ältere Predigten

Predigt über 1. Petr. 2, 21b-25 – gehalten anlässlich meiner ersten Konfirmation am 28.4.1968 in der St. Ulrichkirche in Rastede

(an dieser Stelle veröffentlicht aus Anlass der Feier der "Goldenen Konfirmation" = 50jähriges Jubiläum in St. Ulrich, Rastede)

Liebe Gemeinde!

„Denn Ihr warte wie die irrenden Schafe, aber ihr seid nun bekehrt….“ - Nein, liebe Konfirmanden, das seid ihr nicht!

Ich sage das nicht mit einem Unterton des Bedauerns oder der Enttäuschung, sondern ich sage das als eine sachliche Feststellung, die euch helfen soll, eure Lage richtig zu verstehen. Damit ihr nicht übermorgen anfangt, euch ängstlich den Glaubenspuls zu fühlen, ob etwaa die Wirkung der Konfirmation schon nachlasse. Damit ihr aber auch nicht heute mittag meint, das Ding erfolgreich gedreht zu haben und alles bruhigt zu den Akten legen könnt. Vor allem aber, damit es nicht am Ende doch noch so aussieht, als gehörten zum Christsein eine finstere Büßermiene, ein frommer Augenaufschlag und der unnormale Hang, dahin zu laufen, wo es langweilig und kleinkariert zugeht. Das alles verbinden wir ja mit dem Wort „bekehrt“. Darum noch einmal: Nein, liebe Konfirmanden, ihr seid nicht bekehrt!

Schauen wir allerdings genauer hin, dann stellen wir fest, dass es nur die missverständlich gewordene Übersetzung Luthers war, die uns aufs falsche Gleis führen wollte. Wörtlich heißt es: Ihr seid jetzt hingewandt, ausgerichtet auf den Hirten und Bischof eures Lebens. Damit sind drei wichtige Dinge zur Konfirmation gesagt:

1) Konfirmation hat es mit einer Wendung zu tun, mit einer neuen Blickrichtung, einem neuen Lebensziel. Man kann also Konfirmation nicht einfach so mitnehmen, so in einem Abwasch, wie den Übergang von einer Klasse in die andere oder wie die Tanzstunde.

Gewiss, rein äußerlich geht das. Man kann zwei Jahre am Unterricht teilnehmen, äußerlich ein nettes Gesicht machen und im Stillen denken: Du kannst mir viel erzählen; wart nur, wenn ich erst hier raus bin. Man kann auch im Konfirmationsgottesdienst den ganzen Zauber mitmachen und dabei im Stillen „nein“ sagen. Aber diese Möglichkeit meine ich natürlich nicht. Das wäre ja so, wie wenn einer die Badewanne voll Wasser laufen lässt nur um anschließend zuzuschauen, wie es wieder abläuft.

Nein, ich meine jetzt die wirklich Konfirmation, an der man ernsthaft beteiligt ist. Sie muss eine Wende bedeuten, sagt der Bibeltext, eine Veränderung der natürlichen Marschrichtung. Wohl gemerkt: Nicht einmalig, nicht als ein plötzliches Gefühlsereignis an einem bestimmten Tag, so wie manche auch heute noch „Bekehrung“ verstehen. Nein, mehr wie der berühmte Fuß zwischen der Tür, der verhindert, dass man die Tür zumacht und dann mit etwas fertig ist. Konfirmation also nicht als Etappe auf dem stolzen Weg in die Zukunft, sondern als kleines Hindernis, über das man in größeren oder kleiner Abständen immer mal wieder stolpert.

Das Überraschende ist ja, dass es nach Meinung unseres Predigttextes diesen geraden Weg in die Zukunft gar nicht gibt, solange wir mit unserer Vernunft allein sind. Die Bibel braucht hier das eigentlich wenig schmeichelhafte Bild von Schafen, die ohne ihren Hirten blökend und kopflos herumrennen. Aber ist das nicht viel eher unsere Lage als die weihevollen Worte, die heute bei mancher Tischrede zu hören sein werden.

Denken wir noch einmal an den Vorstellungsgottesdienst: Wir sind auf dem Schiff – mitten auf dem Meer. Das Ziel, auf das wir zufahren, ist nicht zu sehen. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wir stellen uns vorn an den Bug, werfen eine Boje aus, fahren ihr nach, holen sie ein und werfen sie wieder aus. Un d immer so weiter. Das ist gewöhnlich unserer Weise, unserem Leben Richtung zu geben: kleine, eigene Ziele setzen. Die Versetzung in die nächste Klasse z.B., dann den Schulabschluss, die Berufsausbildung, die Hochzeit, die Kinder, die Enkel und schließlich der Tod. Immer neue Bojen,, die wir uns selbst gesetzt haben in der Hoffnung, dadurch auf geradem Kurs zu bleiben. Aber, nicht wahr, wer wollte bei dieser Methode für die Richtung garantieren!

