7. März 2022
Kaum hier angelangt, werden schon wieder die Koffer gepackt. Meine Frau fühlt sich in Europa nicht mehr sicher! Wir fliegen nach New York. Zwar werden sie uns im Plaza für die kleine Suite täglich 800$ abknöpfen, doch Himmel, heilige Hypallage, das Geld hat uns noch immer gefunden. Und geheiratet habe ich sie schliesslich, weil sie in vielen, in allen Lebenslagen so outriert vorgeht.
Bandello-Ausgabe gefunden. Sommersemester nur Vorlesung Im Schloss der Faulheit.
5. März
Marionetten bevorzugt / Zwei Kleist-Reflexe
"Ich habe sie Marionettenspiele genannt, weil ich glaube, die gezogenen Puppen von Holz werden sie eher und besser aufführen, als die hölzernen lebendigen auf unsern Haupt- und Staatstheatern."
König Violon und Prinzessin Clarinette
Ein Trauerspiel für Marionetten
Siegfried August Mahlmann: Marionetten = Theater P oder P
Sammlung lustiger und kurzweiliger Actionen für kleine und große Puppen
Leipzig, 1806
"Es wär mir beinah lieber, wenn nicht Menschen,
Dies spielen würden, sondern große Puppen,
Von einem ders versteht gelenkt an Drähten.
Sie haben eine grenzenlose Anmut
In ihren aufgelösten leichten Gliedern
Und mehr als Menschen dürfen sie der Lust
Und der Verzweiflung selber sich hingeben
Und bleiben schön dabei."
Hugo von Hofmannsthal, Prolog zu "Die Frau im Fenster"
Friedell und Pedell
Eine Ohrfeige, die schallend genug für Egon Friedell war, ist sicher schallend genug für unseren dreisten Pedell Frodermann.
In seiner Friedell-Studie "Kulturgeschichte zwischen den beiden Weltkriegen" (1991) schreibt Roland Innerhofer:
"Der Großgymnasiast weist sich als Genie aus, indem er ein allerdings erstaunliches enzyklopädisches Wissen durch seine Kombinationskunst neu gruppiert."
4. März 2022
Noch vor der Ankunft im Hotel will meine Frau in die Uffizien. Säe erst gar keinen Wind!
Die Leseszene
"Was tust du da?"; schreit laut die Mutter,
"Ich les ein Buch", sagt stolz der Sohn.
"Ich kaufe Brot und du die Butter,
Das Bücherlesen kannst du schon."
Die Schreibszene
In Sprachenspalten spalt ich
Klafterweise Satz und Wort,
Halt ich die Feder, hält sie mich?
Bin überall am selben Ort.
Rhetorik der Torheit oder Hypergraphie?
"Gibt es Musik?" titelt die Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft in ihrer jüngsten Ausgabe ( 66 / 2 2021).
Über einer sog. "Einführung in ein Problemfeld" der beiden Herausgeber steht Musik schon in Anführungszeichen:
Gibt es "Musik"? (Ibid. S.5) und sorgt auf diese Weise diskret für eine Derealisierung ihres Gegenstandes.
Die natürliche Verwandtschaft rhetorischer Fragen und Lehrerköpfe ist so evident wie der Umstand, dass der Papst katholisch ist.
Blasonierer
Beschreib den Lidschlag auf dem Wappen,
kannst du es nicht, du nasser Lappen,
vermagst du's nicht in drei Sekunden,
so helfen dir nicht tausend Stunden.
Sind Celans Texte als Steganogramme anzusprechen?
Am Nachmittag Ruhe. Krieg im Osten.