Die Magier von Tarronn

Band 4

Band 4

...Osiris war aufgestanden, um den kleinen neuen Bürger noch einmal ganz in Ruhe zu betrachten, als wieder einmal etwas Seltsames geschah. Merit-Amun, die ihm gerade Platz machen wollte, blieb mit einem unterdrückten Stöhnen stehen, während sich die Gestalt der Uräus über sie legte. Osiris, der zwar von diesem Phänomen gehört, aber das selbst noch nie erlebt hatte, stoppte mitten in der Bewegung. Die Versammelten erstarrten. Uräus hatte selten gute Nachrichten, wenn sie so erschien. Neri drückte Ihi schützend an sich. „Ich bin erfreut, dich gesund zu sehen“, sprach die Kobra-Göttin Osiris an, den sofort ein ungutes Gefühl beschlich. „Ich komme, um euch den Willen der Schicksalsgöttinnen zu überbringen.“ Ihr Blick glitt über die Menge, dann fixierte sie mit ihren senkrechten Pupillen Danaë, die Mühe hatte, nicht ohnmächtig zu werden. „Es ist seit langer Zeit beschlossen, die unglücklichen Geschöpfe der alten Genexperimente aussterben zu lassen. Daran werdet auch ihr nichts ändern. Sollte der kleine Zentaur tatsächlich lebend das Licht von Tarronn erblicken, dann werde ich ihn persönlich Anubis übergeben.“ Im gleichen Augenblick zog sich die Kobra zurück, Merit-Amun fiel Osiris bewusstlos in die Arme. Danaë brach weinend neben Cheiron zusammen, der sich selbst kaum noch auf den Beinen halten konnte. „Aus, vorbei“, hämmerte es in seinem Kopf. Lähmendes Entsetzen machte sich breit. Osiris fing sich als Erster. Er trug Merit-Amun zu Safi, dann nahm er Danaës Hände. „Sie wird euer Baby nicht bekommen, so wahr ich hier stehe.“ Er wandte sich zu Jamal um. „Dein Urlaub ist bis auf Weiteres verschoben. Komm, uns läuft die Zeit davon.“ Gemeinsam verschwanden sie in Richtung der Häuser.

Isis legte Tana tröstend den Arm um die Schulter. „Sei nicht traurig, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Du bleibst natürlich hier. Ich beauftrage dich für diese Zeit mit Studien über die Erdenpflanzen, die wir in Bälde mit zum Palast nehmen wollen.“

„Vielen, vielen Dank.“ Tana lächelte unter Tränen. Sie hatte schon Angst gehabt, man werde sie allein nach Alba zurückschicken.

Imset schaute in die Runde, in betretene Gesichter. „Haben wir jemals getan, was das Schicksal wollte? Sie wird Danaës Baby nicht bekommen, egal wie, aber sie bekommt es nicht.“ Ein gefährliches Funkeln glomm in seinen Augen. Sobek und die Drakon nickten.

Thor staunte. Was er hier erlebte, war Meuterei auf der höchsten Ebene. Gab es überhaupt eine Chance, das Kind vor der Göttin zu verstecken, die unvermutet und buchstäblich überall erscheinen konnte?

Andererseits kannte er die Atlan inzwischen gut genug, um zu wissen, dass sie niemals aufgaben und die allerunmöglichsten Dinge fertigbrachten. Nun lag es wohl zuerst daran, ob Danaë stark genug war, die seelische Folter zu ertragen, die ihr Uräus auferlegt hatte.

„Ich bin nur ein wertloser Mensch“, hatte die junge Frau zu Jamal gesagt. In Thor regte sich der Widerspruch – gegen diese Worte und gegen das Verlangen der Uräus. Er würde für Danaë kämpfen, selbst wenn er sie mit nach Asgard nehmen müsse, damit das Baby eine Chance auf Leben habe.

„Ich danke dir.“ Imset drückte dem verblüfften Asen ganz fest die Hand. Langsam begriff Thor, dass er seine Gedanken nicht abgeschirmt hatte und jeder in ihnen, wie in einem offenen Buch, gelesen hatte. Die vielen dankbaren Blicke quittierte er mit einem kampflustigen Lächeln.

Maris hatte sich neben Danaë auf die Bank gesetzt. Er sprach intensiv auf die werdende Mutter ein. Cheiron nickte zu seinen Worten. Isis nahm Kontakt zu Anubis auf, um ihn über die unschöne Begegnung mit Uräus zu informieren.

„Jetzt reicht es“, gab Anubis telepathisch zurück.

