New Yorker Tagebuch III 2022 - VI 2022

29.Juni


Koffer sind gepackt, Prüfungen verschoben, Lügen repariert. Übermorgen zurück nach Europa, Europen. Meine Frau hat ein Haus in Cambridge gefunden und alle nötigen Vorbereitungen getroffen.

Abhilfe schaffen gegen allerlei Widrigkeiten. Wie Prüfungen.

("In akademischen Prüfungen versichert sich niemand der Bildung seines Gegenübers, strebte sie gar je an, sondern der wechselseitigen Abfragbarkeitssubstanz der Matrix einer asymmetrischen Kommunikationsform." Niklas Luhmann)



Hüte dich vor dem Verklären

der Deppen und der Nichtbinären.


Kennedy Airport. Bloody Mary. "..., wobei er aber nicht vergass, aus alter Gewohnheit eine abgenutzte Stiefelsohle einzustecken, die auf der Bank herumgelegen hatte." Gogol, Der Wi.

Gogol, den ich mir immer als Klaviertrio vorgestellt habe, müsste man gewesen sein.

Fortsetzung folgt bald hier:


https://sites.google.com/view/universitaetbockwurst/cambridger-tagebuch


25.Juni 2022


Zwischen Werther- und Papagenoeffekt: Eric Parisot im Journal Eigteenth-Century Fiction (Vol. 34 Issue 4 Summer 2022) über George Colemans (der Ältere) Komödie The Suicide.



corrigenda minora


Aus unserer Leserschaft erreicht uns der Hinweis, dass die romantische Aufladung und Transformation oder Verklärung von "Waldgespräch" in "Waldesgespräch" ohne Zweifel von Robert Schumann vorgenommen ward, s. "Waldesgespräch" im Liederzyklus op. 39.

Darüber hinaus hat Schumann noch weitere Eingriffe in den Eichendorffschen Text für nötig befunden, wie etwa die Änderung von "Stein" zu Fels" in der letzten Strophe der Ballade.

In der Ausgabe der Gedichte und Versepen Eichendorffs, die Hartwig Schultz bei Suhrkamp besorgte, heisst es wieder "Waldesgespräch", S. 69.

Textkritik hat keine Balken!

Eingangspost:


1

Gesendet: Freitag, 24. Juni 2022 um 21:33 Uhr

Von: "ralf frodermann" <ralf.frodermann@gmx.de>

An: holunder@uni-bockwurst.edu

Betreff: notiz an dr. holunder (z.zt. new york)

das periodicum german life and letters veröffentlicht vor der drucklegung einen aufsatz sebastian kaufmanns zu nietzsches genie-begriff: das genie im schaffen nietzsches

zu beginn der arbeit im deutsch des seminaristen bzw. prospektiven oberstudienrates einer vorzeit lesen wir:



‘Ich laufe auf zerrissenen Sohlen’,

schrieb dieses große Weltgenie

in seinem letzten Brief, dann holen

sie ihn nach Jena – Psychiatrie. (Benn 1986, S. 169)

"Mit dem bestechenden – fast möchte man sagen: genialen – Reimpaar ‘Weltgenie’/ ‘Psychiatrie’ schreibt sich Benns lyrisches Nietzsche-Porträt in die Topos-Geschichte der Verschränkung von Genie und Wahnsinn ein, deren Wurzeln bis in die Antike zurückreichen und die zu Nietzsches Zeit eine neue Hochkonjunktur hatte – weit über das Schaffen Nietzsches, der diesen Topos ebenfalls mehrfach thematisiert, hinaus."



das reimpaar Weltgenie/Psychiatrie kann nur dem "bestechend" oder gar "genial" dünken, dem es an bezug zur dichtung benns - und vermutlich aller übrigen - ganz und gar mangelt.

denn das reimpaar ist nur läppisch und entbehrt nicht des kalauerhaften bierseliger primanerverse, lässt eher an den paukboden denken als an arcadia und steht weit unter

wilhelm busch und fernab heinz erhardts.

benns lyrische produktion ist an keiner stelle ganz frei davon.




2


Gesendet: Samstag, 25. Juni 2022 um 08:21 Uhr

Von: "ralf frodermann" <ralf.frodermann@gmx.de>

An: andre.kieserling@uni-bielefeld.de

Cc: aabbott@uchicago.edu, holunder@uni-bockwurst.edu

Betreff: Ihr beitrag in frankfurter allgemeine sonntagszeitung 26.juni 2022


guten morgen herr prof. kierserling,


besten dank für Ihre o.a. zusammenfassung einer älteren arbeit dr. abbotts zur leseökonomie gelehrter musenfreunde, akademischer geisteswissenschaftler, drolliger privatgelehrter mit graecum usw. im zeitalter ihrer überflüssigkeit.

zweck der humaniora ist seit langem der nachweis ihrer notwendigkeit, der freilich nicht erbracht werden kann, trotz ständig steigender publikationen.

einschlägige diskussionen müssen an dieser stelle nicht aufgewärmt werden.

es genügt der hinweis, dass mit der hekatombe der human sciences bereits gerechnet wurde.

dagegen ist die lesekapazität, das also, was ein einzelner wissenschaftler oder eine kohorte von ihnen noch intellektuell ventlilieren kann oder dass imer weniger dieser leute mit einer anstellung an universitäten rechnen können, seit generationen irrelevant.

viel wichtiger sind bekanntlich zettelkästen, dateien, zitate-friedhöfe etc.etc. kurz: topik immer weniger, gut vernetzter, d.h.

vitamin b - affiner mitläufer, die sich auf komplexitätsreduktion verstehen.

klappern gehört zum handwerk und nirgendwo ist das klappern wichtiger als dort, wo

der ladenhüter als schnäppchen angepriesen wird und doch unverkäuflich bleibt.

"Dass aber zum Autor einer Wissenschaft tauge, wer zum Lesen ihrer Texte nicht kommt, wird niemand erwarten", schreiben Sie unter anderem.

nur ein solcher, halten wir für ausgemacht, kann in seinem fach noch reüssieren.

publish or perish? die frage stellt sich den zwergen, die auf den schultern von zwergen stehen, nicht mehr. als "inkompetenzkompensationskompetenz" bezeichnete deren spielbetrieb vor jahrzehnten der gemütliche

dampfplauderer von der lahn, odo marquard.


beste grüße


Ralf Frodermann


Nota bene:

Björn Krey: Textarbeit. Die Praxis des wissenschaftlichen Lesens, 2020



Vorbereitungen für Umzug nach Cambridge in einer Woche. Hatte mich gerade wieder eingelebt.



24.Juni


Bei Durchsicht der jüngsten Lieferung des Goethe Yearbooks (Vol. 29. 2022) der nordamerikanischen

Goethe-Society stutzt man über die Wiedergabe des Titels einer Eichendorffschen Ballade

im Titel eines darin enthaltenen Aufsatzes von

Birgit A. Jensen: The Witch in His Head: Rupturing the Patriarchal Discourse in Eichendorff's Ballad "Waldgespräch".

"Waldgespräch" ist allenfalls Fachgespräch, zwischen Försterin und Förster, Hase und Igel, Rotkäppchen und Wolf.

"Waldesgespräch", archaisierend poetisch, lautet Eichendorffs Balladentitel, der das romantische Gefühl in nuce wiedergibt.

Ex: Erwin Aberfett: Sag niemals nie. Alte Possen in neuen Glossen.

# bockpress# ( voraus. 2023)




Bei Camelot:

Serapionsbrüder und Davidsbündler

Zwar sind die pädagogischen Empowermentprovinzen (Privatschulen, Internate etc.) überfüllt, doch gilt dort wie überall gleichwohl immer noch: Wem es aber nicht gelungen, eines Freundes Freund zu sein, stehle weinend sich aus diesem Bund o.ä.



"Maschinen nehmen den Menschen nicht die Arbeit ab, sondern die Freizeit."

Heiko E. Dohrendorf


Kündigung

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit setze ich Sie höflichst über meine Kündigung zum Ende des kommenden

Monats in Kenntnis.

Ein unerwarteter Geldsegen versetzt mich in die Lage, mein Leben fortan ohne

jegliche Störungen fortsetzen zu können.

Arbeit war mir seit der Jugendzeit ein Gräuel, eine unerwünschte Asthenie, von der ich

jetzt kuriert bin.

Mögen Sie baldmöglichst die kleine Lücke schließen können, die Ihnen durch meinen

Weggang entsteht.

Hochachtungsvoll

Mathilde Giftschnabel

aus: Rainer Giftschnabel (Hrsg.):Die Briefe o. J. meiner Mutter Mathilde.

(= Literaturgeschichte der Kündigung. Band 122)

Mit einer biographischen Skizze von Bobby Holunder. #bockpress# 2022

(im Erscheinen)




Genderdebatte: Sexismus für Fortgeschrittene.





22.Juni


Sale

"Gemeinschaft auf Todeshöhe":

Tönnies, Heidegger, Blanchot und deutsches Berührtsein

Notiz zu Martina Bengerts "Berührung auf Todeshöhe: Maurice

Blanchots Uneingestehbare Gemeinschaft

(Bataille, Nancy, Duras)"

in: Arcadia. Band 57. Heft 1 Juni 2022

Deplorable Antihermeneuten in der Nachfolge des notorischen Gerd Bergfleth (Dithmarscher Schule)

führen einen Diskurzwarenladen deutscher Ideologie, dessen Produkte heutzutage im akademischen

Sonderangebot sind, weil ihr Haltbarkeitsdatum längst abgelaufen ist. Dies ist der Grund dafür, dass

die Lektüre solchen Schrifttums weder Lust am Text noch Erkenntnis erzeugt.

Akademisches Bodenpersonal vom Schlage der Autorin des in Rede stehenden Elaborats

versieht mit aller Sorgfalt ihren Dienst, nachdem es in der Lektüre unzähliger Merve-Bändchen, Fachorgane

wie Oxford Literary Review und diacritics sowie im Dekonstruieren in vivo auf einschlägigen

Tagungen nachhaltig ausgebildet wurde.




Busspsalm / Fragment nach Francois Villon bzw. Thomas Kyd

Ich hab der Lust mit Lust gefrönt,

Mit Weibern um die Wett' gestöhnt,

Dem Herrgot keinen Tag gestohlen,

Und jederzeit ganz unverhohlen

Dem Gauch und Geck bedeutet barsch:

"Du Hundsfott, du? Leck mich am Arsch!"







20.Juni 2022


Recusatio

im Traum schrieb ich ein Tiergedicht,

doch das Gedicht gelang mir nicht,

legt' Hand an dann ans Dinggedicht,

bei Kritikern verfing es nicht.

Gedichte sind doch Dinge, nicht?

Solang sie singen, sind sie Licht,

ihr Klang gibt ihnen ihr Gewicht,

auf lange Zeit, auf kurze Sicht.



Rhetorik der Rotisserie

Die akademische Preisfrage der Universität Bockwurst 2022:


"vielleicht dämpft Belesenheit die Originalität ja nicht, wenn man sich

in Einklang mit der Muse befindet."

Robert K. Merton, Auf den Schultern von Riesen

dt. Suhrkamp 6. Auflage. 2021 S.145 Fussnote 1

Ernährt das Einpökeln und Salzen, das Balsamieren und Frittieren, kurz:

die Arbeit der Philologen in den akademischen Imbissständen der

einsamen Masse noch seinen Mann (m,w,d)?

Einsendungen bis zum 23.Juni 2022.

Büro Holunder

i.A.

Ralf Frodermann




Das The Poet's Poet-Paradigma nach dem Erscheinen der Neuausgabe der Alexandra des Lycophron (gr./dt. ed. Horn 2022)

neu aufwärmen! Doch wann??





18.Juni 2022


Semper idem:


Gesendet: Samstag, 18. Juni 2022 um 07:33 Uhr

Von: "ralf frodermann" <ralf.frodermann@gmx.de>

An: Boris.Holzer@uni-konstanz.de

Cc: Linda.beck@uni-goettingen.de, Linus.westheuser@hu-berlin.de, holunder@uni-bockwurst.edu

Betreff: Ihr Beitrag in Frankfurter allgemeine Sonntagszeitung 19. Juni 2022

Sehr geehrter Herr Prof.Holzer,


besten Dank für Ihr kurzes Referat des Artikels von Beck und Westheuser "verletzte Ansprüche. zur Grammatik des politischen Bewusstseins von Arbeiterinnen." In: Berliner Journal für soziologie

Vol. 32. issue. 1. 2022


marienthal ist überall. Das muckertum der Arbeiter und Angestellten ist seit Erich fromms

untersuchung "Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten reiches" hinreichend analysiert.

S. Auch:

https://www.jstor.org/stable/23608829


Wichtiger als die Ihre aufwärmung wohlfeiler phrasen a la "gesellschaft, die sich durch bemerkenswerte gleichheit wie durch dramatische Ungleichheit auszeichnet" usw. usw. sowie unkritisch-kritischer äquidistanz dürften im vorliegenden Zusammenhang Interventionen wie etwa die folgende sein:

https://www.kosmoprolet.org/de/28-thesen-zur-klassengesellschaft


beste Grüße

Ralf Frodermann

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Sich im Spätkapitalismus über Armut zu beschweren, ist halbherzig.

Als wollte man es ablehnen, sich in einer Welt der Lüge am Betrug

und am Betrügen schadlos zu halten.

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fensterlos für sie

"die strasse die fenster die gardinen"

Gerhard Rühm, das fenster. Rowohlt 1968 s.35


"Fenster öffnen Gebäude."