„Ihr seid nun hingewandt zu dem Hirten und Bischof eures Lebens“. Zum Kapitän, könnte ich auch sagen, um das Bild von eben aufzunehmen. Dahin, wo das Funkgerät und der Kompass steht. Dahin also, wo allein die Gewähr dafür gegeben ist, dass der Kurs auch eingehalten werden kann.

Das ist freilich keine einmalige Geschichte. Konfirmation ist eben keine Angelegenheit von einem bestimmten Tag. Wenn mir einer sagt, seit dem und dem Tag Tag brauche ich keine Kirche mehr, ich habe meinen Gott und meinen Glauben für mich allein, im Herzen oder im Gewissen, dann würde ich antworten: Du bist wir der Steuermann, der auf hoher See einmal auf den Kompass geschaut hat und nun behauptet, für den Rest der Reise die Himmelsrichtung im Kopf oder im Gefühl zu haben. Das kann nicht funktionieren.

Aber noch ein zweites steckt in diesem Wort „hingewandt auf den Hirten eurer Seelen“. Unsere Lateiner könnten uns ja sofort sagen, dass das lateinische Wort für Hirte „Pastor“ heißt. Und dann ist mit diesem Satz „ausgerichtet auf den Pastor eurer Seelen“ wieder etwas sehr Wesentliches gesagt: Bei der Konfirmation geht es um diesen „Pastor“, diesen einen, der allein den Anspruch erheben kann, Pastor, Hirte der Seelen zu sein, d.h. des ganzen inneren und äußeren Menschen. Es geht also bei der Konfirmation nicht nicht um den Pastor, der zu der Zeit gerade unser Gemeindepastor und Konfirmator ist. Der mag mir gefallen – oder auch nicht. Der mag wichtig sein, dass mir der kirchliche Unterricht etwas gegeben hat – oder auch nicht. Er wird wahrscheinlich irgendwie auch eine Rolle spielen. Auch ich kann ja nicht leugnen, dass ich an dieser Konfirmandengruppe als der ersten meines Berufslebens irgendwie besonders beteiligt bin. Aber es wäre eine gefährliche Verkennung der Lage, es ginge bei der Konfirmation, ja im Glauben überhaupt um die persönliche Bindung an einen Menschen. Jeder Pastor, mit dem ihr es zu tun haben werdet in Zukunft, ist nichts anderes als eine Durchgangsstation, ein Wegweiser bestenfalls hin zu diesem einen Pastor, dem Hirten und Bischof eurer Seelen.

Das gilt natürlich zuerst einmal für euch, die Konfirmanden. Es gilt dann aber gleich auch für Sie, die Eltern, die Erwachsenen. Sie haben im Laufe unserer Unterrichtszeit so dies und jenes mitbekommen, und viele von Ihnen haben den Gottesdienst am Dienstag miterlebt. Schieben Sie das alles bitte nicht von sich selbst mit dem Gedanken weg: Na ja, die Jungen und Mädchen, die mag er damit ja kriegen, ein bisschen kirchlicher Firlefanz und gute Unterhaltung.

Liebe Gemeinde, wenn Ihnen das Werden und Wachsen dieser jungen Menschen am Herzen liegt, dann kann es doch nicht etwas geben, dass für die gut genug ist, aber für uns nur oberflächliches Theater. Sie können ja diese Konfirmation nicht im Ernst mitfeiern, ohne sich zu fragen: Was ist eigentlich aus meiner Konfirmation geworden? Es gibt keine Kirche für Kinder, egal, welchen Alters, die nicht immer zugleich auch eine Frage an die Erwachsenen ist. Es geht ja hier nicht um Spaßhaben, um ein paar Verrücktheiten, es geht hier immer um die Sache, um unser Leben und sein Ziel.

Ich habe euch deshalb auch absichtlich gebeten, eure Konfirmationssprüche selbst auszuwählen. Vielleicht wird sie nachher bei der Einsegnung der eine oder andere Konfirmationsspruch überraschen. Einige sind jedenfalls auffällig weltlich und vernünftig, weniger weise und fromm im traditonellen Sinn.

Die Bibelleser unter Ihnen werden vielleicht einwenden: Da hätte der Pastor doch besser die zentralen Sprüch der Bibel austeilen sollen. Aber ist es nicht sachgemäßer, dass sich jeder Mensch im eigenen Umgang mit der Bibel das Wort heraussucht, das ihm heute etwas zu sagen hat? Und wer weiß, vielleicht steckt gerade in den scheinbar so weltlichen und nur vernünftigen Sprüchen eine tiefe Folgerichtigkeit: dass nämlich unser Glaube ein hilfloser und zweckloser Glaube ist, wenn er nicht in diese äußeren Bereiche unseres Lebens vordringt. Vernunft und Glaube, Kirche und Welt sind eben keine unversöhnlichen Gegensätze. Jesus Christus ist doch eben darum zu uns auf die Erde gekommen, weil Gott die Welt liebt. Können Christen weniger weltlich sein wollen als Gott?

