadt organisiert mit eigenen Lebensmittelläden, etc., so dass im Alltag die Abgeordneten den Bereich nicht verlassen müssen. Das beschränkt den Kontakt nach draußen. Das EU- Parlament kann keine eigenen Gesetzesvorschläge einbringen und kann nur über Vorgaben von außen befinden, sofern es dazu eine Zuständigkeit hat. Aber auch diese kann beschränkt werden!

Das Parlament wählt die EU- Kommission als ganzes und kann diese als ganzes abberufen. Es kann aber keine einzelnen Kommissare wählen oder ablehnen.

Die Außen- und Verteidigungspolitik ist nicht im Zuständigskeitsbereich des EU- Parlamentes. Bei Entscheidungen über Krieg und Frieden oder internationalen Verträgen muss es nicht gefragt werden.

Der Europäische Rat

Dieses Gremium ist aus den Treffen der Regierungschefs gewachsen, die seit den Zeiten der Montanunion und des Euratomvertrages bestanden. Er legt die allgemeinen Ziele der EU fest und kann nach dem Vertrag von Lissabon entscheidende Teile dieses Vertrages umgestalten.

Der Ministerrat

Dieser besteht aus dem Treffen der jeweiligen Fachminister der Länder. Das ist nicht immer unproblematisch, da im Ggs zu einem Kabinett mit unterschiedlichen Ministerien (z.B. Justizminister und Innenminister) hier nur fachgleiche Kollegen zusammentreffen, so dass z.B. die Innenminister, die sich hier treffen nicht von den Justizministern an ihre Grenzen erinnert werden.

Sie beschließen die Leitlinien für die Politik ihrer jeweiligen Fachgebiete.

So wurde z.B. hier die "grüne" Gentechnik zugelassen, weil sich die deutsche Ministerin Frau Kynast (Grüne) damals der Stimme enthalten hat. Hätte sie mit Nein gestimmt, hätte ein Moratorium zur Nichtanwendung der "grünen" Gentechnik weiter bestand gehabt. Dies, so Dr. Buchner, mache nebenbei klar, warum es "grüne" Gentechnik heiße.

Die EU- Kommission

Diese ist die u.a. Exekutive der EU, also die ausführende Gewalt.Sie führt den Haushaltsplan der EU aus.

Sie wacht aber auch über die Anwendung des EU- Rechts unter der Kontrolle des Europäischen Gerichtshof und ist damit auch Bestandteil der Judikative, der richterlichen Gewalt.

Sie verhandelt über Handelsverträge und schließt diese ab, womit sie im Bereich der gesetzgebenden Gewalt tätig ist.

Die Gewaltenteilung als Fundament jeder echten Demokratie wird so beseitigt.

Die Problematik:

--die Kommission ist nicht Ergebnis einer demokratischen Wahl

--70 bis 80% der Gesetze, die die nationalen Parlamente umsetzen müssen, beruhen auf Entscheidungen der Kommission

--Die Kommission hat keine Opposition, die die Politik hinterfragt oder auch juristisch Fragen klären lässt.

--Journalisten, die kritisch über die EU berichten bekommen Schwierigkeiten bis zur Hausdurchsuchung. Auch wenn die illegal ist, passiert nichts, da die EU- Vollstrecker Immunität genießen!

Als Folge scheuen viele Journalisten und Medien davor zurück, eine wirklich freie und kritische Berichterstattung und Recherche zu betrieben. Selbst die Süddeutsche Zeitung hat Interviewzusagen mit dem Richter Hermann Striedl nicht eingehalten, der eine der 3 lagen für die ödp führt.

Im Umfeld der Kommission gibt es 15.000 registriete Lobbyisten, davon 13.000 Vertreter von Konzernen. Der Rest besteht aus Vertretern der Politik (Regierungen, Bundesländer....) oder von Nicht- Regierungsorganisationen (NGO).

Die EU hat keinen eigenen wissenschaftlichen Mitarbeiterstab, wie unsere Bundesregierung und übernimmt zur Erstellung ihrer Gesetze und Verordnungen die Vorlagen der Lobbyisten. Diese haben so einen wesentlichen Einfluss auf die EU- Politik. Die Lobbyisten sind für ihre Art von Arbeit hochkompetente Leute für ihre jeweiligen Interessen, die Konzerne lassen sich das Milliarden kosten. Die Bertelsmannstiftung ist z.B. im EU- Pressezentrum vertreten.

Eine begrenzte Kontrolle und Einwirkung ist möglich, weil Entwürfe veröffentlicht werden müssen und so andere Gruppen darauf reagieren können.

Der Europäische Gerichtshof

Eigentlich ist dieses Gericht nur für die Verträge der EU zuständig, spricht aber trotzdem darüber hinaus recht. so lehnte es die Vorratsdatenspeicherung von Telekomdaten ab, aber nicht wegen Grundrechtproblemen, sondern wegen der Kosten dieser Maßnahme, die den Wettbewerb verzerren würden. Akut ist die Telekommunikation jedoch gar nicht in der EU- Zuständigkeit.