Rolf Selbmann, Das Fenster. Zur Literaturgeschichte eines Mediums

Euphorion, 103. 4. 2009. S.485

osmotische schwelle / passierbar den blicken

sicht und blick / ahnung der ferne

im nahen / ungesehen sehend

sehenden auges ermatten vom sehen






Bloomsday 2022

Breviarium oder: das philologische Senkblei

1


"und das Böse wird nie ärger / als so man das Gute dazu anwendet."

Ersasmus Francisci, Der Höllische Proteus (X / Der vermeynte Gott im Kasten)


"Der stets das Böse will und stets das Gute schafft"

Goethe, Faust I


2

Volksballade und Ballade / "Es waren zwei Königskinder " und Schillers "Hero und Leander"



14.Juni 2022


Umzug beschlossene Sache! Nach Semesterende nach Cambridge. Meine Gattin reist schon am Wochenende. Hotelrechnung vermutlich astronomisch. In England bei Freunden. Im kommenden Herbst besser nicht daheim!


Neues vom Pedell, der im Rektorat die Stellung hält:


Gesendet: Dienstag, 14. Juni 2022 um 10:07 Uhr

Von: "ralf frodermann" <ralf.frodermann@gmx.de>

An: S.traenkle@fu-berlin.d

Ge, Mathias.mayer@philhist.Uni-Augsburg.de

Cc: holunder@uni-bockwurst.edu

Betreff: ad notam

Erste Sätze


In zwei eben erschienenen geisteswissenschaftlichen Publikationen reibt man sich

schon nach Lektüre des jeweils ersten Satzes die Augen, Ungutes ahnend:

In "Nichtidentität und Unbegrifflichkeit. Philosophische Sprachkritik nach Adorno und Blumenberg."

Frankfurt a. M., 2022 heißt es zum Auftakt:


"Obwohl Theodor W. Adorno und Hans Blumenberg zu den großen philosophischen Briefschreibern des 20. Jahrhunderts zählen, haben sie nur ein einziges Mal miteinander korrespondiert." Ibid. S.7


"Und? - Obwohl W. C. Fields und Gerhart Hauptmann zu den großen philosophischen Säufern des 20. Jahrhunderts zählen, haben sie sich nie gemeinsam besoffen", möchte man da entgegnen.

Und Mathias Mayers Studie "Platons Macht über die deutsche Literatur" Frankfurt a. M., 2022 hebt im längst morsch gewordenen, soignierten Ton des Festredners an:


"Er gilt als einer der unangefochtenen Galionsfiguren des abendländischen Denkens." Ibid. S.7

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(Blumenberg bevorzugte bekanntlich die Korrespondenz mit Carl Schmitt und Platon als "Er" einzuführen wie einen Stricher aus der Bronx, na ja. Hatte unser Pedell wohl die richtige Nase! Dennoch: Nicht an Frodermann denken!)




"in der mediokratie kriegen dumme geld für ihre dummheiten. sie glauben daher zu recht, was man ihnen sagt: dass sie klüger sind als die intelligenten, denn

die sind arbeitslos. intelligente stören den betrieb und fliegen raus. sie zweifeln also zu recht an ihrer intelligenz."

christian freiherrr von auchjauche, gesprächsweise gestern am Telefon


Effekt machen

Jeder Narr hält sich für klüger,

Diagnose: Dunning-Kruger.

Ist er wirklich einmal klüger,

bleibt's bei Dunning & Doc Kruger.

Durch Fraß und Suff wird keiner klüger,

laut Dr. Dunning und Doc Kruger.

Hast du genug vom Klügersein,

Bind' dir Dummheit nicht ans Bein!






12.Juni 2022


Zur alten Leier vom sozialen Rollenspiel, der moralischen verpflichtung dämlich zu sein usw.:


Gesendet: Sonntag, 12. Juni 2022 um 01:51 Uhr

Von: "ralf frodermann" <ralf.frodermann@gmx.de>

An: andre.kieserling@uni-bielefeld.de

Cc: holunder@uni-bockwurst.edu

Betreff: Ihr Beitrag in der Frankfurter allgemeinen Sonntagszeitung heute

"Die leibhaftige oder literarische Gegenwart nur weniger Menschen erlaubt es uns Dummen, unserer Dummheit inne zu werden."

Christian Freiherr vonn Auchjauche (Sartor Resartus II)


Sehr geehrter Herr Prof. Kieserling,


Vielen Dank für Ihren o.a. Beitrag anlässlich des 100.Geburtstags erving goffmans.


Goffmans Schriften zählen zweifellos zu jenen vulgärsoziologischen schnurrpfeifereien,

welche ihre Herkunft aus der antiken Moralistk und Skepsis, dem Shakespeare und dem schopenhauer der "aphorismen zur Lebensweisheit" nicht verleugnen können.

vom theatrum mundi zum theatrum societatis ist es seit eh und je nur ein Katzensprung gewesen. und das wohlfeile Geschwafel von dem gespielten und scheinhaften gesellschaftlichen verkehrs Kann ohnehin keiner mehr hören, so fade zutreffend es im soziologischen propädeutikum noch hin und

wieder sein mag. bündiger Lionel Trollinger zum Ende seiner Vorlesung "das Ende der Aufrichtigkeit":

"Den Lügen einer entfremdeten sozialen Realität begegnet man durch eine psychopathische Steigerung zur Göttlichkeit, wo jeder von uns Christus wird, aber man nimmt nicht die Mühe aufsich, einzugreifen., Opfer zu sein, mit Rabbis zu streiten, zu predigen, Schüler zu gewinnen, auf Hochzeiten und Begräbnisse zu gehen, irgendetwas zu beginnen und an einem gewissen Punkt festzustellen, dass es zu Ende ist."

hochachtungsvoll

Ralf Frodermann

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Vorlieben:

"Lieber die tastenden Versuche des Schöpfers als die Kohärenz des Chefs."

Raoul Vaneigem, Das Buch der Lüste (dt. 2022 S.144)

"Lieber der Blinde, der aus dem Fenster pinkelt, als der Spassvogel, der ihm weismacht, er wäre auf der Toilette."

Philippe Noiret in "Der Saustall" (1981)

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Wetter unerträglich. Wir müssen wieder an die See! Aber an welche?



9.Juni


Notiz für WS 22/23:


Halbvergessener Streit:

a:

Materialismusstreit

b:

Positivismusstreit in der deutschen Soziologie


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Jahrbuch der Schütz-Gesellschaft 2020. Bin ich da noch Mitglied?



8.Juni


Verlassen wir das bequeme New York? Mitten im Semester? Unsere virtuellen Veranstaltungen laufen besser als erwartet. Nicht der geringste Vorzug dieser Unterrichtsform liegt darin, dass weder Rauchverbot noch Gendergebot zu herrschen scheint.

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Fabeln ohne Fazit (apokrypher Appendix 4)

Der Bücherwurm im Badeort

Ein Bücherwurm war ins Seebad gereist, um sich von den Strapazen seines Berufs zu

erholen. In einem Freudenhaus (Bellevue) ließ er sich kurz nach seiner Ankunft zunächst den Kamin durchblasen, um einen freien Kopf zu bekommen.

Büchereien und Bibliotheken mied er, ebenso Tageszeitungen und Journale.

Er trank vom örtlichen Brunnenwasser und verließ sich im übrigen auf seine robuste Gesundheit. Ansichtskarten, die er regelmäßig überfrankierte und vordatierte, schickte er an seine Frau und Töchter. Er kurte, will sagen: er warb um sich.

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1972 erschien Bernard Williams' "Morality. An Introduction to Ethics"

Darin gegen Kant:

"Was immer der allgemeine Nutzen einer bestimmten Regel sein mag -

sobald feststeht, dass der Nutzen eines Verstoßes gegen sie im Einzelfalle

grösser ist als ihre Befolgung, wäre es einfach irrational, nicht gegen sie

zu verstoßen."

Bernard Williams, Der Begriff der Moral. Eine Einführung in die Ethik.

dt. Reclam 1978. S.105

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Notiz für WS 2022/23:


Vergessener Streit

a:

Querelles des Anciens et des Modernes


b:

Paragone

Streit der Künste. (Benedetto Varchi ital./dt. ed. Baetschmann 2013)




7.Juni 2022


"Starschnitt 2691//Dresdner Nachtigall an Stangenspargel":

Zu Durs Grünbeins "1962"- Pofel (FAZ 3.Juni 2022)

"Und ich kenne den Kleinen"

Peter Weiss, Das Gespräch der drei Gehenden


Variation 1


Im Abtritt brennt noch Licht

Das ist das Jahr des Leims,

auf den er sich geht,

ein Jahr der Selbstüberwältigung.

Der Hochstapler und das Altern.

"Nicht mit sechzig, Honey"

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt,

ein Arschloch, wer's ans Glöcklein hängt.

Variation 2

"Zeihe mich der Torheit nicht" / Kanon

(nach der Melodie "Das dreissigte Jahr" von Ingeborg Bachmann)

ein jahr und jahre kommen,

davon gar sehr benommen,

klopf herb ich auf die schulter mir,

und schmücke mich zu eurer zier.

Variation 3

Der/Die/Das Wurststrudeljahr / Deutschlehrerlyrik

Vor seiner Schmockähnlichkeit wird ihm

gewiss nicht bang,

vertraut aufs mittelmaß

sein lebtag lang,

bleibt kühn vor jeder pfütze steh'n,

dankt jedem spieglein brav für's

wiederseh'n.





Variation 4

Das Jahr halber Halbbildung & gänzlicher Verblödung

norbert c. kaser:

im fruehlingseifer

schrei’n die voegel

im schnee den schnee

hinweg

er faellt & es ist kalt

in ihre

zwiebel

sicher

zieh’n sich

meine dichter-

narzissen zurueck


130478 fuer erika


Epilogierend:


Ziemlich ein Gott,

die - wörtlich -

weibliche Leere. /ernst meister)



6.Juni


Ad Auferstehung:

Christus und der Vogel Phönix im antiken Physiologus.



Der Bock und die Häsin (Fabeln ohne Fazit - "Apokrypher Appendix 3")

Es begab sich, dass ein junger Bock wegen Beleidung seiner Vermieterin vor einem Gerichtshof erscheinen musste. Diese war eine alte, zänkische Vettel, welche ihre vier Ehegesponse glücklich unter die Erde gebracht hatte.

Der junge Bock hatte sie frech eine "männermordende Dörrpflaume" geheissen.

Den Vorsitz des Prozesses führte ein erfahrener Eberrichter, dem die Verhandlungsführung nach kurzer Dauer aber entglitt.

Er zeigte sich den Einlassunen der Klägerin gegenüber alles andere als zugänglich, verzichtete sogar auf ein salomonisches Urteil und verließ fluchend, einen Bann über die Häsin ausstoßend, überstürzt das Gerichtsgebäude, um niemals wieder

über die Niedrigkeit richten zu müssen.




2.Juni 2022


die Blümelein mit Tränen rein

hab ich sie all begossen

In stiller Nacht (Passionslied)

Lavant und Lehnert

Christian Lehnerts Gedichtband "Opus 8" (Suhrkamp 2022) - in der gestrigen Ausgabe der FAZ von einem mitfühlenden Schmock gefühlvoll rezensiert - ist das jüngste Produkt

aus der allerseelenbeschälerischen Hülsenmanufaktur in der Nachfolge Christine Lavants.

Die Liebe dieser Leute zur Poesie bleibt in aller Regel unerwidert und verkümmert zur Pose.

Ihr poetologischer bzw. lyrikologischer Ort ist der Mauvismus. Geometrische Schädelstätten solchen Geistes bilden Akademien und Hochschulen, welche den Unfug nach Kräften auszuzeichnen pflegen, in der üblen Hoffnung, deren Talmiglanz affiziere auch ihre eigene, morsche Welt.

"Wenn es die Amsel nicht war, war es die Agelaster."

Christine Lavant, Kreuzzertretung. Gedichte Prosa Briefe. Leipzig, 1995 S.13

Und war es die nicht, dann ja wohl die Lerche!



Über Pfingsten sind wir nicht in der Stadt. Treffe einige Studenten in Amherst. Hoffentlich behalten die ihre Zungen im Zaum!



In Shakespeares "Wintermärchen": die Menschen sollten im Alter zwischen zehn und dreiundzwanzig Jahren besser nur schlafen.


29.Mai


Frodermanns notorisches Sonntagssoziologenbashing am Samstag:


Gesendet: Samstag, 28. Mai 2022 um 08:38 Uhr

Von: "ralf frodermann" <ralf.frodermann@gmx.de>

An: Boris.Holzer@uni-konstanz.de

Cc: daniel_hirschman@brown.edu, holunder@uni-bockwurst.edu

Betreff: Ihr Beitrag in Frankfurter allgemeine sonntagszeitung 29. Mai 2022


"Wo immer das Privateigentum, auch in wenig entwickelter Form, besteht,

trägt der Wirtschaftsprozess den Charakter des Kampfes zwischen Menschen

um den Besitz von Gütern."


Thorstein Veblen, Theorie der feinen Leute. (dt. dtv 1981 S.34)


guten Tag Herr Prof. Holzer,


vielen Dank für Ihren o.a. Beitrag.

wie üblich wollen Sie einige diesbezügliche Intuitionen unsererseits gestatten.

dass die reichen immer reicher werden und die depossedierung der armen und halbarmen rüstig voranschreitet, ist auch unter empirischen Soziologen wie den von Ihnen im o.a. Beitrag erwähnten keine Neuigkeit mehr. soziologische unschärferelationen, mangelhafte Codierung einschlägiger Parameter usw. sind vermutlich nicht nur in einer antagonistischen, "klassenlosen klassengesellschaft" (Adorno) üblich.

Jenen Befund aber so kritiklos wie indolent zum besten zu geben, bleibt doch eine Domäne des sonntagssoziologen.