Dieser Jesus Christus ist der Pastor, der Hirte und Bischof eures wirklichen Lebens, so wie ihn auch das vorhin verlesene Evangelium vom guten Hirten beschreibt. Nochmal im Bild der Seefahrt: Er ist der Kapität – und zugleich Reeder und Schiffseigner. Er – keiner sonst. Zu ihm mich immer neu hinwenden – das ist die bleibende Aufgabe der Konfirmation.

Aber nun darf ein drittes und letztes nicht übersehen werden: Es heißt „ihr seid hingewandt, ausgerichtet“. Das ist ein Passiv, d.h. das ist etwas, das zunächst einmal an uns geschieht, durch einen anderen. Hier stoßen wir auf den eigentlichen Grund der Konfirmation, den Grund, von dem her all das, was wir miteinander getan haben und noch tun, seinen Sinn bekommt die Taufe.

Jörg Zink bringt einmal die Taufe in Verbindung mit einem besonderen Erlebnios aus seiner zeit als Flieger. Er war über dem Meer abgestürzt und trieb, hilflos in einer Schwimmweste hängend, zusammen mit einem Kameraden im Wasser, ohne viel Hoffnung auf Rettung. „Als damals das Schiff beidrehte“, schreibt er, „und uns aus dem Wasser zog, da waren wir so lahm, dass wir keinen Arm und kein Bein mehr rühren konnten vor Klte und Schwäche. Wir konnten uns nicht einmal mehr an den Ringen festhalten, mit denen man uns herausziehen wollte… Wenn es auf unsere Kräfte angekommen wären, wären wir verlorene Leute gewesen. Seiher verstehe ich die Kindertaufe besser. Die Taufe ist ein Zeichen für eine Rettung, zu der wir nichts beitragen können, gar nichts! Eigentlich können wir doch unsere eigenen Kräfte erst riuchtig regen und üben, wenn wir gerettet an Bord des Schiffes sind.“

Warum tut Gott das? Mir scheint, diese Frage können wir schon nicht erschöpfend beantworten, wenn ein mensch dem andern hilft. Aber vielleicht kann man bei uns doch sagen: letzlich darum, weil jeder weiß, oder befürchten muss, dass er auch mal in eine so missliche Lage kommt. Nur: Gott braucht das nicht zu fürchten.

Das Merkwürdige ist nun aber, dass er doch hinein gekommen ist in unsere Lage. Freiwillig. Er stürzt unsere egoistische Nächstenliebe um. Nichts anderes bedeutet ja das Bekenntnismzu Jesus Christus. Da haben Menschen zu ihrem großen Erstaunen Gott in unserer Lage angetroffen, um uns zu helfen. Dasendmahl ist der zentrale Punkt dieser Erkenntnis.

Fragen wir nicht:“Warum zeiht er uns an Bord seines Schiffes?“ Fragen wir lieber: Wie tut er es ganz ohne unser Zutun. Und schauen dorthin, auf das Kreuz.“Christus hat gelitten für euch“, sagt unser Predigttext, „und euch ein Vorbuild gelassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen.“

Wir sind auf dem Schiff. Gott allein weiß, wie und warum es so gekommen ist. Wir sind jedenfalls drauf, gerettet, auf der Heimfahrt. Ich weiß nicht, wo der Punkt ist, dass einer über Bord geht. Wahrscheinlich istdas Deck viel größer, als viele fromme Leute meinen. Und dennoch: Es gibt den Punkt: Mann über Bord! Ein Sturm mag ihn heruntergeschwemmt haben. Oder die allzu ruhige und sonnige See hat ihn zum Aussteigen verlockt. Gebe Gott, dass wir vor beidem bewahrt bleiben! Amen

Lieder:

Sonne der Gerechtigkeit (EKG 218, 1-2+5-7; EG 263, 1-2+5-7)

Lob Gott getrost mit Singen (EKG 205, 1-3+5-6; EG 243, 1-3+5-6)

Ich bin getauft auf deinen Namen (EKG 1521+2+4; 200, 1+2+4)

Ich gebe dir, mein Gott, aufs Neue (152, 5+6; 200, 5+6)

Zu Einsegnung Abendmahl:

Wir wollen alle fröhlich sein (EKG 82; EG 100)

Das sollt ihr Jesu Jünger (EKG 159; EG 221)

Nun danket all und bringet Ehr (EKG 231; EG 322)

Ich habe nun den Grund gefunden (EKG 269; EG 354)

„Um Himmels Willen, gebt die Erde nicht auf“ - Predigt zu Christi Himmelfahrt über Eph 1, 20-23

Liebe Gemeinde,

„Jesus Christus herrscht als König...“ - Philipp Friedrich Hiller, der Dichter dieses Liedes, das wir gerade gesungen haben, wollte damit den Predigtext für diesen Tag singbar machen. Singbar und gedanklich nachvollziehbar. Denn mit dem zweiten, dem gedanklichen Nachvollziehen, hatten die Menschen schon damals, im 18. Jahrhundert, ihre Schwierigkeiten. Und ich vermute: Nicht nur die, wahrscheinlich schon die Leute in Ephesus, an die der unbekannte Paulusschüler diesen Brief „an die Epheser“ schickte.

