(Gastautorin: Stefanie Morgret)
Die Förderung phonetischer Kompetenzen im Unterricht DaF durch den aktiven Einsatz von Musik
Insbesondere bei asiatischen Studierenden werden im DaF-Unterricht immer wieder große Probleme bei der Aussprache beobachtet. Deshalb sind gerade hier zahlreiche Übungen notwendig, die große Geduld und Ausdauer bei Lernenden und Lehrenden voraussetzen, zumal sich Entwicklungen der Aussprachefertigkeiten im Vergleich zu anderen Fertigkeiten nur sehr langsam vollziehen (vgl. Hirschfeld 1995: 12). Durch den Einsatz von Musik kann nicht nur die Motivation gefördert werden, sondern auch der Erwerb phonetischer Kompetenzen (Perzeption und Produktion) generell. Zum Erstspracherwerb bei Kindern liegen hierfür bereits zahlreiche Belege vor. Aber auch für den Fremdspracherwerb bei Erwachsenen wurden in den letzten Jahren in diversen Studien Verbindungen zwischen phonetischen und musikalischen Fähigkeiten festgestellt. Slevc & Miyake (2006) kamen in einer empirischen Studie mit japanischen Probanden in den USA unter Einbeziehung diverser Variablen (Aufenthaltsdauer, Nutzung der L2, Motivation, musikalische Fähigkeiten etc.) zum Ergebnis, dass erwachsene L2-Lernende mit besseren musikalischen Fähigkeiten auch bessere phonetische Fähigkeiten (Perzeption und Produktion) aufwiesen. Dabei stellten die musikalischen Fähigkeiten im Vergleich zu den anderen Variablen die bedeutendste Variable dar. Durch die neuen technischen Möglichkeiten der kognitiven Neurowissenschaft wurde zudem beobachtet:
„...that music and speech functions have many aspects in common and that several neural modules are similarly involved in speech and music (Tallal and Gaab, 2006). There is also emerging evidence that speech functions can benefit from music functions and vice versa.“ (Jäncke 2012: 1)
So wurden beispielsweise bei der Wahrnehmung und beim Rhythmus gemeinsame und überschneidende neurale Ressourcen (Hirnareale) bei der Sprach- und Musikverarbeitung festgestellt. Daneben wurden in Studien positive Effekte des Singens auf das Sprechen beobachtet, insbesondere beim synchronen Mitsingen. Nicht zuletzt zeigen auch biologische und soziokulturelle Ansätze viele Gemeinsamkeiten von Sprache und Musik. Damit stellt sich die Frage, inwiefern Musik auch innerhalb des Fremdsprachenunterrichts bei erwachsenen Lernenden eingesetzt werden kann, um ihre phonetischen Fähigkeiten zu fördern.
In bisherigen DaF-Lehrwerken werden nach Erfahrungen der Verfasserin Lieder oder Raps eher gelegentlich als Zusatzaufgaben zur Förderung von Aussprache genutzt. Oft fehlen dabei methodisch-didaktische Angaben mit detaillierten Lernschritten. Problematisch ist außerdem, dass Materialien oft sehr kindlich wirken und authentische Musik kaum verwendet wird. So stehen laut einer von der Verfasserin durchgeführten DAAD-Umfrage mit Lehrenden (2010) die bisherigen Materialien in Lehrwerken im Gegensatz zum Interesse von Lehrenden und Lernenden in der Unterrichtspraxis. Spezielle phonetische Materialien zur Förderung der L2- bzw. L3-Aussprache durch den Einsatz von Musik liegen nur vereinzelt vor und legen den Schwerpunkt ebenfalls auf DaF-Lieder und DaF-Raps (vgl. Kroemer 2001; Fischer 2007).
Der Einsatz von Musik bietet sich insbesondere zum Eintauchen in die Sprache sowie in der langen Phase der Automatisierung an, in der gleichzeitig L2-Hörstrategien durch umfangreichen L2-Input entwickelt werden können. Außerdem werden durch die rhythmisch-melodischen Einheiten der Musik vorrangig suprasegmentale Merkmale (wie Rhythmus, Melodie, Akzent etc.) trainiert, die eine Schlüsselrolle für die Aussprache spielen (vgl. Derwing 2008: 348). Mehrfaches Abspielen eines Liedes vom Tonträger erleichtert die Automatisierung, ohne dabei die Lernenden zu langweilen. Die Lieder sollten deshalb auch auf den Musikgeschmack der Lernenden abgestimmt sein. Dabei sind anfangs eine einfache Melodie- und Rhythmusstruktur sowie ein klarer und nicht zu schnell gesungener Liedertext hilfreich. Generell gilt: Je schneller der Text gesungen wird, desto einfacher muss er sein. Erste Erfolgserlebnisse müssen im Unterricht erlebt werden; sie führen dann in der Regel zu eigenständigem Üben der Lernenden zuhause. Schwerpunkt des Einsatzes von Musik zur Förderung von Aussprache sind Übungen während des Hörens. Sie umfassen Perzeptions- und / oder Produktionsübungen (synchrones Mitsprechen bzw. synchrones Mitsingen).