Best

Ralf Frodermann



Verlagsankündigung #bockpress#:


Feuer, Pfeife, Stanwell / Himmel, Arsch und Zwirn / Stadt, Land, Fluß:

Trinitarischer Schnickschnack

Augustinus in memoriam


Nachdem 2015 "Das Wahre, Schöne, Gute: Aufstieg, Fall und Fortbestehen einer Trias".

von Gerhard Kurz und von Herfried Münkler 2021 "Marx, Wagner, Nietzsche.

Welt im Umbruch" erschienen waren,

gibt nun Rüdiger Görner dem triadischen Affen Zucker und macht so den Dritten der

Drei von der Denkstelle Triplizität:

Beethoven, Hegel & Hölderlin at 250. Thoughts on the presence of triadic structures in

their works. (Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. 1 2022)


In einer aktuellen Studie analysiert Robert Holunder "gefälliges Schreiben".

Kurz, Münkler & Görner sind ihm dabei Gewährsleute, Adornos Vorlesung

"Fragen der Dialektik" aus dem Wintersemester 1963/1964 bildet den

theoretischen Echoraum und Nikolaus Lenaus Gedicht "Die Drei" den Soundtrack

einer veritablen Polemik.





26.Mai 2022


Aus unseren Sphragis-Studien:


Frodermanns Auftaktgedicht seines Zyklus "Sport und Tiere" - es müsste der Tradition nach an dessen Ende stehen - lautet:

Der Biber des Teams, der Teambiber sah,

Dass er der Sieger des Abends war.

Dem Tier schien daran nichts gelegen,

War es doch froh der Mannschaft wegen.


Die gelungene Interpolation des Autornamen im letzten Vers - froh-der-Mann(schaft) -markiert den Höhepunkt der animalischen Sportlyrik. Offenbar kennt ihr Autor die Tiere gar nicht und so geht es gleich von Anfang an zügig bergab mit seinem Tand.


https://sites.google.com/site/universitaetbockwurst/schreibwerkstatt-ehem-syndikat-f%C3%BCr-prosa-nachschub/sport-und-tiere-svend-fleuron-k%C3%A4fig





24.Mai


Fabeln ohne Fazit (XXXIX-XL)


Stimming des Salamander

Eine Erbschaft hatte den Salamander träge werden lassen. Jeden Tag

frass er Unmengen von Eis und roter Grütze. Seine Harnwerte explodierten.

Sein Geld stimulierte ihn nicht mehr, sein Geist hatte das noch nie vermocht.

Er würde bald klug genug sein aufzugeben. Was mit Geld nicht funktionierte,

würde ohne Geld erst recht nicht funktionieren (argumentum a maiore ad minus).






22.Mai


Fabeln ohne Fazit (XXXVI-XXXVIII)


Die Wasserelse und der Sündenbock

Eine Bachstelze, die von aller Welt nur "Wasserelse" genannt wurde, stand in dem

Ruf, eine gute Partie zu sein. Auch dem örtlichen Sündenbock war dieses Ondit

zu Ohren gekommen, und bald schon begann er um sie zu werben.

Die Wasserelse, hocherfreut über die Hofmacherei des stadtbekannten Bocks,

begann sogleich damit, ihn überall zu verleumden.

Zu welchem Zweck? Das wusste sie selber noch nicht, doch dass dieser ein ihr vorteihafter sein und sich zur rechten Zeit einstellen werde - dessen war sie gewiss.


Die Haubenlerche

Dr. Donatus Rapier, Rechtsanwalt und Notar, zählte zu den Lerchen alter Schule.

Jedenfalls sagten das alle, die ihn näher kannten. Nüchtern, wie die meisten Anwälte,

verzichtete er aufs Fliegen und Nesterbauen.

Er lebte in seiner Kanzlei und war froh, dass niemand ein Recht darauf besaß, ihn nach

seinen Verhältnissen zu befragen, kannte er doch die wenig erfreulichen Seiten des

Fragens zur Genüge.

Sich selber stellte er ausnahmslos rhetorische oder suggestive Fragen.



Der tolerante Fasan

Ein Fasan wartete schon sehr lange auf ein neues Herz, sein altes war hin.

Zwar war seine Lage ernst, dennoch ließ er anderen den Vortritt, überliess

ihnen ein ihm zugedachtes Spenderherz. Seine Großherzigkeit ermunterte

alle, die ihn kannten und man nannte ihn bald nach seinem Hinschied

"den gütigen Herzspender".



"Die Wichtigtuerei ist heute automatisiert, oft etwa in Form und Inhalt der sog. Abwesenheitsnotiz im Mailverkehr akademischer Tagelöhner.

aus: Christian Freiherr von Auchjauche:

"Nicht da" - Kleine Phänomenologie der Abwesenheitsnotiz




Der Aufsatz "Furien, Vetteln, Powerfrauen" war kaum erschienen, schon sah sich seine Autorin einem veritablen Shitstorm ausgesetzt.

Nicht jeder akademische Lehrer ist ein Doctor eximius wie Frau Dr. Froberger.

Zum öffentlichen Vortrag taugen viele nicht, die Studenten bemerken

das sofort, murren aber nur selten auf.

Ein stilles Einvernehmen hallt durch ihre Köpfe: "Aha, wieder eine

andere Null, was soll's."


aus:


Universität Bockwurst

Ein Campusroman (in progress)



(Anthologia Graeca 7,669)



19.Mai


Lesenswertes Kabinettstück:

Valentin ein verhinderter Ehrenmörder?

Zur Psychopathologie von Gretchens Bruder

in: Christian Freiherr von Auchjauche:


Schwesternbücher. Studien zur weiblichen Literatur. #bockpress# / im Erscheinen



Fabeln ohne Fazit (XXXIV-XXXV)


Ente und Wolf im Haderbuch

Vor Gericht stand einst ein Wolf, dem Notzucht und Ermordung einer Ente

vorgeworfen wurde. Verwandte derselben, nebst anderem Federvieh, wohnten

der Verhandlung klopfenden Herzens als Zuschauer bei.

Der Richter, ein würdiger Eisbär, der an der Gicht litt und die neueste Auflage

eines bewährten Standardwerks zur Strafprozeßordnung besorgte, unterbrach

nach kurzer Zeit die Verhandlung, um sich zwecks Verzehrs eines großen Lachssalates in

sein Amtszimmer zu begeben. Bald jedoch traf ihn dort der Schlag, und so verschlang

höhere Gewalt wölfische, denn der Wofl wurde aus gottesgerichtlichen Gründen

noch am selben Tag begnadigt.



"Was sich auf einmal umreißen läßt, braucht man das erst zu erschüttern?"

Lessing, Abhandlungen über die Fabel


Der Hirschkäfer

Helmut Schröter, ein pensionierter Hirschkäfer aus dem Rheingau, war

eben kein Freund von Traurigkeit. Viele Jahre war er Schulmann und Lehrer

gewesen, hatte die Ferien genossen und sah wenig Sinn darin, die Reichweite

seiner Schmerzen genauer zu vermessen als die Tiefe seines Glücks.

Er starb wie er gelebt hatte: zuversichtlich und schuldenfrei.





17.Mai


res severa gaudium verum / Humor ist kein Witz. "Punica novissima". Unser neues, komisches Epos nach Silius Italicus. Inspiration im Central Park. Lachen, weinen, trinken.



Fabeln ohne Fazit (XXXIII)


Storch als Othello


Ein Storch hatte in blindwütigem Hass seiner Frau und ihrem vermeintlichen Liebhaber, einem beschäftigungslosen Flamingo, mit einem Opinel die Hälse durchschnitten.

Von dem wahren Liebhaber der Störchin war er dazu angestiftet worden. Jener war

nun aller Sorgen des Entdecktwerdens ledig und konnte sich für den Rest seiner Tage in Sicherheit wiegen.

Der Storch aber, der zum Mörder geworden war, musste niemals die Reue schmecken

lernen.


14.Mai


Früher Maileingang des Kollegen Auchjauche. Nette Sottisen:

"Uwe Tellkamp interessiert mich nicht. Neuer Stephan Hermlin: außen Waschkies, innen Mörtel. Das fast einhellige Verdammungsurtei seines neuen Roman "Der Schlaf in den Uhren" irritiert aber. Neben klammer Lobeshymne (FAZ heute), scharfer Verriss (FAS heute). Heerscharen von mediokren Mitläufern bemängeln bei Tellkamp unzureichende Leisetreterei. Lieber die Körner im Sand der Sanduhren zählen als den Blödsinn kritischer Tellkämperei lesen!" usw. usw.



Auch unser Pedell schon auf der Piste:



Gesendet: Samstag, 14. Mai 2022 um 09:33 Uhr

Von: "ralf frodermann" <ralf.frodermann@gmx.de>

An: andre.kieserling@uni-bielefeld.de

Betreff: Ihr beitrag in frankfurter allgemeinen sonntagszeitung 15.mai 2022

guten tag herr prof. kieserling,


besten dank für Ihre kurzvorstellung des buches von ruth palmer

("becoming the news" columbia up 2018) zur journalistischen praxis.

bitte gestatten Sie uns, wie gewöhnlich, einige diesbezügliche intuitionen zu formulieren:


seit karl kraus und truman capote ("in cold blood"), seit filmen wie "frontpage" - 1931, 1974 -, "citizen cane" -1941 - oder "all the president's men" - 1976 - ist der beruf des berufssschmocks entweder erledigt bzw. bis zur kenntlichkeit glorifiziert.

ob er seine quellen blamiert, verrät oder nur anzapft, ist unerheblich. er arbeitet exklusiv und ausnahmslos pro domo. darum überrschaschen die ergenbnisse der palmerschen studie nicht: der lohnschreiber ist anwalt, sein mandant ist die niedertracht.

best

Ralf Frodermann



Segeltörn mit Freunden aus Kansas.



13.Mai


Wasser, Wein und sauer Bier

(Auf den Knien von Zwergen, die auf Riesenschultern stehen.)

Den Streit zwischen Wasser und Wein in Harsdörffers "Trincirbuch" von 1657 (S.373) -

Frau Stockhorst erinnerte jüngst an das Werk (Euphorion Heft 1 2022) - ficht unsereins

jeden Tag aus.

So steht - und trinkt! - man zeitlebens auf den Schultern von Riesen. (Dazu Frau von Contzen, ebenfalls in der o.a. Ausgabe des Euphorion.)

Aus Koll. Aberfetts "Bänkelliedern":


An Weibern ich keinen Gefallen mehr finde,

sie fanden nie einen an mir,

wie ich mich drehe, wie ich mich winde,

sie reizen mich wie sauer Bier.



Fabeln ohne Fazit (XXIX-XXXII)


Ohne Titel


"Danke nein, ich bin kein Raucher",

sagte knapp der Haubentaucher;

sein Anwalt war der Prinz der Nieten,

an Güte nicht zu überbieten.

Ein Winkeladvokat und stets betrunken,

zur Lachplatte herabgesunken,

ein wasserscheues Nassgefieder,

Mandate legte er nicht selten nieder.

Sein Tun hielt alle Welt für Schein,

doch war er nur ein kleines Licht,

er blieb vor seinem Tod allein

und stören tat ihn das fast nicht.

Der Luchs und die Baumsekte

Ein Luchs, der sich in seiner Jugend der Baumsekte angeschlossen hatte, lebte auf dem Gelände der Gemeinschaft und arbeitete als Buchhalter für sie.

Wegen seiner Homosexualität wurde er niemals angefeindet, doch dass er die Bücher der Sekte so miserabel frisierte, nahm man ihm übel.

Er besuchte viele Seminare. Ein guter Betrüger wurde er nie.




Pavian und Ratte


Der Pavian stand vor Gericht. Angeblich hatte er einen Passanten aus seinem

fahrenden Sportwagen heraus beleidigt, er hatte ihn, so Zeugenaussagen, als "Neger" beschimpft.

Sein Anwalt erläuterte, dass sein Mandant "bekloppter Nager" gerufen habe und von Rassismus keine Rede sein könne.

Eine Ratte, welche als Nebenklägerin auftrat, brach in Tränen aus und musste ärztlich versorgt werden.




Nach einer Gellertschen Fabel


Der Transgender-Karpfen Süleiman F. hatte sich deshalb für die Geschlechtsumwandlung entschieden, weil ihre/seine Religion ihr/ihm ein Weiterleben als Frau unmöglich gemacht hatte.

Für die OP hatte die ganze Familie gesammelt. Trotzdem musste noch ein Kredit aufgenommen werden. Erst nach dessen vollständiger Rückzahlung fühlte sich Süleimam F. wieder wie ein Fisch im Wasser.





12.Mai


Fabeln ohne Fazit (XXVI-XXVIII)


Mistkäfer und Katze im Sack

Zur Weihnachtszeit brachte ein Mistkäfer gern Gäste in seine Wohnung mit, obwohl es seiner Schwester, deren Unter- und Aftermieter er war, gar nicht recht dünkte.

"Meinem Bruder kann ich nicht kündigen", sagte sie einmal seufzend zu ihrem Mann.

"Eigenbedarf?", fragte der gähnend. "Mit der Begründung haben wir ihn doch vor einigen

Jahren in die Wohnung hinein- und den Vormieter, diesen arbeitslosen Leguan aus Leer, hinausgeklagt."

Der heilige Abend war gekommen, die Gäste standen vor der Stube der Schwester

und sangen ein Weihnachtslied. Da musste sie bitterlich weinen und gab einem jeden

freundlich die Hand, zuletzt ihrem Bruder.

Der Schluckspecht und die gefoppte Schnepfe

Einem Schluckspecht, der das Handwerk des Saufens gründlich erlernt hatte,

gingen einmal die Ausreden aus. Da ging er in ein Hans-Guck-in-die-Luft-Bedarf- Geschäft, um sich ein paar auf Vorrat zu kaufen.