Ephesus war damals eine reiche und bedeutende Stadt an der Westküste Kleinasiens, also der heutigen Türkei. Und wie das in reichen und bedeutenden Städten oft ist – denken Sie zum Vergleich etwa in unserer Umgebung an Hamburg oder Amsterdam – so fragten die Menschen in dieser Stadt nach allem, was reich und bedeutend ist, aber nicht nach Religion. Und so bestand die kleine christliche Gemeinde in Ephesus aus zwei oder drei dutzend armen und unbedeutenden Menschen. Und denen schrieb der Apostel u.a. diese Sätze:

Denn ihr sollt wissen, welche Hoffnung mit eurer Berufung verbunden ist.

Außerdem, welche Fülle an Herrlichkeit zu seinem Erbe für die Heiligen gehört.

19Und schließlich, welch überwältigend große Kraft er uns verleiht,

die wir zum Glauben gekommen sind – so wie es der Macht und Stärke entspricht,

mit der er sein Werk vollbringt.

20Diese Macht ließ er auch an Christus wirksam werden:

Er hat ihn vom Tod auferweckt

und ihn an seine rechte Seite gesetzt – im Himmel,

21hoch über Mächten und Gewalten, Kräften und Herrschaftsbereichen.

Und über allen Namen, die man anruft –

nicht nur in dieser Zeit, sondern auch in der kommenden.

22Außerdem "hat er ihm alles zu Füßen gelegt."

Und er hat ihn zum Haupt über die ganze Gemeinde eingesetzt.

23Sie ist sein Leib. Und er, der alles in allem erfüllt, ist mit seiner ganzen Fülle in ihr gegenwärtig.

Wie das wohl angekommen ist in der kleinen Gemeinde im reichen und bedeutenden Ephesus. Mir fiel dazu eine Anekdote ein, die von Karl Barth erzählt wird. Karl Barth, das war einer der drei ganz großen deutschen evangelischen Theologen des 20. Jahrhunderts, neben Paul Tillich, der im Wesentlichen in den USA lehrte, und neben Rudolf Bultmann, der als Kind höchstwahrscheinlich auf dieser Wiese Fußball gespielt hat; denn sein Vater war einige Jahre lang hier in Rastede Pfarrer. Karl Barth ist der dritte im Bunde, bekannt vor allem durch seine voluminöse Dogmatik, die man nur auf einem Bollerwagen tranportieren kann, und natürlich als der Vater der Bekennenden Kirche, also dem kleinen Teil der evangelischen Kirche in Deutschland, der sich gegen die Nazis gewehrt hat.

Dieser Karl Barth wurde einmal nach einem Vortrag von einer vornehmen und offensichtlich nicht armen älteren Witwe gefragt: »Werden wir unsere verstorbenen Lieben bei der Auferstehung auch wirklich wiedersehen?« »Ja, ganz gewiß!« soll Barth geantwortet haben, »aber die anderen auch!«

Ich denke, was diese Antwort von Karl Barth jener Fragerin zumutete, entspricht ziemlich genau dem, was der Predigttext uns zumutet: Wir werden sehr unsanft von dem weggedrängt, was uns beschäftigt und was wir für nachvollziehbar halten. Und wir stehen plötzlich vor etwas, was wir uns so nicht gedacht und nicht gewünscht hatten: Der Himmel hat ja auf den ersten Blick aufgehört, der Himmel zu sein, wenn wir dort nicht nur die wiedersehen, die wir so schmerzlich vermisst haben, sondern auch die, die wir dann endlich hofften los zu sein.

Aber genau um diese Ausweitung unseres Horizonts geht es zu Himmelfahrt. Jesus Christus herrscht als König – das passt nicht in die Kategorien, in denen wir unsere Welt denken und sehen, und in die von Jesus auch nicht. Dahinter steht, dass wir ein grundsätzliches Problem mit der Macht haben, und mit der, die Jesus hier zugeteilt und zugetraut wird, ganz besonders.

Ist Ihnen das auch schon aufgefallen: Über Macht reden wir nicht gern. Die, die Macht haben, sprechen nicht von ihr, weil das Schweigen über Macht, die man besitzt, ein wichtiger Bestandteil dieser Macht ist. Und die, die sich ohnmächtig fühlen – wie wir meistens – verdrängen das in der Regel, in der Hoffnung, dann weniger darunter zu leiden. So ist Macht allgegenwärtig, aber „unbesprochen“, wie einer mal gesagt hat (Albrecht Grötzinger, PredStud. 2001, S. 289). Und so, als verschwiegene Tatsache, schwächt sie unsern Glauben gleich doppelt:

    • Wir trauen uns nicht mehr zu, Jesus als den Pantokrator, als den von Gott schon mit der Weltherrschaft betrauten zu bekennen und zu besingen.

    • Und wir trauen uns nicht mehr zu, etwas gegen den vielfältigen Machtmissbrauch in unserer Welt zu unternehmen.