Daneben können natürlich auch Übungen vor und nach dem Hören eingesetzt werden. Übungen vor dem Hören sind insbesondere bei Raps sinnvoll, die oft schnell gesprochen werden müssen (siehe Beispiel unten). Hier kann zunächst ohne Tonträger vorab geübt werden, indem das Tempo des Textes beim rhythmischen Sprechen nach und nach gesteigert wird, sodass die Lernenden schließlich beim synchronen Mitsprechen schneller Lernerfolge erzielen können.
Übungen nach dem Hören können ergänzt werden, indem beispielsweise eigene Wörter, Wortgruppen oder Sätze auf den Melodien erfunden und präsentiert werden oder das Lied ohne Hilfsmittel (ohne synchronen Text) abschließend vorgetragen wird. Oft gibt es auch Lernende, die ein Musikinstrument spielen können, sodass ein ausgewähltes Lied dann ggf. sogar innerhalb eines mehrtägigen Projektes (beispielsweise: German Days oder InterUni- und andere Wochenendseminare in Japan gemeinsam vorgetragen werden kann (instrumental und gesungen). Dies geschieht nach eigener Erfahrung bei Studierenden mit großem Selbsteinsatz aller Beteiligten und entsprechendem Lernerfolg.
Binnendifferenzierung ist in vielen Varianten möglich, beispielsweise indem die schwächeren Lernenden nur den Refrain singen und wiederholen, während leistungsstärkere Lernende solistisch einzelne Strophen singen. Auch die Verknüpfung mit anderen Fertigkeiten wird empfohlen (Hörverständnis, Grammatik, Sprechen, Wortschatz).
Zu detaillierteren Informationen zu diesem Thema wird auf die Dissertation der Verfasserin (inkl. empirischer Studie) bei Prof. Dr. Karin Aguado im Fachgebiet Deutsch als Zweit- und Fremdsprache der Universität Kassel hingewiesen, welche voraussichtlich 2014 abgeschlossen und veröffentlicht wird.
Musterdidaktisierung von „Eins, zwei, Polizei“ von Mo-Do
Kontakt:
stefaniemorgret[at]yahoo.com
Weiterführende Literatur:
Badstübner-Kizik, C. (2007): Bild- und Musikkunst im Fremdsprachenunterricht. Zwischenbilanz und Handreichungen für die Praxis. In der Reihe: Blell, G., Hellwig, K., Kupetz, R. (Hrsg.): Fremdsprachendidaktik. Inhalts- und Lernerorientiert. Band 12. Frankfurt/Main: Peter Lang. [Aussprache: S.67-68]
Derwing, T. M. (2008): Curriculum issues in teaching pronunciation to second language learners. In: Hansen Edwards, Jette G. / Zampini, Mary L. (Eds.): Phonology and Second Language Acquisition. Amsterdam, Philadelphia: John Benjamins Publishing Company, 347-369.
Dieling, H., Hirschfeld, U. (2000): Phonetik lehren und lernen. Fernstudieneinheit. München: Langenscheidt.
Fischer, A. (2007): Deutsch lernen mit Rhythmus. Der Sprechrhythmus als Basis einer integrierten Phonetik im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Methode und Material. Leipzig: Schubert.
Hirschfeld, U. (1995): Phonetik im Unterricht Deutsch als Fremdsprache: Wie der Lehrer, so der Schüler? In: Fremdsprache Deutsch 12/1995 – Aussprache, 6-10.
Jäncke, L. (2012): The relationship between music and language. In: Front. Psychology 3:123. doi: 10.3389/fpsyg.2012.00123.
Kroemer, S. (2001): Intonation und Aussprache. Bestellbar unter: www.aussprachetraining.de (Materialien)
Slevc, L. R., Miyake, A. (2006): Individual differences in second language proficiency: Does musical ability matter? In: Psychological Science 17, 675-681.
Tallal, P., Gaab, N. (2006): Dynamic auditory processing, musical experience and language development. In: Trends in Neurosciences 29, 382-370.