Der Verkäuferin, einer ungemein hässlichen Schnepfe, band er freilich einen

Bären auf, indem er von "Einkäufen für Freunde", "kognitive Dissonanzen" usw. daherfabulierte.

Weil diese so tapfere wie abstoßende Alte gewohnt war alles zu glauben, was ihre

Kunden erzählten, nahm sie auch dem Specht seinen Blödsinn gegen Bargeld ab.



Rhinozeros' Rhizom

Das Rhinozeros war alleinerziehend. Seine Frau, eine selbstbewusste Spätgebärende,

hatte ihn vor Jahren mit den beiden Söhnen an der "Wasserstelle des Jahres" zurück

gelassen und war mit ihrem Tai-Chi-Trainer durchgebrannt.

Seine Söhne liebte er morgens sehr, in der Nacht konnte er sich zuweilen ihrer

nicht erinnern.

Auf der Internatsschule machten sie sich gut. Gern bezahlte er die horrenden Gebühren.

(Paralipomenon / ablativus absolutus-Mappe)

Der Schließmuskel der Kritik

Kritik wird nicht mehr erdacht, sondern ausgeschieden. Ihr Zweck ist Lösung,

nicht Abschaffung. Damit sinkt sie herab zur Notdurft der bestimmten Negation.

Sie rechtzeitig zu erfühlen, qualifiziert heute zum Kritiker, Intellektuellen, Schriftsteller.




10.Mai


Aus der "Universalgeschichte der Niedertracht" (Borges), Abtlg. "literaturwiss.. Fachorgane (hier: The Germanic Review) - "mit dem Holzhändler Fries auf dem Holzweg" Erwin Aberfett:


Gesendet: Dienstag, 10. Mai 2022 um 06:56 Uhr

Von: "ralf frodermann" <ralf.frodermann@gmx.de>

An: "Willi Goetschel" <w.goetschel@utoronto.ca>

Cc: Ja3309@columbia.edu, O.simons@columbia.edu

Betreff: Kein Betreff

Lieber dr. Goetschel,


so sehr wir es begrüßen, dass Sie in der jüngsten Ausgabe der germanic review u.a. hölderlins

"communismus der Geister" und den alten zinketnagel exhumieren -


https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=alp-004:1926:0::1575. -


So befremdet sind wir zugleich über den Umstand, dass Sie es offenbar nicht für

nötig befanden, den durch Herrn Frieß im letzten Heft Ihres periodikums verbreiteten Unfug über walter Benjamin Zu korrigieren.

Der germanic review wird dadurch ein großer Schaden zugefügt, sie gilt weithin als kompromittiert.

An hölderlins Geist seines "communismus der Geister" hat sie sich allemal gründlich blamiert.

Best


Ralf Frodermann



Bibliografisches in der Columbia. Später Lunch im Plaza.



9.Mai


Unsere empirischen Studien zu "Lese- und Schreibhass" in Kürze abgeschlossen. Briefsteller kommen wieder in Mode. Verachtung der Schrift, des Lesers und der Skribenten.



Fabeln ohne Fazit (XXII-XXV)


Der schwelgerische Fasan

Wie alle übrigen Sünden galt dem Fasan auch die Sünde der Völlerei als lässlich.

Dem Vegetarismus hatte er bereits in seiner frühen Jugend abgeschworen, ein Pastramisandwich war sein Schulbrot, ein Glas Champagner sein Abendgruss.

Er predigte seinen Kindern die Lust zu leben, und sie glaubten, was sie sahen.

So fragten sie niemals nach mehr, kannten auch das Schenken nicht, hielten

niemals Ausschau nach Geschenken.


Die Mietnomade

Speck mochte sie nicht. Sie mochte Abwechslung. Sie suchte keine feste Wohnung, wie andere keinen festen Job suchen, sondern das Freelancen bevorzugen.

Die Made bezahlte Miete an Mieter, lebte nur einige Tage oder manchmal Wochen unter ihnen. Ihre bezahlten Gastgeber sahen sie nie und sie ignorierte diese Leute.

"Ach", dachte sie oft bei sich, "wären nur alle Maden so glücklich wie ich es bin."


Wie in den Träumen

ist niemand hinter dem Gesicht, das uns anblickt.

Jorge Luis Borges, Cambridge

Der alte Flamingo

Im Vorgarten der Greise sonnte sich der Flamingo. Hin und wieder

schlenderte er zur Bar, um sein Glas nachfüllen zu lassen.

Die anderen Heimbewohner schlossen untereinander Wetten ab, was er

wohl trinken würde. Mehr Unterhaltung gab es nicht mehr für sie.



Buridans Esel II


Die Fee stellte den Esel vor die Wahl: entweder fliegen können oder unsichtbar sein.

Er rang so lange mit sich, bis er fast verhungert war.

Die Fee war längst fort. Seine Freunde glaubten ihm die Geschichte manchmal, und

manchmal nicht.





7.Mai


Fabeln ohne Fazit (XIX-XXI)


Pavian ohne Paraklet

Wieder waren Gebühren fällig und wieder konnte der Pavian nicht bezahlen.

Nicht nur für die Gebühren reichte es nicht, den Unterhalt für seine beiden

Kinder - Noah und Emilia - war er seit Monaten schuldig.

Er war säumig, aber Hunger und Durst waren es nicht. Seine Bettelbriefe

an Bekannte und Familie blieben ohne Antwort. Man schämte sich seiner lieber.



Die fromme Qualle


Schon in der Schule war die Qualle sehr fromm gewesen. Durch sie hindurch pulsierte

der Meeresatem. Er ließ sie die Wiederauferstehung weniger ersehnen als der Wind

den Lebewesen auf dem festen Land. Sie war zu moderater Fassungslosigkeit erzogen

worden, so dass sie weder zum Befehleerteilen noch zum Befolgen von Befehlen taugte.

Gelegentlich entschuldigte sie ihre Frömmigkeit damit.

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Intermezzo: Fabel mit Fazit

Die Traubenfabel (2012)

Wieder einmal war der Fuchs im Puff. Da lauerten alle Weibsbilder auf seinen prall gefüllten Beutel, auf dass sie ihn melkten. Doch Reineken trank nur still seinen Schnaps und traf keine Anstalten, den Lockungen jener Sirenen und Lustweiber nachzugeben. Die wurden darob ganz betrübt, scholten ihn einen Saufaus und frugen: "Reineke, willst du denn heut‘ gar nicht von unseren süßen Trauben kosten, wie sonst oftmals?" Er aber brummte: "Heute hängen sie mir nicht hoch genug."

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Und freilich der Pedell Frodermann:


Gesendet: Samstag, 07. Mai 2022 um 11:54 Uhr

Von: "ralf frodermann" <ralf.frodermann@gmx.de>

An: Boris.Holzer@uni-konstanz.de

Betreff: Ihr Beitrag in Frankfurter allgemeine Sonntagszeitung 8.Mai 2022


"O the Raggedy man! He Works fer Pa"

James Whitcomb Riley

Guten Tag Herr Prof. Holzer,

besten Dank für Ihren o.a.Beitrag.bitte gestatten Sie eine knappe Anmerkung.

dass der gemeine Steuerzahler, neben dem Recht seine Rechnungen, insbesondere seine Steuern zu bezahlen, steuerpolitisch rechtlos ist, bildet den kernbestand professionellen flurhumors aller Finanzämter.

Steuerrecht ist eine komplexe Materie und auch Steuerberater sind vor Irrtümern nicht immer gefeit. doch kein Steuerberater der Welt käme auf den Gedanken, austeritätspolitik sei deshalb möglich, weil sie sich zwar nicht auf den Willen, aber auf die Indifferenz der Wähler berufen könne.

Wie Sie in Ihrem o.a. Beitrag zu solchem Fazit kommen, bleibt unklar.

jeder weiss, dass steuerhinterziehung strafbewährt ist, politische Ökonomie nirgendwo unterrichtet wird und lebenslanges Gürtel-enger-schnallen Staatsräson auch im abgetakelten Wohlfahrtsstaats bleibt.

beste Grüße

Ralf Frodermann



Barbecue im Waldorf Astoria.


6.Mai


Pseudo captatio benevolentiae

Eine der feinsinnigsten und ausgesuchtesten Leserbeleidigungen, die gleichwohl

für den Autor einnehmen, stammt aus der Feder des Oratorianers Malebranche.

Zum Schluss einer Vorrede bittet er die Leserschaft, bevor sie über seine Arbeit richte,

möge sie sie sorgfältig studieren.

Darauf die rhetorische Volte:

"Gewiß sollte ich nicht genötigt sein, diese Bitte zu tun."

Nicolas Malebranche, Abhandlung von der Natur und der Gnade (Vorrede)

dt. Meiner Verlag 1993 S.8



Lukians "Alexander oder der Lügenprophet" im Lichte Voltaires - Kleiner Vortrag im Warburg Institut London. Wann war das? 1978? Wo ist mein Manuskript? Archivlage deplorabel! (Nicht an Pedell Frodermann denken!)



Hinweis Vorlesung (Geschichte der Skepsis 2001)



Wochenende in Ligurien! (Martina Kolbs "Azure Spell of Liguria", 2013, und Zeitschrift für Ideengeschichte ("Der ligurische Komplex" Sommer 2022). Lektüre im Spa.



4.Mai


Fabeln ohne Fazit (XVII-XVIII)


Die Schildkröten und ihre Suppe

Lady Curzon in memoriam

"Lass dich die Welt nicht fangen", sang der Kinderchor der Schildkröten.

Manche von ihnen hatten schon einen recht festen Panzer, der ihren Genuß,

statt ihn zu verhindern, nur erhöhte.

Unter allen Pechvögeln waren sie diejenigen, die nicht einmal

flügge werden durften.

Der elektrische Aal

Das Kraftwerk, in dem schon Vater und Großvater des Aals gearbeitet hatten, warf keine Profite mehr ab und wurde geschlossen. Der nun arbeitslose Aal vertat nicht seine Zeit, indem er sein Schicksal verfluchte, sondern begann, sich als Batterie zu verdingen. Als Batterie war er den Seinen so nützlich wie Zucker den Speisen, die durch ihn erst als wohlschmeckend gelten




3.Mai 2022


Geburtstag meiner Mutter. Sie ist seit langem tot. Ich lebe zu ihrem Andenken. Ich bin ihr mir gewidmetes Buch.


Aus England trifft Richard Hunters "Greek Epitaphic Poetry. A Selection" ein (Cambridge, 2022). Hunter widmet das Buch seinem verstorbenen Kollegen Neil Hopkinson. Welch ein Epitaph!



1.Mai


Fabeln ohne Fazit (XIV-XVI)


Kirchenmaus und zwei Oktaven

Viele Jahre hatte die Kirchenmaus als Organistin ihrer Kirche unentgeltlich gedient. Sie leitete auch den Chor und komponierte hin und wieder ein Sanctus für die heilge Messe.

Trotzdem mochte sie niemand in ihrer Gemeinde und ihre Freundlichkeit wurde mit Füßen getreten.

"Ich bin eine arme Kirchenmaus, alleinerziehend, überschuldet und ohne Freunde. Meine einzige Freude war von je die Musik. Selbst die neiden sie mir. Keiner, auch ich nicht, soll an irgendetwas Freude haben."

Sie setzte sich an die Kirchenorgel und schrieb mit einem Filzstift, Buchstabe für Buchstabe, auf sechzehn Tasten des oberen Manuals "Ich bin sehr traurig".


Die Reblaus

In einem Winter vor unserer Zeit lebte eine Reblaus fern ihres Weinbergs am Meer.

Sie flanierte am Tag auf der Strandpromenade und in der Nacht zwischen

den Roulettetischen des Casinos.

Weil sie zu schwächlich war, die Jetons selbst zu tragen, ging ihr ein Saaldiener zur

Hand. Er machte die Einsätze nach ihren Anweisungen und erhielt dafür eine

Vergütung. Sie war ihm nie zu gering und so liebte er seine Arbeit.

Der Frühling kam und die Reblaus fuhr zurück in ihren Weinberg. Dem Saaldiener versprach sie zum Abschied, den kommenden Winter wieder am Meer zu verleben.



Der Junggesellenhai

"So sind die Weiber alle", sagte Herr Slump. "Lieber sterben als einen Mann

laufen lassen."

Evelyn Waugh, Tod in Hollywood (8.Kapitel)

In der Vermittlungsagentur wurde er nur der "Karteileichenhai" genannt. Sie

machten sich über ihn und seine falschen Flossen lustig.

Irgendwie hatten sie Wind von dem chirurgischen Eingriff bekommen.

Den plastischen Chirurgen, einen würdigen Flußwels, bezahlte er mit Beute. Doch dessen Gattin war das nicht genug. Sie wollte ablaichen, mit seiner Essenz.




"einander zu denken geben" / Nach der Akme, vor dem Nichtidentischen /

Neuer Bouvard und neuer Pecuchet über orientierende Alterität o.ä.


Rezensionsnotiz zu:

B. Liebsch, W. Stegmaier: Orientierung und Ander(s)heit. Spielräume und

Grenzen des Unterscheidens.

Hamburg, 2022




30.April


Fabeln ohne Fazit (IX-XIII)


Die Bettwanze

Die Bettwanze vertrug die neuen Laken nicht und ahnte, dass ihr Bett ihr Sterbebett

werden sollte. Sie rief ihren Psychotherapeuten an und bat ihn um Sterbehilfe. Doch

der war nicht versichert und hatte Angst einen Fehler zu machen, der ihn seine

Approbation kosten könnte.

Die Bettwanze war wütend und sagte ihm: "Wenn du sterben willst, helfe ich dir auch nicht."

