4.2.3.1 Kugelstoßen und Diskuswerfen

Nasser Untergrund kann zum ausrutschen führen, insbesondere bei Disziplinen, die ohne Spikes absolviert werden. Hierzu zählen der Diskuswurf und das Kugelstoßen. Eine Testreihe wäre auch in diesem Fall zu wenig aussagekräftig, weil die technische Komplexität dieser Disziplinen störend wirkt und es sehr schwierig ist, ausreichend viele gute Diskuswerfer und Kugelstoßer an einem Ort zu versammeln. Dies ließe sich zwar theoretisch z.B. bei Landesmeisterschaften bewerkstelligen, aber der fehlende Wettkampfcharakter bei einer Testreihe nach dem eigentlichen Wettkampf käme als weiterer Störfaktor hinzu. Die Konsequenz einer schlechten Bodenhaftung ist in jedem Fall ein vorsichtigeres Agieren des Werfers, um nicht wegzurutschen bzw. einen ungültigen Versuch zu erzielen. Besonders bei Drehwürfen, also dem Diskuswurf und der Drehstoßtechnik beim Kugelstoß, bei denen einbeinige Belastungen ausgeprägter sind, als beispielsweise bei der Angleittechnik beim Kugelstoßen, ist die Gefahr des Gleichgewichtsverlusts durch Ausrutschen erhöht und führt unweigerlich zu kürzeren Würfen und Stößen. Selbstverständlich ist auch die Qualität des Untergrunds entscheidend. Moosige Diskusringe können bereits bei Trockenheit Stürze auslösen. Der Autor muss allerdings hierbei davon ausgehen, dass die Wettkampfstätten und insbesondere die Diskuswurf- und Kugelstoßringe optimal präpariert sind, was bei Wettkämpfen ab dem Niveau einer Landesmeisterschaft in der Regel zutrifft. Doch selbst ein perfekt vorbereiteter rauer Diskusring wird bei Nässe rutschig. Beispielsweise erzielte Diskuswerfer Martin Wierig, der nur wenige Wochen zuvor in Halle mit 67,21m den Sprung auf Platz vier der zu diesem Zeitpunkt gültigen Weltjahresbestenliste schaffte, im Juni 2011 bei den mitteldeutschen Meisterschaften in Dessau bei Regen nur 61,13m. Ein leistungsmindernder Einfluss eines nassen Diskusrings ist daher naheliegend, deshalb wurde dieser Sachverhalt weiter untersucht. Leistungen von Wettkämpfen mit einem Diskuswettbewerb, bei denen nachweislich Regen herrschte (siehe Tabelle 5) wurden mit der jeweiligen Saisonbestleistung verglichen, soweit diese in den jeweiligen Bestenlisten auffindbar waren. Danach wurden die gleichen Wettkämpfe aus den Vor- oder Folgejahren analysiert, die hingegen bei trockener Witterung stattfanden und abermals der durchschnittliche Unterschied zur Saisonbestleistung ermittelt. Untersucht wurden lediglich männliche Athleten, weil deren Ergebnisse für diese Arbeit relevanter waren. Das Resultat dieser Auswertung zeigt Tabelle 6, relevante Standardabweichungen sind dort in Klammern vermerkt.

Tabelle 5: Untersuchte Wettkämpfe für den Diskuswurfvergleich Regen-Trockenheit[1].

Tabelle 6: Abweichung der Diskuswurfergebnisse der Wettkämpfe aus Tabelle 5 von der Saisonbestleistung[2],[3],[4],[5],[6],[7].

Die vorangegangene Vermutung hat sich mehr als bestätigt. Im Schnitt lagen die Diskuswerfer bei Nässe doppelt so weit hinter ihrer Saisonbestleistung, wie bei Trockenheit. Bei einem trockenen Ring warfen die Athleten 3,7% weiter, als bei einem nassen Ring, was im untersuchten Leistungsbereich 1,4m entsprach. Weltklassezehnkämpfer, die im Schnitt etwa 45m weit werfen, würden bei Nässe 1,7m einbüßen, was im Zehnkampf 35 Punkten entspricht. Wie nass der Diskusring tatsächlich war, ist unbekannt. Daher wurde der mittlere der fünf für die spätere Standardisierung definierten Nässegrade (siehe Tabelle 10, 4.3.2.1) als Basis genommen. Demzufolge kommt es bei einem mehrere Zentimeter unter Wasser stehenden Diskusring zur doppelten Beeinträchtigung.

Wie erwähnt ist die Angleittechnik beim Kugelstoßen weniger anfällig für das Ausrutschen. Da die meisten Zehnkämpfer auf diese Technik zurückgreifen, erscheint es plausibel, den erwarteten Einfluss auf die Stoßweite von 3,7% auf 2,0% fast zu halbieren. Somit wird ein nasser Kugelstoßring die Weite eines Spitzenzehnkämpfers um 29cm oder 18 Punkte schmälern.

[1] [47], Wetteronline, Unterseiten Rückblick\Diagramme\Mitte\Deutschland

[2] [4], BLV (2011), Unterseiten 2006\Bayerische Mehrkampfmeisterschaften Mä/Fr/Jun/JgdAB

[3] [4], BLV (2011), Unterseiten 2007\BLV-Cup M/F/Jugend/Schüler

[4] [38], SHLV (2011), Unterseiten 2011\LM Männer/Frauen, B-Jugend

[5] [4], BLV (2011), Unterseiten 2007\Bayerische Mehrkampfmeisterschaften Mä/Fr/Jun/JgdAB

[6] [4], BLV (2011), Unterseiten 2006\BLV-Cup M/F/Jugend/Schüler

[7] [38], SHLV (2010), Unterseiten 2011\LM Männer/Frauen, B-Jugend