Cheiron brachte seine verzweifelte Gefährtin nach Hause. Sie vergrub ihr Gesicht in den Kissen und weinte hemmungslos. Dem Zentauren blieb nichts anderes übrig, als ihr einen Beruhigungstrunk zu mischen, der sie sanft ins Reich der Träume schickte. Dann ließ er sich neben ihrem Bett nieder und hätte am liebsten selber Rotz und Wasser geheult.

Am nächsten Morgen, gleich nach dem Frühstück erschien Maris, um nach Mutter und Kind zu sehen, ein Besuch, den er von nun an täglich wiederholte.

Thor avancierte zu ihrem Leibwächter, wofür ihm Cheiron unendlich dankbar war. In der Zeit, wo er sich um die Ausbildung der Pferde kümmerte, wäre seine Liebste schutzlos ausgeliefert gewesen.

Er ahnte nicht einmal, dass alle Magier, ohne darüber zu reden, rund um die Uhr ein Überwachungsnetz über Dafa spannten, um sofort über jegliche magische Anomalie unterrichtet zu werden, so auch über das Auftauchen der gefürchteten Kobra. Osiris und Jamal nahmen die Schriftrolle kurzerhand mit an den Strand.

Horus hatte sie in seinem Gleiter mehrfach kopiert. Selbst wenn Uräus das Original vernichten sollte, man werde trotzdem nicht hilflos dastehen. Talos und Lara unterwiesen Tana ebenfalls am Strand über die Besonderheiten der Erdenpflanzen.

So konnten Isis und Osiris, genau wie Tana und Jamal ein wenig Zeit gemeinsam verbringen, selbst wenn es nur die kurzen Pausen für Essen und notwendigste Erholung waren. Drei Wochen später schienen die beiden Männer gefunden zu haben, wonach sie so intensiv gesucht hatten.

Ohne ein Wort darüber zu verlieren, machten sie einen überaus zufriedenen Eindruck. Osiris beugte sich zu Jamal hinüber. „Ehe ich es vergesse: Ihr habt, ab sofort, zwei Wochen Urlaub.“

Tanas Jubelschrei lockte die Drakon herbei. „Du hast gerufen“, kicherte Siri, als sie Tanas verdutztes Gesicht sah.

„Ach du Schreck!“ Tana wurde rot.

„Steigt schon auf. Ich weiß doch, was ihr beide euch schon so lange wünscht.“ Siri legte ihren Kopf auf den Boden. Mit Jamal und Tana auf dem Rücken flog sie auf das Meer hinaus. Zwei Stunden später brachte sie sie wohlbehalten wieder an den Strand.

„Mit euch zu fliegen, ist immer wieder beeindruckend.“ Tana streichelte die riesige Drakon. „Heute ist mein allergeheimster Kindheitsraum in Erfüllung gegangen, auf dem Rücken eines Drakon zu fliegen, unter mir das weite lavendelfarbene Meer und über mir nur der grüne, weite Himmel.“

Jamals strahlende Augen sagten dasselbe. „Das ist Märchenbuchurlaub“, fügte er hinzu.

Thor seufzte. „Mein Urlaub wird wohl auch in einigen Wochen zu Ende sein. Taris hat heute Horus Bescheid gegeben, dass unser Transporter morgen starten wird.“ Er seufzte noch einmal.

„Oh je, ich glaube, der Ärmste hat sich infiziert“, stellte Jani mit todernster Miene fest.

„Womit?“ Isis schaute sie erschrocken an.

Jani blinzelte harmlos. „Mit dem unheilbaren Atla-Virus.“

„Stimmt. Genau so geht das los.“ Kebechsenef wiegte bedächtig den Kopf. „Da hilft nur eine jährliche Kur auf Dafa, bis man gegen den Virus resistent ist oder bis er einen hoffnungslos infiltriert hat.“

„Stellst du meinen Kurantrag bei Odin?“ Thor schaute ihn treuherzig an. „Dir glaubt er sicher eher als mir, dass das für mein Seelenheil unbedingt erforderlich ist.“

„Aber gern. Maris kann das Ganze sogar mit einem Attest untermauern.“

Das einsetzende Gelächter war ohrenbetäubend. Es lockte den ganzen Magischen Club, der inzwischen riesig geworden war, an den Strand.

„Hat eine Bestimmte dein Herz erobert oder ist es die Allgemeinheit, die dich lockt“, fragte Imset wie nebenbei.