Aber das beeindruckte den Analytiker nicht und er legte auf.



Die Nebelkrähe

Lag sie in Todesbanden

oder in Geburtenweh'n?

Im Nebel wir sie fanden,

sie konnte nicht mehr geh'n.

Sie konnte nicht mehr fliegen,

sie war total im Arsch,

jetzt muss sie dauernd liegen

und kurt bald in der Marsch.


Das Sparschwein

Das Sparschwein, dem es vor dem Hammer so graute wie dem Teufel vorm Weihwasser, war einmal so glücklich betrunken, dass es ausrief "Der Schnaps ist der Hammer!"

Im Nu zersprang es in tausend Stücke und sorgte auf diese Weise für unzählige

Lokalrunden unter dem beifälligen Gelächter seiner schweinischen Zechkumpane.


Die Schnapsdrossel

Wie in jedem Jahr versammelten sich die Drosselwaisen am Grab der unbekannten

Schnapsdrossel. Jede hatte einen Namen für sie und ein Gebet. Das Grab war immer

gepflegt, niemand wußte von wem.

Die Werbetafeln am Grab legten aber die Vermutung nahe, dass eine örtliche Brauerei

dahinter stecken musste. Aus Pietät ging keiner der Sache auf den Grund.

Der Frosch im Hals

Er hatte viele Räuspergewitter und allerlei Mundspülungen überlebt; die hatten ihn

mürbe gemacht, doch nicht lebensmüde. Er starb nicht durch eigene Hand, er starb

durch die Hand in den Mund.



Zigarren einkaufen bei Davidoff of Geneva.




29.April


schon und bloß


"Es wird schon seine Gründe haben, warum Franz Kafkas vielleicht wichtigstes Romanfragment Der Prozeß heisst!"

Wolfgang Knoebl: Die Soziologie vor der Geschichte. Zur Kritik der Sozialtheorie.


Suhrkamp 2022 S. 17

"Wesentlich an sozialer Theorie ist, daß sie hinausgeht über bloß Seiendes, bloß Gegebenes."

T. W. Adorno, Philosophische Elemente einer Theorie der Gesellschaft. Vorlesung SS '64


Suhrkamp 2008. S. 37




Fabeln ohne Fazit (VI-VIII)


Ein gutmütiges Schaf

Einem Schaf, das für seine Gutmütigkeit bekannt war, wurde das Wohngeld von heut auf morgen gestrichen. Es musste nun entweder mit dem Rauchen oder dem Wohnen aufhören. "Die anderen Schafe sagen immer", sprach es zu sich, "dass ich nicht mit Geld umgehen könne. Die Wahrheitist aber, dass ich nicht mit wenig Geld umgehen kann."

Ein Wolf, der des Schafes Gedanken gelesen hatte, eilte herbei und nahm es auf in seinen Schafsharem, wo es glücklich lebte, bis es verzehrt wurde.



Brummbär und Brillenschlange

Ein schwuler Brummbär wurde lange Zeit über im Fitnessstudio von jungen Schlangen

gemobbt. Er genoss diese Angriffe in vielen Zügen und labte sich an den Demütigungen wie sonst nur am Honig.

Doch war es aus mit seinen Freuden, als eine bebrillte Schlange in den Chor seiner Spötter trat.Er hatte einmal einmal eine Umschulung zum Optiker abgebrochen und konnte sich das nie verzeihen.



Der Hund Melampo

Melampo war seit langem krank gewesen und sollte ausgesteuert werden. Er hatte etwas Geld gespart und hoffte, irgendwo am Meer seinen Lebensabend verbringen zu können. Der Amtstierarzt, ein nicht mehr ganz junger Marder, mochte Melampo und schrieb ihn kaputt.

Seit dem Tod seiner Tante war Melampo nicht mehr so glücklich gewesen. Die alte Vettel und Furie hatte ihm nämlich eine Hütte am Meer hinterlassen, die er nun endlich beziehen konnte, schuldenfrei und mit der Aussicht auf viel Freizeit.


Dr. Colvin aus Cambridge fragt ketzerisch - wie es heute überall ganz üblich ist -, ob Grimmelshausen noch wert sei, gelesen zu werden. (DAPHNIS Band 50 2022). Ebenso üblich ist es, solche schlappen Fragen an die Autorin zurück zu reichen.





27.April


Brief des Paulus an die Philipper 4,5:

Eure Lindigkeit lasset kund sein allen Menschen.

(Gelindigkeit; tote Tugend)


Noch 'ne Fabel, ist mein Fabelfrühling (Fabeln ohne Fazit):


Dumme Gans und lahme Ente

Fabel von der toxischen Dämlichkeit

Die Gans hatte beim Entenrennen auf die falsche Ente gesetzt und ihre sämtlichen Rücklagen verloren. Auf der Entenjagd wollte sie sich frisches Geld leihen, um weitere Entenwetten zu platzieren.Niemand, außer der Ente, die sie angeschossen hatte, wollte ihr etwas leihen. Aber die Gans glaubte nicht, dass diese Ente Geld haben könnte, in ihren Augen sah sie nur Angst und Lüge.

Der Pedell 1:


Gesendet: Mittwoch, 27. April 2022 um 07:55 Uhr

Von: "ralf frodermann" <ralf.frodermann@gmx.de>

An: Stefan.kuehl@uni-bielefeld.de

Betreff: Ihr heutiger FAZ beitrag

Guten Morgen Herr dr. Kühl,


besten Dank für Ihren o.a. Beitrag.

wollte man auch noch über die schriftlichen Arbeiten von Studenten mit diesen ins Gespräch kommen, wie Sie anregen,

man käme zu nichts mehr.

das Campus Management System ( babbage für babbler, wie böse Zungen sagen) entlastet den akademischen lehrkörper von solch, in der Regel ganz entbehrlicher Kommunikation.

odo marquard übrigens hatte in den 80 er Jahren bereits eine Methode gefunden, sich unerwünschten Anfragen oder gar besuchen von studentischer Seite dadurch elegant zu entziehen, indem er unter jeden Schein handschriftlich den Zusatz "mit sehr gutem Erfolg" einfügte. Nachfragen gab es dann nicht mehr. Denn erklärungsbedürftig sind ja nur schlechte Leistungen.

beste Grüße

Ralf Frodermann


der Pedell 2 (unter Distinktionsbedürftigen):


Gesendet: Mittwoch, 27. April 2022 um 07:42 Uhr

Von: "ralf frodermann" <ralf.frodermann@gmx.de>

An: Muelleol@staff.hu-berlin.de

Betreff: Ihr Beitrag in der heutigen faz

Guten Morgen Herr Prof. Müller,


Besten dank für Ihre o.a. Intervention.

Sie versuchen "Thesen zu verfechten, die fast alle Kolleginnen und Kollegen für falsch halten" -

http://farbenstreit.de/der-autor/methode/

Dass man daraus einen Beruf mit garantiertem Monatseinkommen machen kann, ist prima. In Ihrem o.a. Beitrag weisen Sie im Blick auf den ukraine-Krieg und den britischen falkland-Feldzug 1982 auf eskalationsszenarien hin, die geeignet sein könnten, am Ende "unser Europa für immer zu vernichten." Unser Europa liegt in der Ukraine und zwar in Trümmer.

während dort die Ideale des bürgerlichen Westens noch verteidigt werden, ist der aufklärungsverrat im Westen zu einer Art Staatsräson geworden.

der Philosoph Heiner Geißler hatte zu seiner Zeit darauf hingewiesen, dass der Pazifismus auschwitz erst ermöglichte.

hinter seine Erkenntnis sollten seine heutigen Nachfolger in Sachen Dienstleistung ideologischer echoräume,

die Mahner und Warner von Berufs wegen sowie die aus der Provinz der unberufeneren Münder stammendennsendungsbewussten und Berufsverkehr nicht zurückfalllen.

sie täten es um den Preis der Humaität.

Nota bene

http://redaktion-bahamas.org/aktuell/2022/03/22/erklaerung-zum-russischen-ueberfall-auf-ukraine/

best

ralf frodermann



Dinner mit Trendforscherin Ursula van Urden. Mag meine Sachen. Bestand halsstarrig auf Begleichung der Rechnung.

Mein Frau in Downton Abbey II. Frische Forellen bei Bloomingdale's




26.April 2022


Mangel der Extrovertierten:


In der Gesellschaft gefällt das Wundersame, in der Einsamkeit schadet es.

Theodor Gottlieb von Hippel, Lebensläufe nach aufsteigender Linie

(3,1 Berlin, 1781 S.300)

Wer über von Hippel (1741-1796) spricht, kann von von Thümmel (1738-1817) nicht schweigen. Der Zögling der Klosterschule Roßleben amüsiert manche bis heute mit seinem "vermählten Pedanten." Überhaupt ist die deutsche Laurence-Sterne-Schule einer genaueren Sichtung wert.


PESTILENTIA - Sonderheft der Zeitschrift Neohelicon (Vol. 48 Issue 2 Dec. 2021) eingetrofen. Wer schickt mir so etwas?



"Der gesamte Journalismus überhaupt, das Extrablatt, die Flugschrift hat Funktionen

übernommen, welche früher der Poesie oblagen."

Wilhelm Scherer, Poetik. Berlin, 1888. S. 24







25.April


Vier Fabeln

für die Freunde in Stanford


Die Filzlaus und die arme Sau


Die Filzlaus ging die arme Sau, ihre beste Freundin, besuchen, um ihr den Kühlschrank

leer zu fressen. Wusste sie doch, dass die Sau nicht nur am Monatsanfang ihre Stütze bekam, sondern dann auch bei der Tafel vorbei schauen durfte, um Frass zu fassen.

Weil wieder einmal Monatsanfang und die Filzlaus sehr hungrig war, begab sie sich zur armen Sau und sprach: "Arme Sau, mach uns doch einen leckeren Eintopf aus dem Gemüse von der Tafel."

"Habe ich schon", entgegnete die arme Sau und trug sogleich einen dampfenden Teller, eigentlich einen umfunktionierten Glassplitter, auf.

Gierig begann die Filzlaus zu essen, doch fühlte sie bald ein übles Magengrimmen. Die arme Sau hatte sie mit einem Fond aus Fliegenpilzsud und geraspelten Trompetenblumenblüten vergiftet und so ihr schlimmes Mitessertum für immer beendet.

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Der Skunk und das Wohnmobil


Ein Skunk, der sich ein gebrauchtes Wohnmobil angeschafft hatte, fuhr mit seiner Familie in den Urlaub an den Gardasee. Er sprach nur wenig Italienisch und konnte, wie seine Frau, überhaupt nicht lesen. Den Hinweis "Keine Skunks!" der Campingplatz-App hatte er ignorieren müssen.

Schon in der ersten Nacht auf dem Campingplatz wurde er von wütendem Klopfen geweckt. Ein gleichgeschlechtliches Eselehepaar forderte ihn und die Seinen auf, den Campingplatz umgehend zu verlassen, der Gestank sei untierisch, ja menschlich.

"Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt", murmelte er, und setzte sich ans Steuer, fuhr sachte mit der schlafenden Familie davon


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Blöder Hund und dumme Kuh


Nicht sehr lange nach ihrer goldenen Hochzeit starben beide Eheleute kurz hintereinander. Wer zuerst starb, ist nicht überliefert. Überliefert ist nur das Gerücht, wonach am Grab des zuerst Abgeschiedenen oftmals entweder "Dumme Kuh!" gebellt oder "Blöder Hund!" gemuht worden sei.


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Der Ohrwurm und die Schmusekatz


Schon lange lebte der Ohrwurm im linken Ohr der Schmusekatze und niemals hatte es Streit zwischen ihnen gegeben. Doch als er damit begann, eine neue Heizung einbauen zu lassen und die Ohrmuschel zu einem Pool umzubauen, wurde die Schmusekatze böse und drohte mit Mieterhöhung und Eigenbedarf.

Da zog er in das rechte und sprach nie wieder ein Wort mit seiner Vermieterin.




24.April


Von überallher freundliche Einladungen eingetroffen ("Bitte bringen Sie unbedingt Ihre reizende Gattin mit!" oder, an meine Frau: "Lassen Sie es sich nicht verdriessen, sondern bringen Sie Ihren Mann einfach mit!"); wir bleiben vorerst vor Ort. Auch wegen des Hundes. Auf dem Rückweg von Cornell war mir ein alter Dackel bis zum Hotel gefolgt. Haben uns an der Bar angefreundet, hat bei uns Quartier gefunden.




Untersuchungen zu einem Konfrontativsatz Goethes in seinen Wahlverwandtschaften (II,3)

(Close Reading IV)

Wenn gewöhnliche Menschen, durch gemeine Verlegenheiten des Tages zu einem leidenschaftlich ängstlichen Betragen aufgeregt, uns ein mitleidiges Lächeln abnötigen; so betrachten wir dagegen mit Ehrfurcht ein Gemüt, in welchem die Saat eines großen Schicksals ausgesäet worden, das die Entwickelung dieser Empfängnis abwarten muß, und weder das Gute noch das Böse, weder das Glückliche noch das Unglückliche was daraus entspringen soll, beschleunigen darf und kann.

wenn /während




23.April 2022


Pedell Frodermann heute im Doppel:


Gesendet: Samstag, 23. April 2022 um 12:03 Uhr

Von: "ralf frodermann" <ralf.frodermann@gmx.de>

An: J.schaaf@faz.de

Betreff: Ihr Interview mit Frau Stein FAS 24.April 2022

Guten Tag Frau Schaaf,


"Was können wir von Walen lernen?" fragen Sie u.a. Frau Stein, deren Buch "die gereizte Frau" in diesen Tagen erscheint, in Ihrem o.a. Interview.


ich meine, anders als Frau Stein, Folgendes:


1. walinnen erleben ihre Menopause, ihr ozeanisches Klimakterium als transitorisches Abenteuer. In dem Bestseller und Reader "der gereizte Wal" (#bockpress# 2003) Schrieb eine von ihnen:

"Meine metamorphose vom weib zum mannweib bzw. Vom lustross zur alten vettel verliefundramatisch. In 8000 Meter Tiefe blieb mir auch nichts anderes übrig. Ich bin schließlich kein Thunfisch. ich trutsche nicht rum und werde auch von Freunden meines Mannes nur selten trutsche genannt."