Der Ruf nach Zivilcourage wird in unserer durchorganisierten und rundum abgesicherten Welt mit Recht immer lauter; denn es gibt auch in unserer Welt, in der in der Tat für jeden Notfall jemand zuständig ist, immer noch genügend Situationen, in denen es nicht genügt zu sagen: Hier müsste jetzt aber jemand... Und glauben im Sinne von Vertrauen heißt gerade nicht, in allen Lebenslagen die Hände in den Schoß zu legen – auch nicht die gefalteten Hände – sondern entsprechend dem Ruf Jesu „Folge mir nach!“ da zuzupacken, wo ich dazu die Gelegenheit habe. Jesus Christus herrscht als König – das heißt eben nicht, darüber zu lamentieren, warum wir von diesem König so wenig merken, sondern im Vertrauen auf seine Königsherrschaft getrost seinen Willen tun.

Eine Kollegin verweist in diesem Zusammenhang einmal auf ihre Erfahrung, wie sie Mutter geworden ist. Wie in der Schwangerschaft, sagt sie, ist schon in den ersten Wochen alles da, längst bevor das erste Ultraschallfoto gemacht werden kann. Man sieht noch nichts, und man spürt auch noch nichts. Aber schon in dieser Phase musste ich anfangen, meinen Lebensstil entsprechend umzustellen – und wollte das auch. Denn angesichts der Aussicht, ein Kind zu haben, bekamen alle andern Dinge einen neuen Stellenwert.

Ich könnte es auch so sagen: Wenn Himmelfahrt sagt „Jesus ist aufgestiegen, ist Gottes rechte Hand geworden“, dann gilt doch für uns, für seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, was immer gilt, wenn einer aufsteigt und versetzt wird: Die frei gewordenen Zuständigkeiten müssen übernommen werden. Kinder haben das Recht, nach einer neuen Erzieherin oder einem neuen Lehrer zu rufen, wenn die alten gegangen sind. Erwachsene sind in einer solchen Lage zur Eigenverantwortung aufgerufen.

Tatsächlich heißt es ja auch in der Himmelfahrtsgeschichte von den beiden Männern in weißen Gewändern, dass sie die Jünger ziemlich unsanft anfassen: "Ihr Männer aus Galiläa, was steht ihr da

und schaut zum Himmel?“ Und die Pfingstgeschichte, die wir in 10 Tagen hören, erzählt, wie die Jünger, die sich bis dahin immer noch nichts zugetraut haben, nun endlich an die Öffentlichkeit gehen und ihrer Berufung zum Apostel folgen.

Die christliche Kirche hat das mit dem Aufbau des Kirchenjahres ja auch sehr schön nachgezeichnet: Angefangen beim Weihnachtsfest, wo wir noch einmal klein anfangen dürfen, werden wir Schritt für Schritt ins Erwachsensein geführt. Und die lange Trinitatiszeit malt dann in verschiedenen Lebenssituationen aus, was das heißt.

Erwachsen werden ist ein schweres Stück Arbeit, wie jeder weiß, der mit Pubertierenden zu tun hat oder sich selbst an diese Zeit erinnert. Und wir Alten denken sicher öfter mal erleichtert: Wie gut, dass ich damit nichts mehr zu tun habe. Aber eine Lösung ist das natürlich nicht. Und vielleicht hatte der amerikanische Medienwissenschaftler Neil Postman ja Recht, wenn er feststellte: Die Medien sind es, die uns hindern, die Pubertät hinter uns zu lassen; denn sie ebnen den Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen ein. Erwachsene konsumieren die Comics gemeinsam mit ihren Kindern und Enkel, und die Kinder und Jugendlichen kennen durch das Internet keine Grenzen mehr. „Fernsehen wurde nicht für Idioten erschaffen – es erzeugt sie“, lautete ein Kernsatz Postmans in seinem Hauptwerk: "Wir amüsieren uns zu Tode" (1985).

Aber auch dieser Hinweis darf nicht zu einer billigen Entschuldigung werden, er soll uns nur helfen, unsere Situation besser zu verstehen. „Um Himmels Willen, gebt die Erde nicht auf“, hat Siegfried Macht Himmelfahrt übersetzt. Dass wir das Fest heute hier draußen feiern, führt uns die schöne Erde, die wir nicht aufgeben dürfen, eindrucksvoll vor Augen. Und es macht zugleich deutlich: Kirche ist nicht, wo Kirche drauf steht, sondern wo Kirche drin ist – eine Unterscheidung, die ja auch sonst oft hilfreich ist.