Thor wurde unbehaglich. Er wand sich förmlich. „Eine Bestimmte. Aber ich werde keinen Namen nennen, sonst kratzt ihr Sif womöglich die Augen aus, wenn sie zufällig zusammentreffen sollten.“

„Und sie?“

Jetzt lächelte der Ase. „Sie genießt und schweigt.“

Imset klopfte ihm auf die Schulter. „Wir werden sehen, was wir für dich tun können.“

Thor atmete erleichtert auf. Er hatte sich schon auf bittere Vorwürfe gefasst gemacht. Natürlich genoss Riva, dass einer der hochrangigsten Asen so offensichtliches Interesse an ihr zeigte. Aber genau so heimlich traf sie sich mit ihm.

Sie wusste ziemlich gut, dass er in fester Bindung lebte und konnte sich ausmalen, wie rigoros seine Frau jedes weitere Treffen unterbinden würde, wenn sie mitbekäme, dass mehr als eine der üblichen Kurzromanzen dahinter steckte.

Thor rieb nachdenklich seine Nasenspitze. Der Atla-Virus … Wahrscheinlich war es das. Er war fast süchtig nach dieser zierlichen Brünetten vom geheimnisvollen Volk der Atlan. Dabei beschränkte sich sein Interesse nicht vorwiegend auf die körperliche Nähe.

Mit ihr konnte er stundenlang durch den Wald wandern, ohne dass ihnen die Gesprächsthemen ausgingen. Sich mit ihr über Blüten und wohlschmeckende Früchte freuen, aber auch einfach nur schweigend neben ihr im heißen Sand liegen und die Sonne genießen. Infiziert. Unheilbar.

Thor hatte aufgehört, seine Seufzer zu zählen. Dafür zählte er voller Sorge die Wochen, bis der Transporter Dafa erreichen werde.

Die anderen zählten ebenfalls die Wochen, aber die, bis Danaë hoffentlich ohne Komplikationen, ihr Zentauren-Baby zur Welt bringen werde. Je näher der Termin rückte, umso schlechter ging es ihr. Die Ungewissheit fraß an ihr, wie eine Bestie, die ihrem Opfer bei lebendigem Leibe Stück für Stück aus dem Körper reißt.

Maris beendete schließlich das Martyrium. „Wir können nicht länger zusehen, wie sie dahin siecht. In ein paar Tagen besteht keine Hoffnung mehr, dass wenigstens eine der beiden überlebt. Wenn Osiris bereit ist, beginnen wir.“

„Ich bin bereit. Ich werde jetzt mit Imset, Sobek und den Drakon die Perle holen. In genau einer Stunde werden wir in Cheirons Haus eintreffen.“ Zu fünft machten sie sich auf den Weg.

Maris übernahm es, die völlig ahnungslosen werdenden Eltern vom Entschluss der Magier zu unterrichten. Danaë begann wieder zu weinen, obwohl ihr selbst hierfür schon fast die Kraft fehlte. Cheiron wurde leichenblass.

„Tut, was getan werden muss“, sagte er schließlich mit tonloser Stimme. „Rettet wenigstens Danaë.“

In den nächsten Minuten trafen alle Magier, Isis, Neri und sogar Thor ein, um irgendwie die Schicksalsgöttin fernzuhalten. Ein lautes Rauschen verriet die Ankunft der Drakon. Gleichzeitig flimmerte die Luft, Osiris und die Drakonat materialisierten sich.

Ihren Gesichtern war nicht zu entnehmen, was in der letzten Stunde geschehen war. Wie ein Schutzwall umringten die Magier und Magierinnen Danaës Bett, das in wenigen Augenblicken Maris als Operationstisch dienen sollte. Cheiron zog sich in eine Ecke des Zimmers zurück. Er, der sonst immer die Ruhe bewahrte, war nicht mehr fähig, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Danaë zitterte am ganzen Körper.

Maris wandte sich ihr zu, legte beide Hände an ihre Schläfen. Sie schloss die Augen und sank Osiris in die Arme, der sie vorsichtig zum Bett trug.

Bevor Maris sich seiner Patientin widmen konnte, erschien eine leuchtende Wolke mitten im Zimmer, die sich zu Uräus verdichtete. Die Anwesenden hielten den Atem an.

„Ich hatte euch gewarnt“, zischte die Göttin, deren Gesicht vor Aufregung die Züge einer Kobra annahm. „Wir dulden keine weiteren Zentauren.“

Der Herr der Tarronn wandte sich beinahe unbeeindruckt Danaë zu, die Maris in einen magischen Tiefschlaf versetzt hatte, um ungestört die Schnittentbindung durchführen zu können.