2. thomas Manns späte Erzählung "die betrogene" erläutert die Problematik abschließend.

Frau Steins Neuigkeiten aus den Trockenzeiten der Feuchtgebiete sind keine, sie schielen nur aufs kassemachen. Jede emanzipierte Walin weiss das.


3. Reden ist Silber, schwimmen ist Gold!


Beste Grüße

Ralf Frodermann



Gesendet: Samstag, 23. April 2022 um 08:29 Uhr

Von: "ralf frodermann" <ralf.frodermann@gmx.de>

An: andre.kieserling@uni-bielefeld.de

Betreff: Ihr Beitrag in Frankfurter allgemeine Sonntagszeitung 24.April 2022

sehr geehrter Herr Prof. Kieserling,


besten Dank für Ihren o.a. Beitrag.

wir erlauben uns wie immer einige diesbezügliche spiegelstriche:


- Sie referieren einige Aspekte aus dem Buch "the hidden curriculum" 2021 von Rachel Gable. Vorkurse für Neulinge im akademischen Zirkus, in denen "sozialaufsteiger" das kleine abc akademischer Usancen lernen können. Knigge für underdogs aus der ein-Mann-will- nach- oben- Welt wirken heute eigentümlich anachronistisch, wie ein dickens-roman. Gut gemeinte auftragsarbeiten wie das Buch von Frau Gable, die als Erziehungswissenschaftlerin freilich pro Domo denkt und schreibt, dito.


- "heimlicher Lehrplan" ist soziologisch zureichend nur zu diskutieren vor dem Hintergrund des Wesen/ Erscheinung- Paradigmas. ohne seine philosophischen implikationen bleibt es bei mehr oder weinger erbaulichen pädagogikphrasen, empowerment, etc.


- das Phänomen Hidden curriculum/ heimlicher Lehrplan ist seit Parsons und Zinnecker gut erforscht.

nirgendwo wusste man im Übrigen besser um die bildungschancen chancenloser als seit eh und je in Deutschland. Parvenüs und andere waren zwischen Eton und Salem dennoch willkommen, insbesondere hochbegabte mit stipendienbedarf. Studentenverbindungen sind bis heute offen für arme Nieten, solange sie saufen können und den in ihren Kreisen verbindlichen Unsinn mittragen und verbreiten. förderkurse sind da leicht entbehrlich.


- warum der modernen gleichstellungspolitik ein Äquivalent zum busssakrament der Beichte fehlen solle, wie Sie am Schluss Ihres Artikels behaupten, ja was das eine überhaupt mit dem anderen zu tun haben könnte, erschließt sich nicht. Die Beichte ist kein förderkurs, ein protreptikos keine confessio.


- in Tom Wolfes Roman " I am Charlotte Simons" spielen nicht die Lieblingsthemen der förderkurse keine Rolle, wie Sie schreiben, vielmehr spielen die förderkurse keine Rolle.

Best

Ralf Frodermann



Bum das ygkwat.

Schlacht der Bäume

Habe

Wie fein die Fäden gesponnen waren,

Wer war sich darüber nicht im Klaren -

Als Mädchen, als Knabe? -

Ach, wäre das immer noch meine Habe.






21.April

Neues vom bereits erwähnten Erstsemester, wohl eine Art Gavroche. Schickte noch einen Text: "Ein Zeichen der Freiheit ist aber der Umstand, dass man abwechselnd beherrscht wird und herrscht." Zum Aristoteles-Motto in Lessings Henzi-Fragment.


Neue Hesperis-Ausgabe des Basinio da Parma erworben.

Den islamischen Fatalismus nannte Leibniz "fatum muhametanum". Das ist immerhin Islamwissenschaftlern noch geläufig: Josef van Ess, Fatum Muhametanum. Schicksal und Freiheit im Islam. (Kleine Schriften. 2018 S. 1988ff. Lag aufgeschlagen und herrenlos neben einem Kopierer in der Public Library.)




20.April

Als "Sonatine in Erzählform" betrachte ich Arbeiten wie die wundervolle Prosaminiatur "Die belohnte Wohltat" des Schweizer Schriftstellers Franz Xaver Bronner (1758-1850).


Über der Lektüre der
Rheinischen Vierteljahrsblätter eingeschlummert.


Zurück in New York, die eingekommene Post sichtend, fällt mir die Hausaufgabe eines Erstsemesters (m?, w?, d?) auf:

In Sanatorien. Zauberbergatmosphäre in Erich Maria Remarques Roman "Der Himmel kennt keine Günstlinge". Mit einer vorläufigen Notiz zu Fallada und J.M. Simmel. Einladen!



18.April

Meine Kantate "Kommt ihr Narren, helft mir lachen" wird an unserem diesjährigen dies academicus im Dezember aufgeführt. Eine musikalische Niaiserie, um welche ich meine komponierenden nFreunde schon heute um Nachsicht bitte. Meine Gattin schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als ich die Solo- Arie des Sopran im Schlussteil - "Ich lasse dich nicht, du kitzelst mich denn" - vom Flügel anstimmte.


conservatio sui?
"Schliesslich ist den Sterblichen der Fehler gemeinsam, keiner Sache so feindlich gesonnen zu sein wie dem eigenen Wohl. Wenn man dies nun im einzelnen betrachten wollte, wird man entdecken, dass es sich so verhält."

Cardanus, Lob des Nero ( ed. N. Eberl 1994 S.271)



Greta Garbo in einem Telefonat:

"Sie, Sie gehen ins Theater und zu all den Dingen, die New York bietet. Ich nicht. Ich könnte irgendwo leben, so wie ich jetzt lebe. Ich gehe nicht aus. Ich sehe niemanden. Ich tue nichts. Es ist also nicht nötig, dass ich in New York bin."



Xenien und Zestenreisser


In welchem Aggregatzustand der Dummheit wohl dieser blühende Blödsinn von einer Dissertation ersonnen wurde:


"Das Aggregat eröffnet als Reflexionsfigur neue Deutungsperpektiven auf den Formdiskurs in Johann Wolfgang von Goethes Spätwerk."

(Rabea Kleymann: Formlose Form. Epistemik und Poetik des Aggregats beim späten Goethe. 2021)



Osterlektüre

Reuchlin und Pico della Mirandola. Picos 900 Thesen höherer Blödsinn, seine Rede über die Würde des Menschen dito. Adrian Leverkühn hätte sie zurücknehmen wollen, wie die Neunte.

Reuchlins Augenspiegel - eben bei Reclam wieder erschienen - war vor gut 20 Jahren

schon einmal bei dtv herausgekommen und wurde rasch zum Ladenhüter bzw. Fall für

die Papiermühle.



In Scorses filmischer Hommage an den Film, Hugo Cabret (2011), ist mehr von Kindheit aufgehoben als in allen heute lebenden Kindern.



16.April


"Ich träumte: Hölderlin hieß Hölderlin, weil er immer auf einer Holunderflöte spielte."

Adorno, Traumprotokolle (New York, November oder Dezember 1938)

Bibliothek Suhrkamp 1385. 2018. S. 10



ad Leo Strauss: alttestamentarische Geleitworte von Naturrecht und Geschichte untersuchen!

Bibelzitat 1: 2.Samuel. 12, 1-25

Bibelzitat 2: 1.Könige 21, 1-29

(Gesammelte Schriften Band 4 Meiner 2022)



Rainer Hermann schreibt heute in einem kurzen FAZ- Kommentar:

"Johnson erdreistet sich nicht, sich dabei als Menschenfreund zu gerieren."


Hermann meint aber das genaue Gegenteil, dass nämlich sich Johnson nicht entblödet, sich als Menschenfreund zu gerieren, mit anderen Worten: er erdreistet sich, sich als ein solcher zu gerieren.


No Scotch anymore! Butz? Schopenhauers letzter Pudel.



15.April 2022


"Kommt ihr Narren, helft mir lachen!" - Grosses Hallo hier in Madison. Man erinnert sich meiner mit freundlichster Zuvorkommenheit, typisch amerikanischer Liebenswürdigkeit und offenbar in dauernder Erwartung dessen, was man hierorts Bobbys Humor nennt.


Manuskript der von Koll. Auchjauche angefertigten Übersetzung des Theophrastus redivivus (Buch I-III Mitte 17.Jh.) eingegangen.

Kaum zu glauben, dass eine Ausgabe in deutscher Sprache bis dato nicht vorlag.

Dass der alte Säufer im Neulateinischen noch so munter ist, hätte ich nicht gedacht. Hoffentlich reichen seine Kräfte noch für die Bücher IV-VI.



Die Ziehsöhne Carl Schmitts, Forsthoff, Mohler, Koselleck, Böckenförde, bis herunter zu Münkler und dem Botho-Strauss-Sohn Simon, sind sämtlich nicht sehr sympathisch.

Sie betrieben und betreiben die Geschäfte Schmitts nach dem zweiten Weltkrieg kommissarisch weiter. Der Münsteraner Kreis um Joachim Ritter bildete ihren ebenso wenig sympathischen cordon sanitaire. Ein solcher ist heute entbehrlich, Schmitt nicht.





14.April


Neues von der "Deutschen Wasserhistorischen Gesellschaft" (Schriften der DWG /17.Sonderband eingetroffen, Clausthal-Zellerfeld, 2021). Nachsendungen erreichen uns pünktlich.

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Einer ist nicht dumm genug, der allgemeinen, verbindlichen Dummheit Tribut zu zollen,

doch für die in seiner Peer-Group oder seiner Kollegenschaft gültige reicht es allemal.


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Trutschenhagiographie oder Elektrakomplex?

Nicht nur sog. Geisteswissenschaftler sind oft nichts weiter als Herrenreiter ihrer Steckenpferde, gern im Damensattel. Auch manche Werke freischaffender Autorinnen bezeugen den Befund. So ist zu vermuten, dass nach Sibylle Lewitscharoffs Roman "Blumenberg" (2011) und Gisela von Wysockis "Wiesengrund" (2016) bald eine andere Reiterin auf Luhmann verfallen wird.

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Über Ostern in Madison.




13.April


Algebra poetica

Walter Kempowski + Christine Brückner = ?

Hermann Lenz - Peter Härtling = Martin Walser ?

Uta Danella : Eugenie Marlitt ?


Habe mein Hauptseminar "Radikale Anti-Aufklärung. Übungen zur Systemtheorie Niklas Luhmanns" in das Sommersemester vorgezogen. An sich gehört das Schlachten heiliger Kühe ja in den Winter, aber die Nachfragen und Bitten waren zu zahlreich.

Beiläufige Erinnerung an Mathilde Vaerting heute in der FAZ. (Bei Gelegenheit der dort üblichen, endlosen Carl-Schmitt-Hagiographie, Plettenberger Weih-Räucherdienst.)


11.April


"Gerne lernen, gerne lehren" - Geoffrey Chaucer.



Hegels Phänomenologie des Geistes erschien 1807. Im idealistischen Äther jener Zeit gedieh auch Volksausgabetaugliches:


Die Nothwendigkeit dessen, was gedacht wird, ist nur eine Nachbildung

jener Nothwendigkeit des Seyns, und alle Theorie muss consequenter Weise

vom Seyn ausgehen, zum Idealen aufsteigen, und mit der Vereinigung beider schließen.

Johann Jakob Wagner, Philosophie der Erziehungskunst (Vorrede) Leipzig, 1803

Denn das, was das Leben und die Form in allen Dingen vereinigt, ist der Geist,

dessen Wirklichkeit eben das äußere Leben ist, und dessen Eigenheit und

Charakter in der Form des Lebens sich offenbart.

Friedrich Ast, Grundriss der Philologie (Einleitung). Landshut, 1808




Grossraumideologen in Fußnoten


In Kapitel 9 - Widerspruch und Konflikt - seiner Studie Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie (1984) lässt der Soziologe der verwalteten Welt Niklas Luhmann, neben flächendeckenden Einsichten vom Schlage "man muß Abwesenheit wählen, wenn man Kommunikation vermeiden will", auch solche vom Stapel, die Licht werfen auf den affirmativ-autoritären Kern neuerer Systemtheorie der Gesellschaft.

Im Zusammenhang seiner Darlegungen der "zum Teil recht (sic!) phantasievollen Interaktionsstörungen an Universitäten", führt Luhmann in Fußnote 17 des neunten Kapitels einige Beispiele aus eigener Anschauung an:

"körperliche Anwesenheit von nicht dazugehörigen Personen, Anschreiben von Mitteilungen an Tafeln, Lärmen (auch in der Form von für sich selbst sinnvollem Reden), Ausschalten von Licht und Zuziehen von Vorhängen, Umkippen von Bierflaschen, Anstoßen von Personen, demonstratives Mitbringen von Babies oder Hineinschieben von Krüppeln auf Rollstühlen in den Sitzungsraum."

Luhmanns Fußnote erinnert an eine andere, wir meinen die 64. des ersten Exkurses der Dialektik der Aufklärung (Odysseus oder Mythos und Aufklärung); hier erinnern Horkheimer und Adorno an einen anderen Großraumideologen, den heute weistestgehend vergessenen Klassischen Philologen Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, dessen Schriften sie zu den eindringlichsten Dokumenten der Verschränkung von Barbarei und Kultur zählen.


