Zen-Kunst

Andeutungen der Wirklichkeit

Wenn wir das Wort Zen-Kunst hören, denken wir meist an Japan und erinnern uns an das, was wir über diese Form des Zen schon gehört, gesehen und gelesen haben. Mit Zen-Kunst verbinden wir in der Regel also japanische Zen-Gärten, Ikebana (Blumenstecken), Tee-Zeremonien oder Zen-Malerei. Da Sati-Zen keine japanische Zen-Tradition ist (vgl. Traditionslinie), brauchen wir diesen Begriff etwas anders.

Im Sati-Zen-Geist stehen Natürlichkeit und Herz im Zentrum. Natürlichkeit vielleicht als Gegensatz zu einer Perfektionierung, die mit allzu viel Streben verbunden ist, "Herz" vielleicht als Gegenstück zu rigoroser Disziplin. Ein Beispiel für diese Art der Natürlichkeit ist die Kiefer auf dem Bild im Haus Tao, das unter Symbole im Haus beschrieben wird. Dort heisst es: Die Kiefer ist äusserst anspruchslos und wächst noch in kargsten Gebirgsregionen, in denen andere Bäume nicht mehr zu finden sind. Sie trotzt widrigen Umständen, Sturm, Regen und Schnee, und passt sich durch ihre Wuchsform den äusseren Umständen an, ohne ihre Eigenheit und Schönheit zu verlieren. Im Gegenteil macht gerade das sie aus: im Einklang zu sein mit den Dingen, wie sie sind. Damit steht sie für geistige Qualitäten, die wir auf unserem Weg entwickeln wollen.

Im Sati-Zen geht es nicht um eine formalisierte Form von Kunst, was einen gewissen Spielraum offenlässt. Dennoch ist dieser Spielraum nicht beliebig. Es ist nicht zufällig, wie wir z. B. den Garten des Haus Tao gestalten oder unsere Webseiten oder unsere Wohnung. Innerhalb dieses weiten Rahmens suchen wir unseren eigenen Weg, in der Zen-Kunst genauso wie in unserem Alltag. Im Bild oben stellt Hakuin Zenji drei Blinde dar, die sich über eine Brücke tasten - und meint damit uns, die wir relativ blind durchs Leben tasten, solange wir nicht erwacht sind. Auch in der Sati-Zen-Praxis tasten wir uns anhand eines klaren und gleichzeitig flexiblen Rahmens sorgfältig auf unserem Weg voran. Wir gestalten unser Leben und werden von ihm gestaltet.

Unser Zen-Garten braucht also keineswegs japanisch zu sein. Die Gartenkunst, die das Haus Tao prägt, wurde von der Gartenkunst Chinas inspiriert. Der Garten ist ständig dabei, sich in einem lebendigen Prozess zu verändern, und seine Gestaltung wird auf natürliche Weise den hiesigen Verhältnissen angepasst. Solche Veränderungen können wir jederzeit vornehmen, doch soll das Gestaltete auf die eine oder andere Weise die Buddha-Lehre verkörpern (vgl. auch Symbole im Garten). Da die Zen-Kunst auf der Lehre des Buddha basiert, macht sie eine Aussage. Ein schönes Beispiel dafür ist der japanische Steingarten Ryoanji in Kyoto. Er gehört zur Rinzai-Zen-Schule, wurde 1450 erbaut und besteht lediglich aus kleinen und grösseren Steinen, ohne Wasser. Fünfzehn Basaltbrocken sind so angeordnet, dass man stets nur vierzehn sehen kann, wo immer man steht. Dies deutet auf das Absolute hin, das nicht ausgesprochen werden kann. So betrachtet, ist es ein Geheimnis, und ein Garten wie dieser ein Hinweis auf den Kern der Buddha-Lehre. Wie eingangs beschrieben: Die Buddha-Lehre bezieht sich auf die Vier Siegel, ohne die es nicht die Buddha-Lehre ist - und drei dieser Siegel (also die Drei Daseinsmerkmale) beziehen sich auf die relative Welt der Formen. Nirvana hingegen entzieht sich der Form und der Worte.

Auch wenn wir unser Rakusu nähen, für dessen Formgebung wir auf alte chinesische Tradition und japanische Näh-Praxis zurückgegriffen haben, so ist dies keineswegs beliebig. Und doch ist jedes Rakusu anders: nicht, weil wir es zwingend anders haben wollen als alle anderen, sondern weil es auf natürliche Weise unser Wesen ausdrückt, das einzigartig ist.

Das Kapitel über Symbole im Haus hat ebenso mit dieser Art der Zen-Kunst zu tun. Die Gegenstände in Haus und Garten des Haus Tao sind nicht zufällig angesammelt und auch keine Anhäufung asiatischer Mitbringsel. Die ganze Formgebung ist über viele Jahre gewachsen und spricht in einer ganz spezifischen Sprache zu uns, so wir hören können. Das gesamte Haus Tao und der Garten widerspiegeln damit unser Verständnis der Chan- und Zen-Kunst. Wir nennen es auch ein Bodhi-Mandala, ein Ort, wo die Praxis des Erwachens im Zentrum steht (vgl. auch Symbole im Garten).