Er hatte jetzt keine Zeit für Erklärungen. Er riss ihr mit einem Ruck das Gewand vom Körper, egal, wer alles zusehen konnte. Legte beide Hände an ihren hoch aufgewölbten Bauch und begann, Bewegungen zu machen, als sortiere er etwas.

Dabei setzte sich ein unübersehbares Lächeln in seinen Mundwinkeln fest. Die Magier und selbst Isis wagten nicht, einen Laut von sich zu geben.

„Was tust du?“ Uräus funkelte Osiris wütend an. „Ich bin hier um diesen kleinen Zentauren zu töten, daran wirst auch du mich nicht hindern.“

Die einzigen Antworten waren ein Schulterzucken und ein breites Grinsen.

Die Schlangengöttin zog das Schwert, dem Baby sofort das Leben zu nehmen, um welches hier so viele kämpften.

Cheiron stand wie gebannt in seiner Ecke, schaute unverwandt zwischen Danaë, Maris, Uräus und Osiris hin und her. Alles lief wie in Zeitlupe ab.

Der mächtige Tarronn zog langsam seine Hände vom Bauch der werdenden Mutter zurück. „Du kannst beginnen“, wandte er sich an Maris, der augenblicklich das Skalpell ansetzte.

Osiris drehte sich zu Cheiron um, fasste ihm vor aller Augen zwischen die Hinterbeine, wobei der lange Pferdeschweif den Ort seiner fieberhaften Tätigkeit verdeckte.

Cheiron gab einen leisen Schreckenslaut von sich, blieb aber, wenn auch heftig zitternd, stehen, um Osiris nicht zu stören, der zielstrebig und ziemlich schmerzhaft zu Werke ging.

Schließlich klopfte er dem Zentauren aufs Hinterteil, zwinkerte ihm verschwörerisch mit einem Auge zu, um im Bruchteil einer Sekunde wieder neben Danaë zu erscheinen.

„So, nun gebe ich ihr die Unsterblichkeit, damit sie noch auf das bedauernswerte, dem Tode geweihte Baby übergehen kann“, sagte er in einem Tonfall, welcher alle aufhorchen ließ.

Uräus zuckte zusammen. Ihr war der spöttische Unterton nicht entgangen. Sie ließ sogar das Schwert sinken, mit dem sie Cheirons Nachwuchs enthaupten wollte.

Stattdessen beugte sie sich neugierig zur Seite, bis sie genau sehen konnte, wie fieberhaft und präzise Maris arbeitete. Die Versammelten würden es nicht wagen, ihr das Baby vorzuenthalten.

Osiris hatte tief Luft geholt, seine Lippen auf die Danaës gepresst und hauchte ihr buchstäblich die Unsterblichkeit ein. Dann nickte er zufrieden, stellte sich neben Maris, von wo aus er ziemlich ungeniert diesen nackten Frauenkörper betrachtete.

Und gleichzeitig mit Adlerblick beobachtete, wie der Heiler ein Beinchen mit einem Huf ans Licht beförderte, welchem ein haariger Schweif, drei andere Beinchen und schließlich ein Menschenkopf folgten. Cheiron brach fast in die Knie, als Uräus das Schwert wieder hob.

Er schaute flehend zu ihr hinüber und bemerkte, wie sich ihr Gesichtsausdruck von konzentriert, zu namenlos überrascht ändert. Sie war nicht einmal in der Lage ihr Schwert sinken zu lassen. Es fiel ihr einfach hintenüber aus der Hand.

Ungläubig starrte sie an, was Maris vorsichtig auf dem nackten Bauch der Mutter abgelegt hatte, bevor Neri und Isis rasch zufassten. Mit einem matten Seufzer rutschte Cheiron, der ebenfalls gesehen hatte, was da lag, ohnmächtig in sich zusammen.

Maris, Solon, Talos und die Drakonat heilten inzwischen voll konzentriert die Verletzungen der jungen Mutter. Osiris kniete währenddessen neben Isis und Neri auf dem Boden, wo er mit sichtlichem Stolz sein Werk bestaunte.

Leiser, unsicherer Hufschlag ließ ihn aufschauen. „Ah, Cheiron, ich gratuliere zu etwas ungewöhnlichen Zwillingen.“ Er stand auf und gab den Blick auf ein neu geborenes Fohlen und ein Menschenbaby frei.

Jetzt löste sich die Anspannung aller in unbeschreiblichem Jubel. Sie lachten und weinten vor Glück, lagen sich in den Armen, gratulierten Osiris, Maris, aber vor allem dem überglücklichen Vater.

Uräus hatte beide Hände vor das Gesicht geschlagen. Durch die gespreizten Finger beobachtete sie die ausgelassene Gesellschaft und auch, wie die beiden Drakonat Lebensenergie an die beiden, viel zu früh geborenen, Kinder übertrugen.

