Musikvideos - Bild und Ton

(Autor: Till Weber)

Viele Titel der neueren deutschen Populärmusik existieren auch als Musikvideo, manchmal in mehreren Fassungen, die oft frei zugänglich im Internet zu finden sind. Diese großflächige Verfügbarkeit ist auch ein Grund dafür, dass es DVDs mit Musikvideos relativ selten zu kaufen gibt, und oft handelt es sich dabei um Konzertmitschnitte, die durch die Liveinterpretation der Titel einen musikalischen Mehrwert bringen.

Zu unterscheiden ist zwischen „official videos“, die oft von den Musiklabels selbst ins Netz gestellt werden sowie sog. Fanvideos und weiteren Formen wie z.B. Mitschnitten von Fernsehauftritten oder Coverversionen.

Musikvideos schaffen eine zusätzliche, nämlich visuelle, Dimension zur akustischen und können ein hohes Potenzial für die Erschließung an sich schwieriger Liedtexte für die Grundstufe (A1-A2) haben. Sie können grundsätzlich in allen drei Phasen der Didaktisierung (vgl. 3-Phasen-Methode) eingesetzt werden, also vor, während oder nach dem Hören des Liedes. Ferner gibt es die Möglichkeit, Videos zunächst ohne Ton einzusetzen; außerdem kann eine Lerngruppe eigene Musikvideos konzipieren oder sogar umsetzen.

Die Kernfrage bei der Entscheidung, ob ein Musikvideo im DaF-Unterricht eingesetzt werden soll oder ob man sich auf die Hörfassung des Liedes (sowie den gedruckten Text) beschränkt, ist die Frage nach der Nützlichkeit des Videos: Tragen die gezeigten Szenen und Bilder zum besseren Verständnis des Liedtextes bei oder nicht? Darüber hinaus können Musikvideos zahlreiche Sprech- und Schreibanlässe bieten.

Die Frage nach dieser Nützlichkeit muss im Fall von Musikvideos, die die Musiker „einfach so“ im Studio, auf einer Konzertbühne oder beim Waldspaziergang zeigt, meistens verneint werden. Andererseits gibt es einige Musikvideos, die Textinhalte fast eins zu eins abbilden und dadurch verdeutlichen. Ein Beispiel dafür ist das bekannte offizielle Video der Prinzen zu „Deutschland“, bei dem viele der besungenen, „typisch deutschen“ Gegenstände/Eigenschaften als eine Art Diaschau gezeigt werden.

Die im Didaktisierungsvorschlag gebotenen Aufgaben schaffen in Phase 1 zum Einstieg sowie beim ersten Hören in Phase 2 eine Erwartungshaltung an den Inhalt, aber auch eine Vokabelvorentlastung durch Aktivierung/Neulernen von Wortschatz. Dabei ist es sinnvoll, das Musikvideo das erste Mal ohne Ton vorzuspielen, damit sich die Lernenden auf das Visuelle und ihre Notizen konzentrieren können.

Andere Musikvideos liefern weniger deutliche visuelle Hinweise zum Textverständnis, schaffen aber eine Atmosphäre und geben Hinweise, die die Einordnung eines nicht einfach zu verstehenden/zu interpretierenden Liedtextes ermöglichen. Rammsteins Video zu „Ohne Dich“ ist in unserer Modelldidaktisierung ganz an das Ende des Unterrichts gesetzt, um einen Vergleich mit den bisherigen studentischen Ideensammlungen für eigene Musikvideos zuzulassen.

Es gibt auch Musikvideos, die ein Gegenentwurf zur Aussage des Liedtextes sind. Während der Sänger Cro in „Einmal um die Welt" von seiner materialistischen Freundin singt, ist das Mädchen im Video mit ganz einfachen Dingen zufrieden. Dieser interessante Kontrast kann für Gesprächsstoff in der Lerngruppe sorgen.

Nicht von der Band bzw. dem Musiklabel selbst geschaffene Videos stammen häufig von Fans und werden als inoffizielle „Fanvideos“ ins Internet gestellt. Sie reichen von wenigen Fotos der Interpreten bis hin zu sehr aufwändig zusammengestellten Bildmaterialien in der Art des Prinzen-Videos zu „Deutschland“, die für das Verständnis des Liedtextes sehr nützlich sind. Das Fanvideos zu „Was soll ich ihr schenken" von den Prinzen ist ein weiteres Beispiel:

Zu dem Fanvideo zu den Wise Guys: „Nur für Dich“ liegt eine Didaktisierung (A2) vor.

Manchmal gibt es aber weder geeignete offizielle noch inoffizielle Videos und man kann in der Didaktisierung das Erstellen von „Fanvideos“ durch die Lerner zum Thema machen. Der Aufwand kann vom Sammeln eigener Ideen in Gruppen und deren Vortrag bis hin zu wirklichen „Videos“ reichen, die wegen des nötigen Aufwands als Einzelarbeit in Hausaufgabe oder als Projektarbeit geeignet sind und ein wenig Übung mit Videobearbeitungssoftware erfordern.

Hier das Beispiel eines didaktisch inspirierten "Fanvideos", das 2016 von Studierenden der Ryukyu-Universitätä zu Rainald Grebes Lied "Der Präsident" in Projektarbeit im Rahmen eines Seminars erstellt wurde:

Zum Thema kreative Arbeit von DaF-Lerngruppen mit einer Videoschnittsoftware wie den kostenlosen Windows Movie Maker seien die im Internet erhältlichen Materialien von Hertz und Pixel empfohlen (erstellt von Beate Müller, Kayoko Tamaki und Till Weber). Die Lernenden weisen ihr Textverständnis nach, interpretieren und lernen gleichzeitig, im deutschsprachigen Internet nach geeignetem Material zu suchen. Als kreative, selbständige Aufgabe kann das Erstellen eines eigenen Musikvideos oder auch nur der Entwurf in Form eines „Storyboards“ als sehr anregend empfunden werden. Erfahrungsgemäß versuchen die Lernenden eher, die im Text konkret angesprochenen Themen zu visualisieren, in dem sie Bilder in einer mit der Musik unterlegten PowerPoint-Präsentation zusammenstellen. Natürlich ist auch selbst Filmen oder Zeichnen eine Möglichkeit, bei der sich dann aber doch die Frage nach dem Lehr-Lern-Aufwand stellt. Ein Beispiel findet sich in der Didaktisierung von Rainald Grebes „Brandenburg“, bei der als Hausaufgabe ein inoffizielles Video zu erstellen ist.

(Artikel aktualisiert im April 2017)

Zum Thema Musikvideos vgl. auch den Grundlagenartikel Auswahlkriterien von Musik.