Besuch in Princeton.



9.April 2022


eugen gomringer+franz mon / konkrete poesie fast 200


auch fand der blinde manches korn,

das einst der seher übersah,

stets trug er seinen steiss nach vorn

und gab sich aus als wortgefahr.



Stephan Schützes "Versuch einer Theorie des Komischen" ist 1817 erschienen und neulich wieder (Meiner 2022). Seine Widmung wirkt wie aus der Zeit gefallen, sie lautet "Unserm Göthe"und fängt damit für manchen noch alles ein, was wir seit Seinem Erscheinen verloren haben.


Meine Frau und ich scheinen gründlich genesen

Es war, ausser Nichtrauchen, gar nichts gewesen.



8.April

Neuere Katenenkommentare? Fehlanzeige.



Ein kürzlich aufgefundenes Fragment Immanuel Kants über Integration:

"Integration ist der Eingang des Fremden in eine neue, hinwiederum ihrerseits selbst verschuldete Unmündigkeit.

In ihr kann jener sich nach einiger Zeit und unter strenger Observanz der in seinem Landstriche, welcher Heimat zu nennen,zu viel, eine Fremde zu nennen jedoch zu wenig wäre, geltenden Rechte und Pflichten in neuem Idiom aussprechen.

Cuius Regio, eius religio, zu Deutsch: andere Länder, andere Unsitten."

(Aus noch nicht veröffentlichen Tagebüchern Robert Holunders / ca. 2011)



Abgabe als Zugabe


"Gott geb uns sein gnad und seins geists zehenden, Amen."

Kaspar Hedio, Von dem Zehnten

Flugschriften der frühen Reformationsbewegung. 1518-1524

Band 2 Berlin (Ost) 1983 S.1248



Bruno Chaouat:


Is Theory Good for the Jews? French Thought and the Challenge for the New Antisemitism.

Liverpool University Press 2016






5.April


Zum weiblichen Schwulenhass in Ulrich von Liechtensteins Frauenbuch (V. 640-666)

Zufallsfund in der Pierpoint-Morgan-Library:

Aus der barocken Frauenbuch-Ausgabe des Heimeran von Brockes-Unkraut (Vitium Sodomiticum / Appendix Über den Hass der Weyber gegen die Sodomiten. Zwickau, 1672 S.1003)


Ich muss jetzt Worte aussprechen,

die mir auf der Stelle

das Herz brechen könnten

und die eine Dame wirklich niemals in den Mund

nehmen sollte.

Sie sind so abscheulich,

daß sie die Luft verpesten

und mich auch schamrot werden lassen.

Ihr sagt, daß die Damen jetzt

Liebe, Ehre und Körper feilbieten.

Jetzt sollt Ihr mir bitte erklären:

Ist es richtig, daß jetzt die Männer

das miteinander tun,

was weder Vögel noch Tiere miteinander treiben

und alle Kreaturen

als schrecklich ansehen?

Ihr wißt wohl, was ich meine.

Es ist so ganz und gar unrein,

daß ich es nicht einmal auszusprechen wage.

Ihr Leben ist völlig verflucht.

Sagt, ob das eine Sünde ist,

daß ein Mann das mit einem anderen Mann tut,

wozu Gott Euch die Frauen schuf?

Verflucht sei für immer der,

der seine Seele so vergißt,

daß er solche abscheulichen Sachen macht,

die (sogar) ein schlechterzogener Mund

nur ungerne zur Sprache bringt.





Wie unser Pedell einmal dem MERKUR ins Stammbuch schrieb:

ralf frodermann sagt:

13. Mai 2015 um 15:08 Uhr

während unserer unheilvollen (überflüssigen) sog. studienjahre in giessen war marquard der stichwortgeber dürftigster denkungsart. (vgl. günter rohrmoser e tutti quanti)

ein reaktionär und freund affirmativer kritik, wie ihn sich die damaligen kohl-jahre nur wünschen konnten.

ein vorgängermodell des sloterdjik zudem, der ihn vor seinem durchbruch als berufsquassler auch öffentlich schätzte.

marquard etablierte sich als akademischer pausenclown und genoss allenthalben narrenfreiheit.

als libero des bundesdeutschen konservatismus war er früh entbehrlich geworden, als universitätsloriot nicht.-

RIP




3.April


"Ja, lass uns wagen, glücklich sein zu wollen."

A.W.Schlegel, Ion. I, 7

"Hölderlins Tod des Empedokles und August Wilhelm Schlegels Ion: Grund zum hohen Ton." Konnte ich in der vergangenen Nacht fertigstellen. Unbefriedigend, als Vortrag mags hinreichen.



Luhmanns Titel (1. Lieferung "Liebe als Passion" 1982)

Vor vierzig Jahren erschien Niklas Luhmanns "Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität".

Sein Vorwort zeichnet er mit seinem Namen und mit dem exponierten Hinweis auf den Liebes- und Wonnemonat:

"Bielefeld 1982, im Mai".

Das Buch ist seinem Freund Friedrich Rudolf Hohl (1916-1979) gewidmet, schliesst mit dessen Versen

Ein Gesicht vor dem

Einen

keins mehr Sub-ject

nur noch Bezug

unfaßbar

und

fest

Luhmann scheint den Titel seiner Abhandlung Nietzsches "Der Wille zur Macht" entnommen zu haben, ja ist vielleicht von der folgenden Stelle zu ihm - sogar zu ihr? - inspiriert worden:

Wir würden vor der Kälte, Strenge und rechnenden Klarheit eines solchen vornehmen Ehebegriffs, wie er bei jeder gesunden Aristokratie gehherrscht hat, im alten Athen wie auch im Europa des 18.Jahrhunderts, ein wenig früsteln, wir warmblütigen Tiere mit kitzlichem Herzen, wir 'Modernen'! Eben deshalb ist die Liebe als Passion, (Hervorh. von mir) nach dem großen Verstande des Wortes, für die aristokratische Welt erfunden worden und in ihr, - da, wo der Zwang, die Entbehrung eben am größten waren..."

(Ibid. Abschnitt 732 / ed. Elisabeth Förster-Nietzsche, Peter Gast / Frankfurt, Leipzig, 1992 S.507)


Liess Grabbe in seinem Lustspiel den Teufel noch über der Lektüre von Klosptocks Messias - seinem bewährten Schlafmittel - einschlafen,....

Pedell Frodermann, eingenickt:


Gesendet: Sonntag, 03. April 2022 um 09:36 Uhr

Von: "ralf frodermann" <ralf.frodermann@gmx.de>

An: Information@alzey.de

Betreff: Kehlmanns Langgässerin

Es gibt Literaturpreise, deren Annahme sich unter allen Umständen verbietet.

zu ihnen zählt der Elisabeth-langgässer-preis der stadt Alzey.

Daniel kehlmann

https://jungle.world/artikel/2018/51/daniel-kehlmann

hst den Preis angenommen, Seine süß-sauer-soßige Dankesrede druckt die

FAZ in ihrer Ausgabe vom 2.April 2022 ab.

Dass Kehlmann bzw. die FAZ "Anapäst" in die Schreibweise "Anapest" ummodeln, mag noch den geistezerrüttenden pandemieneurosen dieser Zeit geschuldet sein, kehlmanns Geraune im ton desschläfrigen Konfirmanden ist so ansteckend, dass der Leser selbst einschlummert, nachdem er sogar die Lust an der satirischen Erledigung des kehlmannschen Unsinns um die langgässer und deren exkulpationen verloren hatte und.....






1.April 2022


Nach der Serie Halston werden Klamotten von Balenciaga anprobiert. Schlief ein, als meine Gattin irgendeinen Betrug zu wittern begann. Wir Misstrauischen im Ausland.


Als vor dreihundert Jahren die deutsche Übersetzung von Adrianus Relands Zwey Bücher von der Türckischen oder Mohammedschen Religion erschien, steckte Religionskritik - frelich nicht jene der eigenen, herrschenden - zwar schon lange nicht mehr in den Kinderschuhen, doch oft noch in Pantoffeln gelehrter Wasserträger. Reland war keiner von ihnen.


31. März 2022


Sammelrezension

In Heft 4/2021 der Philosophischen Rundschau stellen gleich vier Autoren die überaus

instabile, will sagen dämliche Frage Ist mit Hegel ein Denken von Befreiung möglich?

Ohne ihn etwa? möchte man diesen Narren närrisch antworten.

Zwei Deutsche sind natürlich dümmer als ein Deutscher, meinte Heiner Müller, und vier Philosophen doppelt so dumm wie zwei, fügen wir hinzu.


Eschatologie für Fortgeschrittene / Ein Leben, zwei Tode

Eine Auferstehung ist nicht mehr genug.

Zwar führt sie in ein besseres Leben, doch der Tod und schlimmeres Elend wird darin noch nicht abgeschafft sein.

So ist, nach dem Stand der geschichtlichen Stunde, eine zweite Auferstehung nötig,

ein zweiter, besserer Messias.


Goethe, Trostarchipel. Kalokagathia made in Weimar.



28.März 2022


In Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Die Grafschaft Ruppin. Täuschen wir uns oder müssen wir die Schlusspassage der Aufzeichnungen des grossen Romanciers für eine Übersetzung des Satzes des Anaximander halten:

Das Wachsende, gut oder nicht gut, tritt an die Stelle des Fallenden, um über kurz oder lang selber ein Fallendes zu sein. Das ist ewiges Gesetz.



Pedell Frodermann:

Gesendet: Samstag, 26. März 2022 um 11:15 Uhr

Von: "ralf frodermann" <ralf.frodermann@gmx.de>

An: Boris.Holzer@uni-konstanz.de

Cc: holunder@uni-bockwurst.edu

Betreff: Ihr beitrag in frankfurter allgemeine sonntagszeitung 27.märz 2022

sehr geehrter herr prof. holzer,


zunächst besten dank für Ihr o.a. referat einiger aktueller beiträge zur soziologie des florianiprinzips.

resümierend schreiben Sie am schluss Ihrer ausführungen:


"Wer das Gefühl hat, dass andere von den eigenen Einbußen profitieren, stellt dafür nur ungern seinen Hinterhof zur Verfügung."


das mag von einem küchensoziologischen point of view aus so scheinen und für den einen oder anderen landwirt und woken fahrensmann sogar zutreffen, die massen kümmert das nicht, sie haben für ihre selbsterhaltung qua lohnarbeit sorge zu tragen, indem sie einbußen an lebenszeit klaglos bzw. um den preis physischer wie psychischer erkrankungen aller art

hinzunehmen gelernt haben und ihre lebenszeit als arbeitszeit (bezahlte leistung) um die wette zur verfügung stellen.

best

Ralf Frodermann



26.März


Auf meinem Nachttisch:

kein durst möglich / Charles Bukowski in Leichter Sprache. #bockpress# 2022

Übersetzt und kommentiert von Philine Alelexandra von Heimtücke-Ratsam




Oben auf dem Augenboden, und unten. Gedichte. Von Bobby Holunder

#bockpres# 2022


Der Gin schmeckt gleich um elf und drei


Hertha Kräftner

(Verlagstrick: mein alter Gedichtband Taureif in neuem Gewand, mit neuem Titel, sonst identisch. Verkaufen tut sich das Zeug so oder so nicht, selbst wenn es nackt wäre und ich Nacht.)




"auch jede bildende Liebe ist nichts anderes, als ein gemeinschaftliches Liebe-sein-wollen.

Schleiermacher, Brouillon zur Ethik 1805/1806

Meiner 1981. S. 133



Heute salbadert Jochen Schimmang in der FAZ über ein Buch Marc Degens' über Michael Rutscky.

Rutschky, eine Art Wolfgang Pohrt very light (böse Zungen wie die meiner Kollegen Auchjauche und Seltenarm sprechen von einer Verwechslungsgefahr, die darin bestehe, dass sie Rutschky immer entweder mit Karl Markus Michel, Karl Markus Gauss oder mit Hans Magnus Enzensberger bzw. Sigrid Löffler vertauschen) hat , war früher König der Eierkopfsalate von Kreuzberg gewesen und mit Katharina Vier verheiratet, hat aber nur drei Tagebuchbände veröffentlicht.

Die und Schimmangs heutige Lobhupe im kritischen Hudelton machen die Gründung einer

Rutschky-Gesellschaft, in der sich Geister seines Schlages in seinem Geist ungezwungen wichtig machen können, in naher Zukunft wahrscheinlich.


MOMA! - Später Dakota-Building. Privatvortrag.


24.März 2022


Häsin und Igel/Innen

De diversis appellationibus (Niceta von Remisiana zugeschrieben) wollte eine meiner Studentinnen neu herausgeben und sogar übersetzen.

Jetzt ist ihr der Dr. Dorfbauer aus Salzburg zuvorgekommen: sacris erudiri 60 2021.

Habe die Arme auf Sextus Pompeius Festus orientiert, aber da trifft sie auch wieder nur auf Igelin (m,w,d), diesmal auf eine italienische:

Alessia Di Marco, Per la nuova edizione del "De verborum significatione" di Festo: studi sulla tradizione e "specimen" di testo critico (lettera O). Spudasmata, 191. Hildesheim: Georg Olms Verlag, 2021

Mittlerweile gehen sogar die Sackgassen aus, die früher wenigstens zur Fürsorge oder zum Taxistand führten.

Phantomschmerz Geschichte

"Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie? Mumpitz, hab ich nicht: Ihr Hegel war ihr Newton, Ihr Marx ihr Einstein.

Die mehr oder weniger barbarische Vorgeschichte der Menschheit ist noch nicht zu Ende. Ihr Ende nur auf ad calendas graecas verschoben. - Cocktails oder Tee, Madame?"

