Rituale

Das Spiel von Form und Leerheit 

In unserem Alltag kennen wir viele Rituale: kleine, sich wiederholende, stets in gleicher Weise ausgeführte Handlungen. Sie machen das Leben einfacher und oft auch schöner. Das Zurückstellen an den immer gleichen Ort sorgt etwa verlässlich dafür, dass wir unsere Zahnbürste griffbereit haben, wenn wir sie brauchen. Und wenn wir unsere Nachbarn treffen, die wir vielleicht nicht so gut kennen, tauschen wir ritualisierte Begrüssungsformeln aus und unterhalten uns übers Wetter, obwohl natürlich jeder selber sieht, wie das Wetter ist. Wäre unser Leben nur ritualisiert, entstände niemals Nähe und Spontaneität. Und wird der Ordnungssinn übertrieben, kommen wir bald einmal in die Nähe von Zwangshandlungen. Rituale, sofern aufmerksam und wach ausgeführt, können jedoch auch wertvolle Upaya des Sich-Erinnerns sein, im Alltag wie in der formellen Praxis: Beim Small Talk mit den Nachbarn erinnern wir uns auch daran, dass wir nicht allein auf der Welt sind, und stellen einen kleinen, freundlichen Kontakt her zum Gegenüber. 

Die Zeit des Buddha war kulturell wie religiös äusserst vielfältig und formenreich, was sich unter anderem in einer Vielzahl an Ritualen und Zeremonien ausdrückte. Manche stammten aus ferner Vorzeit, andere kamen im Lauf der Zeit dazu. Viele waren darauf ausgerichtet, einzelne oder eine Vielzahl von Gottheiten zu beschwichtigen und das eigene Karma, das zumeist als persönlicher Ursache-Wirkungszusammenhang verstanden und entsprechend mit Selbstverschulden in Verbindung gebracht wurde, zu verbessern. So wurde auch versucht, künftiges Übel mit Magie fernzuhalten. Der Buddha lehrte seine Schüler, diese magische Sichtweise zu durchschauen. Eine erste tiefe meditative Einsicht, im Frühen Buddhismus "Stromeintritt" genannt, kennzeichnet sich unter anderem dadurch, dass der Glaube, sich  durch Rituale Vorteile zu verschaffen oder die Götter gnädig stimmen zu können, als Illusion erkannt wird. 

Was wir allgemein über Upaya, hilfreiche Mittel, ausgeführt haben, gilt auch für Rituale und Zeremonien: Es kommt weniger auf das spezifische Ritual selbst an als vielmehr auf die innere Haltung, auf unseren Herz-Geist. Es ist die Wachheit und Freundlichkeit des Herzens, die einem Ritual Tiefe und Grösse verleiht! Ansonsten verlieren wir uns leicht in Formalismus und leeren Ritualen.

Rituale und Zeremonien im Sati-Zen

Umfassend verstanden, kann somit jede Handlung zu einem Ritual werden, im Alltag genauso wie im Retreat. Sati-Zen bietet verschiedene spezifische Zugänge zur Praxis mit Ritualen und Zeremonien. Die meisten Rituale betreffen das tägliche Leben: 

Nach einer bestimmten Form ausgeführte rituelle Handlungen stehen uns, wie auch die Rezitationen und Gesänge, für die individuelle und gemeinsame Praxis im Alltag und für feierliche Zeremonien zur Verfügung. Leute, die schon im japanischen Zen praktiziert haben, werden bei uns überrascht sein, wie wenig unsere Praxis rituallastig ist. Auch in diesem Bereich ist Sati-Zen eine Integration in unsere westliche Kultur und Lebensweise.

In unseren Retreats ist das "kleinste" Ritual die Verbeugung (Gassho); einen einfachen Zugang zu Ritualen und Zeremonien bietet der Umgang mit den Instrumenten oder die "Gabe für die hungrigen Geister" (vgl. Rezitationen); für feierliche Gelegenheiten und für die tägliche Praxis können wir die täglichen Rezitationen der Sati-Zen-Sangha erlernen. All diese Praxiselemente können wir zuhause genauso üben wie an den Retreats. Sie werden im Folgenden näher beschrieben.