Verbeugungen

Der Buddha in uns

Gassho

Die einfache Verbeugung, die wir im Haus Tao als "kleinstes" Ritual häufig üben, nennen wir Gassho (jap.; zusammengefügte Handflächen; vgl. Skt.: anjali [mudra] und namaste). Sie ist in weiten Teilen Asiens die gängige Begrüssungsgeste. Wie tief die Symbolik dieser Geste ist und wie sehr sie uns auf dem Weg unterstützen kann, ist in Der Garten des Geistes ausgeführt (siehe dort ab S. 190).

Wenn wir in Gassho die Hände zusammenlegen, können wir uns daran erinnern, dass es immer einen Grund gibt, dankbar zu sein: für den kurz aufblitzenden Humor, der ein hitziges Wortgefecht entspannt; für die Wärme der Sonnenstrahlen an einem klirrend kalten Wintertag; für das Lächeln des Gegenübers; für einen stillen Augenblick, jederzeit...

Thich Nhat Hanh erinnert uns mit dem Gatha "Ein Lotus für dich - zukünftiger Buddha" daran, dass wir bei jedem Gassho mit den Händen eine Lotusknospe bilden und so den "Samen des Erwachens im Gegenüber" begrüssen - und genauso denjenigen in uns selbst. Der Lotus, und sei er im Schlamm verborgen, ist genauso ein Lotus wie die fertig ausgebildete, makellos schöne Blüte. Mit einem Gassho können wir jeder Person und auch jedem Ding Respekt entgegenbringen.

Verbeugung mit dem ganzen Körper: Zufluchtnahme zu den Drei Juwelen

Die ebenfalls traditionelle tiefe Verbeugung, Niederwerfung oder Erdberührung ist eine hingebungsvolle Geste, die mit dem ganzen Körper ausgeführt wird. Wir neigen den sonst so oft dominierenden Kopf bis zur Erde, stellen den alles kontrollierenden Verstand einen Moment zurück und vertrauen uns ganz der Erde an. Wir verbeugen uns vor den Drei Juwelen Buddha, Dharma und Sangha und nehmen innerlich Zuflucht. Wenn die beiden Handflächen, wie wir es im Bild oben sehen, leicht angehoben bzw. über den Kopf gehoben werden, so stellen wir damit die Drei Juwelen symbolisch über unser Ich. Buddha, Dharma und Sangha geben unserem Leben, wie wir gesehen haben, eine sichere Richtung und verweisen direkt auf unseren Herz-Geist, unsere innewohnende Buddha-Natur. Zuflucht und Verbeugung sind "Geschwister".

Verbeugung zu Mutter Erde und vor all unseren Vorfahren: Das Ritual der Erdberührungen

Die Verbeugung mit dem ganzen Körper kann nebst der Zufluchtnahme auch eine generelle Praxis des Dankes sein. Das Ritual der Erdberührungen stellt ein spezifisches Ritual der Versöhnung mit unseren leiblichen und spirituellen Wurzeln und eine Vergegenwärtigung unserer aktuellen Sangha und spirituellen Familie dar. Was uns heute ausmacht, gute wie weniger gute Eigenschaften und Veranlagungen, ist durch unser geistiges und körperliches Erbe mitgeprägt. Beim Ritual der Erdberührungen treten wir im Moment des Verbeugens bewusst mit diesen ihrerseits vielfältig geprägten Wurzeln in Verbindung. Wir berühren die Erde im Bewusstsein, dass sie uns trägt und wir ihr Sorge tragen wollen. Dies ist eine kraftvolle Praxis der Hingabe. Wenn wir die Erde berühren, atmen wir unser Leiden aus - unsere Gefühle der Wut, des Hasses, der Angst, der Unzulänglichkeit und der Trauer. Wir geben uns hin und versöhnen uns mit all dem Leidvollen, Schwierigen und Unheilsamen, das uns widerfahren ist. Beim Einatmen spüren wir die Kraft der Erde, der heilsamen Erneuerung, und richten uns gestärkt auf. Fühlen wir uns stark genug, so üben wir mit der umfassenden Motivation eines bzw. einer Bodhisattva: Wir verbeugen uns zur Erde und nehmen alles Leid der Welt auf mit dem Wunsch: "Mögen alle Wesen frei sein von Leiden".

Wie bei der Praxis der Brahmavihara, wo oft Formulierungen in Wunschform als Unterstützung verwendet werden, kann dies auch hier hilfreich sein. Passende individuelle Formulierungen oder einen direkten Zugang ohne Worte zu finden, ist dabei ein Teil der Praxis. Wir können uns bei jeder Verbeugung einem Aspekt widmen, ihn still reflektieren und etliche Verbeugungen lang beibehalten oder mit jeder Erdberührung zu einem nächsten Aspekt übergehen.

Mögliche Formulierungen:

  • In Dankbarkeit und Mitgefühl verneige ich mich vor allen Generationen meiner leiblichen Vorfahren.

  • In Dankbarkeit und Mitgefühl verneige ich mich vor allen Generationen meiner heutigen spirituellen Familie, meiner Lehrerinnen und Lehrer bis zurück zu Buddha Shakyamuni.

  • In Dankbarkeit und Mitgefühl verneige ich mich vor diesem Land und allen Vorfahren, die es aufgebaut haben.

  • In Dankbarkeit und Mitgefühl verneige ich mich zur Erde und wünsche mir Versöhnung mit allen, durch die ich Leid erfahren oder denen ich selber Leid zugefügt habe.

  • In Dankbarkeit und Mitgefühl verneige ich mich zur Erde und widme meine Energie denen, die ich liebe, und allen Wesen, die der Zuwendung bedürfen.

Im Haus Tao wird die Praxis der Erdberührungen als vertiefender Aspekt der Praxis angeboten, wenn sie ein Retreat-Thema verdeutlicht und unterstützt.