New Yorker Banker o.ä. gestern Abend in Harry's Bar gesprächsweise gegenüber meiner Frau.



Kempowskis "Deutsche Chronik" VHS-Buddenbrooks.


23. März


Georgica aus zweiter Hand, und Huckepack (Von Tier zu Teer)

In der FAZ wird heute dem Dichter Mikael Vogel gehuldigt, der unter anderem Vogelgedichte macht. Das verdiente wohl homerisches Gelächter! Stattdessen Gunstwerbung by proxy! Vogels "Dodos auf der Flucht. Requiem für ein verlorenes Bestiarium" (2018) beklagt das Artensterben, wie einst Vergil das Verschwinden der Bienen. Der Verlag des Dichters bewirbt mit dem folgenden Nonsens dessen neuen Tier-Band Tier:"Ein Tier schreibt als ein Mensch ein Gedicht über ein Tier".

Zwei Philologen schreiben als ein Narr Ergebenheitsadressen an Mikael Vogel: Björn Hayer referiert in dem o.a. FAZ-Beitrag einen Aufsatz seiner Kollegin Angela Gencarellis in einem obskuren französischen Fachorgan namens GERMANICA über Mikael Vogels Dodo-Schrifttum. (Vgl. Dodo-Passage in Pynchons Enden der Parabel sowie den Katalog zur Amsterdamer Ausstellung DODO. Raphus cucullatus (Didus ineptus). Zoologisches Museum Amsterdam 1995)

Ist Tierliebe Menschenverachtung, wie Kollege Auchjauche meint? Nein, doch es wird dunkel.

erinnerst du dich als wir in den

wald gingen und es dunkel wurde

Albert Ostermaier, Sommernachtstraum. (Teer. Gedichte. Suhrkamp 2021 S.12)


Tiergedichte (1999):

https://sites.google.com/site/universitaetbockwurst/schreibwerkstatt-ehem-syndikat-f%C3%BCr-prosa-nachschub/sport-und-tiere-svend-fleuron-k%C3%A4fig


Wortgeschichte:

Hugo Suolahti

Die deutschen Vogelnamen. Ene wortgeschichtliche Untersuchung. 1909 (Nachdruck 2000)





Übersetzung: Doktor Faustus


"Im Anfang war die Tat. Weltanschauung in diesem Sinne ist immer zunächst Weltschöpfung, Weltformung."

Bernhard Groethuysen: Die Entstehung der bürgerlichen Welt- und Lebensanschauung in Frankreich

Band 1 S.8 2. Auflage Suhrkamp 2016




22. März 2022


Peter Gans "Holunderflöte". Mache Variationen drauf! (Poetischer Sputumbecher)


Unter Bekenntniswütigen

Heute antwortet Frau Geipel in der FAZ auf eine "Austrittserklärung" Frau Strubels (FAZ 19.März). "Lähmender Zorn" - gemeint ist "ohnmächtige Wut" - sei keine Lösung, gibt Frau Geipel ihrer Kollegin zu verstehen. Stattdessen müssten "wir" der totalitären Erfahrung", die "wir" vergessen wollten im 21. Jahrhundert, " begegnen", uns ihr "entgegenstellen", sie "ernst nehmen".

Wer so verschmockt phrasiert, muss Verskünstlerin sein: Phrasendrescherin mit Entleerungserlaubnis.


Nach Lektüre der Erzählung
Der Kreis von Nabokov:

formales Zyklus-Capriccio, Anfang und Ende ineinander, Wiederkehr des Immergleichen, Vexierspiel in den Spiegeln der Erinnerung. Meisterwerk. Vico Joyce Nabokov / Spiegelfuge.


Zurück im New Yorker Hotel. Erschöpft von vielen Gesprächen und zu wenigen Drinks. Gattin früh zu Bett. Zimmerservice unbeschreiblich professionell, verständnisvoll (kein Scotch in der Minibar!) und diskret.




19.März


Zeitschrift für Kritische Theorie (52/53 2021) in der Post. Darin ansprechender Beitrag von Eva-Maria Ziege zur "Kritik des Bildungssystems und Kritischer Theorie heute". Melancholische Totenwache an den Grabstätten liquidierter Bildung. Der Ausgang des homo academicus aus seiner selbstverschuldeten Verwurstbarkeit - Wahlspruch unserer alma mater! - ist versperrt. Es bleibt einzig eine Art multidirektionaler Erziehung zu pünktlichster Unmündigkeit. (Frau Ziege weist auf die Abschaffung der cum tempore - Regelung hin.)


Im Osten nichts Neues.



17.März


Enigmatische Sätze auf Drohkante wie "Die Scham schien ihn überleben zu wollen" mittelaterlicher Provenienz:

ih ne werde niemer din frunt,

di wile ih dih weiz gesunt

(ich werde niemals dein Freund,

solange ich dich gesund weiss)

Pfaffe Lambrecht, Alexanderroman (Straßburger Alexander Vers 2452, 2453/2904, 2905 ed. Lienert Stuttgart, 2007 S. 298, 299)



Hier in Montauk scheint der Teufel viele Lustschlösser zu unterhalten. Eines bewohnen wir für eine Woche.



Sozusager

Herrschender Typus des Schwätzers heute ist der 'Sozusager'.

Keiner ist sicher vor ihm, sein Element ist die Vagueness der Versöhnlichkeit.

Seit der Theorie-Ponyhof sogar die Kritische Theorie erreicht hat,

buntscheckigste Albernheiten aller Art dort mehr gesellschaftsfähig als marktgängig geworden sind, werden sogar akademische Arbeiten mit einem Titel versehen, der aus der feuilletonistischen Kurzwarenabteilungstammen könnte, und schon allein darum allem ins Gesicht schlägt, wofür Adornos Name einsteht: Adornos Lächeln - Das "Glück am Ästhetischen" in seinen literatur- und kulturtheoretischen Essays von Pola Groß (2020).

Der Sozusager, der sein Mütchen an allem und jedem unterschiedslos zu kühlen beliebt, ist sakrosankt geworden.

Solch mitfühlendes Schrifttum wird in Kürze Hitlers Sodbrennen hervorbringen.

Daniel-Pascal Zorns "Die Krise des Absoluten. Was die Postmoderne hätte sein können"(Stuttgart, 2022) seinerseits verbindet wohlfeile Geschwätzigkeit mit der Modallogik des Nonsens.


Briefwechsel Schmitt/Koselleck.

Suhrkamp 2019

Unangenehme Korrespondenz zweier Unangenehmer.

Studentisches wie anderes Gelichter suchte nach 45 die Nähe Schmitts. Avatar des Führers?

Die Pythia aus Plettenberg konnte sich vor Besuchsanfragen serviler Jungdeutscher jahrelang nicht retten, wollte das freilich auch gar nicht. In Plettenberg versammelte sich das andere Nachkriegseutschland, das kratzfüßige.



15.März 2022


Lehrer:

"Leck mich am ..., was soll der Käse!"


Schüler:

"War das "ne Aposiopese?"

(Christian Freiherr von Auchjauche: Negerlatein. Komödie. um 1959)



Flanierend im Paragraphendschungel von Heinrich Lausbergs "Handbuch der Rhetorik".

Auf dem Buchrücken der vierten Auflage (2008) ist u.a. ein Schnipsel einer Rezension

abgedruckt, als Quelle wird "Zeitschrift für Romantische Forschung" genannt, die es gar nicht gibt.

Gemeint ist wohl "Zeitschrift für romanische Forschung".

Der Steiner-Verlag, der das Werk seit Jahrzehnten im Programm hat, bestätigt auf Nachfrage unseren Vorhalt.


Ausfahrt nach Montauk. - Lage in Westeuropa immer bedrückender. Wie Minibar-Lage.


14. März


der poetische perlator

in seiner sasse, eifrig hockend,

saß der dichter, dichtung lockend,

als sie eintraf, scheu wie bolle,

fand er endlich seine rolle:

toppings flöten, wörter schälen

und der welt vom pferd erzählen.


Freilich wissen wir nichts von der besonderen Empfindungsweise eines anderen, aber gewöhnlich wissen wir nicht einmal, dass wir nichts davon wissen, da die Empfindungsweise der anderen uns einfach gleichgültig ist."

Marcel Proust, Die Entflohene


Höhlenzugänge: Philologie des Zugangs* (Transitmetaphorik V)

Notiz zu: Bajohr, Geulen (Hrsg.): Blumenbergs** Verfahren. Neue Zugänge zu seinem Werk. Göttingen. 2022

"gewiß, es kann jemand auf das Moos treten oder hineinstoßen, dann liegt mein Bau frei da und wer Lust hat – allerdings sind, wohlgemerkt, auch gewisse nicht allzuhäufige Fähigkeiten dazu nötig –, kann eindringen und für immer alles zerstören."

Kafka, Der Bau (1928)

"Der Zugang ist der Eingang. Ist der Eingang geschlossen, bleibt der Zugang versperrt."

Robert Holunder, Martinus Scriblerus jun. (Privatdruck, um 1978)

Der Begriff des Verfahrens, wie er in der juristischen Sphäre verwendet wird, zielt auf Methodisches. So waren unordentliche Erklärungen (atikoi glossoi) etwa die Methode des Philetas von Kos. Blumenbergs Methode bestand im wesentlichen darin, mittels Zuhilfenahme schweren Zitategeräts Güter des alltäglichen bis nicht-alltäglichen idealistischen Bedarfs zu bergen (Mottenfängerarsenal).

Zugang - aus dem medizinischen Bereich und der Bergwerkswelt bzw. Speläologie bekannt - suggeriert Weg und Steg.

Dante: Neuer Zugang zur Hölle.

Josef Hofmillers Studie "Wege zu Goethe" bildet ein Muster für die unter Philologen und anderen beliebte "Zugängerei".

Aus dem Weg wurde der Zugang, wie aus dem x das u. Nicht selten eine via mala.

Zugang als Metapher, hysteron proteron, petitio principii.

*Geisteswissenschaftliche Zugänge zu allem und jedem haben Konjunktur. Sie sind Krisenindiz: Zugang vor die Hunde.

Es wimmelt von Zugängen, überall werden sie gelegt und angelegt. Wer keinen Zugang findet, ist angeschmiert; er bleibt seinerseits unzugänglich.

Der metaphorisierte Konkretismus der Zugängerei lädt den approbierten Berufsdenker zu Nest- und Eiersuche ein. Vor lauter alter und neuer Zugänge ist Blumenbergs Werk schier ausgehöhlt wie ein Höhlenkäse.

**Hans Blumenberg und Niklas Luhmann gelten als die beiden großen Denker in Deutschland nach dem Tod des Denkens dort.

Blumenberg, ein subtiles Amalgam Ernst Cassirers und Joachim Ritters, und Luhmann, Bielefelder Spinn-off Talcott Parsons, sind heute Säulenheilige, Schutz- und Trutzwall gegen Marxismus, Kritische Theorie und Schlimmeres.

Blumenbergs "Theorie der Unbegrifflichkeit" (Metaphorologie) ist die Karikatur bzw. Fratze einer kritischen Theorie der Nicht-Identität, des Unidentischen.

Luhmanns Systemtheorie ist Kybernetik minus Elektrifizierung.

nota bene:

new german critique

Vol.49 No.1 February 2022 Blumenberg at 101


International Journal for the Semiotics of Law 27 2014 Special Issue: Luhmann






12. März 2022


Nach turbulentem Flug und dem üblichen Taxi-hin-und her endlich im Hotel! Freunde aus den Hamptons laden ein nach Montauk. Long Island, dem Serienjunkie aus Revenge und Royal Pains zum zweiten Zuhause geworden, lockt uns aber jetzt nicht. Wir wollen schlafen.

Pedell Frodermann schläft aber offenbar nie:


Gesendet: Samstag, 12. März 2022 um 09:44 Uhr

Von: "ralf frodermann" <ralf.frodermann@gmx.de>

An: andre.kieserling@uni-bielefeld.de

Betreff: Ihr Beitrag in der Frankfurter allgemeinen Sonntagszeitung 13.März 2022

Guten Tag Herr Prof. Kieserling,


besten Dank für Ihren o.a. Artikel über Meinungsumfragen und den unernst der befragten.

der Befragter fühle sich oft angesichts des antwortunfugs auf den Arm genommen, heißt es, von

mangelnder Aufrichtigkeit seitens der befragten ist die bedauernd Rede, Trolle täten das ihre usw. Usw.

Fehlerquellen, wohin man sieht.


die Vorstellung, Meinungsumfragen a la allensbach, Noelle-neumann, gallup etc. bildeten irgend

material für soziologische oder andere Erkenntnis, ist nicht mehr als substanzdenken ad Usum delphini. dass sich manche Befragte zum pikierten Leidwesen der demoskopiepriester darüber völlig klar sind und den Spuk nicht mitmachen, indem sie ihn verulken, nimmt nicht Wunder.

Die Auguren der Börse bilden die priesterkaste nebenan: auch sie müssen mit den Katzentischen der wissenschaft vorlieb nehmen - und das Gelächter über sich aushalten.


Nota bene ad Trolle


https://www.cambridge.org/core/journals/journal-of-the-american-philosophical-association/article/aristotle-on-trolling/540BB557C82186C33BFFB61E35A0B5B6


Best

Ralf Frodermann



Notizen ordnen:


Gattungspoetische Hybridität


1

Der barocke Romanautor Heinrich Anselm von Ziegler und Kliphausen schließt das dritte

Buch seines einst berühmten Romans "Die asiatische Banise" mit einem dreiaktigen Theaterstück: "Die Handlung der listigen Rache oder Den tapfern Heraclium".

Theater auf dem Romantheater.