Und damit Sie Himmelfahrt wirklich als Fest weiterdenken können, und nicht nur als Aufgabe, will ich Ihnen zum Schluss ein beeindruckendes kleines Zwiegespräch mitgeben, aus einem Roman unserer Tage, ein Zwiegespräch zwischen zwei Liebenden über den Glauben:

»Glaubst du an die Auferstehung der Toten?« – »Ja«, hörte ich mich laut sagen, indem ich die Augen auf sie richtete. – »Wie gut!« sagte sie. – »Ja«, sagte ich, obschon ich es nicht glaubte. – »Du glaubst es! Wie mich das tröstet.« – »Ja«, hatte ich gesagt, obschon ich es nicht glaubte. Aber ich glaube, es gibt Augenblicke, wo man Ja sagen muß, auf Teufel komm raus, sofort, ohne mit der Wimper zu zucken … Wobei man die seltsame Erfahrung macht: Es gibt ein Ja, auch ins Leere gesprochen, das sich mit der Zeit seine Wahrheit schafft, in Erfüllung geht« (aus: Himmelfahrt...-GottesdienstPraxis B 2010 S. 45)

Predigt am Sonntag Jubilate 2014

veröffentlicht um 06.08.2014, 04:40 von Klaus von Mering [ aktualisiert: 06.08.2014, 07:48 ]

"Du Mensch" - Predigt über 1.Mose 1,1-4a.26-31: 2,1-4a – gehalten am 11.5.2014 in Hahn-Lehmden

Das Osterfest wird schon seit den Anfängen der Christenheit als neue Schöpfung gefeiert. Dass die Frauen Jesus „am ersten Tag der Woche sehr früh“ nicht in seinem Grab fanden und von dem Engel erfuhren: Er ist auferstanden, hat nicht nur dazu geführt, dass seitdem nicht mehr der Sabbat, der 7. Tag als Gottes Tag gefeiert wird, sondern der erste Tag, der Sonntag. Es führte auch dazu, dass die Begründung für den Feiertag, die Vollendung der Schöpfung, vom Sabbat auf den Sonntag überging.; denn erst mit dem Sieg Jesu über den Tod in seiner Auferstehung ist die Schöpfung wirklich vollendet.

Dass wir auf der Nordhalbkugel seitdem Ostern im Frühjahr feiern, hat diesen Gedankengang natürlich befördert. Die Erinnerung an die Schöpfungsgeschichte heute, am 3. Sonntag in der Osterzeit, das leuchtet unmittelbar ein, auch wenn man nicht viel von der Geschichte des Christentums weiß. Aber wir wollen nicht bei dem äußeren Zeichen der wieder erwachenden Natur stehen bleiben. Die Schöpfungsgeschichte als Ostergeschichte, das lädt zu einem vertieften Nachdenken ein.

Du bist nicht nur Ich, sondern immer auch Du. Der krasse Egoist, der nur an sich selbst denkt und immer nur fragt: Was hab ich davon? - er denkt nicht zu groß von sich, sondern zu klein. Und die von allen guten Geistern verlassene, die meint, niemand frage mehr nach ihr, soll wissen: Das kann ihr nichts und niemand nehmen, sie ist und bleibt ein Du. Das meint: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn“. Der Mensch ist nur ganz Mensch als Gegenüber, als Du Gottes und damit immer auch als Du seines Mitmenschen. Wer das abzieht, weglässt, leugnet, der reduziert, amputiert den Menschen, macht ihn kleiner, als er in Wahrheit ist.

Das steht im Zentrum dieser sog. Schöpfungsgeschichte aus dem Anfang der Bibel. Und das andere muss gleich hinzugefügt werden: Diese Offenbarung, diese Erkenntnis – du bist ein Bild, ein Gegenüber Gottes - ist Israel in der Gefangenschaft in Babel gekommen. Also nicht auf dem Höhepunkt des Glücksgefühls nach einem errungenen Erfolg, nicht im Augenblick seligen Staunens über „den gestirnten Himmel über mir“, nicht beim hingerissenen Anblick der nach langem Winter bunt und kraftstrotzend auferstehenden Natur. Nein, sondern angesichts der Erfahrung, dass man umstellt war in seinem Arbeitslager von den Bildern des babylonischen Großkönigs – wer seinerzeit aus dem Westen in die DDR fuhr und an der Grenze oder bei der polizeilichen Anmeldung oder im Bürgermeisteramt auf dem kleinsten Kuhdorf allüberall dem lächelnden Bild Erich Honneckers begegnete, der hat vielleicht eine matte Anschauung von diesem Umstelltsein, obwohl diese Bilder für uns aus dem Westen ja nur in sehr begrenztem Umfang Manifestationen von Macht waren, für mich hatten sie immer einen Hauch von rührendem „Gernegroß“, und das nicht nur, weil ich zufällig einen Kopf größer bin als Honnecker es war. Aber schlimmer als die Bilder – in Babylon waren es natürlich keine Fotographien, sondern Skulpturen – schlimmer als diese Abziehbilder waren hier wie dort die „kleinen Großkönige“, die sich auf die Autorität dieser Bilder beriefen: die Aufseher im israelischen Gefangenenlager, die sich notfalls mit ihrer Peitsche Respekt verschafften bzw. der Stasiangestellte, der in der riesigen Zwangsmaschinerie eigentlich nur ein winziges Zahnrad war, aber gerade deshalb ständig seine Macht demonstrieren musste.

