Die Magier von Tarronn

Band 6

Es ist einige Jahre her, dass Atlan und Tarronn die Urteile an Apophis, Loki und Sachmet vollstreckt haben, da erreicht sie ein neuer Hilferuf der Asen, der ziemlich mysteriös klingt. Wieder geht es um den Apfelbaum der Idun und um das Überleben des ganzen Volkes.


Ron, Mitglied der Stammbesetzung des Raumgleiters, nahm Haltung an, als er Horus das merkwürdige Hologramm überreichte, welches er soeben im Nachrichtenspeicher entdeckt hatte. „Absender unbekannt. Groben Schätzungen zufolge aber aus der Asgard-Region.“

Der Commander drehte den Würfel unschlüssig zwischen den Fingern, weitere Informationen werde man ihm erst entlocken, wenn man ihn öffnete. „Er fühlt sich merkwürdig an“, murmelte er mit zusammengezogenen Augenbrauen.

Ron machte eine überraschte Handbewegung. Die Nachricht war auf die übliche neutrale Weise in den Behälter eingespeichert worden.

Da bat Horus auch schon: „Benachrichtige Imset und Sobek. Bitte sie, hierher zu kommen.“

Ron eilte davon. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht, wenn Horus nicht telepathieren wollte. Kaum war er weg, codierte Horus den Behälter, schloss ihn in einem Energiefeld ein und wartete ungeduldig auf das Eintreffen seines Sohnes und seines Enkels. Von Ron gewarnt, näherten sich die beiden auch auf herkömmliche Weise, zu Fuß, statt sich zu teleportieren.

„Hast du nicht Urlaub?“, schmunzelte Imset, seinen Vater herzlich umarmend, dessen Gleiter erst vor wenigen Minuten auf Dafa gelandet war.

Auch Sobek tauschte mit seinem Großvater eine feste Umarmung, spürte aber sofort, dass Horus völlig aus dem inneren Gleichgewicht war.

„Ja, eigentlich hatte ich vor, mit Darina am Strand zu faulenzen oder mit den Drachen zu fliegen, aber irgendjemand scheint etwas dagegen zu haben. Wir bekamen eine seltsame Nachricht, die mir Übelkeit verursacht, obwohl ich sie noch nicht einmal geöffnet habe.“

„Was?“

„Wie?“

Die beiden schauten Horus sichtlich verwirrt an.

Er hob den Quader aus dem Energiefeld. „Folgt mir in den Meteoritenraum!“

Dort verwandelten sich Imset und Sobek sofort in Drakonat, um jede Energiesequenz aufspüren zu können, die man technisch nicht hatte entschlüsseln können. Horus schloss den Kreis um den geöffneten Quader, indem er jedem Drakonat eine Hand reichte. Rauschen, Kratzen, Knattern, Kreischen, hin und wieder etwas, das wie ein Wort klang. Die Bilder dazu glichen einem wabernden Nebel in Grau und Grün.

Beim fünften Versuch ließ Horus beide los, presste seine Hände fest an die Schläfen und murmelte: „Das ist Idun. Der Apfelbaum wird von etwas heimgesucht, das seine Früchte verändert.“

„Ich habe noch Caiphas verstanden“, fügte Sobek hinzu, Horus‘ Worte bestätigend.

Imset nickte. „Wenn ich nicht völlig daneben liege, dann hat Odin davon gegessen und terrorisiert jetzt den halben Planeten.“

„Ich habe mich also nicht geirrt“, murmelte Horus, mit einem Unterton, der trotz alle Besorgnis zufrieden lang. „Wann fliegen wir los?“

Imset schüttelte fassungslos den Kopf. „So spontan kenne ich dich doch gar nicht!“

Sobek legte Imset die Hand auf den Arm. „Er hat seine Gründe.“

„Aha, ein Großvater-Enkel-Geheimnis.“ Imset kniff ein Auge zu. „Dann will ich nicht weiter bohren und lieber die Frauen auf ein Abenteuer mit unbestimmtem Ausgang vorbereiten.“

„Ich glaube, das trifft den Nagel mitten auf den Kopf“, brummte Horus.

Welche Paare nach Asgard fliegen sollten, musste nicht diskutiert werden. Es betraf die anwesenden Herren mit ihren Partnerinnen. Leon, der Schlangenmagier, und Ariel, der zweite Heiler der Atlan, waren ebenfalls unabdingbar für ein gutes Gelingen und natürlich Month, der, als Kriegsgott und Befehlshaber einer Splitter-Vernichtungs-Aktion im Nordmeer, über einschlägige Erfahrungen verfügte.