Osiris kam kichernd auf sie zu. „Ich lade dich für heute Abend zu unserer Baby-Ankunfts-Party ein. Die solltest du nicht verpassen.“

Uräus nickte. „Ich werde sie mir keinesfalls entgehen lassen.“ Dann verschwand sie rasch in einem grünen Nebel, wobei sie sogar noch ihr Schwert liegen ließ.

Neri half Maris Danaë anzukleiden, bevor er sie vorsichtig aus ihrem unnatürlichen Schlaf weckte. Cheiron hatte schließlich mit seinem Nachwuchs alle Hände voll zu tun.

Er wiegte das eine Töchterchen im Arm, streichelte mit der freien Hand das andere Baby, das ihm schon auf wackligen Beinchen folgte. Danaës völlig ungläubigen Blick beantwortete er mit einem befreiten Lachen. „Zwei wunderschöne Töchter hast du mir geschenkt.“

Horus, praktisch veranlagt wie immer, und mit mindestens soviel Neugeborenenerfahrung ausgestattet wie Neri, verschwand unbemerkt zum Raumgleiter, wo er im Labor fand, was er suchte.

Als er zurückkehrte, überlegte Danaë gerade angestrengt, wie sie wohl das hungrige Pferdchen stillen solle. Horus drückte ihr die mitgebrachte Kunststoffflasche mit dem Saugerverschluss in die Hand. „Versuchs auf einem Umweg.“

Isis lehnte lächelnd an Osiris’ Schulter. Er hatte Uräus gezeigt, dass auch mit ihm wieder voll zu rechnen war. Das, was er für Danaë und Cheiron getan hatte, war eine deutliche Kampfansage an die Adresse der Urmütter.

Sie konnten sich ausrechnen, was geschähe, wenn sie nicht umgehend Horus’ Clan, der auch der seine war, in Ruhe ließen. Uräus’ schnelle Zusage für den Abend klang danach, das Friedensangebot anzunehmen.

Im Augenblick saßen alle am und um das Bett von Danaë. Osiris begann zu erzählen, wie er mit Jamal die Textstelle gefunden hatte, in der von drei Wünschen die Rede war, die die Perle erfüllen könne, wenn man auf die unbegrenzte Macht verzichtete, die sie im Allgemeinen verleihen konnte.

Dazu musste das wertvolle Gebilde zerrieben und mit etwas Flüssigkeit getrunken werden. So gerüstet blieben genau zehn Stunden Zeit, die Wünsche auszusprechen, die niemals rückgängig gemacht werden könnten.

„Was hast du vor?“, hatte Jamal gefragt.

Osiris hatte ihn lange nachdenklich angeschaut. „Ich weiß es nicht. Ich werde die Perle zu mir nehmen und vor Ort entscheiden, was ich tun muss.“

„Ich wusste davon, dass keine neuen Zentauren geboren werden sollten“, berichtete Osiris weiter. „Ich habe also gleich zwei Wünsche auf genau diesen einen Punkt ausgerichtet.“

Cheiron zog die Augenbrauen zusammen. „Dann hast du mich also sterilisiert.“

Der König der Tarronn begann, schallend zu lachen. „Unsinn mein Lieber, ich habe nur die Pferdegene aus deinem Erbgut entfernt. Den Triumph, dich steril zu sehen, habe ich den Urmüttern nun wirklich nicht gegönnt.“

Er klopfte Cheiron auf die Schulter. „Ach, übrigens, viel Spaß beim Sex, nun kannst du es ganz beruhigt auch mit anderen Frauen tun.“ Er ließ den heftig errötenden Zentauren einfach stehen.

Der schüttelte den Kopf und murmelte: „Verrückter Kerl.“

Die Magier amüsierten sich über das Wechselbad der Gefühle, das der Pferdemann soeben durchlebte und welches seinem Mienenspiel überdeutlich anzusehen war.

„Dann werde ich zukünftig also menschliche Nachkommen haben“, murmelte er kopfschüttelnd.

„Unsterbliche menschliche Nachkommen, wenn du sie mit ihr zeugst.“ Osiris strich Danaë sacht eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Und sogar ausgesprochen Gutaussehende, wenn die Mädchen nach der Mama geraten.“

Er blinzelte ihr zu, dann rief er fröhlich: „Freunde, ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich fühle mich heute wie ein Gott.“

Isis lachte übermütig, die anderen fielen ein. Sogar die beiden Drakon vor den Fenstern kicherten.

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