1. An der Einleitung erkennst du ein Märchen
Ein Märchen zu beginnen ist leicht, denn am Anfang klingen alle sehr ähnlich. Es gibt klassische Sätze, mit denen viele Märchen in die Geschichte starten. Aus den bekannten Märchen der Gebrüder Grimm kannst du es an diesen Beispielen erkennen. Lies dir einige Märchen durch und finde selber Sätze, die zu einem guten Anfang beim Märchen schreiben passen.
Der Teufel mit den drei goldenen Haaren: Es war einmal eine alte Frau …
Dornröschen: Vor Zeiten war ein König und eine Königin …
Goldkinder: Es war ein armer Mann und eine arme Frau …
Froschkönig: In den alten Zeiten …
2. Dein Held muss gut und sympathisch sein
Nun musst du eine Hauptfigut finden, die dein Märchen bestimmt. Sie läuft durch die Märchenwelt, erlebt Abenteuer, löst Rätsel und besiegt böse Gestalten. Dieser Held, oder diese Heldin, braucht eine markante Eigenschaft, die sie unverwechselbar macht.
Auch die Nebenfiguren deines Märchens sollten einen guten Wiedererkennungswert haben. Gib ihnen spezielle Eigenschaften, die sie zu etwas Besonderem machen. Nimm dir Zeit, um gute Ideen “auszubrüten”.
Königstochter im Froschkönig: weinerlich
Wolf und die 7 Geißlein: die alte Geiß ist liebevoll
Frau Holle: eine häßliche und faule Tochter, eine schöne und fleißige
Typisch Märchen:
magische Zahlen: 3, 7 und 12 – die 13. weise Frau verzaubert Dornröschen
Figuren mit Zauberkräften: eine Hexe verzaubert Hänsel und Gretel
3. Sein Ziel muss mindestens “die Welt retten” sein
Im Märchen geht es nie um Nichts, sondern immer um Alles. Wer will schon eine Geschichte hören, in der der Held nur Gemüse einkauft und die Zeitung liest? Niemand.
Er muss jemanden retten, jemanden befreien, die Welt zum Guten verändern und andere glücklich machen. Prinzen retten Prinzessinnen, töten Drachen und helfen den Armen.
Arme Mädchen erlangen Gerechtigkeit und Tiere bekommen ihr Gnadenbrot.
4. Die Handlung spielt in der Fantasie und in der Realität
Im Märchen kannst du fantasievolle Welten erschaffen, die sich an der Realität orientieren. Nimm deinen Garten als Schauplatz und lass dort die Grashalme miteinander reden. Nimm dein Kinderzimmer und denke dir Löcher in der Wand, durch die du in eine andere Welt gelangst. Ich bin sicher, dazu fallen dir noch viele Ideen ein.
5. Am Ende geht das Märchen gut aus, immer
Willst du ein Märchen schreiben? Du möchtest deinen Held sterben lassen, das Böse soll siegen und die Welt soll untergehen? Dann schreibe einen Thriller oder einen Fantasie-Roman, aber kein Märchen. Hier ist die Welt noch in Ordnung. Im Märchen gewinnt immer das Gute und das Böse wird bestraft. Zum Schluss liest du Sätze wie:
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch immer.
Ende gut, alles gut.
Fantasie ist nicht gleich Märchen
Nicht jede erfundene Geschichte, zum Beispiel Harry Potter oder Die Simpsons, ist gleich ein Märchen, obwohl sie sich märchenhafter Elemente bedienen. Vielmehr handelt es sich bei echten Märchen um eine einfache Erzählform, die sich durch Raum- und Zeitlosigkeit auszeichnet und an keinen historischen Hintergrund gebunden ist.
Nicht jede erfundene Geschichte, zum Beispiel Harry Potter oder Die Simpsons, ist gleich ein Märchen, obwohl sie sich märchenhafter Elemente bedienen. Vielmehr handelt es sich bei echten Märchen um eine einfache Erzählform, die sich durch Raum- und Zeitlosigkeit auszeichnet und an keinen historischen Hintergrund gebunden ist.
Wir wollen unser eigenes Märchen schreiben, nicht einfach nur kopieren, was es schon gibt. Die hier vorgestellte moderne Version von Rotkäppchen soll demonstrieren, wie es glücken kann, die Kraft der Märchen zu nutzen, und zugleich zu einer eigenen Geschichte zu kommen.
Wichtig ist, dass wir das Angebot erkennen, das in den Erzählmustern der Vorlage liegt. Zugleich sollten wir uns frei darin fühlen, diese flexibel zu gestalten.
Keiner schreibt uns vor, dass Rosa (Rotkäppchen) am Ende tatsächlich gerettet wird. Wir können in ganz unterschiedliche Richtungen weitererzählen.
Vielleicht kommt sie mit ihrem Uni-Dozenten zusammen und am Ende haben wir ein romantisches Happy-End. Vielleicht kann aber auch er sie nicht retten und sie versinkt ganz im Drogensumpf und geht ihrem Untergang entgegen.
Der Freiheit sind also keine Grenzen gesetzt!