Beispielseiten Psalmmeditationen

Silvester (auf Langeoog)

Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.

So wie die Ebbe das Land weit macht

und die Berechenbarkeit unserer Fahrpläne unsicher,

wie die Flut uns anlockt mit ihrer Gewalt

und uns mit ihrem Dröhnen schweigen hilft,

so wirst du unvermutet spürbar in unserm Leben,

wenn wir uns lösen von unsern Selbstverständlichkeiten

und uns mitnehmen lassen von einer ungewohnten Landschaft,

die noch unmittelbarer deine Schöpfung zu atmen scheint.

Der eisige Wind reißt mir die Maske meiner bequemen Vorläufigkeiten vom Gesicht

und das flirrende Licht spottet meiner kümmerlichen Erleuchtungen.

Die Möwe, die scheinbar schwerelos über der Brandung schwebt,

fragt mich, welche Kräfte mein Leben tragen

und das Knacken zerbrechender Muschelschalen im frostharten Sand

begleitet als mahnendes Metronom meine tastenden Schritte durch zeitlose Tage.

Wie überwältigend ist deine Güte, Gott, in ihrer Gewaltlosigkeit

und wie hinreißend das Leben, zu dem du mich lächelnd einlädst!

Lass mich den unscheinbaren Sternen deiner Treue mehr Zukunft zutrauen

als den wichtigtuerischen Böllern unserer Beschwörungen

und wenn dieser ganze mühsame Versuch, dem Alltag davonzulaufen, wieder wie eine Insel hinter uns zurückbleibt,

dann lass mich mitten in den alltäglichen Häuserzeilen auf deine Schriftzeichen stoßen,

die mich an diese Auszeit hier erinnern, aus der du mich ins Leben rufst.

Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.

(nach Ps 36)

Sorgfältig leben – Psalm zum 18. Sonntag nach Trinitatis

Lass dein Herz meine Worte aufnehmen und halte meine Gebote, so wirst du leben, spricht der Herr. (Spr 4,4)

"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern", sagte man mir,

und ich spürte, wie meine Freunde auf einmal nicht mehr meine Freunde waren.

"Begib dich nicht in schlechte Gesellschaft", sagte man mir,

und ich lernte zu unterscheiden,

zwischen solchen, die mir nützen und denen, die mich nicht weiter bringen.

Aber von dir höre ich, Herr:

Du hast die Gesellschaft der Zöllner und Sünder gesucht.

Du hast die Erfolgreichen gewarnt

und die Armen selig gepriesen - und mir dämmert:

Ordnung ist nicht Ordnung und Gebot nicht Gebot.

Es ist nicht in Ordnung,

wenn die Frommen sich abgrenzen gegen die Ungläubigen,

aber mit den Mächtigen machen sie gemeinsame Sache –

jedenfalls nicht deine Ordnung!

Es entspricht nicht deinem Gebot,

wenn die Gerechten auf Abstand gehen zu den Gestrauchelten,

aber den Reichen machen sie ein gutes Gewissen –

jedenfalls nicht dem Gebot Jesu.

Weise uns, Herr, den Weg deiner Gebote

und erhalte uns in der Ordnung deiner Liebe

Lass dein Herz meine Worte aufnehmen und halte meine Gebote, so wirst du leben, spricht der Herr.

(nach Ps 1)

Michaelis – Mit Menschen- und mit Engerlszungen

Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.(Ps 91,11)

Mancher hat ihn schon erfahren, Gott, deinen Schutzengel, der rettend dazwischen trat.

Dankbar denkt er jetzt an deine wunderbare Bewahrung.

Andere machen an ihrem Engel das Vertrauen fest,

dass du ihnen ganz persönlich Rat gibst und hilfreiche Weisung.

Aber sie alle können die Tränen derer nicht trocknen,

die vergeblich auf den rettenden Engel gewartet

oder seit einem bestimmten Tage verzweifelt gefragt haben: Wo war er?

Machen deine Engel denn Fehler, Gott?

Oder hast du zu wenig

für die vielen Gefahren, in die wir uns bringen?

Lass uns nicht allein mit unsern Fragen

und schließe unsern Dank auf zu einer Schutzhütte für andere.

Lass uns hören auf die Worte.

Die du uns sandtest durch der Engel Mund,

und lass uns einstimmen in das „Heilig heilig“,

das die himmlischen Chöre dir darbringen.

Sie wissen besser, dass du auch da unser Gott bist, wo wir dich nicht sehen.

Und sie führen auch da deinen Auftrag aus,

wo wir ihren Dienst nicht begreifen.

Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.

(nach Ps 103,19-22)