„Wollt ihr nicht lieber meinen Vater mitnehmen?“, fragte Ariel ungläubig, als er den Auftrag erhielt.

„Nein“, schmunzelte Sobek, „Leon schwört auf deine Fähigkeiten und das allein genügt uns.“

„Ich fühle mich geehrt“, murmelte Ariel erfreut und strahlte über das ganze Gesicht, als Month zufrieden sagte: „Schön, dass du auch mit von der Partie bist.“

Solon und Talos, die ältesten atlanischen Magier, sollten die Verbindung mit König Osiris halten, um für den Notfall Zugriff auf einen Raumgleiter zu bekommen.

Im Augenblick stellte Horus nachdenklich fest, dass es in den Kabinen eng werden könnte. Schließlich telepathierte er mit Osiris und Jamal, um ein größeres Schiff mit mehr Bewaffnung zu erhalten.

„Es wird in einer Stunde Dafa erreichen“, versprach Osiris und fügte wie nebenbei hinzu: „In den freien Laderaum würde sogar Chima passen.“

„Danke für den Tipp!“, rief Horus, sich die Hände reibend.

Die drei Drakon hielten sich in der Nähe des Landeplatzes auf, um nötigenfalls Lasten zu heben oder andere Bitten entgegenzunehmen.

Sobek näherte sich Drakos, nachdem er sich mit den Magiern abgesprochen hatte. „Gestattest du uns, Chima mitzunehmen? Wir können schlagkräftige Hilfe gebrauchen, die gegen herkömmliche Waffen gefeit ist, ohne sich extra verwandeln zu müssen.“

„Weiß sie schon davon?“, stellte der riesige schwarze Drache die Gegenfragen.

„Nein, ich wollte erst deine Meinung hören.“

„Sehr gut.“ Drakos winkte Chima heran. „Du wirst morgen mit nach Asgard fliegen und jedem Befehl gehorchen! Es könnte um Leben und Tod gehen.“

Das junge Weibchen zuckte freudig erschreckt zusammen. „Ich schwöre, dass ich jedem Wink folgen werde!“ Dann senkte es den Kopf.

Drakos ahnte, was in ihr vorging. Er legte ihr seine Schwinge über den Rücken. „Wir werden uns alle gut um Borsti kümmern.“

„Danke“, flüsterte sie. „Ich bin bereit für den Kampf.“

Ja, Drakos hatte die Kralle genau in die Wunde gelegt. Borsti, ihr treues Kuschelschwein, brauchte vielleicht etwas Trost, wenn sie unterwegs war. Wie schwer es da erst den Gefährtinnen von Ariel und Month fallen musste, die Männer zu verabschieden!

Siri stupste Chima mit der Nase an. „Ich bin stolz auf dich! Sei sehr vorsichtig, wenn du einen Splitter direkt berühren musst. Er wird versuchen, dich zu manipulieren. Lass es nicht zu. Er hat dir nichts zu befehlen. Du bist eine Drakon.“

Chima nickte sehr ernst. „Ich werde mich von der Kraft der Quelle leiten lassen, wann immer ich Hilfe brauche. Denn ich bin nicht nur eine Drakon, ich bin auch eine Hüterin der Magie.“

„So wirst du alles schaffen, was du willst“, bekräftigte Drakos zufrieden. „Ich hoffe sehr, dass es für Odin nicht zu spät ist. Grüß ihn von uns, wenn er wieder der Alte ist.“

Chima schaute zum Bereich vor dem Landeplatz. Das ganze Volk war gekommen, um ihnen auf Wiedersehen zu sagen. Soeben materialisierten sich Isis und Osiris, die beide das junge Drachenweibchen zwischen den Hörnern kraulten und flüsterten: „Denke immer daran, du bist eine Drakon, eines der mächtigsten Wesen in unserer Galaxie.“

Sobek führte Chima durch die breite Ladeluke zu jenem Lager, das für den Flug ihr Aufenthaltsort sein werde. Die Passage dahin war eng, aber Chima quetschte sich problemlos hindurch. „Wirst du klarkommen?“

„Aber sicher. Mein Vater hat den Flug von der Erde hierher überlebt, da werde ich es wohl ein paar Tage aushalten können.“

„Wir werden dich ja auch alle besuchen kommen und Futter mitbringen“, versprach Sobek.

„Lieber nichts mitbringen! Dann kann es nämlich passieren, dass ich Häufchen machen muss“, grinste Chima.

Sobek lachte herzlich. „Na, damit werden wir schon fertig werden. Es sind doch genug Leute an Bord, die sich mit Magie auskennen.“

...


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