In dieser Situation, in der eigentlich Verzweiflung angesagt war, auch und ganz besonders Zweifel an der Macht Gottes – die siegreichen Truppen aus Babylon hatten doch genussvoll den Tempel auf dem Zion zerstört und mit den heiligen Geräten ein gröhlendes Saufgelage veranstaltet, ehe man die überlebenden Juden zum Abtransport zusammentrieb, um sie später in Babel in den feuchtheißen Flußniederungen als Zwangsarbeiter zu missbrauchen – in dieser elenden und scheinbar aussichtslosen Lage, in der jedem einzelnen Tag für Tag brutal vor Augen geführt wurde, wie wenig ein Menschenleben wert ist, offenbarte sich Israel Gott als der Schöpfer des Himmels und der Erde und als der, der jeden einzelnen zu seinem Bilde, zu seinem ganz persönlichen Du geschaffen hat. Dies allein lohnt schon eine Predigt und einen Gottesdienstbesuch. Denn diese Wahrheit kann in entscheidenden Stunden spürbar trösten und zurechtrücken.

Im Übrigen wäre zu diesem Text natürlich eine Menge zu sagen, viel mehr als eine einzelne kurze Predigt leisten kann – angefangen von den immer noch und immer wieder neu aufgeworfenen Denkproblemen im Verhältnis Naturwissenschaft und Glaube; ich nenne als Beispiel nur die Tatsache, dass in den USA, also nicht in einem erzkatholischen Bananenstaat Südamerikas, sondern mitten in den hochtechnisierten Vereinigten Staaten von Nordamerika in bestimmten Regionen in der Schule im Physik- und Biologieunterrichts nicht die Darwinsche Abstammungslehre oder die Quantentheorie Maßstab ist, sondern die fundamentalistisch interpretierte biblische Schöpfungsgeschichte, egal unter welchen Vorgaben nebenan im sorgfältig gesicherten wissenschaftlichen Labor geforscht wird und obwohl auf der Farm auf der andern Straßenseite in großem Stil genmanipolierter Mais angebaut wird – oder gerade zum Schutz solcher Machenschaften?

Zu reden wäre über die Frage, wie das zusammengeht: das biblische Weltbild oder genauer die antiken Weltbilder, die sich in den biblischen Texten spiegeln, von den ältesten Schöpfungsmythen, wie sie uns noch in Ansätzen erhalten sind z.B. in der zweiten älteren Schöpfungsgeschichte, die sich an unsern heutigen Text anschließt, der Geschichte um Adam und Eva und ihre Vertreibung aus dem Garten Eden bis zu den Auferstehungs- und Himmelfahrtsgeschichten des Neuen Testaments oder den Bildern vom Ende der Welt in der Offenbarung Johannes: wie können diese Texte auch für uns Heilige Schrift sein, die wir mittlerweile ganz anderen Weltbildern verpflichtet sind und im Fernsehen die Landung der Marsrakete verfolgen?

Anders gefragt: Sind die biblischen Texte wirklich, wie die Evangelikalen in Amerika und anderswo behaupten, von Gott diktierte Fibeln für den Naturkundeunterricht, die es – allen veränderten wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz – ängstlich von Jahr zu Jahr abzuschreiben und weiterzureichen gilt. Oder sind sie nicht vielmehr, damals wie heute, Glaubensurkunden, in denen Gott den Menschen wissen läßt, wer er ist – er, Gott, und er, der Mensch – damit wir in allem, was wir denken und tun, einen verbindlichen Entscheidungsrahmen haben und gerade nicht abhängig davon werden, was für eine Weltentstehungs-Theorie unsere Naturwissenschaftler momentan für am wahrscheinlichsten halten?

Der Theologe Klaus-Peter Jörns – das genaue Gegenteil eines Evangelikalen; die würden ihn sicher am liebsten in die Hölle schicken – Klaus-Peter Jörns hat in seinem Aufsehen erregenden Buch „Notwendige Abschiede“ vor kurzem seinerseits den Abschied unseres Redens von der Ebenbildlichkeit des Menschen gefordert. Seine Begründung: Diese Vorstellung haben uns zu einer maßlosen Verachtung von Tieren und Pflanzen verführt, die doch auch Geschöpfe Gottes seien. Und: Wir würden, allen Beteuerungen zum Trotz, diese Gleichheit oder Ähnlichkeit auch immer umdrehen und Gott als menschenähnlich denken; dies aber führe zwangsläufig zu Absolutheitsansprüchen einzelner Religionen oder Konfessionen und damit zum Unfrieden unter den Menschen. Stattdessen müssten wir aus der Mystik lernen, dass alle Menschen, Konfessionen oder Religionen immer nur einen Teil der Wahrheit Gottes erkennten und sich deshalb miteinander verständigen müssten, statt sich zu bekämpfen bzw. zu missionieren.

