„Wann wolltest du mir sagen, dass du den Anker verloren hast?“, herrschte Nicola Barbero seinen Skipper an.
„Geht’s noch? Ich war gerade auf dem Weg zu Ihnen!“, erwiderte Sebastiano Venturi mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Hätten Sie auf mich gehört, wäre es nicht passiert. Zudem ist das Ganze keine 30 Sekunden her und fliegen kann ich nicht.“
„Dann wirst du es lernen müssen. Bist gefeuert!“, ätzte Nicola.
Sebastiano verengte für den Bruchteil eines Wimpernschlags die Augen zu Schlitzen, dann schob er Nicola wortlos aus dem Weg, wandte sich festen Schrittes seiner Kajüte zu und begann, den Seesack zu packen. Anschließend führte er ein Telefonat.
Draußen mühte sich die Mannschaft, welche den kurzen Wortwechsel vernommen hatte, den Reserveanker klarzumachen. Die finsteren Gesichter der Männer konnte der Boss nicht sehen.
Barbero war ein schwerreicher Nichtsnutz, der von Nautik so viel Ahnung hatte, wie eine Schildkröte vom Fliegen. Beruf Sohn, mit Hobby geldgeile Playgirls flach legen und mit Sex-Party-Touren auf seiner Jacht beeindrucken.
Aber die waren diesmal, kaum an Bord, sofort von Venturi begeistert, der sowohl optisch um Längen besser dastand als auch mit echtem Können punktete. Der muskelbepackte erfahrene Seebär, schien selbst im schlimmsten Unwetter immer eine sichere Route zu finden. Er hatte den aktuellen Auftrag in erster Linie angenommen, um herauszufinden, ob Barbero wirklich der ultimative Lackaffe war, als den man ihn verschrie.
Ja, der war einer. Das hatte schon in der ersten Stunde nach dem Ablegen festgestanden. Sebastiano amüsierte die Tatsache, dass Barbero nicht den Funken Ahnung hatte, um wen es sich bei ihm handelte. Es klopfte an der Kajütentür. Sebastiano öffnete.
„Herr Venturi, bitte gehen Sie nicht. Die Sache lässt sich doch bestimmt regeln“, bat Marcello aus der Crew.
„Lässt sie sich nicht. Tut mir leid für Sie alle“, erwiderte Sebastiano mit fester Stimme, wenn auch leise. „Machen Sie das Beste aus der vertrackten Situation.“
„Sie meinen verkackte Situation“, knirschte Marcello mit den Zähnen. „Sie waren unsere einzige Hoffnung.“
„Kontaktieren Sie die Küstenwache, wenn die Lage wirklich brenzlig wird. Einen anderen Rat kann ich Ihnen nicht geben. Leben Sie wohl und halten Sie die Ohren steif.“
Marcello schlug mit der rechten Faust in seine offene linke Hand, biss die Zähne in einer Grimasse aufeinander und wandte sich stumm um. Sebastiano schloss hinter ihm die Tür.
Eine halbe Stunde später erklang das flappende Geräusch eines Hubschrauberrotors und im fast spiegelglatten Wasser zum Greifen nah neben der ankernden Jacht wasserte das Fluggerät. Sebastiano erschien mit gepacktem Seesack an Deck, warf ihn geschickt in die offene Luke des Helis und sprang hinterher. Punktlandung auf der kurzen Leiter.
Nicola hastete völlig perplex herbei, wo er gerade noch sehen konnte, wie Sebastiano den Steuerknüppel übernahm. Dann schwebte der Zweisitzer auch schon der Küste entgegen. „Da ... das gibt es doch nicht!“, entfuhr es ihm mit regelrecht dümmlicher Grimasse.
Offenbar hatte er erwartet, Sebastiano käme auf dem Bauch angekrochen, um den Job zu behalten. Dass er ohne Kapitän aufgeschmissen war, begriff er augenblicklich. Zudem ließ sich der finstere, wenn auch eindeutig schadenfrohe Blick der Crew nicht wegleugnen.
„Wir fahren weiter!“, befahl Nicola.
„Das heißt: Anker lichten. Du Pfeife!“, murmelte Marcello und scherte sich nicht darum. Er war schließlich nicht der Kapitän.
Nicola zog die Augenbrauen zusammen, ihn am Arm packend. „Wird’s bald?!“
„Was?“, staunte ihn Marcello gut geschauspielert an.
„Weiterfahren! Hopp hopp!“
Marcello schürzte die Lippen und rief den anderen zu: „Kann zufällig jemand die Seekarte lesen und den technischen Kram bedienen?!“
Kopfschütteln. Selbst wenn es einer gekonnt hätte, wäre die Reaktion dieselbe gewesen. Die vier Bunnys an Bord, wurden unruhig.
...