Sangha als Upaya

Sangha* als Gemeinschaft der Übenden

Oft genug müssen wir den Weg allein gehen - und oft genug verlaufen wir uns. Doch kann man sich genauso gut auch kollektiv verlaufen. Und immer wieder versuchen wir, wie das Äffchen von Hakuin Zenji im Bild oben, den Mond, der sich im Wasser spiegelt und den wir mit dem echten Mond verwechseln, zu ergreifen - einzeln oder zu mehreren. Im Wissen um die unterstützende Kraft einer weisen Sangha hat der Buddha von der Sangha als einer Gemeinschaft spiritueller Freundinnen und Freunde gesprochen. Was alle buddhistischen Schulen als Kernaussagen betrachten und damit auch eine buddhistische Sangha kennzeichnet, haben wir eingangs beschrieben, vgl. Der Kern der Buddha-Lehre.

Die Sati-Zen-Sangha ist die Gemeinschaft der Übenden, die als Nordstern für ihre Praxis Zuflucht genommen haben und in der Traditionslinie des Sati-Zen mit den Fünf Shila und den Neun Pfeilern üben. Zudem verwenden wir den Begriff für alle, die gemeinsam im Geist des Sati-Zen praktizieren und dabei jeweils eine temporäre Sangha bilden, z. B. an einem Retreat oder in einer regionalen Meditationsgruppe.

Sangha als upaya

Die Sangha der Übenden ist für die eigene Praxis zentral, denn sie ist in jedem Moment konkret (er-)lebbar, als Inspiration wie als Herausforderung. Wenn wir Konflikte haben, so meist nicht in unseren Visionen, sondern mit realen Menschen mit ihren individuellen Eigenheiten. Mit der Verschiedenheit von Menschen umzugehen, ist erfahrungsgemäss meist um vieles herausfordernder, als mit Gleichgesinnten zusammenzuleben. Gemeinsam mit unterschiedlichen Persönlichkeiten einen Weg zu gehen erfordert viel Einfühlungsvermögen, Geduld und Toleranz. Auch wenn sich eine spirituelle Gemeinschaft nur temporär bildet, so ist sie doch ganz konkret ein Übungsfeld für diesen wichtigen und komplexen zwischenmenschlichen Bereich, der unser Ego so leicht aus der Reserve lockt. In einer temporären Sangha geht es aus Sicht der Praxis deshalb auch nicht um die Frage: Was bringt mir eine solche Gemeinschaft? Es geht vielmehr um die Frage, wie ich die Gemeinschaft unterstützen kann: Bin ich für sie da oder muss sie mehrheitlich für mich da sein, das Gefühl meiner Einsamkeit beseitigen oder mein Ego stärken? In diesem Sinn ist Sangha ein sehr direktes hilfreiches Mittel (Upaya), um eigene Identifikationen zu erkennen und die Ego-Konstruktion zu durchschauen.

Grundsätzlich kann jeder Ort und jede Gemeinschaft, die wir für die eigene Praxis im Alltag nutzen, ein Übungsfeld für Verstehen und Mitgefühl sein. In diesem Zusammenhang verwenden wir in der Sati-Zen-Praxis auch den Begriff Mandala der Praxis oder Bodhi-Mandala ("circle of awakening"; vgl. auch Symbole). Ein Bodhi-Mandala ist ein Ort der Praxis, der besonders geeignet ist, uns auf dem Weg des Erwachens zu unterstützen. Ein solcher Ort der Praxis kann vieles sein und hängt wesentlich von unserer Sichtweise ab: Wenn wir bei uns zuhause oder draussen in der Natur einen Ort haben, der uns die nötige Ruhe zur Sammlung und Meditation gibt, so ist das für uns ein Bodhi-Mandala. Wenn wir die Sangha der Übenden als etwas begreifen, wo wir unsere Stärken und Schwächen deutlich erkennen können, so ist das genauso ein Bodhi-Mandala.

Oft macht es Sinn, uns für präzisere Unterweisungen an einen Ort zu begeben, wo eine Lehrerin, ein Lehrer wirkt, und wenn wir bereit sind, ihre bzw. seine Hinweise als eine Art praxisbezogene "Supervision" anzunehmen, so ist dies sicherlich ein sehr hilfreiches Mittel in einem Bodhi-Mandala. In der Sati-Zen-Tradition nennen wir die Lehrenden Dharmacharya (Lehrer, Lehrerin des Dharma). Die verschiedenen buddhistischen Traditionen kennen unterschiedliche Lehrmodelle; wir sehen einen oder eine Dharmacharya als spirituellen Freund, spirituelle Freundin, als Kalianamitra (Skt.: kalyana-mitrata, Pali: kalyana-mittata; "schöner", edler Freund). Diese Form der Freundschaft ist nicht zu verwechseln mit weltlicher Freundschaft, da es hier primär um die präzise Vermittlung des Dharma geht. In diesem Zusammenhang kommt die Frage auf: Was ist eine gute und gesunde Lehrer-Schüler-Beziehung? Vgl. dazu die beiden Kapitel Lehren und Lehrer-Schüler.

Als nächstes widmen wir uns der Traditionslinie der Sati-Zen-Sangha und im Anschluss daran der Bedeutung der Zuflucht zu den Drei Juwelen Buddha, Dharma und Sangha.

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*Zu den verschiedenen Bedeutungen des Begriffs Sangha vgl. Zuflucht: Begriffsklärung - Edle Sangha (arya sangha) und Sangha der Übenden.