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Durch die EU- Verfassung erhält die neoliberale Wirtschaftsweise Verfassungsrang.

Hauptziele der Verfassung sind:

--statt der sozialen Marktwirtschaft wird die Wettbewerbsfähigkeit oberstes Ziel

--die Privatisierung, auch von bisher hoheitlichen Aufgaben wird massiv vorangetrieben

--Finanzmärkte sollen dereguliert werden (Die EU- Verfassung wurde vor der Wirtschaftskrise formuliert und enthält alle Fehler, die zur Krise führten oder diese verschärften!)

--der freie Warenverkehr darf nicht behindert werden

--die Atomenergie muss gefördert werden

Wichtiges steht nicht direkt im Vertragstext, sondern in den dazugehörigen, rechtlich gleichwertigen Protokollen:

Zur Daseinsvorsorge heißt es:

"Der Staat hat dafür zu sorgen, dass private Unternehmen diese durchführen können."

Wenn also Private der Auffassung sind, der Staat verhindere deren Zugang zur Durchführung, wird es zu Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof kommen, welches dann diese Aussagen durchsetzen wird.

Schulen, Krankenhäuser und sogar die öffentliche Verwaltung laufen Gefahr privatisiert zu werden. Letzteres wird u.a. von einer Tochter der Bertelesmannstiftung betrieben! Die Möglichkeiten der öffentlichen Kontrolle und der Neutralität öffentlicher Dienste werden so eingeschränkt.

Studiengebüren sind ein erster Schritt zur Privatisierung der Unis, künftig wird es keine neutrale, freie Forschung mehr geben, wenn alles privaten Interessen untergeordnet worden ist.

Die EU- Verfassung und das Militär

Die Verfassung enthält einen Zwang zur Aufrüstung, was durch eine Aufrüstungsagentur kontrolliert werden soll.

Für diese Aufrüstungspolitik gibt es keine demokratische Kontrolle.

Militärisch zugelassen sind:

--Konfliktverhütungen (Präventivschläge, wenn der verdacht auf einen Konflikt formuliert wird!)

--Krisenbewältigung (Eingriff in vorhandene Konflikte)

--Terrorbekämpfung

--eine Verteidigung der Werte der Union (was immer damit auch gemeint ist im Neoliberalismus)

--Schutz der Interessen der Union (z.B. Sicherung des Zugangs zu Ölquellen).

Dies ist verbindlich für alle Mitgliedsstaaten.

Ein unverbindliches Durchführungspapier zur EU- Politik spieltdies durch und empfiehlt u.a. den Krieg für Öl.

Die EU hat die UN- Charta der Menschenrechte nicht unterschrieben.

Wie wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden?

Eigentlich müsste das Gericht den Klagen der ödp- Mitglieder aufgrund von Artikel 20 GG zustimmen.

Aber:

--Die Richter wurden von Parteien ernannt, die alle dem Vertrag von Lissabon, vorher EU- Verfassung genannt, zugestimmt haben.

--Auch die Vorkommnisse bei der Verhandlung der Klagen geben wenig Hoffnung auf einen Erfolg. Von der Freude, mit der die Richter die Klagen empfangen hatten, war bei der Verhandlung nichts zu spüren. Die Vertreter der Bundesregierung konnten vor Gericht reden, worüber sie wollten und wurden nie ermahnt, wie sonst üblich, beim Thema zu bleiben. Am Nachmittag des 2. Verhandlungstages viel dann die Heizung aus und es wurde immer kälter in den Verhandlungsräumen. zu vorgerückter Stunde wurden einige sonst übliche Fragen an alle Teilnehmer unterlassen.

Buchner glaubt daher nicht an einen Erfolg. Vielleicht stellt das Gericht einige Auflagen zusammen, welche Vorbehalte bei einer Zustimmung zur EU- Verfassung von der Bundesregierung formuliert werden müssen. Die Iren, so Buchner, werden bei der nächsten Abstimmung wohl auch nicht mehr gegen die Verfassung stimmen, da zum einen der wichtigste Förderer des letzten Referendums abgesprungen ist und so keine Kampagne zur Korrektur der Propaganda der Regierung laufen wird. Andere Referenden werden nicht wiederholt werden und so wird die EU-Verfassung trotz mehrmaliger Ablehnung in Referenden wohl doch durchgepaukt werden.

Laut Werbeflugblatt zur Wahl 2009 glaubt die CDU noch immer, das mit der "Ratifizierung des Vertrages von Lissabon" ein Gesetzeswerk beschlossen wird, das die "soziale Marktwirtschaft in Europa festschreibt". Wir werden es ja sehen und sollten dieses Versprechen auf keinen Fall vergressen.

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