Ich kann das hier nur in aller Kürze zusammenfassen und es ist hier auch nicht der Ort, dieses dicke und sehr gelehrte Buch von Jörns im Einzelnen zu würdigen. Aber ich denke, wir dürfen Jörns kritische Anfragen an herkömmliche Vorstellungen nicht aus dem Auge verlieren, wenn wir über die Welt und die Menschen als Gottes Geschöpfe sprechen.

Drei Punkte aus den vielen, von diesem Text her möglichen und nötigen, will ich heute herausgreifen:

Es gehört zur Gottebendbildlichkeit des Menschen, dass er als Mann und als Frau geschaffen ist. Daraus folgt: Keine menschliche Ordnung und Verhaltensweise, die in irgendeiner Form Männer gegen Frauen oder Frauen gegen Männer ausspielt, hat auf Dauer Bestand oder kann sich gar auf heilige Ordnungen berufen. Das bedeutet aber auch: Es gibt kein abstraktes Menschenbild losgelöst von der sexuellen Polarität zwischen Frau und Mann. Aus diesem Satz der Bibel folgt deshalb für mich beides: An einer Gesellschaft arbeiten, in der Frauen und Männer sich in gleicher Weise entfalten können und immer weniger bestimmte Rechte, Eigenschaften oder Pflichten einseitig Männern oder Frauen zuordnen. Und: Sich dafür einsetzen, dass Sexualität als Ausdruck von Menschlichkeit gelebt werden kann und dass unser Menschsein Schaden nimmt, wenn Sexualität zum bloßen Tausch- oder Protzartikel wird, genauso wie es früher Schaden nahm, als man sexuelle Enthaltsamkeit für eine moralisch höhere Lebensform erklärte.

Das „Lasst uns Menschen machen“ in der Schöpfungsgeschichte gehört nicht zu den Dingen, in denen Gott unsere Kooperation wünscht – da gäbe es vieles zu nennen. An anderer Stelle ist das unter den Begriffen „die Erde bauen und bewahren“ zusammengefasst. Der Ausdruck „ein Kind machen“ ist nicht nur eine geschmackliche Entgleisung, er leistet auch der Gefahr Vorschub, dass Kinder als etwas angesehen werden, was man „sich anschafft“, wenn einem danach ist, und die man ebenso gut wieder abschafft, wenn man keine Lust mehr auf sie hat. Ich denke zwar, dass die Einführung der Pille mehr gebracht hat als eine größere Wahrscheinlichkeit von Wunschkindern und bin bereit zu akzeptieren, wenn mir ein junges Paar erklärt, es sei ein himmelweiter Unterschied, ob man miteinander Sex habe oder sich gemeinsam ein Kind wünsche. Aber das „Menschenmachen“ sollen wir in jedem Fall dem überlassen, der als der Ewige allein der Tatsache gerecht werden kann, dass man mit einem Menschen nie „fertig“ ist. Das gilt entsprechend auch für alle wissenschaftlichen Arbeiten an der Entschlüsselung des Erbguts und der pränatalen Diagnostik: Was unsere Möglichkeiten erweitert, Verantwortung zu übernehmen, ist gut, was unsere ohnehin begrenzten Fähigkeiten, zu lieben, weiter einschränkt, ist vom Teufel.

3) Das Thema Schöpfung ist zum Thema dieses 3. Sonntags nach Ostern geworden, weil die Christen in der Auferstehung Christi den Beginn einer Neuschöpfung der ganzen Welt erblickten. Folgerichtig haben sie den wöchentlichen Feiertag vom 7., dem jüdischen Sabbat, auf den „ersten Tag der Woche“ (Mark 16,2), den Auferstehungstag verlegt. Ob sie gut und recht daran taten, sich auch darin als „Erben“ der Juden und ihres Sabbatgebotes zu fühlen und die Sabbatruhe so ungeniert auf den Sonntag übertrugen, ist mir allerdings fraglich. Keine Frage aber ist – und die große Aufmerksamkeit, die Arbeitsruhe und freie Zeit in unserer Gesellschaft finden, belegen das - : Der Mensch braucht die Befreiung vom Druck und Lärm der Arbeit, um ein Ohr zu bekommen für die leise Stimme der Erlösung. Von daher gehören Ruhe und Gottesdienst zusammen, ohne dass man das aus meiner Sicht unbedingt in ein Siebentage-Schema pressen muß. Dass Gott den siebten Tag als Tag der Vollendung der Schöpfung mit seinem Ruhen segnete und heiligte, nimmt uns allerdings unabhängig von der Sorge um den Gottesdienst in die Pflicht, für gemeinsame Ruhezeiten einzutreten, für die Familie, für das Dorf oder die Stadt, für eine Region oder einen Lebensraum.

Wenn wir nicht als Ich, sondern erst als Du ganze Menschen sind, brauchen wir verbindliche Zeiten, an denen Gott uns und wir uns gegenseitig ansprechen können. Geben Sie deshalb dem Sonntag und dem Gottesdienst in Ihrem Umfeld eine Chance – um Gottes Willen, aber auch um unseres Menschseins willen! Amen